Berühmte Werbener.
Von E. Wollesen.
Es ist eines jeden Volkes Pflicht, dankbar seiner großen Männer zu gedenken. So erfüllt es eines jeden Patrioten Herz mit größter Freude, daß unser deutsches Volk in der Gegenwart eifrig bemüht ist, diese Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Aber nicht nur jedes Volk hat diese Pflicht, sondern auch jeder einzelne Ort. Wenn freilich nicht jeder Ort seinen großen Männern herrliche Denkmäler aus Erz und Stein errichten kann, so ist doch jeder Ort in der Lage, das Denkmal dankbarer und stolzer Erinnerung an sie in den Herzen der Bewohner aufzurichten. Das wollen nun auch wir zu tun versuchen, indem wir in dem folgenden das Leben und Wirken berühmter Männer schildern, welche aus dem kleinen altmärkischen Städtchen Werben hervorgegangen sind. Die Berühmtheit dieser Männer --- das sei von vornherein bemerkt --- liegt auf den Gebieten der Künste und Wissenschaften; da diese nur in den Zeiten äußeren und inneren Friedens zu finden sind, so gehören jene Männer den drei Epochen der Werbener Geschichte an, welche sich durch Frieden und Wohlstand besonders auszeichnen, nämlich der Zeit bis zur Reformation, der Zeit bis zum Einbruch des dreißigjährigen Krieges und der Gegenwart. Freilich werden wir nicht gut anders können, als auch der berühmten Männer des vorigen Jahrhunderts zu gedenken, welche zwar nicht aus Werben stammen, aber in Werben kürzere oder längere Zeit amtiert haben.
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Der erste berühmte Werbener, welchen wir nennen müssen, ist Henning Göde. Leider sind uns über seine Kindheit und Jugendzeit fast gar keine Nachrichten überliefert; wir wissen nur, daß er sich im Jahre 1464 als Studiosus beider Rechte in das Album der Erfurter Hochschule einschreiben ließ. Gerade in seiner Jugendzeit herrschte in seiner Vaterstadt Werben ein reges kirchliches Leben, welches ganz besonders in zahlreichen kirchlichen Stiftungen Ausdruck fand; es war die Zeit, in welcher der Priester Dietrich Rotideke, der Stifter der Ottilienkapelle, mehrere Legate für die Armen aussetzte, Hans Lentze zum Bau der St. Gertrud-Kapelle eine größere Summe hergab, die Johanniter in der Mildtätigkeit gegen die Armen ihre beste Seite hervorkehrten und die ganze Gemeinde den großartigen Erweiterungsbau ihrer St. Johanniskirche vorbereitete. So mochten schon damals in das Herz des Jünglings treue Anhänglichkeit an seine römische, mütterliche Kirche und fromme Opferwilligkeit gepflanzt werden, Eigenschaften, durch welche er sich in seinem späteren Leben besonders ausgezeichnet hat. Nachdem der Knabe und Jüngling die Lateinschule seiner Vaterstadt, vielleicht auch die höhere Schule einer größeren Stadt besucht hatte, wählte er zum Studium die Universität Erfurt. Die Wahl gerade dieser Hochschule lag nahe genug, zeigte doch das kirchliche wie das bürgerliche Leben der Stadt in jener Zeit eine Blüte, wie sie nur wenige deutsche Städte hatten. Erfurt war die erste Stadt des deutschen Nordens, welcher der päpstliche Legat, Kardinal Nikolaus von Cusa, zwölf Jahre zuvor die Kunde gebracht, daß der vollkommene Ablaß Nikolaus V. unter gewissen, erheblich einfacheren Bedingungen, in Italien, auch in Deutschland erlangt werden könnte. Kaum war ein Jahr nach dem Auftreten des Nikolaus von Cusa verflossen, da sah die Stadt den großen Bußprediger aus dem Barfüßerorden, Johannes von Capistrano, um dessen Person sich bereits ein ganzer Kreis von Sagen gebildet hatte, in ihren Mauern, der dort eine Mission begann, wie sie die Stadt bisher noch nicht gesehen hatte. Das Wirken beider Männer hatte die Stadt weithin berühmt gemacht. Und diese Berühmtheit mochte auch Henning Gödes Augenmerk auf Erfurt gelenkt haben, um so mehr, als auch schon zwei Werbener Landsleute vor ihm in Erfurt studiert hatten. Nachdem er mit großem Eifer die „Rechte\" studiert hatte, beschloß er, sich ganz der juristischen Wissenschaft zu widmen; er blieb in Erfurt und stieg gar bald die Stufen akademischer Würden und Ehren. Einer seiner Biographen erzählt uns, daß er im Jahre 1474 die Magister- und bald darauf die Domherrnwürde erlangt, im Jahre 1481 das Dekanat verwaltet, im Winter des Jahres 1486 aber und 1489 gar