Ein bemerkenswerter Grabstein in der Werbener Johanniskirche.

(Mit 4 Abbildungen.)

Von E. Wollesen - Zeitz.

Die Werbener Johanniskirche, eine ehemalige Johanniter-Ordenskirche, enthält in ihrem herrlichen Innern noch viele Grabsteine aus vergangenen Zeiten. Unter diesen Grabsteinen ist einer besonders darum bemerkenswert, weil er einem pommerschen Ritter gilt. Es erhebt sich da sogleich die Frage, wie es gekommen, daß ein Ritter aus dem fernen Pommerland in dieser altmärkischen Stadtkirche seine Grabstätte gefunden hat. Beckmann, der uns in seiner „Märkischen Historie\" so manche willkommene geschichtliche Nachricht über die Mark Brandenburg bringt, gibt uns auch auf unsere obige Frage die erwünschte Auskunft. Ehe wir sie hören, wollen wir aber erst die Umschrift um den Grabstein lesen, damit wir wissen, wer der in Stein ausgehauene Ritter ist; da heißt es: „Eberhardt von Holla, der Sohn des Jonathan, braunschweigischer Ritter, Kämmerer und Obrist des Herzogs Philipp II. von Pommern.\" Beckmann erzählt uns: „Eberhardt von Holla war auf der Rückkehr von einer Gesandtschaftsreise, die er im Auftrage seines Herrn nach Braunschweig gemacht hatte, in Gardelegen an einem heftigen Fieber erkrankt, von seinem Arzt nach Werben zu seinem ehemaligen Lehrer Dr. Corfinius gebracht, aber hier am 21. Mai 1611 von dem Tode ereilt. Die tiefbetrübten Angehörigen hinterlegten 100 Gulden, deren Zinsen sie für die beiden Geistlichen bestimmten und erlangten dafür das Recht, den Ritter in der Kirche beizusetzen und das Denkmal zu errichten.\" Von diesem Vertrage befindet sich ein Original in den Werbener Kirchenakten mit den Siegeln des Alexander von Ramin iun., der Witwe nächsten Vetter, des Fürstlich Stettin. Secretarius Jacobus Fraß, des Werbener Rates und des Joachim Bertram sen., Vorstehers der Kirche. Aus diesem Vertrage erfahren wir, daß von den hinterlegten 100 Gulden dem Pfarrer 4 Gulden und dem Kaplan 2 Gulden jährlichen Zinses am Tage Johannis des Täufers gezahlt werden sollten. Dr. Corfinius war mit der Tochter des Werbener Bürgermeisters Kersten Kaulitz, Benigna, vermählt; über dem Sessel, worauf der Prediger und der Beichtende gesessen, stand nach einer Werbener Aufzeichnung,, Fridericus Corfinius Doct. Benigna Kaulitzen 1618\"; darnach scheinen diese Ehegatten die Stifter des Beichtstuhles gewesen zu sein. Welche verhängnisvolle Rolle übrigens der Bürgermeister Kaulitz in der Werbener Geschichte gespielt, das ist aus der Werbener Ehronik zur Genüge zu ersehen (cf. Seite 118, 119, 126).

An der linken Seite des Ritters sehen wir auf dem Rande des Grabsteins von oben nach unten die Wappen des Eberhardt von Holla, Jonathas ab Holla, Ermgard a Broberge, Johann ab Holla, Elisabeth a Münchhausen; an der rechten Seite die Wappen der Engel a Rammin, Otho a Rammin, Margaris a Zotzenow, Otho a Rammin und Anna de Zitzewitzen.

Daraus ergibt sich folgende Ahnentafel:

Seiten.aus.265442_Der_Deutsche_Herold_1926_Jg_57_no_1-3_Seite_2a

------------------------------------------------------------------------ Johann ab Holla:\ Otho a Rammin:
🞩 Elisabeth von Münchhausen 🞩 Anna de Zitzewitz ---------------------------------- --- ---------------------------------

Jonathan ab Holla;\ Otho a Rammin:
🞩 Ermgard a Broberge 🞩 Margarethe a Zotzenow

Eberhardus ab Holla 🞩 Engel a Rammin ------------------------------------------------------------------------

Aus dieser Tafel ersehen wir, daß der braunschweigische Ritter Eberhardt von Holla frühzeitig in die Dienste des Pommernherzogs getreten ist und dort die Tochter einer noch heute blühenden pommerschen Rittersamilie geheiratet hat. Doch wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit den einzelnen Wappen zu!

Das Wappen derer von Holla zeigt auf dem Grabstein 3 ungarische Mützen mit einem Überschlag und einmal unterwärts geschlungenem Bande und mit zur Seite geneigten Zipfeln. Letztere sieht man auf Wappen aus den Jahren 1555 und 1571 aufrecht stehend, nicht spitz, sondern abgerundet. Aus den Wappenbüchern erfahren wir, daß das Wappen 3 rote Mützen im goldenen Felde zeigt. Holle, so berichtet uns ein Aufsatz in den Märkischen Forschungen IV, S. 184, bezeichnet einen Kopfputz; bei der roten Farbe der Mützen wird man an die rote Kappe oder Helkappe, womit die Geister sich unsichtbar machen, ja, an die Frau Holle selbst und ihr plötzliches Verschwinden erinnert. Auf dem Helm erblicken wir 2 (rote) Fahnen, dazwischen eine (rote) Mütze. --- Das Wappen der Mutter Ermgard von Broberge zeigt den Schild im Mauerschnitt mit 2 Zinnen gespalten, auf dem Helm einen mit einem Band umwundenen Pfauenwedel.

Das Wappen der Großmutter Elisabeth von Münchhausen trägt auf Schild und Helm einen barhäuptigen Mönch mit dem Gebetbuch unter dem linken Arm und mit dem Stab in der Rechten.

Bekannt ist das Wappen derer von Rammin oder Ramin, wie sie sich wohl heute schreiben: Schild: W. mit r. Steighaken, Helm: r. w. bewulstet; 2 dergl. Steighaken unten spitz zusammengesetzt. Decken: r. und w. --- Der Schild der Margaris von Zotzenow ist quergeteilt, die untere Hälfte geschacht, in dem oberen Felde ein Frauenkopf mit verbundenen Augen. Auf dem Helm ragen aus einer Krone 3 Äste, deren beide äußere je ein Blatt oder eine Blüte tragen. --- Das Wappen der Anna von Zitzewitz endlich zeigt im Schilde einen doppelköpfigen heraldischen Adler und auf dem Helm 7 aus dem Wulst aufsteigende Pfauenfedern.

So ist der Grabstein des Eberhardt von Holla nicht nur eine Zierde der schönen Werbener Kirche, sondern auch eine wichtige in Stein geschriebene familiengeschichtliche Urkunde und vor allem ein Denkmal treuer verwandtschaftlicher Liebe.

Seiten.aus.265442_Der_Deutsche_Herold_1926_Jg_57_no_1-3_Seite_2

Seiten.aus.265442_Der_Deutsche_Herold_1926_Jg_57_no_1-3_Seite_1