Einige Beiträge zur Geschichte Werbens im dreißigjährigen Kriege.

Von E. Wollesen, Zeitz.

Vom 11. Juli bis Mitte August 1631 weilte der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinem ca. 22000 Mann starken Heere in und bei Werben a. d. Elbe, schlug den Angriff der Kaiserlichen unter Tilly und Pappenheim ab und bereitete in dem Werbener Lager seinen Siegeszug durch Mittel- und Süddeutschland vor. Die dreihundertjährige Wiederkehr dieser Zeit richtet unsere Gedanken von neuem auf die Kriegserlebnisse der Stadt Werben in dieser Periode des dreißigjährigen Krieges. Es ist hier nicht die Absicht, die Kriegserlebnisse der Stadt ausführlicher zu schildern, sondern nur einige bisher nicht oder wenig bekannte Belege für die Kriegsleiden der Werbener beizubringen. Diese Auszüge stammen aus Akten, welche mir die Erben des ehemaligen Werbener Bürgermeisters Ebel zur beliebigen Verwendung übersandten. Bürgermeister Ebel hatte wohl schon die Absicht, eine Chronik der Stadt Werben zu verfassen; wenigstens hat er mit ungeheuerem Interesse und Fleiß Stoff zu einer Chronik gesammelt.

1. Zunächst soll ein Brief mitgeteilt werden, den der brandenburgische Kurfürst Georg Wilhelm unter dem 7. Februar 1628 an den in Buxtehude stehenden General Tilly in Werbens Interesse sandte; leider ist dieser Brief nur fragmentarisch in den Ebelschen Akten wiedergegeben:

„Denn es ist uns bewußt, daß das arme Städtlein den ganzen Sommer hindurch ganz übermäßig beschweret gewesen. Daher sich auch Herzog Georg zu Lüneburg ihrer damals bereits hat erbarmen lassen und im Julio an den, der aus dem Hausmannschen Regiment das oberste Kommando in Werben gehabt, geschrieben: daraus ein Teil der Einquartierten hinweg genommen wurde. Wie wir denn auch nicht weniger wissen, daß E. Lbd. selbst sich dieser in Grund verderbten Leute zu Werben und Arneburg bei dem Herrn Obristen Wachtmeister, dem H. Pappenheimb (davor wir E. Lbd. den freundlichsten Dank sagen) durch ein Schreiben auch angenommen." Ferner heißt es: „Aus welchem sich dann weiter geursachet, daß alles verlaufen und mehr nicht als noch 36 Bürger in alles und die dazu, wo nicht alle gleich viel haben, übrig blieben, denn es auch leider unmöglich ist, wenn auch gleich auf den Unterhalt ihnen die Exekutionen ferneres continuirt werden sollten, hernach zu kommen. Und wollte man gleich ihnen etliche Dörfer zulegen, die ihnen diese Beschwerde tragen hülfen, ist es doch in den Dörfern eben also wie in dem Städtlein Werben beschaffen und haben sie allenteils gleich viel. Ew. Liebden werden diese hochbedrängten Leute unsere Vorbittschrift freundlichermaßen empfinden lassen. Wir werden es Ew. Lbd. freundlich vergelten, womit wir immer können und mögen. Gegeben zu Cölln a. d. Spree pp."

Mit diesem Churfürstlichen Schreiben reiste der Werbener Bürgermeister Joachim Fritze nach Buxtehude und erhielt zu seiner Rückkehr unter dem 3. März 1628 einen von Tilly eigenhändig unterschriebenen Geleitsbrief sowie ein Schreiben an den in Werben kommandierenden Offizier wegen Schonung der Stadt. Alles nähere über die geschichtlichen Zusammenhänge dieses Briefes findet sich in der Werbener Chronik Seite 139 bis 141. Dort ist auch der Inhalt des Geleitsbriefes Tillys wörtlich mitgeteilt, an dessen Schluß es noch besonders heißt:

„Aus ebenmäßigem ernstlichen Befehl wird Ihm (dem in Werben kommandierenden Offizier) hiermit injungiert, Joachim Fritzens, Bürgermeisters daselbst, angehöriges Haus, Hof samt Appertinentien vor Einquartierung und anderer übermäßiger Auflage zu verschonen. Dess' zu geschehen usw. Johann Graf von Tilly."

