Gustav Adolf in der Altmark.

Pfarrer E. Wollesen, Zeitz.

Es gibt manche bekannte Gustav Adolf-Stadt in unserer Provinz; ich nenne außer Lützen vor allem Erfurt, Naumburg und Weißenfels. Außer diesen genannten Städten haben wir aber noch eine sehr bedeutsame Gustav Adolf-Stadt in der Provinz, die weniger als solche bekannt ist; ich meine das im äußersten Nordosten der Provinz an der Elbe gegenüber der Havelmündung gelegene Städtchen Werben. Immer ist es mein Bestreben gewesen, auf die Bedeutung Werbens als Gustav Adolf-Stadt hinzuweisen. Wenn dieses Bestreben in dieser Zeit wieder besonders lebhaft geworden ist, so kommt es daher, daß die Werbener sich rüsten, in diesem Jahre das 300-jährige Gustav Adolf-Gedenken durch ein Heimatfest am 19. Juli feierlich mit Festgottesdienst, Weihe eines Gedenksteins auf dem Markt und Festrede zu begehen. Ich danke es dem Herausgeber, daß er mir Gelegenheit gibt, auch an dieser Stelle obiges Bestreben durch einige Ausführungen über Gustav Adolf in der Altmark von neuem zu verwirklichen.

Was führte denn 1631 den König Gustav Adolf in die Altmark? Magdeburg war zu seinem größten Schmerze gefallen. Der König hatte es nicht hindern können. Der eigene Schwager, Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg, hatte ihn zu lange in der Mark festgehalten. Nun wollte der König abwarten, wie sich die Dinge in Mittel- und Süddeutschland gestalten würden. Dort hatten schon die Kaiserlichen auf die Leipziger Bundesverwandten, die evangelischen Fürsten, einen Angriff gemacht; dort hatten die Mißverständnisse zwischen Tilly und dem sächsischen Kurfürsten eine bedenkliche Steigerung erfahren; dort beantwortete der wackere Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel Tillys Aufforderung zur Unterwerfung „widerlich und spöttisch". Es war also genug Zündstoff aufgehäuft. Um aber abwarten zu können, bedurfte der König einer ganz festen und sicheren Position. Das zerstörte Magdeburg konnte sie ihm leider nicht mehr bieten. So sah er sich nach einer andern Stätte um und fand sie in der Altmark in dem Städtchen Werben. Bei der Wahl desselben zum befestigten Lager waren die folgenden Erwägungen entscheidend: Hier konnten von den an der Havel gelegenen Ortschaften Lebensmittel den Strom herunter mit leichter Mühe dem Heere zugeführt werden. „Und wenn nun wirklich der Feind zu beiden Seiten der Elbe mit großer Gewalt gegen ihn andringen würde, so würde ihn doch die Havel", wie es in einem Bericht heißt, „stutzend machen, daß er ihm das Land über die Havel nach Norden zu freilassen mußte und ihm die Fourage von dort her nicht benehmen oder auch die Retraite dahin im Falle der Not nicht verwehren konnte".

