Eine Urkunde über den Werbener Künstler Hans Hacke.
Mitgeteilt und erläutert von E. Wollesen - Werben a. E.
Das Kirchenarchiv zu Werben besitzt einen Kontrakt, der zwischen dem Rate der Stadt und dem Bildhauer Hans Hacke im Jahre 1607 vereinbart wurde. Da Urkunden über das Wirken der in der Altmark tätigen Künstler ausserordentlich selten sind, ist die Auffindung dieser „Vereinigungsnotel", wie das Schriftstück auf dem äusseren Titel genannt wird, mit Freude zu begrüssen. Hoffentlich hat seine Veröffentlichung an dieser Stelle noch ähnliche Funde im Gefolge.
Der Text der Urkunde lautet:
Verzeichniss
Welcher massen ein Erb. Rats zu Werben mitt Hans Hacken Bildhauern, wegen der Schnitsarbeitt am predigstuel dasselbst zuverfertigen, eins worden.
1. Sollen auff den Sechsecken Sechs tugenden gesetzt werden, als Fides, spes, charitas, Justitia, Prudentia, Temperantia. Diese sollen nach dem muster als sie an dess Herrn Dechants S. Epitaphio zu Hauelberg, fein zierlich, frisch und wollgestalt verfertigett werden.
2. Zwischen den Tugenden ein fein zierlich Schweiffwerck behende geschnitten mitt früchtichen, in den Zirckel oder runde engelskopfe, od wie sie Seraph schneiden. Dass Schweiffwerk aber zwischen den beiden fodersten bildern, soll mit einer tauben die ein öhlzweiglein im munde hatt, und mitt vier rohen für den andern Schweiffwerken geziert werden.
3. Auff die ecken dess gewelbes der Decken, Soll grob Schweiffwerck, aber fein reinlich geschnitten von tinnenholz stehen.
4. In der runde zu mittels da die seitlichen herumbstehen, Soll die Trinited auff dass kunstreichste undt fleissigste gemacht werden, woll erhobene, runde bilder. Oben in der mittelsten behausung hengt der H. geist.
5. In dass oberste Schweiffwerck ein Pelican, gross und woll erhoben mitt den Jungen, auff dass kunstreichste geschnitten.
6. Auff dass oberste postamentchen die aufferstehung Christi frölich geschnitten, mitt woll aussgereckten arm und fahnen nach rechter proportion den andern bildern gemess, dass ess im visier den andern gleich.
7. Zu unterst der Decke imwendig am boden der H. geist mit feuerstrahlen od flammen.
Alles von truckenen Holze dass die ärbeit währhaftig zwischen Dato und pfingsten diesses 1607 Jahrs zuverfertigen. Dafür zwanzig thaler gelobet und einen thaler alsbald auff rechnung gegeben.
Actum auffm Thumb Hauelberg Ao. 1607 Dientags nach Invocavit.
Der Schalldeckel, von dem dieses zweite nach Form und Inhalt interessante Schriftstück handelt, hat bis zum Jahre 1868 seinen Platz über der Kanzel in der Werbener Kirche gehabt; seit der Restauration der Kirche im genannten Jahre führt er in dem dumpfen Turmgewölbe ein trauriges Dasein, weil die damaligen Architekten unbegreiflicher Weise seine günstige Wirkung auf die Akustik bestritten. Natürlich hat er in dieser langen Zeit der unfreiwilligen Musse im dumpfen Raum so viel an seiner Schönheit verloren, dass seine Wiederherstellung erhebliche Kosten verursachen würde. Das beifolgende Bild, das nach der einzigen erhaltenen Photographie hergestellt ist, lässt wenigstens ungefähr die ursprüngliche Schönheit des Schnitzwerkes erkennen.
Der Bildhauer Hans Hacke war ein geborener Werbener. Ausser diesem Schalldeckel hat er für die Kirche seiner Vaterstadt noch ein viel bedeutsameres Denkmal geschaffen, das Grabdenkmal des Werbener Bürgermeisters Joachim Francke im Jahre 1608. Auch in Stendal hat er 1603 und 1612 gearbeitet; die Kanzel, der Hochaltar und ein Grabdenkmal in der dortigen schön restaurierten St. Jakobikirche stammen von ihm her. Auffallend ist es, dass er nicht auch die Kanzel in der Kirche seiner Vaterstadt hergestellt hat; sie ist ja laut Inschrift 1602 von dem Magdeburger Bildhauer Michael Spiess verfertigt. Nach der Ähnlichkeit der beiden Kanzeln in Werben und Stendal zu urteilen, muss Hans Hacke den gleichzeitigen Magdeburger Künstlern ziemlich nahe gestanden haben. Über den Lebensweg des Werbener Bildhauers ist bisher nichts näheres bekannt; seine Hausmarke zeigt drei 2:1 gestellte, mit je einem Zirkel versehene Schildchen. Der Havelberger Dechant, von welchem in dem Vertrage die Rede ist, heisst Matthäus Ludecus (Luidtke, Lüdke). Seine Tochter Blandina war an Christoph Goldbeck, zu Werben, Räbel und Berge erbsessen, verheiratet, starb aber auch schon am 3. März 1608 im Alter von noch nicht ganz 34 Jahren. Das Wappen des Dechanten, wie es sich an dem Grabdenkmal seiner Tochter befindet, zeigt einen Schild mit vorwärts schreitendem Kranich und einen ganz gleichen Helmschmuck. Bekannt geworden ist Matthäus Ludecus ganz besonders durch ein jetzt äusserst selten gewordenes Buch: „Historia Von der erfindung, Wunderwercken und zerstörung des vermeinten heiligen Bluts zur Wilfsnagk u. s. w. Wittenberg Anno 1586. 4."
https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us_Ludecus
