Das Freigut "Einhof" bei Werben-Elbe
DAS FREIGUT „EINHOF" BEI WERBEN-ELBE.
VON\ E. WOLLESEN, ZEITZ.
Die altmärkische Elbwische hat ihr eigentümliches Gepräge durch die getrennt von einander liegenden Gehöfte. Während Kirche, Schule, Gasthof und einige andere Gebäude im Zentrum geschlossen liegen, liegen die Gehöfte zerstreut, ein jedes auf dem zugehörigen Acker; jener Teil der Dörfer läßt häufig einen wendischen Ursprung vermuten, dieser dagegen weist auf die Kolonisation der Niederländer zur Zeit Albrechts des Bären und seiner nächsten Nachfolger. Zu den Dörfern, die noch heute diese eigentümliche Anlage zeigen, gehört das Dorf Wendemark bei Werben, Elbe. An seiner äußersten östlichen Grenze liegt das Freigut „der Einhof". Infolge seiner Einzellage hat auch dieses Gut seine besondere Geschichte. Ueberzeugt davon, daß für die Geschichte der gesamten Wische die Geschichte der einzelnen Höfe den bedeutsamen Kern bildet, ist es von vornherein des Verfassers Bestreben gewesen, diese Geschichte zu erforschen. Bei dem wenigen Urkundenmaterial, das auf den einzelnen Höfen zu finden ist, stößt die Verwirklichung dieses Strebens auf mannigfache Schwierigkeiten: Das Ergebnis muß unter diesen Umständen leider recht unvollkommen sein. Das Gesagte trifft auch auf diesen Versuch, eine Geschichte des Einhofes zu schreiben, zu. Bei einer Nachforschung auf demselben kam nur ein recht dürftiges Aktenmaterial zum Vorschein. In der Hoffnung jedoch, wenigstens einiges von Interesse beizubringen, habe ich es gewagt, im Folgenden das aufgefundene und aus einigen anderen Quellen ergänzte Material in Regestenform beizubringen und darauf eine Geschichte des Gutes aufzubauen.
1\. Berthold und Alverich von Redichsdorf verkaufen am 23. Nov. 1313 den Dienst von dem Nienhoue an dessen Besitzer, den Werbener Bürger Henricus dictus de brizike, und an Mechthildis, seine Gemahlin, und an ihre Söhne Heinrich und Johannes. (Riedel A, Bd. VI, S. 23).
2\. Extrakt aus dem Landbuch des Jahres 1427: „Vorwerck: Das höcheste und Sydeste Gerichte geht von dem Closter zum Heyl. Grabe zu Lehn\... Cöne Ryn 3 Hufen, dem Closter zum Heyl. Grabe 12 Mark Stend. vndt den Zehenden von 3 Stücke Landes uf 6 Schfl."\ (Abschrift in den Akten des Wöllmerstifts zu Wendemark, beglaubigt Tangermünde, am 12. März 1661, durch den Amtmann David Reyer).
3\. Markgraf Johann gestattet am 9. Oktober 1436, daß die Schenken von Lützendorf in Klein-Schwechten auf einen rechten Wiederkauf 10 Mark jährlicher Rente über die „feldischen" Hufen vor Werben für 150 Mark an den Rat der Stadt Werben verkaufen. Die Schenken geloben damals, diese Rente innerhalb der nächsten 6 Jahre wieder einzulösen. (Riedel, Cod. diplom. A.)
4\. Im Jahre 1441 werden die Schenken von Lützendorf mit dem Schenken-Amte des markgräflichen Hofes, einem Burglehn zu Arneburg und mit verschiedenen anderen Besitzungen beliehen, darunter auch mit „II huuen (d. h. 2 Hufen) vor werben In dem Hoffe to dem velde, wes dar lehne an is." (Riedel a. a. O.)