Infolge dieses wohl erwogenen Planes kam der König mit seinem ganzen Heere nach der Altmark. Nachdem am 30. Juni 1631, eine schwedische Abteilung bei Tangermünde durch die damals sehr seichte Elbe gesetzt und am 1. Juli die dortige Burg mit Sturm genommen, kam der König am 2. Juli selbst über den Strom, um in der Burg Kaiser Karls IV. sein Hauptquartier aufzuschlagen. Am 3. Juli erhielt Stendal die erste schwedische Einquartierung. Am 4. Juli kam der König selbst nach Stendal, besichtigte die bemerkenswerten Bauten, umritt die Wälle der Stadt und sagte: „Die Alten haben's gut gemeint, aber ich müßte meine ganze Armee hineinlegen, wenn ich sie behaupten wollte". Die in Stendal und um Stendal lagernden schwedischen Truppen unternahmen am 6. Juli einen nächtlichen Überfall auf das Schloß Angern, überwanden die dortige kaiserliche Besatzung und kehrten in ihre Standquartiere zurück. Der König verweilte am 7. Juli wieder in unmittelbarer Nähe Stendals und hielt in einem Garten vor dem Tangermünder Tore in seinem Wagen Mittagsruhe. Als er am 8. Juli eine Musterung über sein Heer bei Arneburg gehalten, zog er am 11. Juli nach Werben. Bei dem Anblick der Stadt und ihrer Lage äußerte er, es nehme ihn Wunder, daß die Kriegserfahrenen diesen Ort so schläfrig außer Acht gelassen, desgleichen er noch nirgends bisher in „Teutschland" gefunden, der zur Befestigung mehreres tauglich wäre. Nun begann mit dem Aufwand aller Kräfte die Befestigung des auf der Märsche, d. h. auf den Wiesen zwischen Elbdeich und Stadt einerseits, Elbe und Havel andererseits, gelegenen Lagers. Der König hatte in der ersten Nacht, also in der Nacht vom 11. zum 12. Juli, in dem Hause der Patrizierfamilie Goldbeck am Markte geherbergt, war dann aber in das Lager gezogen, wo er inmitten seiner Truppen sein Zelt auf einem künstlich aufgeworfenen, noch heute kenntlichen Hügel aufschlug. Hinter dem Königszelt führten zwei Schiffbrücken vor der alten Havelmündung --- die Havelmündung ist seit jener Zeit weiter nach unten verlegt --- über die Elbe. Die auf beiden Elbufern fouragirenden Truppen wurden durch weit vorgeschobene Reiterabteilungen, besonders gegen die in Dömitz liegenden Kaiserlichen, geschützt. Dem Könige kam es darauf an, vor der Ankunft des heranziehenden Feindes alle irgend erreichbaren Vorräte in das Werbener Lager zu schaffen, sich selbst für eine vielleicht langwierige Belagerung zu versorgen, den Gegner aber in dem jahrelang ausgesogenen Lande auszuhungern und zur Rückkehr zu zwingen. So wurden denn von den Schweden die umliegenden Ortschaften völlig ausgeräumt, die neuen Getreidevorräte gedroschen und in Werben aufgespeichert. Uns sind die Verluste einzelner Ortschaften bekannt; nur die von Osterburg und Werben seien kurz genannt: Osterburg wurde am 25. Juli dermaßen von den Schweden geplündert, daß sich der Verlust an Vieh und Getreide auf 16 440 rthlr. belief und sich 6 Wochen lang kein Bürger darin sehen ließ. Die kleine Stadt Werben, die schon in den vorangegangenen Kriegsjahren unendlich gelitten hatte, mußte allein schon, als das schwedische Heer noch in Tangermünde war, jeden Mittwoch 2000 Pfd. Brot und 12 Tonnen Bier nach dort liefern. Ein Bürger, Christian Kemmerich, berechnete den Schaden, den er bei dem ersten schwedischen Überfall, bei der Ankunft des Königs und bei der schwedischen Einquartierung gehabt, auf 542 rthlr. 12 sgr. Das waren in der Tat fernere Opfer, die von den Schweden gefordert werden mußten! Die Opfer sollten nicht vergeblich gebracht werden.

Der König zog von Werben nach Güstrow, um die von Wallenstein abgesetzten mecklenburgischen Herzöge wieder in ihre Würden einzusetzen. Manche jungen Altmärker fanden sich im Werbener Lager ein, um unter Gustav Adolfs Fahnen zu kämpfen, unter ihnen ein Junker Augustus von Bismarck und Christoph von Kannenberg. Bernhard von Sachsen-Weimar, der sich als einer der ersten deutschen Fürsten auf des Königs Seite gestellt hatte, suchte ihn im Werbener Lager im Juli 1631 auf. Gustav Adolf erkannte sehr bald die Bedeutung des jungen Kriegsmannes, zog ihn in seine Nähe und stellte den tapferen feurigen Prinzen an die Spitze der schwedischen Vorhut.

Indessen rückten die Kaiserlichen von Süden immer näher heran. Als Gustav Adolf davon hörte, sammelte er seine Reiterei bei Arneburg, zog noch am Abend, 16. Juli, nach Bellingen, wo er im Pfarrhause übernachtete, überfiel am Abend des folgenden Tages drei feindliche Reiter-Regimenter, sprengte sie völlig auseinander und kehrte am 19. mit großer Beute nach Werben zurück.

Am 26. Juli rückte Tilly unter beständigen Gefechten gegen Werben an. Über diese Plänkeleien heißt es in einem alten Bericht: „Unter andern legten etliche schwedische Musketiere sich in einem kleinen Gesträuch zwischen ihrem und dem Tilly'schen Lager in embuscade. Die Reiter präsentierten sich auswendig vor dem Gesträuch zum Scharmutzieren. Da dann, wenn die Tilly'schen zu nahe kamen, von den Musketieren stark Feuer gegeben und also dieser Tag mit Scharmutzieren zugebracht worden".

Am 27. Juli rückte Tilly mit der ganzen Armee von dem südlich gelegenen Vorwerk Arnsberg noch näher an die Stadt heran und stellte sein Heer mit breiter Front in Schlachtordnung auf. Die Absicht, an diesem Tage einen Hauptangriff zu unternehmen, wurde in ihrer Ausführung durch einen dichten Nebel verhindert. „Tilly fing an", schreibt ein anderer, „mit groben Stücken, darunter waren, die 24 Pfund führten, auf das schwedische Lager zu spielen, also, daß auch der Kirchturm von Werben eingeschossen ward. Nachdem er 72 Schüsse gethan, hat er etliche Truppen bis an das schwedische Lager anhauen und anfallen lassen, unter welche aber auch die schwedischen Musketiere etliche mal losgebrannt haben."

