Die Zeitzer Stiftsgeistlichen zur Zeit der Reformation.
Von E. Wollesen, Zeitz.
Der erste und letzte evangelische Bischof von Naumburg-Zeitz, Nicolaus von Amsdorf, den Luther selbst am 20. Januar 1542 feierlich eingeführt, ordnete im Jahre 1545 eine Kirchenvisitation in seinem Stifte an. Es handelte sich bei dieser Visitation darum, die Pfarrer auf ihre Lehre und ihr Leben zu prüfen, die Pfarrhäuser auf ihren baulichen Zustand zu besichtigen, vor allem aber die einzelnen Einkommensteile der Pfarreien, Kirchnereien (Küstereien) und Kirchen genau festzustellen und etwaige Gebrechen und Mängel abzustellen. Das genaue Ergebnis dieser Visitation wurde in dem sogenannten Gebrechenbuch[1] niedergelegt, das sich noch heute in seiner ursprünglichen Verfassung im Zeitzer Ephoralarchiv befindet. Im Jahre 1564, dem Todesjahr des letzten katholischen Bischofs von Naumburg-Zeitz, Julius von Pflug, wurde gleichfalls eine Visitation im Stifte abgehalten. Das Ergebnis derselben wurde dem Gebrechenbuch als zweiter Teil angefügt. Es scheint daher diese zweite Visitation keine besonders eingehende gewesen zu sein, umfaßt doch der zweite Teil des Gebrechenbuches nur 46, nicht immer voll beschriebene Seiten, während der erste Teil 397 Seiten zählt. Das Gebrechenbuch mag lange Zeiten hindurch in seinem ephoralen Schlupfwinkel unbeachtet geblieben sein, jetzt hat es sehr große Bedeutung für die neuerdings aufgetauchten Fragen nach dem Patronat und dem Kirchnereivermögen bekommen. Daß es aber nicht nur für die Beantwortung dieser Fragen, sondern auch für die Kenntnis des Lebens der damaligen Stiftspfarrer von großer Bedeutung ist, möchte ich im Folgenden zu zeigen versuchen. Bevor ich aber das Bild der Zeitzer Stiftsgeistlichen nach den Angaben des Gebrechenbuches zeichne, muß ich den Hintergrund malen, von dem sich jenes Bild abhebt.
Die Mitglieder des Zeitzer Stiftskapitels hielten sich noch öffentlich zur katholischen Lehre. Allen voran tat das der Zeitzer Dekan Basilius Wilde, des Päpstl. Rechts Doktor und Priester; er glaubte, schon um seines Amtes willen ein eifriger Verehrer und Verfechter der römischen Glaubenslehre sein und bleiben zu müssen. Es sahen neben ihm wohl verschiedene Mitglieder des Stiftskapitels ein, daß ihre Kirche, aber auch ihr eigenes Kapitel eine Reformation nötig hätte; öffentlich zugeben wollte man das nicht. Luthers 1517 zu Wittenberg angeschlagene Sätze hatten fast das ganze Stift erleuchtet, daß man den Unterschied des Neuen von dem Alten bald erkennen konnte. Dazu kam das 1519 zwischen Luther und D. Eck in dem nahen Leipzig gehaltene Colloquium, darinnen ersterer den letzteren und seine Anhänger überwunden hatte. Immer mehr Leute auch in diesem Stift bekannten sich zu Luther. Als vollends die Bulle des Papstes 1520 Luther für einen Erzketzer erklärt und zum Feuer verdammt hatte, entstand, so erzählt ein alter Geschichtsschreiber, ein großes Religionsfeuer in Zeitz. Die Bürger stürmten die Kurien der Domherren, rissen die angeschlagene päpstliche Bulle ab und hielten fest an Luthers Lehre, obwohl sie von den römisch gesinnten Domherren D. Donat Große, Canonicus zu Naumburg und Zeitz, und dem Dekan Basilius Wilde mancherlei Unbill zu leiden hatten. Namentlich der letztere verfolgte die Anhänger Luthers und half viele lutherische Bürger zu Gefängnis und anderen Martern verdammen, so daß Luther am Dienstag nach Vocem iucunditatis 1540 einen scharfen Brief an ihn und seine Anhänger im Kapitel schrieb. Auch die Kapitelszensiten auf dem Sande fingen an, rebellisch zu werden; sie wollten weder den Canonicis noch den Zeitzer Nonnen von S. Stephan die gehörigen Geld- und Getreidezinsen mehr entrichten. Die geistlichen Zinsherren mußten vielmals mehr Unkosten aufwenden, als die Zinsen betrugen, weil ihnen die Beamten und die Gerichte auf dem Sande die Eintreibung der Zinsen gar schwer machten.
