Die mittelalterlichen geistlichen Brüderschaften der Stadt Werben a. d. Elbe.

(E. Wollesen, P., Werben a. d. Elbe.)

Das mittelalterliche kirchliche Leben in der Stadt Werben a. d. Elbe wurde fast ganz von der durch Albrecht den Bär im Jahre 1160 gestifteten Johanniterkomturei beherrscht. An der Spitze dieser Komturei stand allerdings ein Johanniterritter, die anderen 6 oder 7 Mitglieder des Konventes aber gehörten sämtlich dem geistlichen Stande an, hatten also auch lediglich kirchliche Amtspflichten zu erfüllen. Dieser Komturei gehörte außer dem Hof und Acker die prachtvolle Pfarrkirche nebst dem Patronatsrechte. Selbst die nach und nach erstehenden Hospitäler und Kapellen zum Heiligen Geist, zu S. Georg und S. Gertrud hingen vermöge des dem Orden zuständigen Pfarrrechtes von der Komturei ab. Die geistlichen Verdienste des Ordens wurden sehr begehrt. Kein Wunder war es darum, daß die Johannis-Brüderschaft, die zuerst für schweres Geld erworben werden mußte, später --- am Ende des 15. Jahrhunderts ---, als der Preis bedeutend niedriger geworden war, von fast allen Bürgern der Stadt nachgesucht wurde. Dennoch existierten neben dieser Johannis-Brüderschaft noch drei geistliche Brüderschaften in der Stadt, die Gilde des Heiligen Kreuzes, die Gilde Corporis Christi und die Gilde S. Nicolai[1]). Beanspruchen diese drei Brüderschaften schon um dieser ihrer merkwürdigen äußeren Stellung willen ein besonderes Interesse, so lenken sie doch ganz besonders durch ihr eigentümliches, halb geistliches, halb weltliches inneres Leben unsere Aufmerksamkeit auf sie. Es sei daher im Folgenden der Versuch gemacht, das Leben dieser drei geistlichen Brüderschaften auf Grund dreier zufällig entdeckter Gildebücher zu schildern.[2])

I. Das älteste der aufgefundenen Gildebücher der Gilde des Heiligen Kreuzes hat Quartformat, ist in ein altes Pergament gebunden und zählt 84 Blätter in sieben Lagen starken Papieres. Letzteres zeigt als Wasserzeichen einen Ochsenkopf, zwischen dessen Hörnern ein von einem siebenteiligen Kleeblatt gekrönter Stab aufsteigt; ein Paar gekreuzter Schlüssel, über deren durch einen Bogen verbundene Griffe sich ein spitz zulaufendes Schwert erhebt, das von einem Kreuz geziert wird; wiederum ein Ochsenkopf, zwischen dessen Hörnern ein von einer Schlange umringelter, von einem Kreuz geschmückter Stab aufsteigt, enthält eine Krone, über welcher sich ein auf einer Kugel ruhendes Johanniterkreuz erhebt.

Nachdem wir auf Seite 2 etwas Näheres über die Besoldung des ältesten Gildemeisters, des Stadtschreibers und der Lichtmone gehört, lesen wir auf Seite 3 über das Alter des Registers:

Anno incarnationis dmi MCCCCXXIX^0^, ipso die sti Johannis evante renovatus est primus libellus gulde ste crucis in Werben, post combustionem eiusdem ciuitatis, quae ... fuit anno XXXVII^0^, ipsa nocte nativitatis Mariae virginis.

Es folgen nun auf Seite 3 und 4 Schuldverschreibungen, dann auf den folgenden Seiten die Verzeichnisse der Nouicii und der census, nach den Jahren geordnet, bis dann diese Aufzählungen auf S. 43 und 44 durch nähere Anweisungen darüber unterbrochen werden, wie es mit den Gebeten bei einem Todesfall eines Gildemitgliedes, wie es mit den Lichten in der Kirche, mit den Spenden an die Armen, mit den Collacien am Himmelfahrtstage, sowie mit den Memorien den „Gönnern aus der Gilde nach" gehalten werden solle. Über das Alter dieser Aufzeichnungen unterrichten die folgenden Überschriften:

„Anno dmi m^0^ cccc^0^ lxxv in vigilia ascensionis dmi renovatum est registrum fratrum et sororum gilde ste cce" und „Anno dmi m^0^ cccc^0^ lxxxvii am auende ascensionis synt de guldemester eyn gheworden meth volbort des Rades."

