Gustav Adolf 1631 und 1632.
Zur Gedächtnisfeier 1932.
Von E. Wollesen, Pf., D. theol., Zeitz.
Langsam bohrend in einem mühseligen Feldzug, der nachher von Napoleon hoch bewundert wurde, drang Gustav Adolf in Pommern und in der Mark vor. Viel zu lange aufgehalten durch seinen Schwager, den brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm, viel zu lange vernachlässigt von dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg, war es dem schwedischen König zu seinem größten Herzeleid nicht möglich, Magdeburgs Zerstörung zu verhindern. Endlich gewann er freie Bahn nach dem Westen. Der Plan, an der Elbe eine feste Position einzunehmen und abzuwarten, wie sich die Dinge in Mitteldeutschland weiter gestalten würden, wo schon die Kaiserlichen auf die Leipziger Bundesverwandten einen Angriff gemacht hatten und die Mißverständnisse zwischen Tilly und dem Kurfürsten von Sachsen gewachsen waren, gewann nun Wirklichkeit. Aber wo sollte er diese feste Position an der Elbe nach der Zerstörung der starken Feste Magdeburg wählen? Er richtete sein Augenmerk auf das Städtchen Werben, das an dem linken Elbufer gelegen, von alter Zeit her die gewichtige Aufgabe gehabt hatte, den Übergang über den Strom vor der Mündung der Havel, dieses größten Nebenflusses, zu decken. Über die Lage des Ortes mußte er näheren Bescheid haben: Darum sandte er Mitte Juni 1631 den Grafen Artenburg und den Obristen Baudiß an der Spitze von 1000 Reitern dahin. Die Schweden überfielen die kaiserliche Besatzung des Städtleins in der Nacht, plünderten die Stadt und nahmen alle Pferde mit. Auf Grund des Berichts, den diese Reiter von Werben zurückbrachten, wählte der König Werben zur geplanten festen Position. Dort hatte der König auf der einen Seite der Elbe das Erzstift Magdeburg und die Altmark, auf der andern Seite die Mittelmark und das Havelland. So konnten von den an der Havel gelegenen Ort- und Landschaften alle Lebensmittel die Havel hinunter mit leichter Mühe der Armee zugeführt werden. Und wenn der Feind wirklich zu beiden Seiten der Elbe mit Gewalt andringen sollte, so würde ihn doch, heißt es in einem alten Bericht, die Havel stutzend machen, daß er ihm das Land nördlich der Havel freilassen, auch die Fourage von dorther nicht benehmen und die Retraite im Falle der Not nicht verwehren konnte. Infolge dieses wohlerwogenen Planes überschritt das schwedische Heer am 1. Juli 1631 bei Tangermünde die Elbe und eroberte die Burg. Am folgenden Tage kam Gustav Adolf selbst über die Elbe und zog in die Burg Karls IV. ein. Am 4. Juli besichtigte der König Stendals bemerkenswerte Bauwerke, umritt die Wälle der Stadt und äußerte: „Die Alten haben's gut gemeint, aber ich müßte mein ganzes Heer hineinlegen, wenn ich sie behaupten wollte." Am 6. Juli eroberten schwedische Reiter das feste Schloß Angern und kehrten mit großer Beute heim. Am 7. Juli weilte der König wieder in der Nähe von Stendal und hielt in seinem Wagen in einem Garten vor dem Tangermünder Tor die Mittagsruhe. Nachdem er am 8. Juli sein ganzes Heer bei Arneburg a. d. Elbe gemustert hatte, kam er am 11. Juli nach Werben. Bei dem Anblick der Stadt und ihrer Lage soll der König geäußert haben, es nehme ihn Wunders, daß die Kriegserfahrenen diesen Ort so schläfrig außer acht gelassen, wie er denn in ganz Teutschland keinen gefunden, der zur Befestigung mehrers tauglich wäre denn dieser. Er herbergte in der Nacht vom 11. zum 12. Juli in dem am Markte gelegenen Hause der Werbener Patrizierfamilie Goldbeck, bezog am folgenden Tage das Zelt, das ihm auf der sogenannten Märsche inmitten seiner Truppen auf einem künstlich aufgeworfenen Hügel errichtet war[1]). Von hier aus konnte er nicht nur das Lager seiner Soldaten überschauen, sondern auch die von seinen Wachtposten besetzten Kirchtürme der Umgegend, namentlich die von Werben, Dom und Stadt Havelberg, beobachten. Die schwedische Reiterei lag zum Teil auf den Dörfern zwischen Werben und Seehausen oder war weit nach Dömitz vorgeschoben, um das Werbener Lager gegen die dort liegenden kaiserlichen Truppen zu schützen. Mit gewaltigem Eifer fuhren die Schweden fort, die Stadt Werben immer stärker mit Wällen, Gräben und Redouten zu befestigen und den Elbdeich zu einer immer festeren Schutzwehr des Lagers zu gestalten. So war das Lager im N. von Elbe und Havel, im S. von der Stadt und dem Elbdeich geschützt. Mit nicht minder großem Eifer wurden alle Lebensmittel und Futtervorräte aus der näheren und weiteren Umgegend in das Lager gebracht, um sie für eine etwaige langwierige Belagerung zu verproviantieren, den belagernden Feind aber auszuhungern.
