Aus einem alten Werbener Deichregister.
Von E. Wollesen, D. theol. h. c., Zeitz.
Als ältester Bestand des im Magdeburger Staatsarchiv aufbewahrten Werbener Ratsarchivs wurde mir ein Deichregister über die Jahre 1476 bis 1524 vorgelegt. Ältere Deicharchivalien sind wenige vorhanden und bekannt, darum dürften einige Mitteilungen aus diesem alten Werbener Deichregister, wie unvollständig sie auch sind, willkommen sein.
Es handelt sich in dem Register um die immer wieder notwendige Ausbesserung einer bestimmten Deichstrecke und um die Aufbringung und Verteilung der Ausbesserungskosten. Der Deich wird verschieden benannt, 1476 „dyk thom Berghe", dann „m. g. h. s. diek to dem berge", „der verlorene dyk" (1490), „der brocksame dyk bauen dem Berge" (1503) und „der verlorene Deich unseres Gn. Herrn" (1520). Wir müssen danach annehmen, daß der Deich, um den es sich hier handelt, oberhalb des am linken Elbufer bei Werben gelegenen Dorfes Berge zu suchen ist. Aus den Bezeichnungen „verloren", „brocksam" müssen wir entnehmen, daß er nicht sehr fest und sicher gewesen ist. Wenn er als der Deich „u. gn. h.", also des Kurfürsten, bezeichnet wird, so ist doch wohl daraus zu schließen, daß er auf Veranlassung und Kosten der Landesregierung errichtet ward. Die anderen Deiche stammten aus der Zeit her, in welcher Albrecht der Bär und sein Nachfolger die des Deichbaus kundigen Niederländer zur Kultivierung dieser Gegend herbeigerufen hatten. Die Deiche waren schon ursprünglich fest, stark und hoch angelegt und im Laufe der Zeiten noch mehr verstärkt, erhöht und verbreitert worden. Genaue Deichrollen führten und führen noch Hof für Hof nach Rute, Fuß und Zoll auf, was jeder der Deichpflichtigen zur Erhaltung der Deiche zu leisten hat. Die älteste und bekannte, das Deichwesen regelnde Ordnung stammt aus dem Jahre 1436. Damals einigten sich in unserem Hindenburg Mannen und Städte der Altmark und alle, „die to den Dyken gehören und in der Drenke sitzen", in Gegenwart des Markgrafen Johann und seiner Räte über die Deichschauen „bei solchen Wetten, Bußen und Peinen, als vor Alters darauf gesetzt und Gewohnheit gewesen ist" (vergl. Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg, 2. Teil, Seite 142 ff.). Die Unterhaltung des „brocksamen Deiches" war nicht den einzelnen anliegenden Höfen übertragen, sondern den beiden Städten Werben und Seehausen. Nach allem muß es sich um den Deich handeln, der das sogenannte Sandauerholz gegen die Elbe schützen soll (vergl. a. a. O., 1. Teil, S. 191 f.).
Die diesen Städten obliegende Unterhaltung dieses Deiches erforderte Jahr für Jahr erhebliche Kosten. Es seien einzelne Ausgaben hier angeführt: 1476 „Pelegrim hefft aufgeantwortet IV Gulden rinsk. von den Seehusenschen wegen, dar hefft Pelegrim 1 Mark wedder aff empfangen, da he sall vor kopen pele und roden, item von sodane Mark hefft he gekofft VI stock (6 Schock) stele". Ein anderes Mal heißt es: „Wy hebben verdykent XII mark und XVI Gulden und hefft de Radt von Seehusen togelegt VIII gulden. Item de Radt vonn Seehusen III punt und V gulden vonn olden, dart Arndt Engeln vor gelawet hefft. Item Gercke Conen hefft bouen dessen rekenscap noch XIII gulden uppelecht". Wieder ein anderes Mal mußten 35 Ruten des Deiches gebessert werden; die Arbeit wurde dem Niegenkerken und seinen Helfern übertragen, „davor hebbe sie ehme gebauet to geuende vor igliche Rode ein lodt unnd 1 tunne bier". „Item den luden to Robell vor den verlorenen Dyke syn gegeuen III margk unnd II to bier." Im Jahre 1520 sind 60 Fuder Ruten --- jedes Fuder 3 Schilling --- zum Deiche gekommen; Gise Belitz, Achim Calve und Hans Klinte haben sie fahren lassen. 1524 hat Hans Springeinthguth für 8 Tage empfangen 1 Gulden minus 1 orth, für 6 Tage 18 Schilling. In demselben Jahre betrugen die gesamten Deichkosten 98 Mark 9 Schilling 4 Pfg., dazu gab die Stadt Seehausen 50 Gulden, der Hauptmann Busso von Bartensleben 14 Gulden 14 Gr.