das Rektorat auf dieser hohen Schule unter dem Titel eines Doktors der „Künste und beider Rechte" geführt habe. Die letzteren Angaben bestätigen uns auch die bezüglichen Eintragungen in der Matrikel der Universität von den Jahren 1486 und 1489. Wenn er in den letzteren beiden Malen als „aus Havelberg" bezeichnet wird, so erklärt sich das entweder daraus, daß die Eltern des Henning Göde schon früh ihren Wohnsitz Werben mit Havelberg vertauschten, oder damit, daß er selbst sich nach der seinem Geburtsort am nächsten belegenen bekannteren Stadt benannte. Bei der Eintragung des Jahres 1489 zeigt uns der Anfangsbuchstabe sein Wappen: in der oberen Hälfte des Schildes ein halbierter goldener Stern im roten Felde; Schildhalterin ist die heilige Katharina mit Schwert und Rad. Göde war ein so bedeutender Jurist, daß die Zeitgenossen ihn durch den Beinamen „Monarch des Rechtes" ehrten, daß der berühmte Melchior Kling ihn einen „unparteiischen, redlichen und von allen Chikanen entfernten Juristen" nannte. Seinen höchsten Ruhm erntete er erst in den späteren Jahren seines Lebens. Als sich 1510 die niedere Bürgerschaft Erfurts in wildem Aufruhr gegen die Patriziergeschlechter, welche eigennützig ihre Aemter verwalteten, erhob und auch die Studentenschaft mit in die Empörung hineinzog, verließ auch Henning Göde die Stadt, um in Wittenberg Sicherheit zu suchen und zu finden. Dieser Aufruhr hatte seinen tiefsten Grund in Zwistigkeiten zwischen dem mächtigen Sachsen und der Stadt Erfurt, welche Sachsens Schutzherrlichkeit 1483 hatte anerkennen müssen. In Wittenberg hatte darum der friedfertige und berühmte Rechtsgelehrte Henning Göde seinen sehnlichsten Wunsch und sein höchstes Ziel, als einen Ausgleich zwischen Erfurt und Wittenberg herbeizuführen, aber erst 1515 erreichte er im Bunde mit dem Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg und dem Ratsmeister Hüttener sein Ziel, indem er einen Vergleich herbeiführte, kraft dessen die Flüchtlinge wieder in die Stadt Erfurt aufgenommen werden mußten. Dieser Vergleich war beiden Seiten so angenehm, daß die sächsischen Fürsten den Henning Göde bis ans Stadttor begleiten ließen, die Stadt Erfurt aber ihn durch dreißig entgegen geschickte Reiter empfing, welche ihn durch die Stadt bis an sein Haus brachten. So imposant war diese Einholung, daß sie ein damaliger Poet mit der Wiedereinführung Ciceros in Rom verglich. Nach einiger Zeit kehrte Henning Göde nach Wittenberg zurück, wo gerade damals der Mönch Martinus das Werk der Reformation begann. In welcher Beziehung Göde näher zu Luther gestanden, wissen wir nicht, aber das wissen wir, daß er über die Vernichtung des „Jus canonicum" durch Luther vor dem Elstertore zu Wittenberg sehr ungehalten war. Als Professor beider Rechte und letzter katholischer Propst der Wittenberger Allerheiligen- oder Schloßkirche starb er am 21. Januar 1521 in Wittenberg und fand dort auch seine letzte Ruhestätte. Auch Luther erwähnt in den Tischreden den Tod des Henning Göde. Der Hildesheimer Domherr Matthias Meyer ließ ihm sowohl in der Wittenberger Schloßkirche als auch im Erfurter Dom kostbare Denkmäler errichten. Es ist beide Male derselbe berühmte Bronzeguß des Nürnberger Meisters Peter Vischer, die Krönung der Maria. In der Mitte des Bildes über Wolken, in denen Engel schweben, kniet Maria; Gott-Vater, mit der Krone und dem Reichsapfel, Gott-Sohn, mit der Dornenkrone, halten über dem Haupte der betenden Maria die Krone; über demselben schwebt der heilige Geist, symbolisiert durch eine Taube, zur Seite kniet der Verstorbene mit seinem Wappenschilde, hinter ihm sein Schutzpatron und ein Diener. „Beide Güsse sind durch dieselbe Sauberkeit der Arbeit und die Glätte der Politur ausgezeichnet, doch leidet die geschmackvoll aufgebaute Komposition im Ausdruck an einer gewissen Leere und an einer etwas allgemeinen Schönheit der Gestalten", urteilt ein neuerer Kunsthistoriker. Ueber dem Bilde stehen zwischen musizierenden Engeln lateinische Verse, welche von Stier folgendermaßen übersetzt sind:
„Hoch zum Thron entschwebet die Königin auf zu dem Höchsten,
Chören der Engel voraus und entgegen wandelt der Sohn ihr
festlich und hebet die Mutter empor in den seligen Himmel."