Unterdessen stand des Königs großer Gegner Tilly bei Mühlhausen, in der Absicht, gegen den Landgrafen Wilhelm von Hessen-Cassel, der seine Aufforderung zur Unterwerfung „widerlich und spöttisch" beantwortet hatte, zu ziehen. Als er aber durch Pappenheim von Gustav Adolfs Vordringen nach der Altmark hörte, gab er den Plan auf und marschierte in Eilmärschen über Aschersleben und Magdeburg nach Wolmirstedt, wo er mit seinem Heere am 17. Juli ein befestigtes Lager bezog.
Auf die Kunde vom Herannahen des feindlichen Heeres beschloß Gustav Adolf, einen Vorstoß gegen dasselbe zu unternehmen. Er sammelte am 16. Juli 1631 seine Reiter bei Arneburg, kam noch an demselben Tage mit ihnen bis Bellingen, übernachtete im dortigen Pfarrhause und überfiel am 17. Juli die nichtsahnenden Reiter Tillys bei Angern, Burgstall und Sandbeiendorf. Er schlug sie gründlich in die Flucht.
Über diesen „Empfang" in Wolmirstedt stark empört, rückte Tilly unter beständigen kleineren Gefechten immer näher an das Werbener Lager heran. Der König freute sich darüber, denn nun war endlich Gelegenheit, mit besagtem Feinde aneinander zu kommen und zu sehen, was er möchte gelernt haben. Auch heute bewahrt man sorgsam das Blatt auf, auf dem der König beim Herannahen des Feindes auf dem etwas südlich von Werben gelegenen Vorwerk Arnsberg den Text für die Predigt des kommenden Sonntags für seinen Hofprediger geschrieben, Colosser 4 O., 2 und 3, den Text, der eine ergreifende Mahnung zur Fürbitte enthält. Auf dem Denkmal, das man im vorigen Jahre am 19. Juli in Werben zur Erinnerung an Werbens Gustav-Adolf-Geschichte am dortigen Rathause weihte, hat man auch diesen Text am Sockel angebracht.
Am 27. Juli stellte sich Tillys Heer in breiter Schlachtordnung vor der Stadt Werben und dem schwedischen Lager auf, während Gustav Adolf seine sämtlichen Truppen in die werbischen Befestigungen zurückzog. Tilly fing an, mit 17 großen Geschützen, darunter welche, die 24 Pfund wogen, auf das schwedische Lager zu spielen, also daß auch die Kirche davon getroffen ward, wie davon noch heute die Gedenktafeln Kunde geben. Nachdem er 72 Schüsse getan, ließ er etliche Truppen bis an das schwedische Lager anfallen und anhauen, unter welche auch die schwedischen Musketiere etliche Male losgebrannt haben.
In früher Morgenstunde des 28. Juli brach die schwedische Reiterei plötzlich aus dem Lager hervor und jagte die Kroatenwache Hals über Kopf zurück. Dadurch wurde das feindliche Lager alarmiert, und die Reiterei kam den Kroaten zu Hilfe. Es entspann sich ein hitziges Reitergefecht, in welchem auf beiden Seiten 150 Mann fielen.