Leider waren also solche Befehle vergeblich. War Tilly auch barmherzig, der Obrist-Wachtmeister von Pappenheim war um so hartherziger; sein Grundsatz war, die Feinde vollständig „zu ruinieren und enervieren" und so zu unterwerfen. Dafür zeugt auch sein an den Rat der Stadt Werben gerichtetes Schreiben vom 16. März 1628, das in der Werbener Chronik S. 140 mitgeteilt ist. Pappenheim hatte damals sein Hauptquartier in Gardelegen.

2. Von dem Lager des schwedischen Heeres bei Werben ist eine Abbildung in der Chronik Seite 144 und 145 vortrefflich wiedergegeben. Die Abbildung entstammt dem um die Mitte des 17. Jahrhunderts erschienenen Werke des Litochius „Rerum germanicarum..."; sie ist zu haben bei Julius A. H. Ohlsen, Buchhandlung, Hamburg, Vereinsstraße 75; sie zeigt A die Stadt Werben, B die neuen Werke, die in 14 Tagen „verfertigt" wurden, C den Damm, welcher das Lager „beschlossen" vor der Elbe und in 4 Tagen zu einem Wall gemacht wurde, D „Blendung" auf dem Damm, dahinter „Stück" gestanden, E die Posten und Wachten, F des Königs Zelt, G Landwehr, darin Musketiere gelegen, H General Tillys Armee, I Scharmützel. Wir sehen auf der Abbildung sechs Windmühlen unmittelbar südlich vom Elbdeich und die beiden über die Elbe geschlagenen Pontonbrücken mit ihrem jenseitigen Brückenkopf und einem starken Schanzwerk, nicht auf der Landspitze zwischen Elbe und Havelmündung, sondern jenseits der Elbe gegenüber der Havelmündung. Jenseits der Elbe erblicken wir noch die beiden Dörfer Quitzöbel und Nitzow. Die Havel mündete damals an der Stelle, an der die Elbe einen rechten Winkel beschreibt, also in der Nähe der heutigen Kolonie Neu-Werben. Nun habe ich in den mir überlassenen Ebel'schen Akten eine zweite Karte „des Königlich Schwedischen Lagers bey Werben an der Elbe Ao. 1631" gefunden, die mir bisher unbekannt war; sie ist wohl wert, daß sie hier abgebildet und dadurch weiteren Kreisen bekannt wird. Sie zeigt, wie unten auf ihr angegeben, A die Stadt Werben, B die Werke, die in 14 Tagen verfertigt worden, C den Elbdamm, welcher in 4 Tagen durch Aufwerfung eines Grabens verstärkt worden, D Graben, darin Infanterie gelegen, als der König den 27. Julii den Angriff vermutete. Vergleichen wir beide Abbildungen, so finden sich die folgenden Unterschiede: A. Die erste Karte zeigt uns die Stadt Werben mit ihrer Kirche, ihrem Rathaus und Marktplatz, mit ihren Häusergruppen und Straßenzügen, mit ihrer Mauer und ihren Toren und Türmen; die zweite Karte zeigt nur die Stadtmauer mit den vier Tortürmen, dem Elb-, Räbeler-, Komturei- und Seehauser Torturm und mit fünf anderen Mauertürmen. Ueber diese Befestigung ist näheres zu finden in den Salzwedeler Geschichtsjahrberichten, Jahrgang 1905, Seite 99 bis 114. B weist auf beiden Karten dieselben um die Stadt herum von den Schweden in der erstaunlich kurzen Zeit von 14 Tagen aufgeworfenen Wälle, die, weil alles Beiwerk auf der zweiten Karte weggelassen ist, hier noch deutlicher zu erkennen sind. C bezeichnet auf beiden Abbildungen den Elbdeich, der mit der befestigten Stadt das Lager im Süden schützte; er war, wie uns die erste Karte sagt, durch „Blendungen", dahinter die schwedischen Geschütze standen, und durch Aufwerfung eines Grabens, wie wir auf der zweiten Karte ersehen, tatsächlich zu einer ansehnlichen Schußwehr in vier Tagen verstärkt worden. D auf der ersten Karte (Blendung auf dem Elbdeich) fehlt auf der zweiten ganz, dagegen faßt D auf der zweiten Karte E und G der ersteren zusammen, indem es auf den vor dem Elbdeich, etwa parallel mit ihm, südlich von ihm aufgeworfenen Graben weist, in dem schwedische Musketiere gelegen, als der König den 27. Juli den Angriff vermutete. Von dem auf der ersten Karte mit F bezeichneten Zelt des Königs finden wir auf der zweiten nur den Umriß der Stätte, „wo des Königs Gustavi Adolphi Gezelt" gestanden. Von dem mit H und I auf der ersten Abbildung genannten Tilly'schen Heere und dem Scharmützel ist auf der zweiten Karte nur die Stellung der Kaiserlichen gezeichnet mit der begleitenden Schrift „hier haben die Kayserlichen Canonen aufgeführt gehabt aber an den Uebergang durch die Schwedische Cavallerie und Feuer verhindert worden" (cf. Chronik der altmärkischen Stadt Werben Seite 146 f.). Es ist mir gelungen, den künstlich aufgeworfenen Hügel, auf dem des Königs Zelt gestanden, auf der „Märsche" wiederzufinden; von ihm aus konnte man außer den Kirchtürmen von Quitzöbel, Nitzow, Toppeln auch die vom Dom und der Stadt Havelberg sowie natürlich den Kirchturm von Werben, die von schwedischen Beobachtungsposten besetzt waren, erblicken. Die Lagerplätze auf der Märsche fehlen auf dieser Karte ganz.