Henning Göde hat der Stadt Wittenberg seine Asche, der Stadt Erfurt ansehnliche Vermächtnisse und der gelehrten Welt einige von Kennern wert gehaltene Schriften hinterlassen. Der philosophischen Fakultät zu Erfurt hat er zur Verbesserung ihrer Einkünfte 1000 Gulden und zwei Stipendien gewidmet; ferner hat er das Haus, in welchem er als Kanonikus gewohnt, auf seine Kosten von Grund aus neu aufbauen und ausschmücken lassen; endlich hat er bestimmt, daß jährlich drei arme, jedoch fromme und unberüchtigte Jungfrauen von den fünf großen Handwerken der Schlächter, Tuchmacher, Lohgerber, Schmiede und Kürschner mit 60 Gulden ausgesteuert werden sollen. Dieser Stiftung zufolge schlagen die Obermeister jener Zünfte jährlich am Tage vor Mariä Himmelfahrt aus jedem Handwerk eine Person vor, während das Kapitel des Stifts „Unserer Lieben Frauen" aus diesen drei auswählt, an welche am Todestage des Stifters das Legat gezahlt wird. Beim Rückblick auf das Leben dieses berühmtesten Werbeners müssen wir dem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß uns aus seinem späteren Leben gar keine Beziehungen zu seiner Vaterstadt bekannt geworden sind. Interessant ist es jedenfalls, daß das Grabdenkmal eines Werbeners noch heute zwei der bedeutendsten deutschen Kirchen schmückt, die Schloßkirche zu Wittenberg und den Dom zu Erfurt!
Unter den 27 Werbenern, welche in der Zeit von 1502 bis 1602 in Wittenberg studierten, haben zwei besondere Bedeutung erlangt: Heinrich und Andreas Goldbeck. Die Goldbeck sind eine alte in Stendal und Werben ansässige Familie, welche ursprünglich der Stendaler Gewandschneidergilde angehörte. Unter den Stendaler Ratsmitgliedern wird schon 1349 und 1365 ein Franke Goldbeck genannt. Für einen Hans G. wurde am 16. Juli 1473 eine Memorie in der St. Marienkirche zu Stendal gestiftet. Gregor ist 1486 und 1493 Ratsmitglied in Stendal. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts taucht der Name „Goldbeck" auch in der Werbener Geschichte auf, um bald für dieselbe eine große Bedeutung zu gewinnen, denn bis zum dreißigjährigen Kriege hin stand immer ein Mitglied dieser Familie an der Spitze der Stadt. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatten die Goldbecks das Dorf Klein-Ballerstedt bei Osterburg von den von der Schulenburg zu Lehen und waren Kallatoren der zweiten Vikarei der Kapelle Beatae virginis in der Stendaler Marienkirche; im weiteren Verlaufe des Jahrhunderts erwarben sie auch Lehngüter in Räbel und Berge bei Werben. So gehörten also beide berühmten Werbener, Heinrich und Andreas, einer ebenso angesehenen wie begüterten Familie an.
Der Vater des Heinrich Goldbeck war Andreas G., von dem uns erzählt wird, daß er 51 Jahre dem Rathause zu Werben „vorgestanden" habe; die Mutter war Anna, die Tochter des Werbener Bürgermeisters Martin Engel. Da Heinrich im Jahre 1527 in Werben geboren war, so fiel seine Kindheit und erste Jugendzeit mitten in die Kämpfe hinein, welche auch in seiner Vaterstadt um die Einführung der Reformation entbrannten. Der Rat der Stadt war ein eifriger Anhänger der Reformation, so konnte es denn dem Sohne des Werbener Bürgermeisters keinen Augenblick zweifelhaft sein, auf welche Seite er sich in den Streitigkeiten zu stellen habe. Gewiß gehörte auch er zu denjenigen, welche bereits im Jahre 1539 der Predigt des vom Rate berufenen evangelischen Predigers Augustin Brinkmann lauschten. Die Zeit des Studiums kam heran. Die Kommission, welche hier in Werben 1542 die erste Kirchenvisitation abhielt, überließ ihm die Vikarei Exulum fünf Jahre lang zu seinem Studium in Frankfurt a. O. Indessen hat er wohl gar nicht die Frankfurter Hochschule bezogen; wenigstens finden wir seinen Namen nicht im Album derselben; sein evangelisches Herz trieb ihn nach Wittenberg, wohin er bereits im Oktober 1543 mit seinem Landsmann Georg Belitz aufbrach, um sich dem juristischen Studium zu widmen. Gewiß ist er auch mit dem Reformator selbst in einige Berührung gekommen, erscheint doch die Annahme nur zu begründet, daß er der hochherzige Spender der mit des Reformators eigenhändiger Widmung[1]) versehenen Lutherbibel aus dem Jahre 1545 ist, welche noch heute eine bemerkenswerte Sehenswürdigkeit der Werbener Pfarrkirche bildet. Nach Beendigung seiner juristischen Studien in der Heimat suchte er Italiens weltberühmte Hochschule Bologna auf, wo er, 