5\. Visitationsabschiede 1540---42; Einkommen des Lehns Catharinae \... Hat auch zu Werben jährlich aufzuheben 1 Mark 3 Schill. 4 Pfenn., 3 Schffl. Gerste, 3 Schffl. Roggen und 8 Schffl. Hafer. Diese Pacht und Zinse geben Gerth Cunow der Jüngere, der alte Hans Belitz und Joachim Pletz der Aeltere, und geben's vom Neuenhofe an Werben gelegen.\ Anm. „1578 ist das Doppelte der Kornpacht angegeben und zw. als von dem Rate und von dem Comthur zu geben, aber bemerkt: haben bishero nicht mehr denn die Hälfte gegeben."\ (Müller und Parisius, die Abschiede der 1540---1542 gehaltenen 1. General-Kirchen-Visitation, Bd. I, Heft 3, S. 156).
6\. Achim Dames sowie die Brüder Heinrich und Jacob Schultze legieren im Jahre 1579 dem geistlichen Ministerium zu Werben von ihrem vor der Stadt belegenen Hofe „Einfelde" einen jährlichen Zins von 3 Gulden. (Riedel a. a. O.)
7\. Die Unterhaltungspflicht des neuen Werbener Elbdeichs von der Stadt bis an die alte Fährstelle wird am Dienstag nach Michaelis 1571 festgesetzt. Zum Gericht Wendemark gehört u. a. Achim Dames mit 3 Hufen.\ (Abschrift in den Akten des Einhofes, beglaubigt Wittenmohr, den 9. Juli 1805 durch Bartels, Justitiarius).
8\. Verzeichnis der zum Werbener Bot- und Loddinggerichte gehörigen Ortschaften, darunter: Vorwerk zum Kloster Heiligengrabe... Schenkenhof zu Einfelde.\ (Steinhardt, Ueber die Altmark, I S. 47, 48. Das Verzeichnis stammt wohl aus der 2. Hälfte des 16. Jahrh.).
9\. 1660 verpachtet der Werbener Magistrat 12 Stücke Landes in Vorwerk Wendemark an die beiden an sie angrenzenden Besitzer Peter Schleßmann und Peter Barfels.\ Original in den Akten des Wöllmerstifts).
10\. Extrakt aus dem Original-Erbregister beim Stift Heiligengrabe vom 1. Juli 1723, S. 108, 109, 110:\ Wendemark.\ Claus Falcke giebt an Pachtgeld 16 Rthlr. 8 Gr. 10 Pf., soll nach der alten Rechnung geben 12 Schock. Giebt von einem Stück Acker in seinem Hof den Kornzehend, welcher jetzo behandelt ist mit 3 Rthlr. jährlich.\ Jeder Unterthan (nämlich „Brendahl Becker und Claus Falcke") fährt ½ Wispel Roggen von der Elbe ab nach Lüneburg, wann der Roggen ihnen nach der Elbe geliefert worden, sollen von dannen jeder 6 Tonnen Lüneburg. Salz zurückbringen und dem Kloster einliefern, wobei sie gespeiset werden, ist pro nunc dahin behandelt, daß jeder von beiden Unterthanen für gedachte Reise und Salzlieferung 5 Rthlr. bezahlt.\ Das Capitul hat über Brendahl Beckern und Claus Falcken die Jurisdiction, die Jagdgerechtigkeit auf der Feldmark. Die Capitul-Bedienten werden von den beyden ersteren mit Futter und Mahl defreiret. Auch ziehen dieselben ein Jahr umbs andere 3 Windhunde auf.\ (Extrakt aus dem Originalregister, beglaubigt Wittstock, den 3. Februar 1783 durch Hasse, Justiz-Commissarius und Justitiarius derer von Blumenthal'schen Gerichte zu Velow).
11\. Johann und Nicolaus Falcke, Brüder, bitten am 30. August 1757 den Landesdirektor der Altmark, ihnen von 10 auf ihren beiden Höfen ausgehobenen Mannschaften wenigstens 5 zur Bestellung des Ackerbaues loszugeben.
