Einige Nachträge zur Werbener Chronik.

Von E. Wollesen, Zeitz.

In dem Folgenden möchte ich einige nähere Nachrichten über das Goldbeck-Epitaph in der Werbener Kirche, über das frühere Werbener Rathaus und über ehemalige französische Schanzarbeiten bei Werben und bei Wendisch-Goldbeck veröffentlichen. Ein innerer Zusammenhang zwischen diesen drei Gegenständen der Arbeit besteht nicht; es müßte denn der Name „Goldbeck" eine lose Verbindung herstellen. Der Wert dieser Mitteilungen besteht weniger in ihrem Inhalt, als vielmehr in den Zeichnungen, die ihnen beigefügt sind. Die Quelle für diese Arbeit ist der geschichtliche Nachlaß des früheren um Werben wohlverdienten Bürgermeisters Ebel. Durch einen Freund der Familie Ebel wurde mir dieser Nachlaß vor einer längeren Reihe von Jahren zu meiner großen Freude zur freien Verfügung zugesandt. Ich kann die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne ausdrücklich erwähnt zu haben, daß jener Nachlaß einen sehr deutlichen Beweis für die warme Liebe des Bürgermeisters Ebel zu seiner Stadt Werben erbringt.

1. Das Goldbeck-Epitaph.

Von dem aus drei Teilen bestehenden Epitaph sind nur noch zwei Teile, der mittlere und der untere Teil, heute vorhanden. Der mittlere Teil wurde in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erneuert, besonders umrahmt und an einem Pfeiler des „Steinernen Chores" der Werbener S. Johanniskirche aufgehängt. Der untere, bedeutsamste Teil wurde vor etwa zehn Jahren auf dem Kirchenboden unter Stein und Stroh gefunden, von einem Maler sorgfältig gereinigt und auf dem Altar der Sakristei passend aufgestellt. Der obere Teil ist bisher nicht aufgefunden. Das Ganze ist auf Holz gemalt; es stammt aus dem Jahre 1580. Leider war es nicht möglich, eine Abbildung zu erlangen und hier beizufügen. Wir beschreiben zuerst den oberen, dann den mittleren und zuletzt den unteren Teil, um noch einige Nachrichten über die Familie Goldbeck anzufügen.

Bei der Beschreibung des oberen Teiles sind wir ganz auf die Ebelschen Angaben angewiesen; nach diesen Angaben war er 1 Fuß 8 Zoll breit und 2 Fuß hoch; er stellte Gott den Vater mit weitem Bart und mit goldenen Strahlen um das Haupt dar, wie er in der linken Hand die Weltkugel hält und die rechte Hand segnend emporhebt.

Der mittlere Teil, der nach der Ebelschen Messung 3 Fuß 8 Zoll breit und 4 Fuß 6 Zoll hoch ist, enthält eine zum Teil erschreckende Darstellung des jüngsten Gerichts nach der Losung: „Was der Mensch säet, das wird er ernten". Ganz oben thront Christus auf Wolken; er hält in der rechten Hand eine Palme und in der linken ein flammendes Schwert; der Engel zur Linken hat ein ähnliches Schwert, der zur Rechten einen Kranz. Andere Engel mit den „Marterwerkzeugen" umschweben Christum. Zu seinen Füßen sehen wir die vier durch ihre Attribute bezeichneten Evangelisten. Rechts und links zu seinen Füßen sitzen auf Wolken in sehr schönen Gruppen Moses, Aaron und David samt den 12 Aposteln. Unter diesen Gruppen blasen mehrere Engel auf Posaunen zum Gericht oder tragen lange Pergamentrollen mit den folgenden Inschriften:

  1. So der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der gottlose und Sünder erscheinen?
  2. der Herr kommt zu gericht mit allen eltesten seines volcks und mit seinen Fürsten, darum freuet eiger (?) erlösung ist herbei gekommen.
  3. komt vor gericht, ir totten, ir in wert sehen, in welchen ir gestochen habet.
  4. seht, des Herrn tag kompt, grausam, zornig, grimig das land zu vorstören und die sünder daraus zu vortilggen.
  5. o weh des tages, er komt wie ein vorderber von almächtigen; ein finstrer dag ein dunkler wulchiger nebliger tag.

Der ganze Himmel ist mit finstern Wolken bedeckt, nur an einer freien Stelle in der Mitte erscheint das Kreuz. Im Vordergrunde des Gemäldes, Christus zur Rechten, sind verschiedene Engel beschäftigt, sich mehrerer Menschen, vielleicht Angehöriger der Goldbeckschen Familie, anzunehmen und sie zu retten; eine knieende Frau und ein auf einem Buche knieender Mann werden nebst drei kleinen Kindern von den Engeln hinweggeführt. Die übrigen fünf Personen sind nicht mehr ganz erkennbar, da das Gemälde auf dieser Stelle sehr abgesprungen und beschädigt ist. [1]

