Bürgerliche Hausmarken und Wappen aus dem altmärkischen Werben.
Von E. Wollesen-Werben a. Elbe.[1]
Noch im 17. Jahrhundert war die bürgerliche Wappenkunst in jeder Stadt und Gemeinde heimisch. Seit jener Zeit ist sie mehr und mehr verschwunden. Nur ganz vereinzelt sind sogenannte Hausmarken noch heute im Gebrauch, so z. B. in dem mecklenburgischen Dorfe Dörgelin, unweit der alten Landtagsstadt Malchin, das abseits von der Heerstrasse der modernen Kultur liegt. Will man sonst Hausmarken und bürgerliche Wappen kennen lernen, so muss man sie auf alten Grabsteinen, Kirchenstühlen, Kirchengerätschaften oder in alten Urkunden, Familienchroniken und Stammbüchern suchen. Ohne hier weiter zu untersuchen, welchen Mächten diese ganze Kunst erlegen ist, möchten wir alle in der Neuzeit unternommenen Versuche, die entschlafene bürgerliche Wappenkunst zu neuem Leben zu erwecken, auf das tatkräftigste unterstützen. Es liegt hier in der Tat ein künstlerisches Interesse vor. Die ganze Absicht hängt damit zusammen, die Kunst mehr als bisher in den Dienst des täglichen Lebens zu stellen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist in den folgenden Zeilen versucht worden, einige Hausmarken und bürgerliche Wappen aus Urkunden Werbens im Bilde darzustellen, mit erklärenden Personalnotizen zu versehen und mit einigen allgemeinen Bemerkungen zu begleiten. Bevor wir aber das tun, möchten wir dem Herrn M. Zeisig-Perleberg auch an dieser Stelle dafür danken, dass er sich der Mühe unterzogen hat, die oft kleinen und undeutlichen Originalmarken und -wappen vergrössert zur Darstellung zu bringen, möchten aber auch auf die Abhandlungen des Herrn Pastor Zahn-Tangermünde über „Altmärkische Wappen und Hausmarken" und über „Wappen und Hausmarken aus Werben in der Altmark" verweisen, welche in der Zeitschrift „Der Deutsche Herold" 1892, No. 9, und 1895, No. 10, zum Ausdruck gekommen sind.
No. 1--3 weisen auf die drei Brüder Dietrich, Curt und Claus Rottidicke; die drei Siegel hängen an der vom 14. September 1443 datierten Urkunde, in welcher der erste der drei Brüder, der Priester Dietrich R., die Kapelle und den Altar S. Ottiliae an der S. Johanniskirche Werbens stiftete. Über die nähere Ausstattung dieser frommen Stiftung sowie über die grossartige Wohltätigkeit des Stifters finden sich in der Werbener Chronik auf Seite 82, 86 und 87 nähere Angaben. Es lässt sich auf Grund der urkundlichen Nachrichten die folgende Stammtafel aufstellen:
Dietrich Rottidicke, Curt R., Claus R., Zabel R.,
(1443.1458.1469.1472.1474.) (1443.1458.) (1443.1458.) (†1458.)
Laurentius R., Andreas R., Tideke R..
(1474.) (1458.) (1458.)
Als die Reformation in Werben eingeführt wurde, war der genannte Laurentius R. der einzige Vikar, den man im Amte beliess; er trat zum evangelischen Bekenntnis über, verehelichte sich und liess sich unter dem 19. Mai 1546 ausdrücklich vom Kurfürsten versichern, dass seine Kinder gleich anderen ihre Eltern beerben könnten.
No. 4 und 5 finden sich an einer Urkunde, nach welcher Achim Witte, Bürger zu Werben, und seine Hausfrau Christine vom S. Gertrudhospital 14 Mark empfangen und sie mit 1 Mark jährlich verzinsen. No. 4 ist die Hausmarke des Achim Witte, No. 5 die des Kune Rotidiche; die des Claus Witte fehlt an der Urkunde, die aus dem Jahre 1471 stammt.