12\. Grabstein-Inschrift des am 22. April 1763 verstorbenen Joachim Falcke, Besitzers des Einhofes.
13\. Erbkontrakt vom 26. März 1799, in welchem Johann Joachim Falcke, Besitzer des Einhofes, das dienstliche Verhältnis zu dem Geschlechte von Putlitz löst.\ (Abschrift bei den Akten des Einhofs, beglaubigt Seehausen, d. 17. März 1846 vom Königl. Land- und Stadtgericht).
14\. Verpflichtung und Vereidigung des Johann Joachim Falcke vor dem Königl. Preuß. Altmärk. Obergericht zu Stendal am 1. Juli 1801.\ (Original bei den Akten des Einhofes.)
15\. Das Altmärkische Obergericht in Stendal konfirmiert unter dem 24. Januar 1803 den zwischen dem Rittmeister von Scheither-Berge und den Wendemarker Freisassen Johann Dietrich Falcke, Johann Joachim Falcke und Johann Joachim Becker unter dem 29. Juni 1802 geschlossenen Erbkaufkontrakt über 21 Morgen Gänsebrinkwiesen, die bei dem Verkauf des Rittergutes Berge an den Kammerdirektor von Gayl reserviert waren.\ (Original bei den Akten des Einhofs).
16\. Uebertragung der Hypothekenbuchführung über den Einhof auf das Stadt- und Landgericht in Seehausen. 1817.
17\. Hypothekenschein, datiert Seehausen, den 10. Nov. 1827, über den Einhof.
18\. Verhandlung unter dem 12. Februar 1845 wegen der Benutzung des freien öffentlichen Kirch- und Schulsteiges über den Lüdecke'schen Acker. 1846.
19\. Uebereinkommen mit der Stadt Werben betr. die sogenannten Zugabe-Elbdeiche. 1849, 26. Mai.
Auf Grund der hier kurz angeführten Urkunden wollen wir nun versuchen, eine Geschichte des Einhofes zu schreiben. Bevor wir das tun, müssen wir einer bemerkenswerten Stätte gedenken. Etwa auf dem halben Wege, der von der Parisstraße nach dem Gutshofe führt, sehen wir links von uns einen mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Hügel, der noch heute den Namen „die Burg" führt. Treten wir näher, so bemerken wir noch heute Gräben und Wälle. Wir haben hier sicherlich den Rest einer wendischen Befestigung vor uns, in welcher die Bewohner der Umgegend in gefährlicher Zeit Schutz gegen die feindlichen Menschen, vielleicht auch Schutz gegen die Ueberschwemmungen der Elbe suchten.
Unser Hof hat nach den angeführten Urkunden und Akten die folgenden Namen: Nienhoue (1313), feldische Hufen (1436), Hof zu dem Felde (1441), Einfelde (1579), Schenkenhof zu Einfelde (2. Hälfte des 16. Jahrh.), Einhof (1799 und noch heute). Nicht nur der älteste Name „Nienhoue", sondern auch die Einzellage und die Flureinteilung ebenso wie der Name der „Großen Wetering", des Baches, an dem der Hof gelegen ist, weisen darauf hin, daß der Hof zur Zeit der holländischen Kolonisation unter den ersten Askaniern entstanden ist. Wenn der Hof heute „Einhof" heißt, so ist darin der ursprüngliche Name „Nienhoue", „Neuhof" wieder aufgenommen; es ist bekannt, daß sich der Name „Einwinkel" auch in der Form „Neinwinkel" und „Neuwinkel" findet, wie auch „Neimbeck, Nips und Nitzenplitz" sich in Eimbeck, Ips und Itzenplitz gewandelt haben. In der Zwischenzeit trug aber der Hof die Namen „zu dem Felde", „Einfelde" und Schenkenhof zu „Einfelde". Nach dem Gesagten bedeutet die erste Silbe „Ein" nichts anderes wie „Neu"; weshalb aber der 2. Bestandteil „Hof" in „felde" verwandelt ist, dürfte schwer festzustellen sein. Es wäre nicht unmöglich, daß ein Zusammenhang zwischen dem Hof „zu dem Felde" oder „Einfelde" und der Familie holländischen Ursprungs „van dem velde" bestanden, und daß diese Familie, entgegen der sonstigen Sitte freilich, dem Hofe den neuen Namen gegeben hätte. Wir finden diese Familie oft genug in Urkunden unserer Gegend genannt; erinnert sei nur an Otto van dem velde, Vater und Sohn, die 1329 den Werbener Ziegelhof, den unserem Hofe benachbarten Hof Kamerik, und einen Wendemarker Zehnt an das Kloster Arendsee verkaufen, ferner an Heine v. d. velde, der 1472 als Besitzer in einer Urkunde des nahen Dorfes Lichterfelde auftritt.