29 Jahre alt, in Gegenwart mehrerer deutscher Jünglinge, eines Otto von Arnsberg, Jakob von Schwerin, Melchior von Katte, Andreas von Borck, Balthasar von Arnstedt, 1556 die Doktorwürde annahm. In die Heimat zurückgekehrt, sah er sich bald für allen Fleiß belohnt: Gelegentlich einer Zusammenkunft mit den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich von Mecklenburg in Ruppin ernannte Kurfürst Joachim II. ihn zum Rat, nachher aber zum Hof- und Kammergerichts- auch Altmärkischen Quartalgerichtsrat. Das Vertrauen seines Kurfürsten übertrug ihm die Vormundschaft der unmündigen Prinzen Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg, ernannte ihn zum Brandenburgischen Vize-Kanzler und zum Geheimen Rat und verwandte ihn zur Erledigung mannigfacher staatlicher Aufträge. Seit dem Jahre 1559 war er mit Ursula, der Tochter des Berliner Bürgermeisters Hans Tempelhof, verheiratet; aus dieser Ehe stammten sechs Töchter, welche sich sämtlich mit hohen brandenburgischen Beamten vermählten. Heinrich Goldbeck bewahrte sich trotz seiner hohen, würde- und bürdenreichen Stellung die Liebe zu seiner Heimatstadt Werben; wiederholt besuchte er seine Heimat und lieh ihr seine Hilfe, wie er denn z. B. im Jahre 1572 als Kommissar bei einem Streite wegen des jenseits der Elbe belegenen Grundstückes des Kalepin fungierte. Wie seine Angehörigen, so setzte auch er ein Kapital zu wohltätigen Zwecken in seiner Vaterstadt aus; 50 Gulden sollten dem Kaplan jährlich zu Michaelis mit 9 Scheffel Roggen verzinst werden. Jedenfalls ist auch diese wohltätige Stiftung, wie alle anderen, in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges abhanden gekommen. Nachdem Heinrich Goldbeck 23 Jahre hindurch den beiden Kurfürsten Joachim II. und Johann Georg treu gedient, starb er am 21. Dezember 1579; er fand seine letzte Ruhestätte in der Berliner Nikolaikirche, woselbst noch im vorigen Jahrhundert neben der Orgel das Grabdenkmal, das ihm die Gattin errichtet hatte, zu sehen war. Eifer in seinem Beruf, Treue gegen seine Kurfürsten, Liebe zu seiner Vaterstadt zeichneten diesen berühmten Werbener in hervorragendem Maße aus.
Der nächstältere Bruder des Dr. Heinrich Goldbeck war Martin G., Ratskämmerer in Werben, der mit Lucia Kaulitz vermählt war; von seinen drei Söhnen brachte es der älteste, Andreas, am weitesten. Nachdem derselbe in seiner Vaterstadt die nötigen Anfangsgründe erlernt hatte, wurde er nach Berlin gesandt, wo er unter der Aufsicht des berühmten Oheims, Dr. Heinrich Goldbeck, nicht nur auf niederen, sondern auch auf höheren Schulen fleißig studierte. Von Berlin aus wandte er sich über Magdeburg nach Wittenberg, wo er sich am 19. März 1581 immatrikulieren ließ, besuchte nach Beendigung seines dortigen Studiums Heidelberg und Straßburg und trat von dort aus eine Studienreise durch Frankreich und Italien an. Auf seiner Rückreise aus Welschland nahm er im Monat März zu Basel die Doktorwürde an. Hierauf zeigte er in der Heimat, was er gelernt hatte, übte sich hier zunächst praktisch als Advokat und siedelte dann nach Prag über, wo er „in hohen Landesgerichten seinen Klienten bedienet war". Schon 1594 finden wir ihn wieder in Deutschland und zwar in Leipzig, wo er 1596 in das Schöppenkollegium gewählt ward. 1608 aber wurde er Kurfürstlich Sächsischer Regierungsrat in Dresden. Leider konnte er dieses hohe Amt nicht lange verwalten, am 6. Juni 1609 starb er in einem Alter von 65 Jahren auf seinem Gute Stötteritz bei Leipzig, wohin er sich wegen einer gefährlichen Erkrankung begeben hatte. Andreas Goldbeck war zweimal verheiratet und zwar zuerst mit der Witwe des ehemaligen Leipziger Syndikus Christoph Reiche, einer Tochter des Leipziger Bürgermeisters Paul Franckenstein, und sodann (1600) mit der Tochter des Kurfürstlich Brandenburgischen Vize-Kanzlers Christoph Benckendorf. Aus beiden Ehen stammten fünf Kinder, von denen der eine Sohn, Christoph, 1633 als Kapitän im Klitzischen Regiment genannt wird, die eine Tochter, Sabina, den berühmten Peter Frize heiratete. Seine hinterlassenen Schriften handeln vom Erbrecht. Ob auch Andreas Goldbeck in seinem späteren Leben noch Beziehungen zu seiner Vaterstadt gehabt und unterhalten hat, ist uns leider nicht bekannt geworden; ebenso wenig, ob das demselben einst in der Leipziger Pauliner-Kirche errichtete Grabdenkmal noch heute dort vorhanden ist.