Unterdessen stellte sich im kaiserlichen Lager großer Mangel an Essen und Trinken ein. Tilly mußte sich entschließen, sein Unternehmen aufzugeben. In dem jahrelang ausgefochtenen Lande waren weder Lebens- noch Futtermittel aufzutreiben. Die hungernde kaiserliche Armee konnte den wohlversorgten Schweden nicht Trotz bieten. So brach Tilly denn von Werben am 29. Juli 1631 in der Richtung Arneburg auf. Seine besten Regimenter sollten den Rückzug decken. Erst am Nachmittag brachen die Schweden zur Verfolgung aus dem Lager hervor und machten noch reiche Beute. An Tilly aber wurde das Wort erfüllt: „Van' est sine viribus ira". „Er mußte", wie es in einem Bericht heißt, „mit schlechter seiner Reputation wiederum abziehen und desselben Weges zurückwandern, darauf er war hergekommen\". So geschah hier der in der Kriegsgeschichte seltene Fall, daß der Belagerte den Belagernden aushungerte.
Ungeheure Opfer hatte Werben und die anderen Orte der Altmark für die Versorgung des schwedischen Heeres bringen müssen, aber die Opfer waren nicht vergeblich gebracht: Die Altmark blieb vor dem grausigen Geschick Magdeburgs bewahrt. Aber nicht nur für die Altmark war dieser glückliche Ausgang mit glücklichen Folgen, sondern auch für den ganzen deutschen Protestantismus, ja für Gustav Adolf selbst. Zwar hatte der König damit keinen entscheidenden Sieg, aber einen unzweideutigen Erfolg über den Eroberer Magdeburgs, den noch nie besiegten Tilly errungen. Die Protestanten atmeten erleichtert auf. Ein allgemeiner Umschwung zugunsten des Schwedenkönigs bahnte sich in Frankreich, Holland und England an. Die Rettung des deutschen Protestantismus hatte einen verheißungsvollen Anfang genommen. Nun konnte der König in Ruhe in dem Werbener Lager seine Vorbereitungen für den Siegeszug durch Mittel- und Süddeutschland treffen.
Schon hatte er von dem Werbener Lager aus den Zug nach Güstrow unternommen und die durch Wallenstein abgesetzten Herzöge zur unsäglichen Freude des mecklenburgischen Volkes wieder in ihre Würden eingesetzt. Bald nach seiner Rückkunft in das Werbener Lager kam der Landgraf Wilhelm von Hessen-Cassel, um mit Gustav Adolf ein enges Bündnis auf Verteidigung und Angriff zu schließen; übrigens war er der erste regierende Fürst in Deutschland, der sich aus freien Stücken und öffentlich gegen den Kaiser und für Gustav Adolf erklärte. Und noch ein anderes wichtiges Bündnis wurde hier vorbereitet. Johann Georg, Kurfürst von Sachsen, durch den Eintritt Tillys in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, warf sich, nicht ohne großes Widerstreben, dem König in die Arme. Er sandte seinen Feldmarschall von Arnim aufs eilfertigste in Gustav Adolfs Lager, diesen lange vernachlässigten Monarchen um schleunige Hilfe anzugehen. Der König verbarg die innere Unzufriedenheit, welche ihm diese sehnlich gewünschte Entwicklung gewährte. Als der von Arnim in den König drang, sich über die Bedingungen zu erklären, unter welchen er Sachsen zu Hilfe kommen wollte, stellte der König zum Schein äußerst harte Bedingungen, der Kurfürst solle ihm die Feste Wittenberg einräumen, ihm seinen ältesten Sohn als Geisel übergeben, seinen Truppen einen dreimonatigen Sold auszahlen. Der Kurfürst ließ dem König sagen: „Nicht bloß Wittenberg und Torgau, nein, ganz Sachsen soll ihm offen stehen, nicht bloß seinen Sohn, nein, seine ganze Familie, sogar er selbst wolle dem König als Geisel übergeben.\" Gerührt durch solches Entgegenkommen, ließ der König alle seine Forderungen fallen, übergab dem Landgrafen Wilhelm von Hessen zur besseren Werbung von Truppen eine größere Summe Geldes und sandte ihn unter starkem Schutze von Werben nach Dresden, um das Bündnis mit dem Kurfürsten abzuschließen. Ferner ergänzte er hier in dem Lager sein Heer, nahm altmärkische Ritter und Junker in dasselbe auf, wie Augustus von Bismarck, einen Ahnherrn des Altreichskanzlers Otto von B., ferner den Christoph von Kannenberg und viele andere. Hier schloß sich auch der feurige Herzog Bernhard von Weimar an, den der