Die erste uns bekannte Familie, die „den Dienst" von dem Nienhoue besaß, war die von Redichsdorf. Mitgliedern dieser nach dem lüneburgischen Dorfe Rehstorf genannten Familie begegnen wir häufig in Urkunden dieser Gegend im Gefolge brandenburgischer Markgrafen, so z. B. 1227 in Werben, 1233 in Arneburg, 1250 in Sandau, 1268 wiederum in Arneburg. Besonders wichtig ist es für uns, daß Berthold von Redekestorp, ein Knappe, des Ritters Gerhard Sohn, sich 1316 für die von Werben (von der Weide) verbürgt, als diese den dem Nienhoue benachbarten Hof Weide (den heutigen Drudenhof) an die Stadt Werben verkaufen. Die Urkunde des Jahres 1313 nennt uns den ersten Besitzer unseres Hofes, nämlich Henricus dictus de brizike nebst Frau und zwei Söhnen. Der Henricus wird Werbener Bürger genannt. In den Familien von Redichsdorf (heute „von Retzdorff"), von der Weide, von Brizike werden wir ehemalige Werbener Burgmannfamilien annehmen können. Als um 1230 die alte Burg Werben aufgehoben wurde, erwarben diese Familien in der Nähe der Burg Landbesitz. Die von Brizike blieben zunächst vielleicht noch in der Stadt, um dann den Nienhoue zu erwerben; ihren Namen leiteten sie von dem hinter Osterburg gelegenen Dorfe Bretsch ab; der Name Bretsch aber läßt seine Ableitung von dem slawischen Worte brêza-Birke klar erkennen. Auf die Geschichte dieser Ritterfamilien näher einzugehen, ist hier nicht der Ort; dem altmärkischen Geschichtsfreunde wird überdies die einschlägige Literatur bekannt sein.
Aus den oben angeführten Urkunden des 15. und 16. Jahrh. lernen wir nicht nur die Namen einiger Besitzer kennen, sondern auch die Namen der Lehnsherren, ja auch den Namen eines geistlichen Stifts, dem unser Hof abgabenpflichtig gewesen. Als Besitzer werden genannt Cöne Ryn (1427), (Gerth Cunow der Jüngere, der alte Hans Belitz und Joachim Pletz der Aeltere (1540--42), der Werbener Rat und Komtur (1578), Achim Dames sowie die Brüder Heinrich und Jacob Schultze (1579), Achim Dames (1571). Aus dieser Aufführung geht hervor, daß mit dem in den Visitationsabschieden genannten „Neuenhofe an Werben gelegen", von dem die drei Werbener Bürger Cunow, Belitz und Pletz sowie dann der Werbener Rat und Komtur Pacht und Zins an das Arneburger Lehn Katharinae zu geben haben, nicht unser Hof gemeint sein kann, denn es ist nicht anzunehmen, daß der Hof zur selben Zeit Neuenhof und Einfelde geheißen und außerdem seinen Besitzer in der Zeit zwischen 1571 und 1579, in welchen Jahren Achim Dames als Besitzer genannt wird, gewechselt habe.