Auf des Rates in Zeitz Ansuchen schickte der Kurfürst im November 1539 den Altenburger Prediger Eberhard Brisger nach Zeitz, das Pfarr- und Ephoralamt auf einige Monate zu versehen; M. Johann Kramer wurde ihm als Diakonus beigegeben. Weil aber in der anderen Pfarrkirche zu S. Nicolai ein Pfarrer namens Matthäus Bock, den der Propst Julius von Pflug als Patron dahin gesetzt, heftig wider die evangelischen Prediger zu S. Michael „schrie", ließ der Rat, einem Aufruhr der Bürger zuvorzukommen, die Nikolaikirche schließen und Pflug bitten, entweder einen evangelischen Prediger dahin zu setzen, oder ihm, dem Rat, das Recht, einen Pfarrer zu wählen, einzuräumen. Pflug aber schlug beides, wiewohl mit glimpflichen Worten, am 6. Januar 1540 ab. Inzwischen hatte der Kurfürst Eberhard Brisger, sehr gegen den Wunsch der Zeitzer, wieder nach Altenburg zurückgerufen und dem M. Johann Kramer wegen seines hohen Alters noch einen Diakon zugegeben, nämlich M. Jakob Tham, des Zeitzer Bürgermeisters Sohn.
Es folgten nun zwei Ereignisse, die für den Sieg der evangelischen Sache im Bistum, insbesondere in den beiden Hauptstädten Naumburg und Zeitz, von ungeheurer Bedeutung wurden: Nicolaus von Amsdorfs Wahl und Weihe zum evangelischen Bischof und Luthers Predigt in der Zeitzer Klosterkirche. Über das erstere Ereignis ist schon oben gesprochen, über das letztere noch einige nähere Worte. Nachdem Luther in Naumburg den Bischof eingeführt hatte, machte er sich den Tag darauf mit dem Bischof, mit Melanchthon und Spalatin auf den Weg nach Zeitz, wo er in einem Hause der Rahnestraße sein Quartier aufschlug. Am folgenden Tage, also am 22. Januar 1542, predigte der Bischof vormittags in der Zeitzer Stiftskirche, Luther nachmittags in der Klosterkirche, der Kirche der Franziskaner. Ungeheuer war die Menge der Zuhörer Luthers, die Kirche konnte sie bei weitem nicht fassen; auf dem Klosterplatz und in der Brüdergasse drängte sich das Volk. Einige beherzte Männer hatten sogar Leitern an die Fenster der Kirche gestellt und stiegen darauf, um doch wenigstens etwas zu hören. Sogar der alte Herr Decanus Basilius von Wilde hatte sich mit dem berühmten Bosauer Mönch Paul Lange in eine an die Klosterkirche grenzende Kapelle geschlichen, um zu sehen, um zu hören. Luther hat vermutlich über dieselbe Materie gepredigt, die er zu Naumburg traktiert und hernach schriftlich ausgeführt hat. Willig und mit großer Freude leisteten die Zeitzer Bürger dem neuen Bischof den Eid. Auf Basilius Wilde und seine Anhänger hatte Luthers gewaltige Predigt keinen Eindruck gemacht; er blieb mit ihnen desto eifriger der alten Lehre zugetan. Auch sein Nachfolger im Dekanat, Conrad von Breitenbach (1556 bis 1580), eiferte ihm darin nach; erst dessen Nachfolger, D. Johann von Cracau, bekannte sich 1580 öffentlich zur evangelischen Lehre und begab sich in den Ehestand. Man kann sich unschwer die Freude dieser Papstanhänger vorstellen, als 1546 Nicolaus von Amsdorf weichen und den Bischofsstuhl dem katholischen Julius von Pflug einräumen, und als nun gar das Jahr darauf der Kurfürst selber das Feld räumen mußte.