König bald an die Spitze seiner Vorhut stellte. Hier ergänzte Gustav Adolf, der nur zu gut wußte, daß zum Kriegführen Geld, Geld und abermals Geld gehört, seine Finanzen. Hier offenbarte er aber auch seine Großmut gegenüber Menschen und seine Demut gegenüber Gott in hellstem Maße. Als Kroaten, die bei der Erstürmung Havelbergs gefangen genommen waren, in dem Lager dem Könige vorgeführt wurden, fielen sie vor ihm auf die Knie und flehten um ihr Leben. Der König aber sprach: „Stehet auf! Betet Gott an und danket Ihm für euer Leben. Ihr wäret wert, daß man mit euch nach eurem eignen Exempel prozedierte, denn ihr geht mit den armen unschuldigen Leuten um ärger als die Türken." In demselben Lager hatte sich der König in seinem Zimmer ganz allein verborgen und gegen seine Gewohnheit die Tür zugemacht. Als sein Hofrat Jakob Steinberg zu ihm wollte, um einige Nachrichten zu bringen, machte er die Thür etwas leise auf und sah, daß der König andächtig in der Bibel las. Darum wollte er nicht stören, sondern machte die Tür wieder leise zu. Aber der König bemerkte ihn und hieß ihn hereinkommen. Als er um Verzeihung bat, weil er ihn in seiner Andacht gestört hatte, sagte der König zu ihm: „Da suche ich mir einen Trost in Gottes Wort, denn ich merke, daß der Teufel keinem Menschen mehr nachstellt als denen, die vor ihrem Tun Gott allein Rechenschaft zu geben haben." Ein Mann, der so großmütig gegenüber Menschen, so demütig gegenüber Gott gewesen, seiner Verantwortung vor Gott so sehr bewußt, kann unmöglich ein verbrecherischer König, ein verruchter Patron, ein Mordbrenner gewesen sein, wie gewisse Leute ihn noch heute schelten. Wir wissen auf Grund unparteiischer gründlicher Geschichtsforscher besser, wen wir in Gustav Adolf vor uns haben, einen aufrichtig frommen evangelischen Christen und einen tapferen, echt germanischen Helden, dem nicht nur der deutsche Protestantismus, sondern auch das deutsche Volk unendlich viel zu verdanken haben.
Mitte August 1631 verließ Gustav Adolf, nachdem er eine Besatzung in der von ihm an der Havelmündung errichteten großen und starken insularen Schanze zurückgelassen hatte, Werben für immer. Er zog zunächst mit seinem Heere nach Brandenburg, wo er einen Bettag abhielt, von dort nach Wittenberg über die Elbe, vereinigte bei Düben sein Heer mit dem des sächsischen Kurfürsten. Sein großer Gegner Tilly stand mit seiner Heeresmacht bei Breitenfeld. Hier griff ihn Gustav Adolf am 6. September 1631 an. Hier ließ ihm Tilly, der Eroberer Magdeburgs, der Sieger in 36 Schlachten, Ruhm und Sieg. Die schweren Schlachtvierecke der Tillyschen wurden von den leicht beweglichen Reihen der Schweden mit ihren leichter zu transportierenden Geschützen auseinander gesprengt. Die Folgen dieses Sieges waren bedeutend. Der Sieg führte zum völligen Anschluß der meisten protestantischen Fürsten. Deutschland lag offen vor dem Sieger. Was Gustav Adolf bei Werben begonnen, hier vollendete er es: „Gustav Adolf, Christ und Held, rettete bei Breitenfeld Glaubensfreiheit für die Welt.\" Nach dem Siege rückte der König schnell und ohne Hindernis durch Thüringen an den Main, diesen hinab durch Franken nach Frankfurt und Mainz an den Rhein. Als er hier seine Winterquartiere nahm, stand er auf der Höhe des Sieges. Vielleicht erhob sich jetzt in seiner Seele der große Gedanke eines protestantischen Kaisertums und einer innigen Verschmelzung der beiden stamm- und glaubensverwandten Länder Schweden und Deutschland. Er dachte in dieser Zeit an eine Verlobung seiner einzigen Tochter Christina mit Friedrich Wilhelm, dem einzigen Sohn des brandenburgischen Kurfürsten, dem nachmaligen Großen Kurfürsten. Aber allen diesen großen und glänzenden Plänen stellten sich allerlei Hindernisse in den Weg. Die zweideutige Haltung des Kurfürsten von Sachsen, der zwar in Böhmen eingerückt war, aber es doch mit dem Kaiser nicht verderben wollte, und die Eifersucht Frankreichs, unter dessen Schutz sich Bayern und die geistlichen Fürsten zu flüchten begannen, hemmten den König sehr.
