Kaiser, Kurfürsten und Könige in Werben-Elbe.

Von E. Wollesen in Werben-Elbe, Altmark.
(Nachdruck verboten.)

Das altmärkische Städtchen Werben liegt fernab von dem Weltverkehr in jenem nordöstlichen Winkel des Kreises Osterburg, der von dem mächtigen Elbstrom begrenzt wird. Still fließt das Leben der Bewohner dahin. Wer aus dem Lärm der großen Städte nach diesem Städtchen kommt, empfindet mit Behagen die Stille auf Straßen und Plätzen. Das ist nicht immer so gewesen; einst warf auch an den Strand dieses Städtchens das brausende Meer des öffentlichen geschichtlichen Lebens seine Wogen. Und wenn heute nur hin und wieder einzelne Fremde ins Städtchen kommen, um die einsamen Zeugen und Denkmäler der großen Vergangenheit zu bewundern, einst kamen einst Kaiser, Kurfürsten und Könige hierher, um wichtige Angelegenheiten des Reiches hier zu entscheiden oder die Huldigung der Bewohner entgegenzunehmen oder Werke des Friedens zu stiften. Gewährt es auch sonst Freude, sich in die reiche Vergangenheit des Städtchens zu versenken, so macht es doch besonderes Vergnügen, den Spuren der Großen und Gewaltigen dieser Erde nachzugehen, welche einst unser Städtchen besucht haben.

Es war ein kalter Dezembertag des Jahres 1005. Die Abendsonne ging in wunderbarer Glut zur Rüste, der Wind wehte eisig von Osten her über die weite Ebene gegen die Burg Werben, der Frost hemmte den Lauf des Wassers in den breiten Gräben der Burg, da verkündete der langgezogene Hornruf des Wächters auf dem Turm des hölzernen Kirchleins, daß der lang erwartete hohe Besuch nahe. Die Brücke fiel hernieder, die Mannen schwangen sich eilig auf die wiehernden, stampfenden Rosse, laut schallte des Grafen Befehl zum Aufbruch über den weiten Burghof, und fort ging's in eiligem Ritt über die Brücke, hindurch durch die mächtigen Planken und Wälle, hinab nach dem breiten Elbstrom. Näher und näher kamen die mächtigen, stattlichen Schiffe, getrieben vom Strom und vom Wind; endlich legten sie an, vornehme, edle Mannen entstiegen den Schiffen, unter ihnen einer vor allen, ausgezeichnet durch Herrlichkeit und Ritterlichkeit, Kaiser Heinrich II., ehrfurchtsvoll begrüßt am Ufer von den Mannen der Burg. Auf den bereitgehaltenen Rossen ging's im gewaltigen Zuge unter dem goldenen Schein der eben versinkenden Sonne der nahen Burg zu, wo der Kaiser mit allen den Seinen sicheres, gastliches Quartier fand. Am anderen Tage nahte wiederum eine Schar Gewappneter der Werbener Burg: Wenden waren es, vom anderen Ufer der Elbe, die Heinrich zum Reichstag nach Werben geladen. Nur die Vornehmsten wurden in die Burg gelassen und vor den Kaiser geführt. Finster schaute der Kaiser auf die tief sich verneigenden Wenden. Ernst klang sein Wort, Gehorsam von ihnen erheischend. Willig gelobten die Feinde die Treue, aber tiefen Haß in dem Herzen kehrten sie heim zu den Ihren. Nachdem der Kaiser also mächtig die Angelegenheiten des Reiches beendet, die Feinde zur Unterwerfung gezwungen und die Grenzen des Reiches fürs erste gesichert, zog er nach der auf steilem Felsen der Elbe belegenen Adlerburg (Arneburg), von neuem zu bauen, was die Wut der wendischen Feinde vernichtet.

Sommer war's, im Jahre des Heils 1034, da sammeln sie unter den Wällen der Werbener Burg mächtige kriegerische Scharen, hie Deutsche, dort Wenden. Und zwischen beiden Parteien ringt in furchtbarem Kampfe ein Deutscher mit einem Wenden auf Leben und Tod. Hin und her schwankt das Glück. Da sinkt, von dem Dolchstoß des Gegners in die Brust getroffen, der Deutsche blutüberströmt auf den Rasen. Betäubend klingt das Siegesgeschrei der Wenden. Nur mühsam kann der Kaiser Konrad es hindern, daß nicht die Feinde sogleich mordend über die Christen herfallen. Was war denn geschehen? Schon 1032 hatte derselbe Kaiser unter persönlicher Leitung neben der alten Burg Werben ein neues starkes Kastell anlegen lassen, um noch besser die Grenzen des Reiches zu sichern, aber schon im folgenden Jahr hatten die Wenden vom liutizischen Stamme bei dem neuen Kastell den Grafen Luitger mit 42 seiner tapferen Mannen überfallen und getötet. Darüber vom Kaiser zur Rechenschaft gezogen, veranlaßten die Wenden zum Beweise, daß sie nicht Schuld an dem Friedensbruch trügen, jenes Gottesurteil, das mit dem Siege des Feindes geendet hatte. Trotz dieses Ausgangs versagte der Kaiser den Wenden jede Genugtuung.