Das etwa war der Hintergrund, von dem wir unser Hauptbild abheben wird: Im Bistum 1545 ein evangelischer Bischof, in den beiden Hauptstädten, Naumburg und Zeitz, eine überwiegend evangelische Bürgerschaft mit evangelischen Räten und Pfarrern, auf dem Lande zumeist evangelische Ritter und Kirchenpatrone, Pfarrer und Kirchner, Bauern und Arbeiter. Freilich ist die evangelische Bewegung auf dem Lande noch in ihren ersten Anfängen. Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn viele der Bilder, die wir auf Grund der Angaben des Gebrechenbuches von den Pfarrern zeichnen müssen, recht trübe aussehen. Die Amtszeit des neuen Bischofs war doch noch zu kurz; auch mit dem heißesten Eifer konnte er in so kurzer Zeit nicht durchgreifen. Besonders schlimm lauten die Zeugnisse der Visitatoren über den Stand der Lehre. Der Rehmsdorfer Pfarrer ist, so heißt es im Gebrechenbuch, in der Lehre gar wenig unterrichtet; die Pfarrer in Auligk, in Zipsendorf und Ostrau sind in der Lehre ziemlich unterrichtet. Von dem Zangenberger Pfarrer wird gesagt, er habe nicht viel studiert, von dem Haynsburger, er sei in der Lehre nicht sonderlich unterrichtet und des Papsttums verdächtig. Der Pfarrer in Maßnitz bekommt das Prädikat „gar übel unterrichtet", der in Spora, Silbitz, Schellbach und Lobas das Prädikat „ziemlich", der in Ossig „nicht sonderlich", der in Crossen „sehr schwach"; der in Profen „übel informiert" und der in Rippicha „gar übel". Solche mäßigen Prädikate werden verständlich, wenn wir hören, daß der Rehmsdorfer Pfarrer ein Bernhardiner Mönch war, der etliche Zeit in Kloster Sittichenbach gewesen, vor 44 Jahren zu Halberstadt ordiniert war. Und so war auch der Pfarrer von Zangendorf ein ehemaliger Mönch des Klosters Altenzell, der von Ossig ein ehemaliger Benediktiner, der von Rippicha ein Kartäuser. Dazu kam bei einigen das sehr hohe Alter; sie konnten sich nicht mehr oder doch nur sehr unvollkommen in die neue Lehre hineinfinden. Von des Rehmsdorfer Pfarrers ehrwürdigem Alter hörten wir schon, er war vor 44 Jahren ordiniert. Bei dem Witgendorfer alten Pfarrer hatte sich ein Augenleiden eingestellt; es heißt von ihm: „Ist nunmehr alt, kann sich mit dem Gesicht übel behelfen". Noch trauriger erging es dem Loitzschützer Pfarrer Thomas Klopp, von dem wir lesen: „Ein gar alter Mann, der anno 1518 zu Merseburg von Bischof Arnold, Fürsten von Anhalt, ordiniert, von der Zeit an der Kirche gedient, aber nun fast gar zum Kinde geworden und darum zum Predigtamte gar undienlich ist. Bedürfte wohl, daß ihm sonst jährliche Unterhaltung von M. g. H. gnädigst geordnet würde, wie ihm denn auch diesfalls der Bischof soll Zusage getan haben." Auch der Wuitzer Pfarrer wird als alter Mann bezeichnet, und von dem Maßnitzer erfahren wir, er sei vor 40 Jahren ordiniert.