Danach werden wieder die Verzeichnisse der ausstehenden Gelder, der Novizen und der Zinsen fortgesetzt. Erst vom Jahre 1511 an sind die Namen der Gildemeister regelmäßig hinzugefügt. Im Jahre 1531 findet das Register seinen Abschluß, so daß es also einen Zeitraum von 92 Jahren umfaßt.

Nachdem wir so weit das Äußere des Gildebuches beschrieben, soll es nun unsere Aufgabe sein, etwas näher auf seinen Inhalt einzugehen. An der Spitze der Gilde standen zwei Gildemeister, deren jeder zwei Jahr --- ein Jahr als neugekorener, das andere Jahr als „oldester" --- seines Amtes wartete. Am Himmelfahrtstage, dem Hauptfesttage der Gilde, legte der älteste Gildemeister sein Amt nieder, der zweite rückte in seine Stelle und wählte einen neuen zu sich. Konnte die Gilde aus irgend welchen Ursachen nicht gehalten werden, so blieben die bisherigen Gildemeister im Amte, wie das z. B. mit Matthias Ludeke und Berendt Nygedorpe der Fall war, die 1524 und 1525 im Amte blieben. Nahm ein gekorener Gildemeister die Wahl nicht an, so sollte er fünf Schilling der Gilde geben, dann aber frei sein. Die Aufgabe der Gildemeister war es nun, am Himmelfahrtstage über das Vermögen der Gilde Rechnung zu legen, und die Gildebrüder und -Schwestern am Abend desselben Tages zu bewirten, am Feiertage darauf eine Spende unter den Armen (jedem 1 Pfg. stend. Währung) auszuteilen und, falls es die Gildekasse gestattet, auch am Quatember in den Fasten eine Spende zu geben. Der jüngste Gildemeister hatte außerdem die Pflicht, die fünf Lichte auf der neuen, vor dem Altar des Heiligen Leichnams hängenden Krone in der Kirche an allen hohen Festen und Apostelfesten zur Vesper und Hochmesse zur Ehre des heiligen Festtages und zu Lobe Gottes anzuzünden.

Unter der Zahl der Gildemeister heben wir nur einige hervor, deren Familien in der Lokalgeschichte eine gewisse Bedeutung haben:

Hans Kroger, 1515 ältester Gildemeister, stammte aus einer sehr alten und ausgebreiteten Werbener Familie, welche der Stadt in dem 1520 gestorbenen Peter Kroger sen. und Peter Kr. jun. zwei Bürgermeister gegeben. Letzterer wird in den Jahren 1543 bis 1550 auch als Kirchenvorsteher genannt.

Glawes Gutke, 1518 Gildemeister. Es ist wahrscheinlich sein gleichnamiger Sohn, welcher 1563---1576 als Vorsteher des S. Georg-Hospitals, 1567---1573 als „Bürgermeister" erwähnt wird.

Christoffer Bardt, 1521 und 1531 Gildemeister, hat durch seine Nachkommen für die Lokalgeschichte Bedeutung gewonnen. Ambrosius B., sein 1520 geborener Sohn, war 4 Jahre lang Diakonus am Stendaler Dom, dann 40 Jahre lang bis zu seinem am 1. Mai 1588 erfolgenden Tode Pfarrer in Werben. Der Sohn dieses Ambrosius B., Johannes B., studierte 1585 in Frankfurt a./O., war dann Rektor, von 1588---1602 Diakonus und bis 1613 Pfarrer und Inspektor in Werben a./E. Ein Sohn dieses Johannes mit gleichem Namen war 1625 bis 1630 Rektor in Werben, sodann Pfarrer in Dosse. M. Christophorus B. studierte 1596 in Frankfurt a./O. und war dann Rector scholae Seehusanae.