Mit tiefem Groll im Herzen ob des erfahrenen Unrechts verließen die Wenden den Landtag und kamen im folgenden Jahre in mächtigem Rachezug wieder, eroberten die Werbener Burg und opferten auf dem Altare des uralten Kirchleins der Burg eine große Anzahl von Feinden. Zwar unternahm der Kaiser noch in demselben Jahre einen Vergeltungszug gegen die Wenden, machte sie auch wieder tributpflichtig, konnte aber auch jetzt nicht dauernd die Grenzen des Reiches sichern. Der wendische Volksstamm der Heveller, der sich durch seine begeisterte Liebe zur Freiheit und durch Entschlossenheit besonders auszeichnete, erhob immer wieder die Stanitza, die Fahne der alten Götter und der Ehre ihrer Nation. Wir wissen, daß es erst Albrecht dem Bären gelang, diesen Elblanden dauernden Frieden zu bringen. Seit jenen kriegerischen Zeiten hat kein deutscher Kaiser wieder in Werben geweilt. Immerhin bleibt die Tatsache interessant, daß deutsche Kaiser in Werben zu einer Zeit Reichstage abgehalten haben, in der unsere jetzige Reichshauptstadt noch ein unbekanntes slavisches Fischerdorf gewesen.

Auch in der folgenden Zeit kamen wiederholt Fürsten nach Werben. Die Stadt hatte ja eine für damalige Zeiten besonders bedeutsame Lage an der Elbe, der Havelmündung gegenüber. Die Elbe war schon damals eine wichtige Verkehrsstraße zwischen dem betriebsamen Magdeburg und Hamburg; sie bot hier einen bequemen Uebergang für diejenigen, welche aus der Prignitz und den östlich gelegenen Ländern nach der Altmark und nach dem hochwichtigen Handelsplatz Braunschweig reisen wollten. Auch der Verkehr auf der Havel ging an der Stadt vorüber. Dazu kam die geschichtliche Berühmtheit, welche der Ort schon damals besaß. Wir übergehen die Markgrafen, die sich fast alle besuchsweise in der Stadt aufgehalten und große Verdienste um die Stadt erworben haben, und eilen zu den hohenzollerischen Kurfürsten, die persönlich in der Stadt gewesen sind. Von dem Aufenthalte Friedrichs I. in Werben (1412 und 1416) hören wir in den Urkunden weiter nichts, als daß er die Rechte und Freiheiten der Stadt bestätigte. Nicht geschriebene, sondern herrlich gemalte Urkunden, die Glasmalereien im hohen Chore der Kirche, verkündigen uns, daß der zweite Hohenzoller in der Mark, Friedrich Eisenzahn, eine besondere Liebe zur Stadt Werben gehegt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch persönlich in der Stadt geweilt hat. Im Jahre 1466 wurde die gotische St. Johanniskirche um den ganzen jetzigen hohen Chor erweitert, und schon im folgenden Jahre hat Friedrich II., Eisenzahn, jene herrlichen Glasmalereien gestiftet, von denen ein Kunstkenner urteilt: „Ich wüßte ihnen seit den Zeiten des Meisters Stephan kaum etwas Aehnliches in Deutschland an die Seite zu stellen. Ich stehe nicht an, diese beiden Glasgemälde (nämlich das linke und das rechte Hauptchorfenster) für die schönsten malerischen Kunstwerke der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Deutschland anzunehmen". Daß übrigens Friedrich II. wirklich der Stifter dieser Gemälde ist, geht aus der folgenden Inschrift des rechten Fensters zweifellos hervor: „Vrederich von gades ghenade markgrave to bran ... kamerer des hiligen Römischen rikes vnde kurfurst. 1467". Die Gemälde, welche noch heute das Auge jedes Beschauers erfreuen, stellen den Tod und die Krönung der Maria, sowie die Geschichte des Sündenfalles und der Erschaffung des Weibes dar. An den hochherzigen Stifter erinnern auch die drei farbenprächtigen Wappen der Hohenzollern, der brandenburgischen Kurfürsten und der Nürnberger Burggrafen in dem rechten Fenster, um deren jedes sich die Kette des Schwanen-Ordens herumwindet. --- Wie Friedrich II., so stiftete sich auch sein Nachfolger, der dritte Hohenzollernfürst, Albrecht Achilles, in einer Glasmalerei ein bleibendes Andenken. An dem letzten bunten Fenster des südlichen Seitenschiffes der St. Johanniskirche