Einige genealogische Nachrichten über die schon 1342 in der Werbener Geschichte vorkommende Familie Witte finden sich im 33. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins in dem Artikel „Der Zernitzer Hof in Wendemark".
No. 6 befindet sich an einer Urkunde vom Jahre 1475 und weist auf Hans Engel; es handelt sich um den Verkauf einer jährlichen Rente von 1 Pfund Pfennigen für 7½ Mark. Der Verkäufer ist der Werbener Bürger Bernt Noys, die Bürgen sind ausser dem genannten Hans Engel noch Steffen van dem Ghere und Lorenz Nigendorp. Von den vier ursprünglich daran hängenden Siegeln ist nur noch das oben genannte vorhanden. Familie Engel ist Johann plebanus in Werben (1497--1501), 1519 Thomas Gildemeister der Gilde Corporis Christi, Lentze 1528 und 1529 Vorsteher des Hospitals S. Georg, Anna die Gemahlin des 1576 verstorbenen Werbener Bürgermeisters Andreas Goldbeck und Anna die Gemahlin des „Bruch- und Steinschneiders" Leonhardt Kempfe, der 1601 der Kirche zur Errichtung des „Predigtstuhls" 100 Gulden verehrte.
No. 7 ist die Hausmarke des Joachim Kroger. Neben der Hausmarke des Peter Kroger und dem grossen Siegel der Stadt Werben befindet sich unsere Hausmarke an der Stiftungsurkunde des S. Annen-Altars in der Werbener Pfarrkirche aus dem Jahre 1512. Am 12. November des genannten Jahres erlaubte der Herrenmeister Georg von Schlaberndorf dem Joachim Kroger, Kommendist in der Werbener Pfarrkirche, dessen Bruder Peter, Bürgermeister zu Werben, und Claus Amelung, einen Altar zu Ehren der heiligen Anna zu stiften. Die Hausmarke des Peter Kroger ist bereits im „Deutschen Herold" 1895, No. 10, abgebildet. Schon 1439 wird ein Peter Kroger als Mitglied der Gilde S. Crucis genannt; Hans Kroger ist 1514 und 1515 Gildemeister derselben Gilde. Der Grabstein des oben genannten Bürgermeisters Peter Kroger befindet sich noch im Turmgewölbe der Werbener Kirche. Ein jüngerer Peter Kroger ist um die Mitte des 16. Jahrhunderts Bürgermeister und Vorsteher des „Gemeinen Kastens". (Cf. auch die Hausmarke No. 10.)
No. 8 stammt von einer Urkunde aus dem Jahre 1521, nach welcher der Werbener Bürger Jacob Schulte und seine Hausfrau Anna den Vorstehern S. Gertrud 1 Pfund Pfennige jährlicher Rente verkaufen; es ist die Hausmarke des Verkäufers.
No. 9 ist die Hausmarke des Achim Eggert; sie stammt aus demselben Jahre, wie die vorige, und befindet sich an einer Urkunde gleichen Inhalts. Als Bürgen in der letzteren werden genannt Clawes Jugert und Matthies Schartow.
No. 10 cf. oben zu No. 7.
No. 11 ist die Hausmarke des Merten Engel aus dem Jahre 1540; er leiht mit seinem Bruder Hans 15 Mark von den Vorstehern der S. Gertrud-Kirche.
No. 12 stellt die Hausmarke des Raphael Ruwe aus dem Jahre 1592 dar.
Über die Hausmarken bezw. Wappen No. 13, 14 und 15 können wir auf das verweisen, was in Band II, Heft 2/3 Seite 101 dieser Zeitschrift gesagt ist. Es sei nur das Folgende hinzugefügt: Johann Barth (No. 13) hat auch eine christliche Leichenpredigt über Gen. 47 v. 8 bei dem Begräbnis Christian Kaulitzen, Bürgermeisters zu Werben, herausgegeben; sie ist zu Magdeburg 1604 gedruckt. Das Leben des altmärkischen Generalsuperintendenten M. Sabellus Chemnitius, dessen Wappen unter No. 14 abgebildet ist, findet sich in Rüdemanns „Altmärkischen Historischen Sachen" (1. Sammlung S. 1 ff.) genau beschrieben. Sein Wappen zeigt drei rote Rosen in einem weissen Schrägbalken auf einem roten Schilde und über dem halb geschlossenen Helm drei rote Rosen an grünen Stengeln.