Ueber die Familie Goldbeck sei hier noch kurz bemerkt, daß sie vom Einbruch des dreißigjährigen Krieges an in der Werbener Lokalgeschichte nicht mehr vorkommt, daß der Schwedenkönig Gustav Adolf 1631 in dem am Werbener Markte belegenen ehemaligen Goldbeck'schen Hause abstieg, daß der Geheime Tribunalsrat Heinrich Julius Goldbeck, der nachmalige Groß-Kanzler Heinrich Julius von Goldbeck, im Jahre 1776 das Gut Seehof bei Werben kaufte und es „Neu-Goldbeck" nannte.
Während diese Werbener auf dem Gebiete der Wissenschaft großen Ruhm erlangten, zeichnete sich ein anderer Werbener, Hans Hake, auf dem Gebiete der Bildhauerkunst rühmlich aus. Leider wissen wir über seine Abstammung, Entwickelung, Ausbildung, nichts; nur eine Vermutung ist es, daß er von dem gegen Ende des 16. Jahrhunderts öfter in Werben genannten Kleinschmiede Barwart Hake abstammt; um so willkommener ist es, daß noch heute seine Werke von seiner Kunst beredtes Zeugnis ablegen. Das erste Werk, das wir von Hans Hake kennen, ist der im Jahre 1603 aus Sandstein errichtete Hochaltar in der Stendaler Jakobikirche. Die figuren- und ornamentenreiche Darstellung zeigt im untersten und größten Mittelfeld die Darstellung eines israelitischen Passahmahles, im zweiten eine allegorische Darstellung mit der Bedeutung, daß die Erkenntnis der Sünde der erste Schritt zur Tugend sei, und im obersten und kleinsten Mittelfeld Gott-Vater und Gott-Sohn. Auch die von dem Standbilde Jakobus des Aelteren getragene, 1612 in Renaissanceformen hergestellte Kanzel in der Jakobikirche ist ein Werk des Werbener Bildhauers, ebenso wie das Grabdenkmal des 1615 gestorbenen Kirchenvorstehers Johann Lüderitz und seiner 1598 gestorbenen Ehefrau Anna, geborenen Pots. Im Jahre 1607 finden wir Hans Hake auf dem Havelberger Dom damit beschäftigt, dem am 12. November 1606 im 90. Lebensjahre verstorbenen Domdechanten Matthäus Lüdtke ein Grabdenkmal herzustellen. Dort schloß eine Werbener Kommission mit dem Künstler einen Vertrag, nach welchem er sich verpflichtete, für die 1602 errichtete Werbener Kanzel einen kunstvollen Schalldeckel zu bauen, auf dessen sechs Ecken die Figuren der Treue, Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit, Klugheit und Besonnenheit stehen, in dessen Mitte das Bild der Dreieinigkeit, darüber der Pelikan, auf dessen Spitze der „Auferstandene" Platz finden sollten. Noch heute ist dieser Schalldeckel, wenn auch in defektem Zustande, in dem Turmgewölbe der Werbener Kirche vorhanden. Weit bedeutender als dieses Werk ist das im Jahre 1608 errichtete Grabdenkmal des Werbener Bürgermeisters Joachim Francke, das gleichfalls noch heute in der Werbener Kirche zu finden ist. In dem Mittelpunkt des ganzen Denkmals befindet sich die vortrefflich in Marmor ausgeführte Darstellung der „Kreuzigung des Herrn". Höchst anschaulich zeigt sie den Gekreuzigten, die Verbrecher, den Hauptmann hoch zu Roß, die um das Gewand des Herrn würfelnden Kriegsknechte, die das Antlitz vor Schmerz und Entsetzen abwendende Maria, den Jünger Johannes und im Hintergrunde die Zinnen von Jerusalem. In einem oberen Felde sehen wir wiederum in Marmor das Bild des „Auferstandenen". Das von drei Figuren, vielleicht denen des Herrn, Moses und Elias, gekrönte Denkmal wird von den sitzenden Marmorfiguren der vier Evangelisten flankiert. Durch die ganz unten angebrachte Hausmarke, welche drei 2:1 gestellte, mit Zirkeln versehene Schildchen und die Anfangsbuchstaben H. H. aufweist, erfahren wir, daß Hans Hake der Schöpfer des herrlichen Monumentes ist. Da sich vorn an dem Denkmal die Jahreszahl 1608 befindet, der Bürgermeister Joachim Francke aber erst am 7. August 1616 gestorben ist, müssen wir annehmen, daß es sich Joachim Francke im Vorgefühl seines Todes selbst errichten ließ. In der südlichen Seitenkapelle der Werbener Kirche befinden sich noch zwei bemerkenswerte mächtige Grabsteine, von denen der eine den Gesandten und Reiter-Oberst Eberhardt von Holla, der andere die Tochter jenes Havelberger Domdechanten, Blandina, die Gemahlin des Christoph Goldbeck, darstellt; diese starb am 3. März 1608, jener am 21. Mai 1611. Gewiß ist die Annahme berechtigt, daß auch diese Monumente von der Künstlerhand des Hans Hake errichtet sind.