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Nicht nur Kaiser und Kurfürsten, nein, auch Könige haben in Werbens Mauern geweilt. Wir denken dabei vor allem an den Schwedenkönig Gustav Adolf. Er soll gesagt haben: „es nehme ihn wunder, daß die Kriegserfahrenen diesen Ort so schläfrig außer Acht gelassen, desgleichen er noch nirgends bisher in Deutschland gefunden, der zur Befestigung mehreres tauglich wäre". So beschloß er denn, in und bei Werben zwischen dem hochragenden Deich und dem breiten Elbstrom, der Havelmündung gegenüber, ein befestigtes Lager zu beziehen und abzuwarten, wie sich die Verhältnisse in Süddeutschland gestalten würden. Mit welchem Jubel mögen die Bewohner den edlen König begrüßt haben, als er am 11. Juli 1631 in die Stadt einritt und in dem am Markte belegenen Goldbeckschen Hause Quartier nahm! Gar schwer waren auch sie schon damals von den Leiden des furchtbaren Krieges betroffen. Wir wissen, daß der König bald unter seinen Soldaten im Lager auf der Marsch dicht bei der Stadt sein Gezelt an einer Stelle aufschlug, die noch heute erkennbar ist. Hier bei Werben versuchte Tilly mit seinen Scharen vergeblich, den König aus dem festen Lager zu treiben; hier bei Werben kämpften im hitzigen Reitergefecht ruhmreich Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, der tollkühne Obrist Baudiß und sein Aufwärter, der Junker von Wildenstein; hier hauchte der bei Angern schwer verwundete Pfalzgraf Karl Ludwig von Lauterneck zur großen Betrübnis des Königs sein Leben aus; hier im Lager erschien der Landgraf von Hessen-Kassel, um ein enges Bündnis auf Verteidigung und Angriff mit ihm zu schließen; der erste regierende Fürst in Deutschland, der sich aus freien Stücken und öffentlich gegen den Kaiser erklärte; hier endlich ging der Kurfürst Johann Georg von Sachsen durch seinen Feldmarschall den lange vernachlässigten Schwedenkönig um schleunige Hilfe an und schloß die Allianz, deren bedeutsame Folgen sich im Siege von Breitenfeld offenbaren sollten. Nachdem Gustav Adolf den Bau einer starken Schanze auf der Landzunge zwischen der Elbe und der Havelmündung in der Hauptsache vollendet und ein Regiment zu ihrer Besatzung zurückgelassen hatte, verließ er Werben für immer, ging mit dem übrigen Teil seiner Truppen über die beiden Schiffsbrücken und zog nun das rechte Elbufer aufwärts, um sich mit dem Kurfürsten von Sachsen zu vereinigen und dann den Siegeszug nach Süddeutschland anzutreten.