Mit dem kommenden Frühling 1632 trieb Gustav Adolf Tilly aus Franken und zog in Nürnberg ein, dessen protestantische Bevölkerung ihn freudig empfing. Dann rückte er gegen Bayern. Die Grenze des Landes verteidigend, fiel Tilly am Lech, 5. April 1632. Darauf wandte sich Gustav Adolf nach der freien Stadt Augsburg, wo er sich förmlich huldigen ließ. Während Maximilian von Bayern Regensburg besetzte, belagerte er Ingolstadt vergeblich, wandte sich aber dann nach München, das sich ihm ergab. Von da zog er nach Schwaben. Inzwischen hatte Wallenstein auf vieles Dringen und Bitten des Kaisers ein neues Heer gebildet und den Oberbefehl über dasselbe übernommen. Er rückte über den Böhmerwald nach Franken vor auf Nürnberg zu. Gustav Adolf konnte die protestantische Stadt nicht in Feindeshand fallen lassen und eilte deshalb, ihm zuvorzukommen. Kaum hatte er sein Lager aufgeschlagen, so erschien auch Wallenstein und bezog eine uneinnehmbare feste Stellung. Lange lagen beide Heere gegeneinander. Not und Mangel trieben endlich den König gegen seinen Willen zum Angriff (4. Sept. 1632). Aber vergebens stürmte er den ganzen Tag. Die starke Stellung der Kaiserlichen trotzte jedem Angriff. Gustav Adolf konnte den Tag wie eine Niederlage ansehen; er suchte vergebens Meister des Krieges zu bleiben, ihn durch einen Marsch südwärts an die Donau zu verlegen. Wallenstein folgte ihm nicht, sondern zog unter furchtbaren Verheerungen nach Sachsen und zwang den Schwedenkönig, ihm zum Schutz dieses Landes zu folgen. Wallenstein hatte seine Winterquartiere um Leipzig her nehmen wollen. Der Feldzug des Jahres schien beendet. Wallenstein hatte seinen Unterfeldherrn Pappenheim mit 10000 Reitern nach Halle gesandt. Gustav Adolf aber, der in Eilmärschen zum Entsatz Sachsens herbeigeeilt war, stand, ohne daß es Wallenstein ahnte, schon bei Naumburg. Auf die Kunde von dem Abmarsch Pappenheims führte er rasch sein Heer gegen Wallenstein zur Schlacht. Auf Lützens Ebene war der harte Strauß (6. Nov. 1632). Gustav Adolf, der das Glück auf dem weichenden rechten Flügel wiederherstellen wollte, fiel, von einem Schusse im Rücken durchbohrt; kaum erkannte man später seine von Blut entstellte Leiche. Auf der anderen Seite fiel Pappenheim, der noch zeitig genug von Halle zurückgerufen war. Wallenstein selber, dem im dichten Kugelregen Mantel und Hut zerfetzt ward, ging ohne Wunde aus der Schlacht, ließ aber dem Feinde den Sieg. Er wich nach Böhmen und hielt hier ein furchtbares Strafgericht über sein Heer, das nicht standgehalten. Aber auch der Protestanten Verlust wog schwer, am schwersten der Verlust des Königs, der, wie einst Epaminondas, im Schoß des Sieges gefallen. Er war der größte, edelste und reichbegabteste Mann, den dieser wüste Krieg aufzuweisen hat. Er war ein Held, der sich das Größte vorgesetzt, die Rettung des deutschen Protestantismus, ein Held, der das Höchste daran gesetzt, sein Leben, und der sterbend sein Ziel erreicht hat. Obwohl von Geburt ein Fremder, ist er durch sein Wirken ein Deutscher im vollsten Sinne des Wortes geworden, den alle rechten evangelischen Deutschen noch heute mit vollem Rechte verehren, ein Deutscher, dessen Heldengestalt wie ein mahnendes Vorbild in diese trübe Gegenwart hineinleuchtet. Sein Tod nahm der protestantischen Partei damals die Seele und dem Kriege den letzten großen Gedanken.