Die Lehnsherrn über unseren Hof in dieser Zeit sind die Schenken von Lützendorff. Den Lesern der „Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg" sowie den Kennern der altmärkischen geschichtlichen Jahresberichte ist diese ritterliche Familie bekannt; es sei darum hier nur ganz kurz erwähnt, daß Klein-Schwechten ihr Hauptrittersitz war, daß zu ihrer Lehnsherrschaft auch dreiviertel Landes in Muntenack, jenem zwischen Wendemark und Lichterfelde ehemals belegenen, jetzt längst wüst gewordenen Dorfe, gehörte, und daß sie 1615 mit Daniel von Lützendorff im Mannesstamme erlosch. Ihre Lehnsnachfolger wurden die von Putlitz.
Wir erfahren weiter aus den genannten Urkunden, daß unser Hof Abgaben an das prignitz'sche Zisterzienser-Nonnenkloster Heiligengrabe gehabt hat. Ehe wir auf die Art dieser Abgaben näher eingehen, sei es gestattet, auf den Ursprung derselben ein wenig näher hinzuweisen. Steinhardt schreibt in seinem Buche „Ueber die Altmark", Teil II, S. 79, darüber das Folgende: „Hier muß man vielleicht die Meierei suchen, die Albrecht der Bär dem Bistum Havelberg schenkte, und die in der Urkunde ‚Aland' genannt wird. Die beiden Falcken und der Becker'sche Hof stehen noch jetzt (um 1800) unter der Gerichtsbarkeit des Klosters Heiligengrabe in der Prignitz, und daher ist es um so wahrscheinlicher, weil es von einer geistlichen Hand leicht in die andere übergehen konnte, und die Bischöfe von Havelberg, die in Wittstock, eine halbe Meile vom heiligen Grabe, residierten, bei der Stiftung des Klosters sich sehr eifrig bewiesen. Diese Höfe werden auch jetzt noch „Vorwerk Wendemark" genannt, welches dem alten Namen „Meierei Aland" am nächsten kommt." Irren wir nicht, so heißt es in der Stiftungsurkunde Havelbergs „praedium Alant"; die spätere Bezeichnung „Vorwerk Wendemark" würde davon abzuleiten sein. Daß aber diese Abgaben später an das Stift Heiligengrabe abgetreten sind, bestätigt uns auch der sachkundige Riedel (Codex diplom. II, S. 403 und 431); an der letzteren Stelle heißt es: „Von den Gütern der Altmark, welche zur ursprünglichen Ausstattung des Bistums Havelberg ausgesetzt waren, behielten die Bischöfe für die Folgezeit nichts bei; sie scheinen dieselben teils für ihr Domkapitel, teils später für das Kloster Heiligengrabe zur Bewidmung angewandt, teils endlich an weltliche Besitzer verliehen zu haben". Bekannt ist, daß Heinrich II., Bischof von Havelberg (1270 bis 1290), gegen Ende seines Lebens die Stiftung des Klosters Heiligengrabe, welche in das Jahr 1289 fällt, bewirkt hat. In der Urkunde des Jahres 1337 über den Besitz des Havelberger Bistums nennt Kaiser Ludwig die altmärkischen Güter gar nicht mehr; wir sehen auch darin einen Beweis, daß sie bereits dem genannten Stift gehörten. Jedenfalls behielt das Stift diese altmärkischen Prästationen bis in das 19. Jahrh. bei.
Schon aus der oben zitierten Stelle des Landbuches de 1427 erfahren wir, daß diese Abgaben an das Kloster Gerichtsabgaben waren, weil das Kloster das höchste und das niedere Gericht über den Hof hatte; wir werden aus einer späteren Urkunde diese Abgaben näher kennen lernen.