No. 16, No. 19a und 19b zeigen uns Hausmarken des Laurentius Gleim (1658) und des Christian Gleim (1664). Diese Marken unterscheiden sich wesentlich von der im „Deutschen Herold", 1892, No. 9, unter No. 19 abgebildeten Hausmarke des Johann Gleim in Havelberg, Vaters des Pfarrers Laurentius Gleim in Ost- und Westheeren. Der obengenannte Laurentius Gleim, auf den die Hausmarke No. 16 weist, war der Grossvater des durch seine Grenadierlieder besonders bekannt gewordenen Dichters Ludwig Gleim. Es sei die Stammtafel hier kurz angegeben: Johann Laurentius Gleim (der Vater des Dichters), Obereinnehmer des Ermsleber und Ascherlebener Kreises, geboren am 24. Juni 1676 zu Seehausen in der Altmark, gestorben den 26. April 1735 zu Ermsleben. Dessen Vater war Laurentius Gleim, Jctus und Bürgermeister zu Seehausen, gestorben 1678. Der Grossvater väterlicherseits war ebenfalls Laurentius Gleim, Bürgermeister zu Werben, die Frau Grossmutter war Ilsabe Zimmermann, Tochter eines Kaufmanns in Werben.
No. 17 zeigt die aus dem Jahre 1663 stammende Hausmarke des Peter Wulff.
No. 18 ist das Wappen des Johann Springinsguth, der 1623 bis 1625 in Werben Rektor, 1625--1634 Diakonus und 1634--1669 geistlicher Inspektor war. Seine Tochter Anna wurde am 6. November 1670 durch den altmärkischen Generalsuperintendenten M. Matthaeus Bugaeus mit dem Nachfolger Valentinus Godofredus Hellwig, Pastor und Inspektor, getraut. Noch heute existiert die Familie Springinsguth hier in Werben.
No. 19a und b siehe oben.
No. 20, 21 und 22 sind die aus dem Jahre 1664 stammenden Hausmarken des Gorges Krüger, Christoffer Wulff und Claus Gruwell.
No. 23 zeigt das vierfach vergrösserte Siegelbild des Stephanus Schreiber; er war zuerst Pfarrer in Iden, dann, 1673--1680 Diakonus in Werben, dann Archidiakonus an S. Marien in Stendal und von 1689 bis zu seinem am 8. Januar 1712 erfolgten Tode Pfarrer an derselbigen Kirche. Sein von dem Stendaler Maler Stecher gemaltes grosses Bildnis befindet sich noch heute in einer Seitenkapelle der Kirche. Näheres über ihn können wir in Rüdemanns 1. Sammlung „Altmärkischer Historischer Sachen", Seite 107 finden.
No. 24 ist das 6½ fach vergrösserte Siegelbild des Johannes Pitzschky aus dem Jahre 1674; es zeigt einen Pelikan auf einem Halbmond. Sein Vater, der auch Johannes hiess, war zuerst Domus Aulosensis Pastor, dann Pastor und Inspektor in Perleberg. Unser Johannes P. wurde 1673 von Werder bei Potsdam nach Werben berufen; er vermählte sich am 24. Februar 1674 mit Chatarina, einer Tochter des Seehäuser Bürgermeisters Johann Berendsen; er starb am 30. Dezember 1695. Seine bei dem Leichenbegängnis des Seehäuser Konsul Hieronymus Schröder 1679 gehaltene Predigt wurde in Stendal zum Druck gebracht. Nachkommen desselben leben noch heute in Dresden.