Ein andrer Grund für das mangelhafte Ergebnis der Prüfung war der Mangel an evangelischen Büchern. Da finden wir wohl in den Pfarreien von Langendorf, Wuitz, Spora, Rehmsdorf und Lobas Luthers deutsche Bibel, Hauspostille, Katechismus und sein Gesangbüchlein, ja auch Ostrau Melanchthons Loci communes, aber in andern Pfarreien nur katholische Bücher, wie z. B. Postilla de Sanctis und Dominica des mainzischen „Thumpredigers" Feri, ferner das Buß- und Trostbüchlein des Bischofs Julius Pflug, Summaria Viti Theodorici über das Alte und Neue Testament, etliche alte Meßbücher, ein altes Missale und ein altes Antiphonarium, während in den Inventarverzeichnissen der andern Pfarreien gar keine Bücher angegeben waren. Gewiß waren die Bücher sehr teuer, aber es fehlten doch nun die Quellen, aus denen die Pfarrer die genauere Kenntnis der neuen Lehre hätten schöpfen können. Indessen gab es auch Pfarrer, denen die Visitatoren ein gutes Zeugnis in der Lehre ausstellen konnten; genannt seien nur die Pfarrer von Witgendorf, Geußnitz, Heukewalde, Großpörten, Wuitz und Langendorf. Und das war das Gute, daß diese Pfarrer nicht nur in ihrer Lehre, sondern auch in ihrem Leben vor den gestrengen Visitatoren wohl bestanden. Der Rehmsdorfer Pfarrer war zwar in der Lehre wenig unterrichtet; hatte aber sonst ein gutes Zeugnis. Von dem Zangendorfer Geistlichen, dem Mönch aus Altenzell, heißt es, „er habe ein naß gesindlein, er sei darum jetzt zu entsetzen; es sei verursacht worden, einen andern wohlgelahrten und gottseligen Mann an seine Statt zu ordnen", und von dem Profener, „er sei in der Lehre übel informiert und sind die Pfarrkinder nicht wohl mit ihm zufrieden, haben gar heftig über ihn geklagt und um einen andern Seelsorger nachgesucht. Man will es aber mit ihm zwischen dies und Walpurgis ansehen." So sind unter 24 Pfarrern nur 2, über die zu klagen Anlaß ist; aber auch bei diesen beiden kann wohl von sittlichen Mängeln keine Rede sein; den Zangendorfer träfe wohl nur der Vorwurf, daß er gegen sein „naß Gesindlein" nicht energischer vorgegangen sei. Den Grund der Klage der Profener über ihren Pfarrer erfahren wir nicht; er kann ja auch in dem vielleicht heftigen Charakter des Mannes gelegen haben. Jedenfalls hören wir keine Klage über das sittliche Verhalten der Geistlichen, was so oft anderswo bei den Visitationen jener Zeit Anlaß zu Klagen gab. Selbstverständlich nehmen wir an, daß unsere Geistlichen noch sämtlich im Zölibat lebten; mit keinem Worte ist im Gebrechenbuch das Gegenteil angedeutet.
Unsere Geistlichen stammten nur zum Teil aus näher gelegenen Orten, wie aus Altenburg, Lucka, Ronneburg, die meisten kamen recht weit her, so z. B. aus Borna, Neustadt, Auerbach, Coburg, Hildburghausen, Merseburg, ja sogar aus Nürnberg und aus dem westfälischen Wetter. Ihre Ordination hatten sie empfangen in Naumburg, Leipzig, Merseburg, Wittenberg, Erfurt, Würzburg, Halberstadt, Hildesheim, sogar in Paderborn. Von den katholischen Ordinatoren werden genannt Bischof Adolph, Bischof Sidonius und Bischof Arnold, Fürst von Anhalt, zu Merseburg, von den evangelischen Nikolaus von Amsdorf zu Naumburg, Justus Jsimannus zu Hildesheim. Die Ordination in Wittenberg wird Luther selbst vollzogen haben. Der Wuitzer Pfarrer hatte sich wohl erst sehr spät für die neue Lehre entschieden, ließ er sich doch erst 1542 als alter Mann in Leipzig ordinieren.