Der Schwedenkönig erwarb sich nicht nur das Verdienst, dem deutschen Protestantismus das Leben zu retten und dem protestantischen Prinzip eine Zukunft in Europa zu sichern, sondern auch das andere große Verdienst, das Kirchenwesen in bestimmten Teilen unserer Provinz neu zu ordnen. Wir können um des verfügbaren Raumes willen hier nicht näher darauf eingehen, sondern nur einiges erwähnen. Diejenigen aber, die darüber Näheres wissen wollen, verweisen wir auf Ed. Jacobs, Die Wiederherstellung des evangelischen Kirchenwesens im Erzstift Magdeburg und Hochstift Halberstadt durch König Gustav Adolf von Schweden im Jahre 1632 in „Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde", 30. Jahrg. S. 115--298, ferner auf Arndt, Gottesdienstliche Ordnungen des Schwedenkönigs Gustav Adolf für die Stifter Magdeburg und Halberstadt vom Jahre 1632 in „Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst", 4. Jahrg., Heft 10--12; 5. Jahrg., Heft 1, endlich auf Georg Arndt, evang. Kirchenrecht im Bistum Fürstentum Halberstadt in „Sachsen und Anhalt", Jahrbuch der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt, Bd. 4, 1928, S. 44--131. Hier nur das folgende: Gustav Adolf ernannte seinen früheren Hofprediger, Sekretär des königlich-schwedischen Feldkonsistoriums und Bischof von Einköping, D. theol. Botvidi, der das vollste Vertrauen seines Königs besaß, zum Vorsitzenden einer Kommission, stellte ihm geeignete Männer zur Seite und beauftragte sie, „eine heilsame, mit Gotteswort, dem unveränderten Augsburgischen Bekenntnis und den Bestimmungen der sächsischen Kirchen in Einklang stehende Ordnung aufzurichten". Man beschloß, nicht die sächsische Ordnung einfach anzunehmen, sondern eine aus eigenen Bestimmungen zusammengestellte Kirchenordnung aufzusetzen, und zwar zuerst die Agende, dann die Kirchenordnung, ferner die Konsistorial- und Visitations-, und endlich die Schulordnung. Diese verschiedenen Arbeiten wurden unter die Mitglieder der Kommission verteilt und sofort tatkräftig mit kühnem Mut und regem Eifer in Angriff genommen. Am 7. Mai 1632 legte der königliche Gesandte, Bischof Botvidi, den in Halberstadt versammelten Ständen das Werk vor und fragte die Erschienenen, ob man im Halberstädtischen jemals eine allgemeine, allseitig anerkannte kirchliche Gottesdienstordnung besessen habe. Und als man diese Frage verneinte, empfahl der Bischof die Annahme der für Magdeburg ausgearbeiteten Agende und Kirchenordnung, was die Vertreter der Stände auch zusagten. Das vorgelegte Werk wurde am 7. Juni 1632 angenommen. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Bischof, daß das Werk gemäß der ihm vom König erteilten Anweisung aus einer magdeburgischen Handschrift und aus der sächsischen (von 1580) und koburgischen (von 1626) Kirchenordnung und aus Hahns „Kirchenbuch" für Magdeburg von 1615 ausgezogen sei. Die Agende ist 1632 sofort in Gebrauch genommen und im Halberstädtischen über 100 Jahre im Gebrauch geblieben. Im Magdeburgischen ist sie mit geringen Zusätzen und Änderungen als Magdeburgische Agende 1653 und 1663 nachgedruckt und danach in die Magdeburgische Kirchenordnung von 1685 und in die revidierte Magdeburgische Kirchenordnung vom Jahre 1739 aufgenommen. Und da diese letztere bis zur Einführung der Preußischen Unionsagende 1822--1829 in Geltung geblieben ist, hat die schwedische Agende für Magdeburg rund 200 Jahre Einfluß gehabt. Eine ähnliche Einwirkung hat die schwedische Kirchenordnung auf die Gestaltung der Magdeburgischen Kirchenordnungen von 1653, 1685 und 1739 ausgeübt. Und die Männer, die im 18. Jahrh. die Entwürfe für eine Halberstädter Kirchenordnung anfertigten, haben sicherlich die schwedische Kirchenordnung in ihrer magdeburgischen Überarbeitung gekannt und benutzt. Die genannten, auf Anregung des Königs Gustav Adolf erlassenen kirchenrechtlichen Ordnungen bilden bedeutsame Abschnitte in der Entwicklung des Kirchenrechts, ja des ganzen kirchlichen Lebens innerhalb des Erzbistums Magdeburg und des Bistums Halberstadt; sie sind aber vor allem laut redende Zeugnisse für den frommen Sinn und das kirchliche Interesse des Königs Gustav Adolf.