Endlich sei noch die Familie des Hans Fretze, der 1531 Gildemeister war, hervorgehoben. Aus ihr stammten der Bürgermeister Arndt Fritze am Anfang des 17. Jahrhunderts[3]), ferner der Bürgermeister Joachim Fr., 1631---1657[4]), endlich der Rektor Joachim Fr. in Werben 1661 und 1662, der dann Diakonus in Sandau wurde.[5])

Über die Mitgliederzahl geben die Verzeichnisse der Novicii einigermaßen Aufschluß. Im Jahre 1439 wurden 16 Personen u. zw. darunter Ehepaare, einzelne Männer, Frauen, Witwen, Jünglinge und Jungfrauen aufgenommen, im Jahre 1449 waren es 13 Personen, 1479: 18, 1489: 19, 1499: 11, 1512: 15, 1519: 6, 1531: 2 Personen. Die größte Zahl (19) von Mitgliedern nahm die Gilde also im Jahre 1489 auf, gar keine Novicii finden sich aus den Jahren 1527---1530 verzeichnet. Wunderbarerweise überragte das weibliche Geschlecht an Zahl das männliche.

Unter den Novicii befinden sich, um wiederum nur einige hervorzuheben, Henning (1448) und Henne von der Weide (1468 uxor, 1472), also Mitglieder der Familie, die 1316 ihren nahe bei der Stadt gelegenen Hof der Stadt verkaufte, sich später nach der Prignitz, Mecklenburg, ja sogar nach Franken ausbreitete und in der Mitte des 17. Jahrhunderts erlosch[6]; ferner Hans (1439---1442), Kersten (1457) und Henne Pariß (1464) aus einer angesehenen Patrizierfamilie, deren Name sich noch in dem in Wendemark bei Werben belegenen Rittergut „Parishof" erhalten hat; ferner Gode (1457---1505), Tideke (1457) und Laurentius Rotidike (1516), von denen sich Tideke R. durch Stiftung und wiederholte Dotation der S. Ottilien-Kapelle bei der Pfarrkirche einen Namen gemacht hat[7]); endlich Mitglieder der Familien Drude, Klinte, Pletze, Klinkow, Namen, welche wir noch heute in den Bezeichnungen Drudenhof, Klintenland, Pletzenland und Klinkowskiel finden. Ferner sind zu bemerken: herr Johan rümester, plebanus 1477, petrus holländer, locatus 1493; auswärtige Mitglieder: her johan moller, plebanus in wenmarke (Wendemark) 1496, claues ludeke tho Quitzauel 1494, diderik bolthe tho zehusen 1494; aus ritterlichen Familien Arnd von krughen 1442, hans und frederik kauenberghe 1487, Agnes uxor hinrik wulschen tor wentmarke, fritze wulveswinkele.

Die Einnahmen der Gilde setzten sich aus Opfern bei den kirchlichen Feiern, aus den Eintrittsgeldern und aus den jährlichen Zinsen zusammen. Das Eintrittsgeld betrug 1 Pfd. Wachs und 1 Schilling. Die Zinsen betrugen im Jahre 1465 Mark 2; 1475: 2 Mark und 6 Schilling; 1509: 1 Mark 33 Schilling; 1514: 2 Mark 18 Schilling.

Für 1 Mark wurden 4 Schilling Zinsen bezahlt, wie aus nachfolgender Notiz hervorgeht, die dem Jahre 1464 entstammt:

„Hans eggerdes te gulde ste crucis i Mark stend., dando annuatim iiii β in die ascensionis dmi.\"

Wir dürfen 1 Mark = 40 Schilling = 480 Pfg. rechnen. So setzen die obigen Zinsen im Jahre 1465 ein Kapital von 20 Mark oder nach unserem Gelde --- die ehemalige Mark zu 35 heutige Mark gerechnet --- von 700 M., im Jahre 1475 von 21 Mark 20 Schilling oder 752,5 Mark nach heutigem Gelde, im Jahre 1509 von 18 Mark 10 Schilling oder 638,75 Mark und im Jahre 1514 von 24 ½ Mark oder 857,5 Mark nach heutigem Gelde voraus.[8])

Von diesen Einnahmen mußten nun die folgenden regelmäßigen Ausgaben bestritten werden:

Dem ältesten Gildemeister für „crude, droge vlesk, roggenbrod vnd alle ander kokenrecht, dath me to der spise to kakende behüuet\".4 Schilling.
Dem Stadtschreiber „vor syn scryuenth\" 1 Schilling
Der Lichtmone „vor manen der gulde renthe\" 1 Schilling.

Ferner würden von der Rente die 5 Lichte auf der neuen Krone in der Kirche gehalten, die bei jeder Messe brannten, die Spenden, die den Armen ausgeteilt wurden, bestritten und endlich die Mahlzeiten hergerichtet, die am Himmelfahrtstage nach den Nonen gehalten würden.