No. 25 endlich zeigt uns das Wappen des Wendemarker Pfarrers Daniel Mathaei aus dem Jahre 1704; es dürfte hier nicht ganz genau wieder gegeben sein. Irre ich nicht, so zeigt es im 7. Bande des Genealogischen Handbuches für bürgerliche Familienkunde S. 346 einen schreitenden „Kranich" im Schilde. Das hier zu Grunde liegende Originalsiegel war ungemein klein und undeutlich. Nähere Nachrichten über die weit verbreitete Familie Matthaei finden sich an der angeführten Stelle. Daniel M. wird schon 1692 als Pfarrer von Wendemark genannt. Sein Sohn und Amtsnachfolger war der am 25. Oktober 1683 ebendort geborene Thomas Christoph Matthaei, dessen noch heute in der Wendemarker Kirche befindlicher Grabstein uns über seinen Lebensgang ausführlichere Nachricht gibt.
Dass manche Familien noch aus alter Zeit ein Familienwappen heute besitzen und dies ehrwürdige Erbstück in Ehren halten, sollen uns die beiden Wappen No. 26 und 27 sagen; sie gehören der Familie Bahlke und dem derzeitigen Pächter der Königlichen Domäne in Werben, dem Oberamtmann Werner Kellmann. Das letztere Wappen weist mit den gekreuzten Schwertern auf den schwedischen Ursprung der Familie zurück.
Es waren nicht viele Marken und Wappen, die hier zur Darstellung gebracht werden konnten, doch aber war ihre Zahl gross genug, um die Entwicklung derselben von den einfachsten Formen zu kunstvolleren anschaulich zu machen. Die älteren Marken bestehen aus einem oder mehreren senkrechten oder schrägen Strichen, mit einem oder mehreren Querstrichen. So sind die Marken Erzeugnisse geringer Handfertigkeit. Leicht und mühelos, ohne besondere Geschicklichkeit, liessen sie sich herstellen. Als Grundform dieser Hausmarken ist wohl das Kreuz anzusehen, das wenigstens in unseren Darstellungen (vergl. No. 1, 2, 9, 10, 11, 13, 19, 20, 21) besonders häufig vorkommt. „Daher sehen wohl auch manche Forscher das Kreuz des Christentums als den Ausgangspunkt für alle diese Markenbilder an. Andere führen indessen ihren Ursprung auf die alten germanischen Runenzeichen zurück. Doch mögen auch beide, die runischen Schriftzeichen sowohl als auch das Symbol des Christentums, in einander fliessen." Mit der Zeit wurde die Zusammensetzung der Linien komplizierter, die gebogene Linie kam hinzu, es traten Formen auf, die natürlich dem Interessenkreise der Markeninhaber entnommen wurden (vergl. No. 12, 26, 29, 17), bis dann diese Entwicklung in den bürgerlichen kunstvollen Wappenbildern (vergl. No. 23 bis 27) ihren Abschluss fand. Übrigens verschmähte der klassisch angehauchte Modegeist des 18. Jahrhunderts die einfachen Formen der altväterischen Wappenkunst und wählte dafür allegorische Figuren und Verzierungen, wie wir es an Nr. 28, dem Siegelbilde des berühmten Kirchenhistorikers Gottfried Arnold aus dem Jahre 1706 sehen, der gerade damals Pfarrer und geistlicher Inspektor in Werben war.
Das den Besitz kennzeichnende Markenbild war nun mit der Zeit gewissen Veränderungen unterworfen. Der Erbe des Besitztums nahm wohl Veranlassung, die Hausmarke zu modifizieren, zu erweitern. Auch beim Übergang durch Kauf trat wohl solche Veränderung ein; doch kommen solche Veränderungen immerhin selten vor.
Möchte denn die bürgerliche Wappenkunst überall da erneuert und gepflegt werden, wo noch ein geschichtlicher Rückhalt und ein gegenwärtiges Bedürfnis für ihre Verwendung vorhanden sind. Wie die einzelnen Familien und Städte, so könnten auch die zahllosen Vereine, Verbände, Genossenschaften und Innungen die alten Zunftwappen wieder zu Ehren bringen. Und wenn auch diese Zeilen an ihrem bescheidenen Teile dazu mithelfen, so haben sie ihren Zweck überreichlich erfüllt.