In der Mitte des Vordergrundes hat der Tod einen Mann, der auf einem geöffneten Geldsack kniet, bei der Gurgel gepackt, während ein andrer Teufel sich anschickt, ihm einen feurigen Pfeil in das Herz zu stoßen. Unter dem Tod liegt ein Weib auf dem Rücken, mit aufgelösten Haaren; in der linken Hand hat es eine Fahne, deren Stange zerbrochen und auf der geschrieben ist: „Die Sünde 1580". Zu den Füßen des Todes liegt das Stundenglas, zu denen des Weibes wird ein Mann mit einer roten Mütze sichtbar. Verschiedene Teufel sind geschäftig, Verdammte aus den Gräbern zu ziehen. Ganz unten rechts liegt einer der Verdammten auf dem Rücken mit einem großen Trichter im Munde; ein grüner geflügelter Teufel steht über ihm und hofiert glühendes Gold in den Trichter. Eine fliehende völlig nackende weibliche Figur wird von einem Teufel mit einem glühenden Pfeil verfolgt. Ein andrer Teufel, der keine Nase und statt der Augen nur noch Höhlen hat, hält einem Manne eine große Schale zum Trinken vor.

Im Mittelgrunde ist rechts der Eingang zur Hölle. Ein geflügelter Teufel bläst auf einem Horn; mehr rechts steht ein andrer Teufel und hält eine große Schleifkanne empor; über ihm hängt das Schild eines Wirtshauses. Mehrere Teufel schwärmen in der Luft herum. Im finstern Hintergrunde des Höllentors erscheinen einige Verdammte mit ausgestreckten Armen. Ueber dem Tore der Burg liegen zwei große Kanonen, welche soeben losbrennen. Hoch auf der Zinne der Höllenburg führt eine lange Leiter zu einem Galgen und etwas weiter zurück steht noch ein Schnallgalgen. Verschiedene Teufel sind mit dem Aufhängen der Verdammten beschäftigt.

In der Mitte hält ein Engel ein hohes rotes Panier mit weißem Kreuz; hinter demselben scheidet ein Engel und mehrere Teufel eine zahllose Menge Menschen. Unter der kleineren Zahl, die zur Rechten geht, bemerkt man einen König mit gefalteten Händen. Ungleich größer ist die Zahl der Verdammten; an ihrer Spitze bemerkt man einen Papst, einen Bischof und einen Kardinal, welche von Teufeln getrieben werden. Im Hintergrunde links sieht man verschiedene zerstörte Schlösser und Burgen und rechts eine brennende Stadt. Der ganze Horizont ist mit schwarzem Qualm und Rauch angefüllt.

Die ganze Darstellung beruht auf den Schilderungen, die wir bei den Propheten, namentlich bei Joel, über das jüngste Gericht finden.

Der wichtigste Teil des Epitaphs ist nun der untere Teil. In der Mitte lesen wir die Inschrift: „Anno 1567 den 25. Octobris ist am Sonnabend nach Galli nachmittags umb 3 uhr. Ist die viel tugendsame Frau Anna Engels, Andreas Goltbecken eheliche Hausfrawe, in Gott verschieden. Ihres Alters 64 Jar".

„Anno 1576 Dinstags für Michaelis, morgens umb 3 uhr ist obgenannter Andrea Goltbecke Bürgermeister seines alters 76 Jar. Ist alhier zu Werben 51 Jar im Rath gesessen seliglich entschlaffen, welchen Gott eine fröliche Aufferstehung verleihen wolle 80."

Unten links von dieser Inschrift sehen wir das Wappen der Familie Goldbeck; unten rechts war das der Familie Engel; leider ist es jetzt nicht mehr erkennbar. Das bekannte Goldbecksche Wappen zeigt drei goldene Becher im blauen Felde; das Wappen der Familie Engel sehen wir auf einem aus dem Jahre 1601 stammenden Gedenkstein des Leonhard Kempfe und seiner Ehefrau Anna Engel, der in der Turmhalle der Werbener Kirche an der Südwand steht. Dieses Wappen zeigt im Schilde die Hausmarke und als Helmschmuck einen Engel; so mag auch das Wappen auf dem Epitaph ausgesehen haben. Eine Abbildung findet sich im „Herold" 1895, S. 128.

Links von der Inschrift sehen wir den Bürgermeister Andreas Goldbeck, rechts von derselben seine Ehefrau Anna Engel, hinter dem Bürgermeister fünf erwachsene Söhne und zwei kleinere Kinder. Sämtliche Personen sind in betender Stellung knieend mit erhobenen Händen dargestellt. Die Erwachsenen sind in schwarzer Kleidung abgebildet, die beiden Kinder dagegen in weißer Kleidung; die darauf befindlichen schwarzen Kreuze sollen sie als früh gestorben bezeichnen. Die Kleidung der Männer zeigt die damals übliche talarähnliche Gelehrtentracht, die der Frau eine einfache und doch vornehme Tracht mit weißem Kopftuch und schwarzer Haube darüber. Der Bürgermeister selbst zeichnet sich durch die pelzbesetzte Schaube in seiner Kleidung vor den Söhnen aus. Alle diese Personen sind portraitähnlich mit außerordentlichem Fleiße gemalt. Besonders ehrfurchtgebietend erscheint der Bürgermeister mit seinem langen spitzen weißen Vollbart.