Wenn Achim Dames sowie die Brüder Schultze 1579 von ihrem Hofe Einfelde dem Werbener Geistlichen Ministerium einen jährlichen Zins stiften, so erinnern sie uns durch diese ihre Stiftung daran, daß das Vorwerk Wendemark damals kirchlich zur Stadt Werben und nicht zum Dorfe Wendemark gehörte (cf. darüber Stendaler Museumshefte, II. Band, S. 98 ff.)
Unter den Höfen, welche zum ehemaligen Bot- und Loddinggerichte gehörten, wird bei dem Vorwerk zum Kloster Heiligengrabe auch der Schenkenhof zu Einfelde genannt. Diese Zugehörigkeit ist ein neuer Beweis für den niederländischen Ursprung des Hofes; über dieses ursprünglich für die niederländischen Kolonisten bestimmte Gericht ist zu vergleichen Steinhardt, Ueber die Altmark, I, S. 47 ff., über sein ruhmloses Ende 34. Jahresbericht des Altm. Geschichtsver. S. 125 f.
Die angeführten Urkunden dieses Zeitraums reden endlich noch von der Pflicht des jedesmaligen Hofbesitzers, ein nach der Größe des Hofes bestimmtes Stück des neuen Werbener Elbdeichs von der alten oder kleinen Fährstelle bis an die Stadt zu unterhalten (1571); wir werden auch darüber durch eine spätere Urkunde noch Näheres mitteilen.
Wir kommen nun zu den Quellen, die oben mit den Nummern 9 bis 19 bezeichnet sind.
Ueber die Schicksale des Hofes während des dreißigjährigen Krieges geben uns unsere Quellen keinen Aufschluß. Eine Sage begründet und erklärt den heutigen Namen Einhof damit, daß er als der einzige Hof hier nach dem furchtbaren Kriege übrig geblieben sei. Als Tilly sein Lager 1631 im Juni vor Werben hatte, blieb von der Wendemarker Kirche nur das Mauerwerk, vom Kirchturm nur das Fundament, von dem Pfarrhaus nichts übrig; wenn schon die kirchlichen Gebäude derartig zerstört wurden, so kann man sich denken, wie furchtbar erst die weltlichen Gebäude des Dorfes mitgenommen wurden. Auffallend ist es, wie viele Werbener Bürger nach dem Kriege als Hofbesitzer in der Umgegend auftreten; wir denken an Hilarius Kratz, Benedikt Müller, Bürgermeister Kaspar Keibel, Lorenz Gleim und an den oben genannten Peter Schleßmann; sie mögen die verwüsteten und verlassenen Höfe für wenig Geld erworben haben, mit der Verpflichtung, sie wieder aufzubauen und in wirtschaftlichen Stand zu setzen. So hat es auch Peter Schleßmann mit unserem Hofe getan, der von nun an den Namen „Einhof" führt und im Besitz der Familie Falcke bis zum Ende des 19. Jahrh. bleibt. Wir lernen aus dieser Familie kennen: Claus Falcke (1723), Johann F. (1757), Joachim F. (1763), Johann Joachim F. (1799), Friedrich F. (1849) und Otto F. († 1889). Der Hof ist z. Z. im Besitz des Herrn Herold, Oberleutnant d. R.