Die Verwendung der Meßgewänder wurde in der evangelischen Kirche bei der Abendmahlsfeier noch längere Zeit beibehalten. Wir kennen das Wort des weitherzigen Luther von den Bischöfen: „Wir wollen sie gern hören und alles tun, was sie nur wollten von uns haben, und sie auf den Händen tragen. Ja, ich könnte eine Kappe und ein hären Hemd tragen, eine Platte lassen scheren, einen Strick um die Lenden binden, nicht Fleisch essen am Freitag und an Mittwochen. Aber das ist des Teufels Schwanz; daß man durch solche Werke selig werden solle. Wo bleibet da Christus, der mein Sündenträger und Heiland ist? Ich werde von ihm auf meine Werke gerissen." Erst nach Aufhebung des Interim, um 1552, und dann 1555 nach dem Religionsfrieden kamen die Meßgewänder in Fortfall. Interessant ist die Fülle von Meßgewändern, die nach unserem Gebrechenbuch in den Pfarreien unsrer Gegend vorhanden war, alle verschieden in der Farbe, in dem Stoff, in der Ausstattung, aber alle von der Kirche beschafft und dem Pfarrer zum amtlichen Gebrauch dargereicht, bleibende Stücke des Pfarrinventars. Da finden wir damaschkene, sammetne und seidene, grüne, blaue, braune, goldfarbene, schwarze, graue, gelbe, „rot karteken und rot thamlath" Meßgewänder. Die Rippichaer Pfarre besaß sogar ein blau seiden gut Meßgewand mit Perlen gestickt, was jedenfalls die geschickten Hände der Zeitzer Nonnen zu S. Stephan, der Patroninnen von Rippicha, hergestellt hatten; die Zangenberger Pfarre hatte ein rot karteken Meßgewand mit einem schwarzen Sammet Crütze (Kreuz) und ein goldfarbenes Gewand von „schlenden Vertecke" (?). Auch an den zum Meßgewande gehörenden Stücken fehlte es nicht. Fast überall waren außer den Alben, den weißen Hemden, die bis zu den Füßen reichten, und den Humeralien, den Hals- oder Schultertüchern, Kaseln, d. h. weite ärmellose Mäntel mit nur einer Öffnung für den Kopf, die übergezogen, glockenförmig wie eine Hütte (casula) den Körper umgaben; sie wurden vom Priester nur bei der Messe getragen, also daß beim Ministrieren die ganze Stoffmasse an den Seiten mit in die Höhe gezogen wurde. In Lobas wird im Inventarverzeichnis ein alter zerrissener Manipel genannt, d. i. ein eng anliegendes Band, das über den linken Unterarm geschoben lang herabhing. Außer den Meßgewändern war in jeder Pfarre, außer in der Salsitzer, auch ein Chorrock vorhanden. Von Salsitz heißt es: „Kein Chorrock, der Pfarrer selbst einen mitgebracht, der vorige hat keinen gebraucht;" wenn hier besonders hervorgehoben wird, daß der Pfarrer selbst einen mitgebracht, daß darum in dem Pfarrinventar keiner vorhanden gewesen, so beweist das auch, daß die Kirche dem Pfarrer den Chorrock zur Verfügung stellte; und wenn der neue Pfarrer keinen gebraucht, so läßt das darauf schließen, daß es sich eben um einen evangelischen Chorrock gehandelt, den der vorige Pfarrer nicht gebrauchen konnte, weil er noch in der alten Lehre und Kirche gestanden. Die Amtstracht der evangelischen Geistlichen der damaligen Zeit übernahm einfach das Gewand der Gelehrten, unter Verzicht auf jeden äußeren Schmuck. Es ist das Doktorgewand jener Zeit, das Luther 1524 mit der Mönchskutte vertauschte.