Der Rückblick auf das Leben dieser berühmten Werbener läßt uns mit Recht auf ein blühendes Gemeindeleben in der Stadt Werben vor dem Dreißigjährigen Kriege schließen. Da brach der furchtbare Krieg herein; wie das ganze Vaterland, so brachte derselbe auch unser Städtchen Werben an den Rand völligen äußeren und inneren Verfalles. Wo aber die Kriegsfurie ihre schreckliche Fackel anzündet, die Völker in wilder Erbitterung gegen einander hetzt, das Leben derselben gefährdet, den Wohlstand vernichtet, die furchtbarsten Leidenschaften entfesselt, die Wohnstätten zerstört, da können Künste und Wissenschaften nicht gedeihen. Kein Wunder, wenn wir aus dem ganzen Jahrhundert des schrecklichen Krieges von keinem Werbener hören, der sich auf diesen Gebieten ausgezeichnet hätte.
Die Wunden des Krieges waren zu tief, als daß sie schnell hätten geheilt werden können; das ganze 18. Jahrhundert hindurch galt es, diese Wunden möglichst zu heilen, darum auch in dem ganzen vorigen Jahrhundert keine idealen, auf Kunst und Wissenschaft gerichteten Bestrebungen unter den eigentlichen Werbener Bürgern und keine Werbener, die sich auf einem dieser beiden Gebiete einen Namen gemacht haben. Wohl aber gab es in diesem Zeitraum drei in Werben angestellte Beamte, welche, weil sie sich in Kunst und Wissenschaft hervorgetan haben, hier nicht übergangen werden sollen: Georg Strube, geistlicher Inspektor und Pfarrer von 1696---1702, Gottfried Arnold, ebenfalls geistlicher Inspektor und Pfarrer von 1705---1707 und Samuel Buchholz, 1744---57 Konrektor an der Werbener Lateinschule.
Schon 1665 war Georg Strube als Rektor an der Domschule zu Havelberg auf Vermittlung des vornehmen Havelberger Bürgers Becker durch den bekannten Liederdichter Johann Rist, in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Hof-Pfalzgraf, zum poeta laureatus gekrönt worden. In die Zeit seines Havelberger Aufenthaltes fällt auch das bedeutendste seiner lateinischen Gedichte, das 1692 in Stendal erschienene Epos memorabile. Johann Rist bezeugt von seiner Dichtkunst: „Gestalt er denn solche herrlichen, zierlichen und recht sinnreichen Gedichte sowohl in lateinischer als in deutscher Sprache geschrieben hat, daß ich dieselben nicht nur mit einer sonderbaren Lust, sondern auch mit höchster Verwunderung habe angesehen und mehr denn einmal durchlesen". Der Geschichtsschreiber Beckmann hat uns das lateinische Gedicht des Georg Strube aufbewahrt, in welchem er seinen Diözesanen die Kirchenkollekte für den 1687 durch Blitzstrahl arg beschädigten Werbener Kirchturm warm empfiehlt. Aber geringfügigere Ereignisse wußte er in launigen Gedichten zu besingen, so hat er z. B. einmal in solchem Gedicht den Werbener Rat, eine Kirchenwiese dem Bauer Leppin zu Nitzow zu verpachten. Auf das Verhältnis, in welchem er zu den Werbenern gestanden hat, fällt ein eigentümliches Licht durch die bitter klingenden Worte, mit denen er am 6. Februar 1702 jene Kollekten-Rechnung abschloß: „Und also wird nun vonnöten sein, nach meinem Tode, wie man sich bedrohlich verlauten lassen, eine Kompensation wegen des Gnadenjahres mit meinen Kindern zu halten und sie als Betrübte ferner zu betrüben. Ich habe sowohl die Einnahme als die Ausgabe treulich verzeichnet. Sollte man an der Einnahme zweifeln, welches nicht hoffen will, denn in bonum virum non cadit suspicio, so können einem jeglichen die Briefe derer H. Pastorum und Inspectorum vor die Nase gelegt werden. Sollte ich etwas restieren und versehen haben, so muß ich dafür stehen. Sollte mir aber noch etwas restieren, so lebe der guten Zuversicht, man werde dergl. thun und meinen Schaden nicht begehren." Am 8. Oktober 1702 fand Georg Strube in Werben seine letzte Ruhestätte.
Gottfried Arnold nimmt noch heute unter den Kirchenhistorikern einen ehrenvollen Platz ein. Wie Philipp Jakob Spener und August Hermann Francke mußte auch der gleichgesinnte Gottfried Arnold, ein Schüler Wittenbergs, Sachsen verlassen. Nachdem er 1696 in Quedlinburg im geistlichen Amte und 1700 Hofprediger in Allstedt gewesen war, siedelte er 1705 nach Werben in die Stelle seines Schwiegervaters Johann Heinrich Sprögel über. Hatte er sich schon in Quedlinburg durch sein Buch „Die erste Liebe, wahre Abbildung der ersten Christen" weit und breit bekannt gemacht, so erwarb er sich doch noch größeren Ruhm durch sein kirchengeschichtliches Hauptwerk „Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie". Ein berühmter Kirchenhistoriker dieses Jahrhunderts urteilt über Gottfried Arnold: „... nur im Ideal apostolischer Zeit befriedigt, fand er mit dem nach Gott hungernden Herzen im Pietismus den Mut, in demjenigen, was die Kirche aller Jahrhunderte von sich gestoßen hatte, die Spuren des christlichen Lebens mit Vorliebe aufzusuchen". Schon 1707 tauschte er mit dem Perleberger Pfarrer Joachim Roue; während Gottfried Arnold in das Perleberger Amt einrückte, kam Joachim Roue, der Vater des Propstes an St. Nikolai in Berlin, nach Werben.