Die Urkunden und Akten des 17. bis 19. Jahrh., die oben angeführt sind, behandeln in der Hauptsache das Verhältnis der Hofbesitzer zu der Gerichts- und zu der Lehnherrschaft; sie bringen aber auch sonst noch einige interessante Nachrichten über den Hof. Außer dem Pachtgelde in Höhe von jährlich 16 Tlr. 8 Gr. 10 Pfg. und dem Kornzehnt in Höhe von jährlich 3 Tlr. hat der Einhofbesitzer dem Stift Heiligengrabe noch Korn von der Elbe nach Lüneburg zu fahren und lüneburgisches Salz mit zurückzubringen. Diese lästige Verpflichtung wird in eine Geldabgabe von 5 Tlr. für jede Reise umgewandelt. Außer der Gerichtsbarkeit hat das Stift aber auch die Jagdgerechtigkeit auf der Feldmark; mit seinem Gutsnachbarn (auf dem damals Becker'schen Hof) hat der Besitzer unseres Hofes das Vergnügen, die Stiftsbedienten während der Jagd zu beköstigen, auch ein Jahr ums andere drei Windhunde aufzuziehen. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrh. hinein bestand dieses Pflichtverhältnis zum Stift Heiligengrabe, das seinen Rendanten jährlich zur Einziehung der Abgaben zu senden pflegte.
Die Lehnsnachfolger der Schenk von Lützendorf waren die Edlen Gänse zu Putlitz. Das Lehnsverhältnis bestand darin, daß die Besitzer des Einhofes als dienstpflichtige Untertanen ein bestimmtes Dienstgeld zahlten; schon zu Anfang des 18. Jahrh. hatten sie dieses Dienstgeld vermöge Wiederkaufskontrakts und verschiedener Prolongationen durch eine Wiederkaufssumme abgelöst. Johann Joachim Falcke wandelte 1799 diesen Wiederkaufskontrakt in einen Erbkontrakt mit Zustimmung seiner Lehnsherrschaft um, zahlte 900 Taler, löste das Abhängigkeitsverhältnis zu derselben, besaß sein Gut „als sein wahres Eigentum" und unterstellte sich dem Königl. Preuß. Altmark. Obergericht zu Stendal, wobei er ausdrücklich für sich den Titel „Freisasse" forderte und erhielt. Auch die inzwischen auf die von Putlitz übergegangene Jagdgerechtigkeit wurde dem p. Falcke überlassen. Bei Gelegenheit der Eidesablegung am 1. Juli 1801 verpflichtete sich der neue Freisasse vor dem Stendaler Gericht ausdrücklich dazu, bei jedesmaliger Verpflichtung das bisher gebräuchliche Verpflichtungsgeld mit einem Taler zu entrichten; er verpflichtete sich dazu für sich, seine Nachkommen, auch alle nachfolgenden Besitzer seines Freigutes. Durch diese Ablösung war natürlich der Wert des Gutes gestiegen; Johann Joachim Falcke hatte es laut Rezesses von 1779 und 1781 zu dem Werte von 5233 Talern übereignet erhalten.
Es kam noch manches andere hinzu, was den Wert des Gutes erhöhte. Zwischen dem Rittmeister von Scheither auf Berge bei Werben und den Wendemarker Freisassen Johann Dietrich Falcke, unserem Johann Joachim Falcke und Johann Joachim Becker wurde unter dem 29. Juni 1802 ein Erbkaufkontrakt über 21 Morgen Gänsebrinkwiesen geschlossen, die bei dem Verkauf des Rittergutes Berge an den Kammerdirektor von Gayl reserviert waren. Der Kaufpreis für die 21 Morgen nebst dem Ueberfahrtsrechte und der Heunutzung im Jahre 1802 betrug 330 Taler pro Morgen, also zusammen 6930 Taler (die „Pistole" zu 5 Taler gerechnet). Johann Dietrich Falcke behielt von den gekauften vier Kaveln die Kavel Nr. 10 für sich, die anderen drei wechselten unter den Käufern ab. Johann Joachim Falcke zahlte 1650 Taler. Wenn auch die Wiesen von den Wendemarker Höfen etwas entfernt lagen, so bedeutete ihr Erwerb wegen des guten Futters dennoch einen nicht geringen Wertzuwachs. Dazu kam ein Anderes.