Buntfarbig wie das Gewand des ministrierenden Geistlichen war auch die Bekleidung des Altars. In Rehmsdorf hören wir von einer weiten „Schallaun" (Tuch) auf dem Altar, von einem alten „Debicht" (Teppich) zum Vorhang vor demselben, in Auligk von einem roten Teppich vor dem Altar, von einem gelben über dem Taufstein, in Falkenhayn von einer „gemeinen Schallaun" als Vorhang vor dem Altar, in Zangenberg von einem grün, rot und weiß gewirkten Teppich vor dem Altar, in Profen von einem alten gefärbten Teppich vor dem Altar, in Lobas von einem alten weißen Haupttuch, oben grün mit kleinen Perlen gestickt, in Großpörten von einem geschmückten Altar, in Wubitz von zwei Leinentüchern für Altar und Taufstein. Man hatte damals für eine jede Kirchenzeit eine besondere Farbe, für die Adventszeit und Fastenzeit die violette, für den Heiligabend, den ersten Weihnachtstag, den Sonntag nach Weihnachten, Sylvester, Neujahr, Sonntag nach Neujahr, das Epiphanienfest, Ostern, für die Sonntage der vierzigtägigen Freudenzeit, für das Himmelfahrtsfest und den Trinitatissonntag die weiße Altarbekleidung, für die Zeit vom ersten Epiphaniensonntag bis Sexagesimae und für die Trinitatissonntage die grüne Farbe, die rote am zweiten Weihnachtstage, an Exaudi, an den Pfingsttagen. Die schwarze Farbe sehen wir am Karfreitag. So weit es irgend möglich war, wird man auch in den Kirchen unsrer Pfarrer damals die Farben nach diesen Vorschriften gewählt haben. An die bunte Farbenfülle in den Kirchen war ja die damalige Gemeinde gewöhnt; zu der bunten Kleidung des amtierenden Geistlichen und der farbigen Bekleidung der Altäre kamen noch die bunten Glasfenster und die oft mit Szenen aus der heiligen Geschichte und aus der Heiligenlegende geschmückten Kirchenwände. Wir können es nur begrüßen, daß man heute begonnen hat, das Innere unserer Kirchen wieder farbenfroher auszumalen, vorausgesetzt, daß man dabei das durch die geweihte Stätte gebotene rechte Maß innezuhalten versteht. Die Erneuerung der liturgischen Farbauswahl für Altar und Kanzel kann nur aufs wärmste empfohlen werden.
In den Inventarverzeichnissen des Gebrechenbuches finden wir auch sonst noch manch heiliges Gerät der alten Kirche, so z. B. ein Seelenmeßglöcklein in Auligk, ein klein still Glöcklein in Geußnitz, eine Messingmonstranz in Schellbach und Geußnitz, eine silberne Schelle bei Krankenkommunionen in Loitzschütz, einen Sprengkessel in Ossig, einen kleinen Kelch mit kupfernem Fuß, unten übergoldet, oben silbern, in Lobas. Fast überall waren damals noch die schönen silbernen vergoldeten Abendmahlskelche und die messingnen oder zinnernen Altarleuchter vorhanden.
Von den Pfarrhäusern in unserer Umgegend weiß das Gebrechenbuch nicht viel Rühmliches zu erzählen. Das Langendorfer Pfarrhaus „ist übel gebaut, darum mit Ernst befohlen, daß es zum förderlichsten erbaut werde". Die Pfarrhäuser in Rehmsdorf, Witgendorf, Geußnitz und Großpörten sind „ziemlich" gebaut, die in Kayna und Crossen, ebenso das in Haynsburg. Von dem Rippichaer Hause heißt es, es sei ganz böse, hinten und vorn offen, auch gar dachlos; von dem Heuckewalder, es habe Mangel an Schwellen und an einem Schornstein; von dem Lobaser, es sei ganz baufällig, und von dem Wuitzer, es sei sehr gering und ungebaut. Neu erbaut waren die Pfarrhäuser in Spora, Auligk, Zipsendorf, Ostrau, Zangenberg, Maßnitz, Profen; neu erbaut, aber noch nicht vollendet, waren die Pfarrhäuser in Zipsendorf, Ostrau und Maßnitz. Die Gemeinden machten im allgemeinen bei den Bauten keine Schwierigkeiten. In Ostrau sind die Gemeindeglieder bereit, den Bau zu vollenden, wenn ihnen vom Weißenfelser Amtmann dazu Holz aus dem Pfarrholz bewilligt wird; in Schellbach haben „die Leutlein" zugesagt, das Pfarrhaus, wo es mangelhaft ist, zu bessern; in Zipsendorf nimmt die Visitationskommission ohne weiteres an, daß der Bau im Sommer vollendet wird. Das alte Zangenberger Pfarrhaus ist auf Befehl des Bischofs verkauft und daneben ein schönes neues Pfarrhaus erbaut. In Auligk und Profen stand neben dem Pfarrhaus noch ein Häuslein, dort für das Gesinde, hier für den früher amtierenden Vikar bestimmt. Der Profener Pfarrer vermietete damals dieses alte Häuslein um ein Schock jährlich, mußte aber davon in eine Zeitzer Vikarei jährlich einen halben Taler und zwei Kapaune Zins geben. Außer den Pfarrhäusern selbst werden noch die zum landwirtschaftlichen Betriebe notwendigen Ställe und Scheunen sowie Backhäuser erwähnt.