Seiten aus 01.251.-.Band.VI.Heft.1

3. In der Zeitzschen Michaeliskirchenbücherei fand ich die Schrift „Justa Gustaviana d. i. Christliche Klag- und Ehrenpredigt bei Erhebung und Abführung der Königlichen Leiche, gehalten in der Schloßkirche in Wolgast den 16. Julii 1633 durch Jacobum Fabricium, des weiland Hofpredigers Gustavi Adolphi. Auf Seite 78 sind die Vorgänge bei der Belagerung des Werbener Feldlagers durch Tilly folgendermaßen geschildert: „1631. Den 21. Julii stellte S. Königl. Majestät Ihre Reuterey in Bataille und warteten mit derselben zwischen Stendal und Arneburg auf die Ankunft des Tilly, daß er sich im Felde sehen lassen und sein empfangenes Leid (Angern, Burgstall, Sandbeiendorf) rächen sollte, aber er blieb außen. Doch sandte er sich am 25. Jul. herbey und rückte auf das Königliche Lager für Werben zu, darüber S. Königl. Maj. von Herzen froh wurden, daß sie nur möchten Gelegenheit haben, mit gedachten Feind aneinander zu kommen und zu sehen, was er möchte gelernt haben. Nu scheinte es zwar im Anfang, als wenn der Tilly einen großen Zorn ausschütten wolte, weil er nicht mit etlichen Truppen dem Königlichen Lager sich nahete, sondern auch mit 17 Stücken, die er im Holtze gepflanzet hatte, unversehener Weise auff die Stadt Werben zuspielete, daß etliche Kugeln durch den Kirchturm, jedoch ohne Beschädigung einiges Menschen, gingen. Aber es ward gleichwohl an ihm das Sprichwort erfüllt: Vana est sine viribus ira. Drumb mußte er mit schlechter seiner reputation am 29. Julii wiederumb abziehen und desselbigen Weges zurück wandern, darauff er war hergekommen. Den 14. August brachen S. Königl. Maj. aus dem Lager für Werben auff naher Alten „Brandenburg, da sie einen Bettag halten ließen, und verharrten biß auff den 20. Tag gemeldeten Monats."

4. In den oft genannten hier vorliegenden Akten fand ich auch die beiden Gustav-Adolf-Worte, die einen tiefen Einblick in das Wesen des Schwedenkönigs gestatten: Bei der Erstürmung Havelbergs hatten die Schweden an 400 Gefangene gemacht. Als diese Gefangenen in das Werbener Lager vor den König gebracht wurden, knieten sie alle vor ihm nieder und baten um Gnade. Der König aber sagte: „Stehet auf, betet Gott an und dankt Ihm für euer Leben. Ihr wäret wert, daß man mit euch eurem eigenen Exempel nach prozedierte, denn ihr geht mit den armen unschuldigen Leuten um ärger als die Türken."

In dem Lager von Werben hatte sich der König in seinem Zimmer ganz allein verborgen und gegen seine Gewohnheit die Tür zugemacht. Als nun sein Hofrat Jacob Steinberg zu ihm wollte, um einige Nachrichten zu bringen, machte er die Tür etwas leise auf und sah, daß der König andächtig in der Bibel las. Darum wollte er nicht stören, sondern machte die Tür wieder leise zu. Aber der König bemerkte ihn und hieß ihn hereinkommen. Als er um Verzeihung bat, weil er ihn in seiner Andacht gestört, sagte der König zu ihm: „Da suche ich mir einen Trost in Gottes Wort, denn ich merke, daß der Teufel keinem Menschen mehr nachstellt, als denen, die vor ihr Tun Gott allein Rechenschaft zu geben haben."