Bevor wir zu der Schilderung der kirchlichen Feiern übergehen, fügen wir ein kurzes Wort über den Altar, an dem diese Feiern stattfanden, ein. Der Herrenmeister Busso von Alvensleben gestattete 1422 dem Rat der Stadt die Errichtung eines Altars zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit und des Heiligen Leichnams. An diesem ursprünglich mit 4 Mark stend. Währung begifteten Altar errichtete der Rat 1500 noch eine neue Kommende. Derselbe Altar, der ursprünglich mitten in der Kirche stand, wurde im Jahre 1663 für 38 Gulden 16 Schilling an die Kirche zu Wendemark bei Werben verkauft. Auch noch einige Trümmer sind jetzt von ihm übrig. An diesem Altar mußte der Altarist täglich Messe singen, sonderlich am Donnerstage zur Frühmesse mit so vielen Schülern, als ihm dazu geschickt würden. Zu Ehren aber der aus der Gilde verstorbenen Gönner würde am Himmelfahrtstage nach der Complete eine Vigilie mit drei Priestern, 6 Schülern, mit den Lokaten und beiden Küstern, und des Morgens zum Freitage zur Hochmesse eine Seelenmesse mit drei Schülern und den Lokaten und noch eine zweite Seelenmesse mit drei Schülern und einem Küster gehalten. Nach diesen Messen sollten alle drei Priester, die Lokaten mit den sechs Schülern zur Kommendacie gehen. Zur Vigilie und Kommendacie wurde feierlich mit der Apostel- und Meßglocke sowie mit zwei Schellen geläutet, zur Vigilie und den Seelenmessen würden auch die Lichte von der Krone auf den „Seelenblock" gestellt. Während nun die Gildemeister mit ihren Frauen und, wer sonst geneigt war, zu den beiden Messen opfern sollten, bekam jeder Priester für die Mühewaltung 6 Pfg., die Lokaten 6 Pfg., jeder Schüler 2 Pfg. und jeder Küster 6 Pfg.

Am Abend des Himmelfahrtstages fanden dann jene schon erwähnten Mahlzeiten der Gilde statt, bei denen zwei Tonnen entweder tangermündisches oder werbensches Bier aufgelegt, Weißbrot und Butter dargereicht würden.

Wenn ein Gildebruder oder eine Gildeschwester starb, so sollte ein jeder Gildebruder und eine jede Gildeschwester, die am Leben blieben, ihm nachbeten und sprechen 3 Schock Pater-Noster und Ave-Maria, und 9 Pater-Noster und Ave-Maria, und eine Vigilie seiner Seele zu Trost und Gnaden lesen oder lesen lassen. Wem aber dies zu halten zu schwer würde, der sollte allen verstorbenen Gildegliedern alle Sonntage das ganze Jahr über 35 Pater-Noster und Ave-Maria nachbeten und sprechen. Wem auch diese Bestimmung nicht paßte, der sollte alle Tage 5 Pater-Noster und 5 Ave-Maria sprechen sowie die besonderen Gebete, die den Verstorbenen zu halten vorgeschrieben waren.

II. Das Jahr und den Namen des zweiten aufgefundenen Gildebuches giebt uns die Ueberschrift auf seiner 1. Seite an:

„Anno lx primo renovatum est primum (?) registrum gulde corporis Christi.\"

Wir haben es also mit dem aus dem Jahre 1461 stammenden, erneuerten Register der Fronleichnamsgilde zu thun, das bis zu Jahre 1541 reicht, also einen Zeitraum von 80 Jahren umfaßt. Die 90 Blätter in 11 Lagen Papiers, die in das Pergamentblatt eines alten lateinischen Gebetbuches geheftet sind, haben Oktavformat und zeigen wesentlich dieselben Wasserzeichen, wie die des vorher beschriebenen Gildebuches. Die äußere Einrichtung dieses Registers entspricht ebenfalls dem vorigen Register, d. h. es wechseln Schuldverschreibungen, Zinsen- und Novizen-Verzeichnisse mit einander ab, welche auch hier durch nähere Bestimmungen über Memorien (S. 27), über Gildefeiern, über Besoldungen und Eintrittspreis (S. 37 u. 38) unterbrochen werden. Die Ueberschriften über diese Bestimmungen lauten:

„Anno dmi in deme lxxxiiij iare synt de gildemeister auer eyn ghekamen des hilghen lichnames ghilde meth vulbort des rades etc.\" und die andere:

„Dith register iss ver nyget wedder in deme lxxxvj (1486), so alse dat olde in helt, dath gantz to scharet wass, in holde in aller mathe vnde wise, als dath olde inhelt, wo me dosse ghilde holde schal.\"

Die älteste Aufzeichnung lautet wie folgt:

„Boldemann te ghilde iij ferdingh dar vor alle iar to ghevende in des hilghen lichnamess daghe iij β stend. war. Met eme hed ghelauet liksakweldich Heyne reppin effte brok warde an houetstule edder an „renten, zo dat wanlik yss to lauende in de ghilde.\"

Die letzte Aufzeichnung lautet dagegen:

„Im Jare nha der geburt Christi :1:5:41 am Sondage vor Mariae Magdalenae hefft Peter Techon uthgegeuen j marck houetsummen vnnd die renthe darby, alles ock slicht gemacket: Vnndt hebben entfangen Hans Schulte oldeste gildemeister, vnnd Symon Khurd.

An der Spitze standen auch hier wieder die Gildemeister. Sie wurden am Heiligen-Leichnams-Tage (Frohnleichnamsfest, festum corporis Christi, am Donnerstag nach dem Sonntag Trinitatis) gewählt.

Eine diesbezügliche Eintragung lautet:

Anno dmi 15 xxxvi (1536) ist geholden deß hilligenn lichamß gulde. | Sint guldemeister geweßenn Hans Gumptow affgeschedenn vnnd Peter Jordenn; to sich Hanß Schultenn gekarenn.

Vom Jahre 1519 an sind uns ihre Namen aufbewahrt. Unter denselben interessiert uns der des 1526 genannten Henningk Pathen deshalb, weil wir ihn auch in dem Verzeichnisse der Gildemeister des Heiligen Kreuzes in den Jahren 1523, 1529 und 1530 finden. Es war eben nicht ungewöhnlich, mehreren Gilden zugleich anzugehören und sich ihre Verdienste alle zu erwerben. Der letzte der genannten Gildemeister war Simon Kord; unter den Stiftern von Memorien werden uns in dem Visitationsabschiede vom Jahre 1542 ein Matth. Curd und ein Johannes Curd, Kanonikus zu Lübeck, genannt.

Als Novitii werden im Jahre 1462 aufgeführt 10 Personen; 1482: 4, 1492: 6, 1502: 12, 1504: 20, 1512: 14, 1522: 8 und 1532: 12 Personen, so daß also die Gilde im Jahre 1504 den stärksten Zuwachs erhielt. Übrigens betrugen die Eintrittskosten ½ Pfd. Wachs und 6 Pfg.

Unter den Mitgliedern gaben für die Lokalgeschichte Bedeutung die Belitz, Amelungk, Calwe, Lintperck und Konow.

Die Zinsen betrugen
im Jahre 1467 = 26 Schilling, 1477 = 60 Schilling, 1487 = 61, 1498 = 66 und 1507 = 65 Schilling. Diese Zinsen legen, wenn wir wiederum auf 1 Mark 4 Schilling Zinsen rechnen, ein Kapital voraus
im Jahre 1467 von 6½ Mark oder 227½ Mark heute.
„ „ 1477 von 15 „ „ 525 „ „
„ „ 1487 von 15¼ „ „ 533¾ „ „
„ „ 1498 von 16½ „ „ 577½ „ „
„ „ 1507 von 16¼ „ „ 563¼ „ „

An Ausgaben werden die folgenden erwähnt:

Bei der jährlichen Gildefeier jedem der drei Priester 6 Pfg, „ „ „ „ den Lokaten 6 Pfg., „ „ „ „ jedem Schüler 2 Pfg., „ „ „ „ „ Küster 6 Pfg., „ „ „ „ „ Gildemeister f. Krude 1 Schill. „ „ „ „ dem Schreiber 1 „ „ „ „ „ der Lichtmone 1 „ „ „ „ „ dem Küster der Anstecken des Lichts . . . . 1 „ „ „ „ „ „ „ 1 steucken Biers.

Aus dem Jahre 1483 ist uns folgende Rechnung überliefert:
xvii β vor 1 tunne biers, ix β vor vlesk, v β vor broth myt iiii ℘ Heyne Kroger, vi β ane iiii ℘ vor botter, vii half staueken biers, techow 1 β vor bier, item synt wy schuldich Hans quasebarde v β, van alle syne schult dar up heth he xviii ℘ bezahlt.