Überall lagen bei den Pfarrhäusern Gärten. Zu den Pfarren Ostrau und Silbitz gehörten sogar je drei „Gärtlein". Der Silbitzer Pfarrer hatte sich auf eigene Kosten ein Hopf-, der Profener ein Safrangärtlein angelegt. Es werden noch Kleinod-, Obst-, Gras- und Krautgärten genannt.
Zu den einzelnen Pfarren gehörten Äcker in der Größe von 1--4 Hufen. Die Pfarrer zu Auligk, Ostrau, Geußnitz hielten Pferde und bestellten ihre Äcker selbst; der letztere tat es deshalb, dieweil er daneben ein Erbgut von zwei Hufen Sandes erkauft hatte." Auch der Haynsburger Pfarrer gebrauchte sich, wie es im Gebrechenbuche heißt, seines daselbst erkauften Erbgutes. Die anderen Pfarrer mußten die Bestellung des Pfarrackers für hohen Lohn verdingen, der Kaynaer für jährlich 30 alte Schock, der Maßnitzer für 16, der Silbitzer für nahe an 100 alte Schock. Der Ossiger Pfarrer hatte einem Landwirt 2 a. Sch. an Geld und eine Wiese zu gebrauchen für Ackerlohn „eingetan", wofür der Bauer alle Arbeit mit Pflügen, Säen, Mähen, Einfahren, Holz- und Mistfuhren bestellen mußte. Der Heuckewalder „lässet's alles um Lohn arbeiten, darauf ihm 30 Gulden jährlich gehet".
Zu den meisten Pfarrstellen gehörten Wiesen, die nach „Äckern" gemessen wurden. Je nach der Zahl und Größe der Wiesen konnten die Pfarrer Kühe und Schafe halten; die Zahl der Kühe schwankt zwischen 3 und 10, die der Schafe zwischen einigen wenigen und einem Mandel.
Von ungeheurer Bedeutung war das Pfarrholz, mit dem die meisten Stellen dotiert waren; es mußte ja das Brennholz für den Herd und Winter liefern. Man unterschied zwischen Scheitholz und Bund-, Reis- und Buschholz. Dem Haynsburger, Schkauditzer und Crossener Pfarrer wurde das nötige Holz jährlich zugewiesen. Da heißt es z. B. bei dem Crossener Pfarrer: „Er hat 3 Hölzer, davon er reichlich sein Holz durch das Jahr haben kann, ist aber dem Schultzen und den Ackerleuten befohlen, 15 Klafter dem Pfarrer abzuteilen, damit das Holz nicht zu sehr verwüstet werde." Schlimm war es, wenn, wie es in Großpörten der Fall war, der Pfarrer alles Brennholz kaufen mußte. Der Wuitzer Pfarrer, der nur 4 Acker geringes verwüstetes Buschholz hatte, brauchte jährlich 7 Klafter Holz und mußte dafür mit Fuhrlohn, Essen und Trinken 10 Gulden bezahlen. Für die ortsgeschichtliche Forschung haben die Namen der Gehölze, die uns hin und wieder im Gebrechenbuche genannt werden, Bedeutung. In Ostrau gibt es ein Randener Holz und das Holz im Werichte, in Ossig ein Scheibenhölzlein, ein Flecklein Holz unter dem Acker, Hornsille genannt, in Heuckewalde ein Ölholz, Weident und Platzholz.
