Königlicher Besuch an einer Gustav-Adolf-Stätte.
Von E. Wollesen - Zeitz.
Schon einmal hat das Monatsblatt unseres Vereins auf eine bedeutsame Gustav-Adolf-Stätte unserer Provinz hingewiesen; in der September-Nummer des 33. Jahrgangs brachte es einen Artikel mit der Überschrift „Drei Gustav-Adolf-Worte", in welchem näher von dem Aufenthalt Gustav Adolfs in und bei dem altmärkischen Städtchen Werben a. d. Elbe im Jahre 1631 die Rede war. Wir möchten heute noch einmal auf das zurückkommen, was uns in jenem Artikel über das Lager, welches Gustav Adolf damals zwischen der Stadt und dem Elbdeich sowie der Elbe aufgerichtet hatte, erzählt wurde.
Nachdem der König in der Nacht vom 11. zum 12. Juli 1631 in einem Hause am Werbener Markte logiert hatte, bezog er das Zelt, das mitten unter seinen auf der „Märsche" kampierenden Soldaten auf einem künstlich aufgeworfenen, noch heute in seinen Umrissen kenntlichen Hügel erbaut war. Hier blieb er über einen Monat lang, hier schloß er das Bündnis mit dem Landgrafen Wilhelm von Kassel, hier schlug er den heftigen Angriff der Tillyschen Scharen ab, hier pflog er wichtige Verhandlungen mit dem General von Arnim über ein Bündnis mit dem Kurfürsten von Sachsen, von hier aus setzte er die Fürsten Mecklenburgs wieder in ihre herzogliche Würde ein, hier restaurierte er seine Finanzen, hier nahm er viele märkische Junker unter seine Fahnen auf, kurz, hier bereitete er seinen Mitte August 1631 beginnenden Siegeszug durch Mittel- und Süddeutschland erfolgreich vor. Wie wichtig die Vorgänge in dem Werbener Lager für die Geschichte und Geschicke der Evangelischen damals waren, erhellt aufs deutlichste daraus, daß auch Schiller sich in seiner Geschichte des dreißigjährigen Krieges ausführlich mit ihnen beschäftigt. Aber warum kommen wir hier heute noch einmal auf das, was doch im großen und ganzen schon in jenem oben angeführten Artikel gesagt ist? Nun, es war nötig, um den folgenden Bericht über einen hohen Besuch in und bei Werben recht zu verstehen.
Es war der 28. Juni des Jahres 1762, als unverhofft in Werben die Nachricht eintraf, daß die Gemahlin Friedrichs d. Gr., Elisabeth Christine, Königin von Preußen, im Laufe des Tages nach Werben kommen würde, um die Stätte, auf der 1631 das Lager Gustav Adolfs und seiner Truppen gestanden hatte, in Augenschein zu nehmen. Die Königin befand sich damals zum Besuch in dem nicht so weit von Werben gelegenen Dorfe Iden auf dem Gute Ihrer Oberhofmeisterin von Kannenberg. Doch lassen wir das Protokoll, das der damalige Werbener consul dirigens Marggraff in dem städtischen Polizeibuche höchst interessant abgefaßt hat, selbst über den Besuch erzählen:
„Gegen vier Uhr nachmittags gelangten Hochdieselben von Röbell alhier an, und sobald dieselben unsere Feldmark betreten, ward mit allen Glocken geläutet. Nach Röbell wurde von dem Magistrat der H. Bürgermeister Marggraff nebst sechs Bürgern zu Pferde gegen Mittag abgesandt, um Ihro Majestät die Königin
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einzuholen. In den Thoren waren die Wachen von Bürgern besetzt und vor der Hauptwache war die Schützengilde rangiert, welche im Vorbeifahren die Königin mit der Bürgerfahne salutierte und das Gewehr präsentierten. Die Straßen waren mit Sand und Blumen bestreut. Der Durchzug durch die Stadt geschah mit fünf Kutschen und mußten die Wagen ganz sachte fahren, damit die Königin von jedermann gesehen werden möchte, wie denn Hochdieselben jedermann mit der größten Freundlichkeit begegnete.
In dem Lager, wo des Königs Gustavi Adolphi Gezelt gestanden, beliebten Hochdieselben, ein paar Tassen Kaffee zu trinken. In dero Gesellschaft waren die Herren Kammerher Baron von Pöllnitz und der Geh. Rat und Landesdirektor von Lattorff, Ihro Exzellenz die Frau Etatsrätin von Finkenstein, Ihro Exzellenz die Frau Oberhofmeisterin von Kannenberg, bei welcher Ihro Majestät die Königin den Besuch abgestattet und sich 12 Tage zu Iden aufgehalten hatten, die Frau Generalin von Kahlden, die Hofdame von Brandt, die Frau Majorin von Kleist, die Frau Landrätin von Bülow nebst deren Kammerfrauen und Bedienten.
Wie die Königin Majestät sich eine ganze Stunde im Lager aufgehalten und die Gegend sehr admiriret, so geschah der Rückzug in voriger Ordnung durch die Stadt und wurden dieselben bis nach dem Dorfe Berge von einigen Membris senatus und Bürgern zu pferde begleitet, von da Hochdieselben wieder nach Iden retournierten.