Die Vorschriften (S. 27) über die ewige Memorie den Gildebrüdern und -schwestern nach, die aus der Gilde verstorben, lauten ganz genau so, wie die gleichen Vorschriften bei der vorigen Gilde, nur daß es anstatt „Himmelfahrtstag" hier „Tag des Heiligen Leichnams" heißt. Und dann wird es hier besonders hervorgehoben, daß diese Bestimmungen mit „vulbort des rades" gemacht sind.

Auf S. 37 und 38 hören wir denn über die häusliche Gildefeier am Heiligen-Leichnams-Tage, daß die beiden Gildemeister mit ihren Frauen, mit dem Schulmeister, Schreiber und mit der Lichtmone in des ältesten Gildemeisters Hause mittags zusammen essen und abends zusammen mit denselben Kollacie halten, darnach aus 8 Pfund alten und neuen Wachses Lichte anfertigen und verrechnen sollten, was der Gilde zukäme. Bei der Kollacie gab es Roggenbrot, „droghe" Fleisch umsonst und eine Tonne reppinsches Bier.

Es sei noch erwähnt, daß die kirchlichen Feiern ebenfalls an dem Dreifaltigkeitsaltare stattfanden. Im Jahre 1542, gelegentlich der ersten Kirchenvisitation, ward bestimmt, daß der Vikar Gangkow von der Vikarei Corporis Christi jährlich 3 Mark bekommen, das übrige bei der Kirche bleiben sollte.

III. Der Name des 3. Registers, welches 79 Blätter enthält, prangt in großen Buchstaben auf dem sonst mit Der hebräischen Schriftzeichen bedeckten Deckel des Gildebuches S. Nicolai: Registrum Gulde Sancti Nicolai zu Werbenn. Auf der 1. Seite belehrt uns folgende Titelschrift:

Anno 15 quinto decimo provisoribus gulde Scti Nicolai Nicolao Werneken et Johanne Platen exntibus (existentibus?), primum registrum restauratum est atque rescriptum cum omnibus retardatis censibus et noviciis.

Auf Seite 2---4 folgen wieder Gildebeschlüsse, die wir um ihrer Wichtigkeit halber hier wörtlich anführen wollen:

Item de Scriver vordenet 1 β und schal myt denn Gyldemeysternn vnde Gyldebrodernn ethen szo vake, alss sse ene beheuenn, dar schal dath boeck var myt vlyte vorwarenn nach wonthlyker wysse."

De lychtemone vordenet ock 1 β vnde schal myt enne ethenn, dar schal sse dath wass var in manenn vnde de lychte helpenn makenn vnde betappenn de wyle de Gyldebroder tho hope ssynt.

„Anno dmi m^0^ quingentesimo decimo, quinto anno ssynt de Gyldemeysters sancti Nycolay eingewordenn, sso dath sse eyn nyge boeck ghemaket hebenn vth deme oldestenn vann alle erer rekenscap, de bedaget yss in deme dage sancti Nicolay (6. Dezember) [vnde dyt boeck schal stedes blyuenn in der lade] besundernn; wenn sse etlyck ghelt vth pande hebbenn, szo scalenn de Gyldemeisters latenn rekenn in dyt bock vnde schal nycht synn eynn mane regyster. in eyne andernn blade vyndestu dath.

„De Gyldemeisters Sancti Nicolay syn eyn gewordenn, dath me schal gheuenn deme oldestenn Gyldemeyster, de de maltydt boreydet, wen de Gylde yss vnde wenn sse rekenn, vor droghe vlesk, roggen brodt vnde krude vnde wath sso tho passerye horeth, v β besunderenn; wyllenn sse hebbenn honre edder ander vlessk ane droghe vlesk, schallenn sse sunderlikenn betalenn.

Das Buch enthält nun auf Seite 5 bis Seite 31 Schuldverschreibungen, die bis zum Jahre 1533 reichen. Von Seite 33 an folgen Zinsen- und Novizenverzeichnisse bis zum Jahre 1539. Das Buch umfaßt also 24 Jahre. Da die Zinsen sehr lässig bezahlt wurden, waren mit jedem einzelnen Zinszahler besondere Abrechnungen nötig, ja, im Jahre 1539 war die Anlage eines neuen Registers der Schulden halber erforderlich. Die Zinsen betrugen im Jahre 1516 = 58 Schilling, 1517 = 66, 1531 = 62 Schilling; die Vermögensverhältnisse waren also ganz ähnlich denen der beiden anderen Gilden. Wer in die Gilde eintrat, mußte 1 Pfund Wachs bezahlen.