Die denkwürdige Stätte, an welcher der König Gustav Adolf in dem Werbener Lager fast einen Monat lang mitten unter seinen Soldaten kampiert hatte, wurde 131 Jahre später die Veranlassung zu einem Königlichen Besuch ganz anderer Art. Es war am 22. Juni 1762, als die preußische Königin Elisabeth Christine, die Gemahlin Friedrichs des Großen, nach Werben kam, um das Lager, worin der schwedische König Gustav Adolf im Jahre 1631 gestanden, in Augenschein zu nehmen. Den Verlauf des hohen Besuches schildert uns ein Augenzeuge, der Bürgermeister Marggraff, im Protokollbuche des Werbener Rates so anschaulich, daß wir es uns nicht versagen können, diese Schilderung wörtlich wiederzugeben: „Die hohe Ankunft geschah ohnverhofft, indem wir erst des Morgens früh davon benachrichtigt wurden. Gegen 4 Uhr nachmittags gelangten Hochdieselben von Röbell allhier an, und sobald dieselben unsere Feldmark betreten, ward mit allen Glocken geläutet. Nach Röbell wurde von dem Magistrat der H. B. Marggraff nebst sechs Bürgern zu Pferde gegen Mittag abgesandt, um Ihro Majestät die Königin einzuholen. In den Thoren waren die Wachen von Bürgern besetzt und vor der Hauptwache war die Schützengilde rangiert, welche im Vorbeifahren die Königin mit der Bürgerfahne salutierten und das Gewehr präsentierten. Die Straßen waren mit Sand und Blumen bestreut. Der Durchzug durch die Stadt geschah mit fünf Kutschen und mußten die Wagen ganz sachte fahren, damit die Königin von jedermann gesehen werden möchte, wie denn Hochdieselben jedermann mit der größten Freundlichkeit begegnete. In dem Lager, wo des Königs Gustavi Adolphi Zelt gestanden, beliebten Hochdieselben ein paar Tassen Kaffee zu trinken. In dero Gesellschaft waren die Herren Kammerherr Baron von Pöllnitz und der Geheime Rat und Landesdirektor von Lattorff, Ihro Excellenz, die Frau Etatsrätin von Finkenstein, Ihro Excellenz, die Frau Oberhofmeisterin von Kannenberg, bei welcher Ihro Majestät die Königin den Besuch abgestattet und sich zwölf Tage zu Iden aufgehalten hatten, die Frau Generalin von Kahlden, Kahlden, die Hofdame von Brandt, die Frau Majorin von Kleist, die Frau Landrätin von Bülow nebst deren Kammerfrauen und Bedienten. Wie die Königin Majestät sich eine ganze Stunde im Lager aufgehalten und die Gegend sehr admirierte, so geschah der Rückzug in voriger Ordnung durch die Stadt und wurden dieselben bis nach dem Dorfe Berge von einigen Membris senatus und Bürgern zu Pferde begleitet, von da Hochdieselben wieder nach Iden retournierten. Ihro Majestät die Königin ließen sich auch den Riß von dem schwedischen Lager, so aus Meriani Theatro Europaeo copiert war, vorlegen und bewunderten, daß solcher Riß so accurat von dem Lager und der Stadt aufgenommen, und daß das Lager noch so erkennbar, worin der König vor 131 Jahren gestanden und verfertigen lassen, obgleich fast alle Jahre ist der Ort von dem Elbstrom überschwemmt worden."