Wie oben kurz mitgeteilt wurde, mußte die Unterhaltung des neuen Elbdeichs zwischen der alten Fährstelle und der Stadt Werben festgesetzt werden. Zu diesem Zwecke war Dienstag nach Michaelis 1571 in Werben eine große Versammlung der Deichpflichtigen einberufen und bestimmt worden, daß jeder Deichpflichtige auf eine Hufe seines Besitzes 8 Ruthen 3 Schuh Deich zu übernehmen und zu unterhalten habe. Darnach hatte der Einhofbesitzer den Deich in einer Länge von 3 x 8 Ruthen 3 Schuh im Stande zu halten. Nach solcher Verteilung blieben aber noch 146 Ruthen Deich zu verteilen übrig; diese wurden in der Weise verteilt, daß auf ½ Hufe Land 1 Ruthe Deich gerechnet und zugemessen ward. Diese Deiche nannte man die Zugabedeiche. Uebrigens war „die Ruthe" dreizehneinhalb Schuh lang; sie ist noch heute an dem Werbener Rathaus eingemauert zu sehen. Die Deichpflichtigen durften zur Verfertigung des Deiches Erde von der Werbener Märsche nehmen, zu jedem Wagen acht Pferde mit sich bringen und dieselben auf des Werbener Rats und der Stadt Märsche weiden. Ihnen wollte derselbe Rat auch Ruthen (Buschwerk) für billige Bezahlung zur Erhaltung des Deiches zukommen lassen. Zum Ueberschreiten des Deiches durch das Vieh sollte eine gewisse Trift gehalten werden. Durch ein Uebereinkommen vom 26. Mai 1849 wurde nun auch diese recht schwere Deichlast insofern erleichtert, als die Stadt Werben die sogen. Zugabedeiche übernahm, dagegen die Deichinteressenten zwar die Dammzollfreiheit auch ferner beanspruchten, aber auf die obige Weidegerechtigkeit und Ruthenlieferung verzichteten.
Endlich gelang es Johann Joachim Falcke, in einem Prozeß wegen des Kirchen- und Schulsteiges den Sieg davonzutragen. Schon 1843 hatte der Wendemarker Besitzer Joachim Lüdecke, über dessen Acker dieser Steig führte, den Steg über den Aland wegnehmen lassen und das Betreten seines Ackers verboten. Da aber von Zeugen festgestellt wurde, daß der Steig immer als ein freier öffentlicher Kirch- und Schulsteig an der strittigen Stelle über den Aland geführt, so mußte Joachim Lüdecke nachgeben, den Steg über den Aland wieder herstellen und das Betreten seines Ackers auf dem Steige gestatten. Wie wir hören, ist in jüngster Zeit dieser Steig doch eingezogen. Der Weg nach der Wendemarker Kirche und Schule ist dadurch nicht unwesentlich verlängert.
Zum Schluß erinnern wir noch kurz an das Schreiben der Brüder Johann und Nikolaus Falcke vom 30. August 1757, worin sie den Landesdirektor der Altmark bitten, er möge ihnen von 10 auf ihren beiden Höfen ausgehobenen Mannschaften wenigstens 5 zur Bestellung des Ackerbaus losgeben. Es dürfte heutzutage schwer halten, auf jenen beiden Höfen 10 dienstfähige, kriegstüchtige junge Arbeiter zu finden. So ist uns auch dieses Schreiben ein Beweis dafür, daß damals noch eine zahlreiche junge kräftige einheimische Mannschaft auf dem Lande unter den Arbeitern vorhanden war.
Anspruchslose lückenhafte Beiträge waren es, die wir zur Geschichte des Wendemarker Einhofs beibringen konnten; wenn sie aber zu weiteren Nachforschungen über die Geschichte des Gutes anreizen, wenn sie hie und da über die dunkle Vergangenheit ein wenig Licht verbreiten, wenn sie einige neue kleine Steine zum Bau der altmärkischen Geschichte herzutragen, so haben sie ihren Zweck erfüllt.