Gerade dieses Buch läßt uns einen interessanten Einblick in das Verhältnis zwischen dem Rat der Stadt und der Gilde thun. Als im Jahre 1528 beide Gildemeister Hans Werneke und Achim Mandach verstorben waren, wurden die Schlüssel und die Lade der Gilde „to Rathuse vorantwortet" und durch den Ehrsamen Rath Hans Plate und Paul Rubbrecht zu Gildemeistern verordnet, und die Eintragung vom Jahre 1535 lautet:

„Anno 15 xxxv am Dage Nicolai de gulde im Husse Jurgen Szellen geholden, Olde guldemeister Jurgen Szellen vme etliche orsake gebleuen vnd Achim Ruben jüngster vom Rade geordnet."

Der Rath nahm also eine Patronatsstellung den Gilden gegenüber ein, d. h. er bestätigte die Statuten, verwaltete ev. das Vermögen und setzte ev. Gildemeister ein.

Vom Jahre 1520 an erfahren wir auch hier die Namen der Gildemeister. So heißt es z. B. von diesem Jahre:

„Anno 15 xx^0^ Thomas Engeln affgekorn guldemeister, vnd Thomas Klinkow oldeste gebleuen vnd Peter Jorden jüngst gekoren guldemeister geuessen."

Es kam hier auch vor, daß ein und derselbe verschiedentlich zum Gildemeister gekoren wurde, so war Clawes Wernecke 1515 Gildemeister, dann 1523 und 1524; Thomas Engel 1520 „affgekoren", 1530 „nygekoren".

Aufgenommen wurden im Jahre 1515 = 9 Personen, 1521 = 11, 1528 = 1, 1535 = 4 Personen. Darunter befinden sich Glieder der Familien Coblank, Wernecke und Lüdicke.

Die kirchlichen Feiern dieser Gilde fanden an dem Nicolai-Altare statt. Nach Beckmann, V. Teil der Märkischen Historie, 1. Buch, VIII. Cap., stand derselbe bei dem Eingange des Chores und zeigte den Heiligen in der Mitte zwischen einem Papstbild mit dem Triregno und einem Kardinalsbild.

Bei einem Rückblick auf die drei Gildebücher erneuert sich das lebhafte Bedauern, daß nicht mehr Angaben über das Leben und Treiben in diesen Gilden auf uns gekommen sind. Immerhin genügt das uns Überkommene, um uns erkennen zu lassen, wie diese Gilden, die Befriedigung des damals äußerst lebhaften religiösen Bedürfnisses, gegenseitige Hilfeleistung mannigfachster Art und nicht minder die Pflege der Geselligkeit zu ihrer Aufgabe machten. Wenngleich die geistlichen Brüderschaften in anderen Städten oft weit bis in die Reformationszeit hinein bestanden, wie beispielsweise die Fronleichnamsgilde in Stendal bis zum Jahre 1738, so scheinen sie doch in Werben die 1542 eingeführte Reformation nicht überdauert zu haben, wenigstens haben sich Spuren längeren Bestehens nicht finden lassen.

Fußnoten

[1]Zwar gab es auch in Werben eine Elenden-Gilde, doch sind nähere Nachrichten über dieselbe nicht bisher gefunden, cf. E. Wollesen, Chronik der altmärkischen Stadt Werben, S. 69 und 88.
[2]^*^ Diese Gildebücher befinden sich in einem Wandschrank der Sakristei, in dem die 1543 beginnenden Kirchenrechnungen aufbewahrt werden.
[3]^*^ cf. Kirchenrechnung
[4]^**^ cf. Listen des Diakonats.
[5]^***^ cf. Listen des Diakonats.
[6]^†^ cf. Wohlbrück „Geschichte der Altmark", Berlin, 1855, p. 320 f.
[7]^*^ cf. Niedel „Codex diplom.\" I, 6. Band, p. 57, 69.
[8]^**^ cf. Fidicin „Landbuch Kaiser Karls IV.\", Anhang.