Als Material für die Ausbesserung des Deiches werden Slete, Pele, roden, stele, also Schlehte, Pfähle, Ruten und Stiele genannt. Unter Rode (Rute) ist bald Buschwerk, bald Längenmaß zu verstehen; der ganze Deich war in Ruten eingeteilt; ein solches eisernes Längenmaß befindet sich noch heute an dem Werbener Rathaus.
So oft es not tat, kamen Abgesandte des Rates von Seehausen und von Werben zusammen, um die Ausbesserungen festzustellen, zu vergeben und die Kosten auf beide Städte zu verteilen. Da heißt es zum Jahre 1511: „Am Donnerstage nach Walburgen hebben die utgeschickeden des Radtes von Sehawsen und vonn Werben mit name Achim gagell und Hans klinthe Jacob berndes verdinget m. g. H. diek to dem berge oever to bringende XXXV Rodenn langk". In demselben Jahre werden ähnliche Deicharbeiten noch einmal verdungen; von Seehausen nehmen Peter Rosenhagen und Achim Gagel daran teil, von Werben Hans Klinte und Heinrich Goldbeck. Ferner werden als Verordnete im Jahre 1515 Heinrich Goldbeck und Jakob Belkow, 1517 Hans Klinte und Hans Belitz, 1519 Peter Kroger, Peter Cunow und Gerke Vintzkow, 1520 von Seehausen Hans Karstede und von Werben Hans Kleine, 1523 von Seehausen Hans Belitz und Hans Holländer genannt.
Den Familienforschern zuliebe seien aus dem Jahre 1503 die Namen der im Deichregister aufgezählten Bewohner von Berge genannt: Schrepkow, Hans Nygenkerke, Peter Richert, Jakob Klinckow, Gisse Belitze, Achim Maaß, Moritz Greven (?). Auch die folgenden scheinen in Berge gewohnt zu haben: Bertolt Pletze, Hans Belitz, Merten Engel, Tidecke Konow, Claus Cunow.
Von den 1519 genannten Werbenern seien kurz die folgenden Namen wiedergegeben: Clawes Jugert, Thomas Engel, Gercke Falkenberg, Matthias Conow, Gise Belitz, Hans Konow, Peter Pletze, Achim Calve, Jakob Belkow, Jakob Tornow, Peter Cock, Plochwurth; die Familien Jugert, Engel, Conow, Belitz, Pletz, Calve haben in der Folgezeit in der Werbener Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt.
Zum Schluss weisen wir noch kurz auf einige Deich-Kaufbriefe hin. Im Jahre 1506 am Sonnabend nach Visitationis Mariae hat Sabell Kroger zu Neukirchen den Räten von Osterburg, Seehausen und Werben versprochen, ihnen 27 M. minus 2 Gulden, die jene Räte bei seinem Deichdurchbruch vor 4 Jahren ausgelegt, in drei Terminen, nämlich Michaelis in drei Jahren je 9 Mark, zu zahlen. Hauptmann der Altmark war Albrecht von der Schulenburg, Dekan zu Stendal war Heinrich Belitz und Propst zu Seehausen war Nikolaus Seger.
1507 erlauben die Markgrafen Joachim und Albrecht, daß die Brüder Jürgen und Andreas von dem Berge eine jährliche Rente von 2 Mark dem Rate der Stadt Werben für 32 Mark Hauptsumme wiederkäuflich verkaufen.
Zwei Jahre zuvor hatte der Markgraf dem Jakob Stolting gestattet, eine jährliche Rente von 2 Gulden an die Räte von Seehausen, Werben und Osterburg für 30 Gulden auf seinen Hof zu verkaufen. Ueber die einst in Käcklitz angesessenen Stolting ist Näheres in „Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg", Teil 1, Seite 236 ff. zu finden. Ueber den Bruch des „brocksamen" Deiches im Jahre 1909 gibt die Schrift „Die Elbüberschwemmung der altmärkischen Wische im Jahre 1909" weiteren Aufschluß.