Samuel Buchholz, der ehemalige Werbener Konrektor, hat sich durch die Abfassung einer „Geschichte der Churmark Brandenburg" um die heimatliche Geschichte verdient gemacht. Als der Konrektor Georg Michael Lankisch im Jahre 1744 gestorben war, meldete sich Samuel Buchholz, der Sohn des Pritzwalker Archidiakonus von Lüdersdorf, auch in einem vom 28. Februar 1744 datierten lateinischen Schreiben bei dem Werbener Rat mit Erfolg zu der erledigten Konrektorstelle. Am 9. März 1757 schrieb er dem Rate, daß er zum Rektor und Vikar am Dom in Havelberg ernannt wäre. Später ward er Oberpfarrer in Lychen. Ein Bruder unseres Samuel Buchholz machte sich um die Erforschung der Kyritzer Stadtgeschichte äußerst verdient, und einer seiner Söhne, Johann Samuel, Bürgermeister in Kyritz, versuchte später die Abfassung einer Geschichte der Stadt Kyritz.
Wir kommen nun zu dem Jahrhundert, welchem wir selbst noch angehören. In diesem Jahrhundert sind aus Werben drei bedeutende Männer hervorgegangen, nämlich Johann Joachim Christian Köhler, Alexander Achilles und Joachim Karl Friedrich Knaake. Da die letzteren beiden noch am Leben sind, so bemerken wir hier nur kurz, daß der in Berlin wohnende Reichsgerichtsrat Dr. jur. Achilles, ein Sohn des Werbener ehemaligen Rendanten Georg A., sich besondere Verdienste um das „Grundbuchwesen" und um das neue „Bürgerliche Gesetzbuch" erworben hat, und daß der in Drakenstedt bei Magdeburg amtierende Pfarrer D. theol. Knaake einer der bedeutendsten gegenwärtigen Forscher auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte geworden ist. Ausführlicher dürfen wir uns über den bereits heimgegangenen Christian Köhler verbreiten. Ganz wunderbar und eigenartig war der Lebensweg dieses bedeutenden Mannes. Noch heute wird in Werben erzählt, daß er als der Sohn eines Werbener Bäckermeisters nach der Konfirmation in den nahe gelegenen Dörfern Wendemark und Behrendorf Pferdejunge geworden sei, daß er sich als solcher gar nicht recht geschickt habe, daß ein Berliner kunstverständiger Arzt, bei welchem Christians Schwester bedienstet gewesen, zufällig das wunderbare Zeichentalent des bei seiner Schwester in Berlin zu Besuch weilenden Knaben entdeckt und dasselbe weiter habe ausbilden lassen. Wie viel an diesen Erzählungen wahr oder nicht wahr ist, wissen wir nicht, aber das wissen wir mit historischer Gewißheit, daß er im Alter von 18 Jahren mit dem Direktor Wilhelm Schadow und mehreren bedeutenden Schülern desselben 1827 nach der Düsseldorfer Kunstakademie übersiedelte, dort alle Klassen bis zur Meisterklasse durchmachte, den Titel eines Professors der Malerei erhielt und am 17. November 1855 Lehrer im Antikensaal, in dem er einst seine Studien begonnen hatte, wurde. Welches war nun seine künstlerische Bedeutung? Wir lassen über dieselbe den Herausgeber einer Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie, F. Wiegmann, reden: „Köhler ist eines der merkwürdigsten Elemente der Schadowschen Schule. Ohne je sich mit klassischen Studien beschäftigt zu haben, oder etwa durch den Besuch Italiens in großartiger Weise angeregt worden zu sein, --- ohne eigentliche Vorgänger, ohne Genossen und Nachahmer, vertritt er hier allein die heroische Richtung der Kunst in wahrhaft bedeutender Weise. Er ist Historienmaler in dem Sinne, daß er in seinen Bildern, zu denen er die Vorwürfe aus dem Alten Testament nimmt, Vorstellungen und Zustände patriarchalischen Lebens oder die siegende Gewalt freudiger Gottbegeisterung und unverzagten Heldenmutes mit einfachen, großen Zügen --- fast nicht weniger symbolisch als dramatisch --- zur Anschauung bringt und dieses nicht allein durch die lineare Gestaltung der Komposition, sondern gleichermaßen durch das Colorit erreicht. In beiden Hinsichten ist sein Stil großartig... Mit entschiedenem Glück brachte er als zwanzigjähriger Jüngling sein eigenes Bildnis zur Ausstellung. In demselben Jahre 1829 verkaufte er an die Prinzessin Friedrich von Preußen eine Kopie des Dombildes von Köln. Sein Talent trat zuerst in dem Bilde „Miriams Lobgesang bei dem Zuge