Das Einkommen setzte sich aus Naturalien, und zwar aus „gesatztem Zehnt", aus Getreidezinsen, aus Erbzins und aus Sprengkuchen, ferner aus Opfergeld und Stolgebühren (Accidentalia), zusammen. „Gesatzter" Zehnt ist festgesetzter Zehnt, der ohne Rücksicht auf Fruchtart und Ertrag alle Jahre gleich war, im Gegensatz zum gewöhnlichen Zehnt, der ein Zehntel vom jeweiligen Ertrag betrug. Die Getreidezinsen setzten sich aus je einem Viertel Korn (Roggen) und Hafer zusammen. Von jeder Baustatt mußten jährlich, je nach der Größe des Besitzes, zwei bis zehn Sprengkuchen (Brote) gegeben werden. Der Name „Sprengkuchen" kam wohl daher, daß man die Form öffnen mußte, um das Brot herauszunehmen. Aus der Zahl der Brote kann man auf die Größe des Besitzes schließen. Der Langendorfer Pfarrer erhielt aus den Dörfern seiner Kirchfahrt jährlich 186 Pfingstkuchen. Jede Person, die 12 Jahre alt und darüber, mußte als Opfergeld je 3 Pfg. zu Pfingsten und zu Weihnachten geben. Die Accidentalia waren fast überall gleich, nämlich für jede Taufe 2 Gr. oder eine Mahlzeit, für Aufbieten und Copulieren 3 Gr., für eine Traurede 6 Gr. oder die Mahlzeit, für eine Beerdigung eines „Alten" 2 Gr. und für die eines Kindes unter 12 Jahren 6 Pfg. In manchen Dörfern mußte bei der Beerdigung eines Hauswirtes noch ein Hähnlein, bei der einer Hauswirtin noch eine Henne gegeben werden. Dazu kamen noch 18 Pfg. von jedem, der dem Pfarrer oder anderen Pfarrern oder sonst in das Stift weder Zehnten noch Decem oder Getreide gab.
Wenn auch die Pfarrer heute bei der Verpachtung der Pfarräcker oft ihre liebe Not haben, so sind sie doch besser daran als die Vorgänger von Anno 1545. Jetzt bekommen sie ihr Gehalt zu den bestimmten Terminen aus der Pfarrkasse, damals mußten sie sich ihr Gehalt in seinen einzelnen Naturalien und Gebühren mühsam von den Zinspflichtigen zusammenholen oder geduldig warten, bis es ihnen gebracht wurde. Und wie oft mochten sie Grund haben, über die Beschaffenheit der Naturalien zu klagen?! Wir kennen ja das Wort eines alten Dorfpfarrers: „Radel, Dresp' und Vogelwicken sollt Ihr mir nicht als Decem schicken. Ich pred'ge Euch das Wort lauter und rein, und so soll auch mein Decem sein." Wie viele Reibungsflächen gab es damals zwischen dem Pfarrer und seinen Gemeindegliedern! Freilich müssen wir auch daran denken, daß damals doch der Pfarrer noch eine ganz andere Stellung in der Gemeinde einnahm als in unsrer Zeit. Gewiß, von den Schrecken einer Inflation wäre der damalige Pfarrer verschont geblieben. Auch das muß als ein Vorzug der damaligen Art des Gehaltes angesehen werden, daß der Pfarrer viel unmittelbarer noch als heute an dem Gelingen der Früchte des Feldes interessiert und schon dadurch viel enger mit dem Leben seiner ländlichen Gemeinde verbunden war als heute. Indessen, die Zeiten sind ganz andere geworden. Neue große Aufgaben sind an den Pfarrerstand herangetreten; soll er sie zum Segen der Kirche und der Gemeinde lösen, so muß er seinen Gemeindegliedern gegenüber äußerlich und innerlich frei dastehen.
Interessant ist das Gebrechenbuch für die Familienforschung. Viele Namen, die wir heute noch in Zeitz und Umgegend hören, finden wir schon in dem Gebrechenbuche verzeichnet. Doch können wir hier darauf nicht näher eingehen. Manches wäre noch über damalige Münzen, Maße und Gewichte zu sagen. Doch sei es für jetzt genug. Zeitz birgt manche Urkunden und Bücherschätze in seinem Stiftsarchiv, in seiner Stifts- und Michaeliskirchenbücherei; einer der wertvollsten Schätze ist und bleibt das Gebrechenbuch in dem Zeitzer Ephoralarchiv. Möchte es in seiner Bedeutung für die Erforschung der heimatlichen Reformationsgeschichte immer mehr erkannt und gewürdigt werden!