In früher Morgenstunde des 28. Juli brach die schwedische Reiterei aus dem Lager hervor und jagte die Kroatenwache Hals über Kopf zurück. Dadurch wurde das feindliche Lager alarmiert. Die Reiterei kam den Kroaten zu Hilfe. Ein hitziges Reitergefecht entspann sich, in welchem auf beiden Seiten 150 Mann fielen. Schließlich brachen die Schweden das Gefecht ab und zogen sich in guter Ordnung zurück. In diesem Gefecht zeichnete sich auf schwedischer Seite ein Graf von Baudiß besonders aus. Auch Bernhard von Weimar kam hart ins Gedränge; ein Pferd wurde ihm erschossen, das andere verwundet. „Weil nun diese beiden unkommandiert und nur aus übriger Courage in solches Handgemenge gekommen, hatte es nachmals beim Könige nichts als lauter Filze davor gegeben".

Tilly mußte sich entschließen, sein Unternehmen aufzugeben. In dem jahrelang ausgesogenen Lande waren keine Vorräte mehr aufzutreiben. Die nachfolgenden Proviantzüge wurden von schwedischen Reitern, die oberhalb Tangermünde unvermutet durch die Elbe gesetzt, abgefangen. So brach denn Tilly am 29. Juli früh von Werben auf nach Arneburg. Seine besten Regimenter deckten den Rückzug. Erst am Nachmittag, als die Armee in langen Zügen auf dem Marsche war, brachen die Schweden aus dem Lager vor, griffen die Nachhut der Feinde an und erbeuteten viele Gefangene und Pferde. Hier ereignete sich der gewiß in der Kriegsgeschichte seltene Fall, daß die Belagerten die Belagerer aushungerten.

Die Folgezeit benutzte Gustav Adolf dazu, den Siegeszug durch Mittel- und Süddeutschland vorzubereiten. Diese Vorbereitung bestand darin, daß er wichtige Bündnisse schloß. In dem Werbener Lager erschien der Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel, der erste regierende evangelische Fürst in Deutschland, der es wagte, sich aus freien Stücken und öffentlich gegen den Kaiser und für Gustav Adolf zu erklären und mit dem letzteren ein enges Bündnis auf Verteidigung und Angriff zu schließen. Der König ließ ihm zur besseren Fortsetzung seiner Werbungen eine „starke Post Geldes" auszahlen. Unter starker Bedeckung zog der Landgraf von Werben nach Dresden, um ein schon lange vorbereitetes zweites Bündnis zustande zu bringen, das Bündnis mit Kursachsen. Der Kurfürst Johann Georg von Sachsen, durch den Eintritt der Feinde in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, sandte seinen Feldmarschall von Arnim aufs eilfertigste in das Werbener Lager, den lange vernachlässigten Schwedenkönig um schleunige Hilfe anzugehen. Die Verhandlungen schlossen auch hier mit einem Bündnis, dessen bedeutsame Folgen sich in dem Siege von Breitenfeld offenbaren sollten.

Mitte August verließ Gustav Adolf Werben für immer. Brandenburg, Wittenberg waren seine nächsten Ziele, um dann sein Heer mit dem des sächsischen Kurfürsten zu vereinigen und den bedeutsamen Sieg bei Breitenfeld zu erringen. Ich glaube, nachgewiesen zu haben, welch' eine bedeutsame Gustav Adolf-Stadt das kleine Städtchen Werben an der Elbe ist. Am 19. Juli d. Js. will man dort ein Heimat- und Gustav Adolf-Fest zur Feier des 300-jährigen Gedenkens an die Ereignisse des Jahres 1631 begehen. Es soll dann auf dem großen schönen Marktplatze unter der gewaltigen Friedenseiche ein Gedenkstein mit der schwedischen und deutschen Inschrift „Zum Gedächtnis des Königs Gustav Adolf von Schweden. Werben 1631---1931. Col. 4, V. 2---4" geweiht werden. Diesen Spruch hatte Gustav Adolf am 21. Juli 1631 auf dem Vorwerk Arnsberg bei Werben auf ein Blatt geschrieben; er sollte zweifellos der Text für die Predigt des kommenden Sonntags sein, an dem der Feind schon in bedenkliche Nähe gekommen war. Möchte denn durch diese Feier, an der sich auch Schweden beteiligen werden, die Gustav Adolf-Bedeutung der Stadt immer bekannter, die Gustav Adolf-Liebe der Werbener immer größer werden!