der Juden durch das Rote Meer" in seiner wesentlichen Eigentümlichkeit hervor (1837). Der Untergang des Pharao mit seinem Heere erscheint als bloße Andeutung in den Hintergrund verlegt, die in den dankbegeisterten Jungfrauen dargestellte Wirkung der wunderbaren Errettung ist in den Vordergrund gerückt und bildet den eigentlichen Schwerpunkt der Komposition. Eine andere Schöpfung des Künstlers, ebenfalls voll poetischen Schwunges, aber der Allegorie angehörig, ist die „Germania" (1849), bei deren Erwachen die Gerechtigkeit die scheußlichen Gestalten der Knechtschaft und der Zwietracht in den Abgrund stürzt und in glorienhafter Verklärung, das Banner der Einheit emporhaltend, der Genius der Freiheit erscheint. Das Bild ist leider nach Amerika ausgewandert. Auf die Idee, ein solches Bild zu malen, kam er, als 1848 die Düsseldorfer Bürgerschaft die Germania in großer Figur nach einem Entwurfe des Prof. Carl Sohn darstellte und die Künstler zur Abendzeit einen Fackelzug im Kostüm um dieselbe machten. Das dritte Bild, welches wir aus der großen Zahl der Werke dieses Künstlers hier noch hervorheben wollen und das, gleich dem vorgenannten, beträchtliche Dimensionen hat, ist die „Semiramis". Das Bild stellt den Moment dar, als die große assyrische Königin, umgeben von ihren Frauen, die eben beschäftigt sind, sie zu schmücken, die Kunde von dem Ausbruche eines Volksaufstandes erhält und zum Schwerte greift, die Aufrührer zu züchtigen. Die Situation ist vortrefflich gedacht und der Kontrast zwischen der orientalischen Pracht und weichen Sinnlichkeit und dem urplötzlich aufflammenden Heldenmute hochpoetisch. Wenn auch diesen drei Bildern der erste Rang unter Köhlers Leistungen gebührt, so tragen doch auch die übrigen mehr oder minder den Stempel seines ausgezeichneten Talentes. Ein Biograph urteilt über ihn: „Er ist eine großartig angelegte Künstlernatur, die alles, was ihr einmal wert erscheint, gemalt zu werden, mit ernstem Studium ergreift und mit treuer Festhaltung des Guten vollendet". Auch in der Bildnismalerei hat er eine lebendige Auffassung des Charakteristischen bei großer Wahrheit und Einfachheit. Im Jahre 1858 stellte er sein Bild „Mignon" (nach Goethe) in München aus und fand mit demselben damals großen Beifall. Es war wohl sein letztes Werk. Seine erste Frau, eine Holländerin, hinterließ ihm einen Sohn, der das Bergfach zu seinem Beruf erwählte. An seinem Hochzeitstag konnte er es nicht unterlassen, im Hochzeitsanzug noch einmal in sein Atelier zu gehen. Er nahm ganz instinktmäßig die Palette in die Hand und vertiefte sich halb wie an einem gewöhnlichen Wochentage in die Arbeit, bis er von seinen Freunden zu der Trauung, die doch nicht gut ohne ihn stattfinden konnte, abgeholt wurde; er hatte sie vollständig vergessen. Seine zweite Frau, in Düsseldorf „die schöne Amerikanerin" genannt, hat hier nicht lange mit ihm gelebt. An einem gefährlichen Brustleiden erkrankt, suchte Christian Köhler durch längeren Aufenthalt in einem südlichen Klima Heilung, aber er fand sie leider nicht. Am 30. Januar 1861 starb er in Pau im südlichen Frankreich. Seine zweite Frau, die ihn nach dem Süden begleitet hatte, brachte die Leiche aus Pau nach Düsseldorf, wo sie auf dem alten Kirchhof beigesetzt wurde. Christian Köhler giebt uns ein anschauliches Bild dafür, wie ein bedeutendes Talent sich durch alle äußeren Hindernisse zum ersehnten Ziele hindurchzudringen weiß. Es wäre herrlich, wenn die Stadt Werben versuchen wollte, in den Besitz eines der Gemälde Christian Köhlers und damit in den Besitz eines bleibenden Andenkens an diesen ihren bedeutenden „Sohn" zu gelangen".
Wir schließen hiermit die Bilder berühmter Werbener. Wohl sind wir uns dessen bewußt, daß sie nur unvollkommen gezeichnet sind. Wenn sie aber einen kleinen Beitrag zur altmärkischen Landes- und Volkskunde geliefert, hier und da zu weiteren Forschungen nach berühmten Altmärkern angeregt und den Werbenern neue Freude an ihrem Heimatstädtchen erweckt haben, so haben sie trotz ihrer Unvollkommenheit ihren Zweck überreichlich erfüllt.