Ihro Majestät die Königin ließen sich auch den Riß[1] von dem schwedischen Lager, so aus Meriani Theatro Europaeo copiert war, vorlegen und bewunderten, daß solcher Riß so accurat von dem Lager und der Stadt aufgenommen, und daß das Lager noch so kennbar, worin der König vor 131 Jahren gestanden und verfertigen lassen, obgleich fast alle Jahr der Ort von dem Elbstrom überschwemmt worden."
Dieser Bericht ist in mehrfacher Hinsicht von hohem Interesse. Zunächst ist dieser friedliche Vorgang uns ein Abbild der damaligen Lage des preußischen Vaterlandes im siebenjährigen Kriege. Um den 16. März war zu Stargard ein Waffenstillstand mit dem russischen Kaiser Peter III. und am 7. April in Stralsund mit Schweden abgeschlossen, dem der Friedensschluß bald folgte. Peter III. machte sich außerdem verbindlich, dem Könige von Preußen unter dem General Czernischeff ein Hilfskorps von 15.000 Mann in den nächsten Monaten nach Schlesien zu senden. Maria Theresia befand sich in größerer Verlegenheit, als je vorher. Da konnte Friedrich d. Gr. wohl einem Freunde schreiben: „Eine sanfte Stille findet sich in meiner Seele wieder ein, und das Gefühl der Hoffnung, von dem ich seit sechs Jahren Abschied genommen hatte, tröstet mich für alles, was ich bisher erlitten habe." In Berlin und Potsdam feierte man rauschende Freudenfeste. Man hoffte allerseits auf baldigen ruhmvollen Frieden. Wir wissen, daß diese Hoffnung damals durch die bald nachher in Rußland eintretenden blutigen Ereignisse noch nicht in Erfüllung ging. Aber wenn selbst der königliche Gemahl in jener Zeit frohe Friedensgedanken hatte, so konnte auch seine Gemahlin wohl die starke Feste Magdeburg verlassen, um friedliche Besuche in der Altmark zu machen.
Weiter läßt uns der Bericht erkennen, wie damals eine kleine Stadt den königlichen Besuch aufnahm, schlicht, einfach und doch durchaus würdig und herzlich. Wird nicht heutzutage fast zu viel Gewicht auf äußeren Prunk bei ähnlichen Anlässen gelegt? Nicht auf den äußeren Glanz kommt es an, sondern auf die herzliche Liebe und die aufrichtige Freude.
Auch in sprachlicher Hinsicht hat unser Bericht einige Bedeutung. Wir wundern uns über die große Zahl fremdsprachlicher Ausdrücke darin, wie z. B. „copiert", „accurat", „admiriret", „retourniret" u. a. Auch das ist wieder bezeichnend für die Zeit, die eine besondere Neigung dazu hatte, sich fremder, namentlich französischer, Ausdrücke zu bedienen, bis denn die großen Dichter kamen, die deutsch sangen und redeten und dem deutschen Volke seine schöne Muttersprache aufs neue lieb machten.
Aber vor allem hat unser Bericht doch für uns Bedeutung als Beitrag zur Gustav-Adolf-Geschichte unsrer Provinz; als solcher gibt er uns mannigfache Mahnungen mit auf den Weg. Wie die Königin Elisabeth Christine noch 130 Jahre nach dem Tode Gustav Adolfs den Heldenkönig durch ihren Besuch in und bei Werben ehrte, so sollen auch wir den Retter der evangelischen Kirche allezeit in hohen Ehren halten, wie sehr auch ultramontane Geschichtsschreibung sein Bild trübt und verdunkelt. Wie damals die Königin Elisabeth Christine für die bedeutungsvolle Gustav-Adolf-Stätte bei Werben hohes Interesse zeigte, so sollen auch wir es für die Gustav-Adolf-Stätten in unsrer Provinz zeigen. Es wäre löblich, wenn Gustav-Adolf-Freunde dafür sorgen wollten, daß auf jenem denkwürdigen Hügel auf der Werbener Märsche ein einfacher, aber auch in der zuweilen überflutenden Elbe fest und unbeweglich stehender Denkstein errichtet würde, der dem gegenwärtigen und dem nachkommenden Geschlechte verkündete, wie Gustav Adolf damals nicht nur die evangelische Stadt Werben, sondern auch das evangelische Deutschland vor den Wogen der mächtigen römisch-katholischen Flut bewahrt hat, und daß der Gustav-Adolf-Verein eine gleiche Aufgabe noch heute mit den Waffen des Geistes löst. Wie die Königin Elisabeth Christine mitten in der Zeit des siebenjährigen Krieges mit ihrem Besuche in und bei Werben ein Werk des tiefsten Friedens tat, so treibt ja auch der Gustav-Adolf-Verein mitten in den mannigfachen Unruhen unserer Zeit auf nationalem und kirchlichem Gebiet ein Werk des tiefsten Friedens; wie darum die Werbener Bürger der sie besuchenden Königin einen jubelnden Empfang bereiteten, so wollen auch wir dem gesegneten Gustav-Adolf-Verein und seiner Friedensarbeit aufs neue unsere begeisterte Liebe zuwenden.