Ueber die beiden Familien Engel und Goldbeck seien einige Nachrichten gestattet. Der erste Angehörige, den ich in einer Urkunde vom Jahre 1475 erwähnt fand, war Engel; seine Hausmarke ist in dem 2. Bande dieser Stendaler Beiträge, S. 244 unter 6, abgebildet. Als Johann Cicero am 21. April 1486 den Werbener Bürger Arnt Engell mit gewissen Zehnthebungen in den Gerichten zu Räbel und Behrendorf belehnte, nannte er den letzteren „vnnsern wirtt czu werben"; er hatte also bei ihm Wohnung genommen. An der genannten Stelle werden noch erwähnt Johann E., plebanus (1497---1501), ferner Thomas E. als Gildemeister der geistlichen Brüderschaft Corporis Christi (1519), ferner Lentze E. als Vorsteher des Werbener Hospitals S. Georg (1528 und 29), endlich Merten und Hans E. (1540); die Hausmarke des ersteren ist gleichfalls a. a. O. Seite 244 abgebildet; sie stimmt mit der Hausmarke der Anna E., der Gemahlin des Leonhard Kempfe, überein. In dem Werbener Schöppenbuch werden zum Jahre 1570 genannt Merten Engel, weiland Werbener Bürgermeister, wohl derselbe wie der oben genannte Merten E., ferner seine Ehefrau Katharina Weide, seine drei Kinder Merten, Anna und Katharina. Ob die Frau des Andreas Goldbeck mit dieser Anna E. identisch ist, läßt sich nicht nachweisen; sie gehört aber zweifellos dieser Familie an. Aus den wenigen hier angeführten Familiennachrichten geht hervor, daß die Familie E. eine begüterte und angesehene Werbener Familie gewesen ist. In vielleicht noch höherem Grade gilt das von der Familie Goldbeck; sie trat später teilweise in den Ritterstand über, ohne ein unbedingtes Connubium mit den altmärkischen adligen Familien zu haben. Unser Andreas Goldbeck, der auch in Räbel begütert war, war ein Sohn des Heinrich G. auf Klein-Ballerstedt, ein Enkel des Stendaler Bürgermeisters Hans G. und ein Urenkel des Hans G. auf Biesenthal. Von den fünf auf dem Werbener Epitaph abgebildeten Söhnen werden uns im „Herold", 1892, Nr. 9, S. 2, vier genannt, nämlich Heinrich, Brandenburgischer Vize-Kanzler und Geheimer Rat, Hans, in Brandenburg, Andreas II., Bürgermeister in Werben, und Martin, Ratskämmerer in Werben, der Vater Andreas III., des nachmaligen Kurfürstlich Sächsischen Regierungsrates in Dresden. Der fünfte Sohn ist leider a. a. O. nicht genannt; vermutlich ist er jener Bartholomäus, von dem in einer Urkunde vom Jahre 1541 vergl. (Riedel, Cod. diplom. A 16, S. 211) gesagt wird, daß er ein Lehen der Stendaler Marienkirche „gehalten", daß er in Werben wohne und nicht in Studio sei" [2]. Weitere Nachrichten über die Nachkommen der hier genannten Söhne unseres Andreas G. finden wir an der angeführten Stelle des „Deutschen Herold".

Das Epitaph war, wie die Inschrift besagt, im Jahre 1580 hergestellt. Den Anlaß dazu mochte den überlebenden Söhnen nicht nur der im Jahre 1576 erfolgte Tod des Vaters und der der Mutter gegeben haben, sondern auch der Tod ihres berühmten Bruders Heinrich, der am 21. Dezember 1579 in Berlin gestorben war. Der Wunsch lag nahe, nicht nur den Eltern, sondern auch dem Bruder in der schönen Kirche ihrer Heimatstadt ein Denkmal nach der Sitte ihrer Zeit zu stiften, dadurch ihre Dankbarkeit und Anhänglichkeit über den Tod hinaus zu bezeugen und in ihrer Vaterstadt die Erinnerung an die Heimgegangenen festzuhalten. Der Name des Malers ist hier nicht bekannt.

Fußnoten

[1]^1)^ Der Bürgermeister Ebel beschreibt das Gemälde vor der Erneuerung desselben.
[2]^1)^ Ueber die Familie Goldbeck vergleiche: 1. Riedemann, Altmärkische histor. Sachen, 1. Sammlung, S. 409; 2. Seidel, Bildersammlung; 3. E. Wollesen, Werbener Chronik, S. 109 f.; 4. Derselbe, Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg, Teil 2, S. 115 ff.; 5. Akten des Altmärkischen Geschichtsvereins in Salzwedel. Beckmann sagt in seiner Notitia Univers. Francofurtanae u. a. S. 199, daß die Vorfahren unseres Andreas Goldbeck wegen ihrer ausgezeichneten Verdienste in Krieg und Frieden ritterliche Würde mit reichen Einkünften und Gütern erlangt hätten.