Seit 1762 war kein Mitglied des preußischen Königshauses wieder in Werbens Mauern gewesen; um so größer war daher die Freude der Bewohner, als am 23. Mai 1841 die offizielle Nachricht eintraf, der König Friedrich Wilhelm IV. würde am Mittwoch, den 26. Mai, nach Werben kommen. Der König berührte auf seiner von Stendal aus unternommenen Huldigungsreise durch die Altmark die Ortschaften Arneburg, Dalchau, Niedergörne, Altenzaun, Hindenburg, Busch, Giesenslage, Behrendorf, Werben, Wendemark, Neukirchen, Seehausen, Losse, Priemern, Dewitz, Lückstedt, Kossebau, Heiligenfelde und Salzwedel. Einem Berichte des Werbener Bürgermeisters Ebel entnehmen wir über den Aufenthalt des Königs das Folgende: „Mit der größten Begeisterung war jeder bereit, zu möglichst festlichem Empfang des geliebten Königs alles zu tun, was in seinen Kräften stand. Vor dem Seehäuser Thor waren zwei Ehrenpforten errichtet. Am Nachmittage des 25. Mai schmückte jeder sein Haus; besonders waren die Häuser in der Seehäuser-, Markt- und Kirchstraße sowie auf dem Markte selbst mit Blumen und Laubgewinden prächtig geschmückt und die Straßen mit Kränzen und Aufschriften überzogen. Von den Thürmen der Kirche, des Elbthores, der Domäne sowie vom Rathause wehte die Nationalflagge. Der Morgen des 26. Mai brach herein und mit ihm neues Leben in der kleinen Stadt. Das schönste Wetter begünstigte die Feier. Gegen 7 Uhr ritt unter Führung des Rathmanns Achilles und des Domänenpächters Roth eine Deputation der Bürgerschaft, welche aus sechs ehemaligen Freiwilligen des Lützowschen Korps bestand, zum Empfange Sr. Majestät nach der Behrendorfer Straße und Grenze der Stadt. Der Magistrat, die Stadtverordneten, die Bürgerschaft, viele ehemalige Freiheitskämpfer und die Schützengilde zogen mit Musik nach dem Seehäuser Thor und stellten sich an der äußeren Ehrenpforte im Spalier auf. Um 9½ Uhr vormittags erschallte der Ruf: ‚Der König kommt!' Die Glocken begannen zu läuten. Die zahllose Menge stimmte Jubelrufe an. Der mit sechs Pferden bespannte Wagen, in welchem Se. Majestät der König und Se. Königliche Hoheit der Prinz Karl saßen, näherte sich rasch und hielt auf Befehl Sr. Majestät vor der Ehrenpforte an, als der Bürgermeister Ebel sich dem Wagen näherte und eine Begrüßungsansprache an den König richtete. Mit der bekannten Freundlichkeit nahm Se. Majestät die Ansprache entgegen und richtete noch einige Fragen in Bezug auf die Stadt an den Bürgermeister. Darauf setzte sich der Zug durch die Ehrenpforte und die hinter derselben zu beiden Seiten aufgestellten Reihen der Bürger, der ehemaligen Freiheitskämpfer und der Schützengilde zur Stadt in Bewegung. Unter fortwährendem Jubel fuhr der König durch die zweite Ehrenpforte und das Thor nach dem auf dem Markte belegenen Hause des Kaufmanns Achilles, wo Allerhöchstderselbe von dem Oberpräsidenten von Flottwell und von der Ritterschaft des Kreises empfangen wurde. Nach kurzer Erholung begaben sich die Hohen Herrschaften unter zahlreicher Begleitung zu Fuß nach der St. Johanniskirche, von der Geistlichkeit, den Lehrern und der Schuljugend ehrerbietig begrüßt. Zwei kleine Mädchen bestreuten den Weg in die Kirche vor Sr. Majestät mit Blumen. Beim Eintritt in die schöne Kirche erbrausten Orgelklänge. Nachdem der König unter der Führung des Superintendenten Schulze die Merkwürdigkeiten der Kirche, besonders die Glasgemälde, in Augenschein genommen, verfügte sich derselbe nach dem Absteigequartier zurück, nahm eine kleine Erfrischung an, bestieg mit dem königlichen Bruder nach beinahe einstündigem Aufenthalt den Reisewagen und fuhr die Seehäuser Straße bis zur ersten Ehrenpforte, indem er überall die jubelnden Einwohner und zahlreichen Fremden huldreichst begrüßte. Das „Altmärkische Intelligenz- und Leseblatt" bemerkt in seinem Festbericht: „Es verdient die ruhige Haltung der Bewohner von Werben eine rühmliche Erwähnung. So groß die Sehnsucht auch war, den hochverehrten Landesvater zu sehen, in einer Stadt, die seit länger als 200 Jahren keinen König in ihre Mauern geschlossen hatte, größer noch war die Ehrfurcht, und wo Se. Majestät hinschritt, überall traten die Bewohner ehrerbietig zurück. Es lag in dieser Selbstverleugnung, in diesem Streben, Sr. Majestät ihre Liebe zu beweisen, von dem die Herzen überflossen, in dieser stillen Huldigung etwas ungemein Rührendes, daß der nur fühlen kann, der diese Stunde mit erlebt hat. So hat unsere Stadt ein großes Glück gehabt und einen Festtag erlebt, der über alles schön und erhaben war. Das Andenken daran wird ewig bleiben." Das war der letzte Hohenzollernbesuch in Werben, der von der Geschichte beglaubigt ist. Die Sage erzählt allerdings, daß auch der Kronprinz Friedrich Wilhelm, der nachmalige Kaiser Friedrich, einmal incognito in Werben geweilt und die herrliche Kirche mit ihren Kunstschätzen in Augenschein genommen habe. Sicheres darüber ließ sich aber bisher noch nicht feststellen.

Im Jahre 1905 werden 900 Jahre vergangen sein, seitdem die Burg Werben zum erstenmal mit geschichtlicher Sicherheit genannt wurde. Werben kann also im nächsten Jahre sein 900jähriges Bestehen feiern. Bei dem Gedanken daran drängt sich besonders lebhaft in die Herzen der Werbener hinein der Wunsch: „Möchte doch unser gegenwärtiger geliebter Kaiser, König und Kurfürst Wilhelm II. auch einmal in den Mauern der Stadt weilen!" Ob nun aber dieser Wunsch erfüllt wird oder nicht --- wenn nicht in ihren Mauern, so doch in ihren Herzen werden die Werbener allezeit ihrem geliebten Kaiser, König und Kurfürsten die Huldigung in unwandelbarer Treue darbringen.