Messing-Grabplatten im Zeitzer Peter-Pauls-Dom.

E. Wollesen, Zeitz.

In der wissenschaftlichen Beilage zum Jahresbericht des Staatlichen Stiftsgymnasiums zu Zeitz hat der leider zu früh verstorbene Professor Dr. Brinkmann, damals in Zeitz, nachher in Burg bei Magdeburg, im Jahre 1906 einen ausführlichen mit vielen bildlichen Beilagen versehenen Aufsatz über die Geschichte und Kunstgeschichte des Peter-Paulsdoms in Zeitz geschrieben. Wie überaus verdienstvoll auch diese Arbeit ist, --- in einer Hinsicht läßt sie uns im Stich, nämlich in der Deutung der aus der Zeit um 1500 stammenden Metall-Grabplatten, die in dem Hohen Chore des Domes jetzt aufgerichtet sind. Dieser Mangel aber hat seinen tieferen Grund darin, daß der Verfasser die Heraldik für die Deutung der Platten nicht benutzt oder auch vielleicht nicht verwertet hat. Die Arbeit dahin zu ergänzen, möchte ich im folgenden versuchen. Vielleicht sind einige kurze Bemerkungen über den Dom willkommen.

Der Dom, in ältester Zeit Petersdom genannt, dann nacheinander Peter-Paulsdom, Münster, Stiftskirche, Kirche S. Trinitatis und kurzweg Schloßkirche genannt, ist das wichtigste und auch älteste Gebäude des Bezirkes, in dem einst der alte Königshof, dann die Residenz der Bischöfe, endlich der Herrschersitz der Herzöge aus wettinischem Hause lag. Wir nennen die Kirche mit voller Absicht „Peter-Paulsdom" und nicht mit ihrem jetzigen Namen „Schloßkirche"; wir tun es darum, weil die Kirche mehr als ein halbes Jahrtausend den Namen dieser Heiligen trug, weil ihre Bedeutung durch diese Benennung am klarsten zum Ausdruck kommt, weil der Name Trinitatiskirche zu wenig ins Volk gedrungen ist, um Berücksichtigung zu finden, der Name Schloßkirche aber die Bedeutung als Hofkirche, was sie nur vorübergehend war, über Gebühr hervorhebt.

Es ist nicht Aufgabe dieser Zeilen, die Geschichte des Domes wiederzugeben oder die Kunstgeschichte im einzelnen zu erörtern; wer sich über beides unterrichten will, möge die oben angeführte Brinkmannsche Abhandlung nachlesen. Hier sei nur kurz das folgende bemerkt: Das Kirchengebäude stellt sich uns heute vor als eine dreischiffige Hallenkirche ohne Westtürme mit kaum hervortretendem Querschiff, mit großem Altarraum und aus dem halben Zehneck konstruiertem Chorschluß. Die beiden letztgenannten Teile ruhen auf einer säulengetragenen Krypta. Die Kirche mit ihrer Sakristei ist der wichtigste Teil einer vollkommenen Klosteranlage.

„Als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Vorbereitungen für eine Heizungsanlage in der Kirche getroffen wurden, stellte sich bei der Aufnahme des Bodenbelags heraus, daß die ganze Domkirche ein einziger Friedhof war. Durch eine Anzahl paralleler Längswände, die durch Querwände abgeteilt waren, hatte man eine große Menge Grabstätten hergerichtet, deren viele die sterblichen Hüllen der darin Beigesetzten noch enthielten. Von den sie bedeckenden Grabplatten, meist mit den in Stein geritzten Bildern der Gestorbenen und entsprechenden Umschriften versehen, waren viele so abgetreten, daß sie keinen Wert mehr hatten; die andern wurden aufgehoben und einstweilen draußen neben die Wände des Chors gestellt. Glücklicherweise wurde diesem Zustande, der die Steine der Verwitterung aussetzte, dadurch ein Ende bereitet, daß sie, ihrer elf, in dem nördlichen und östlichen Flügel des Kreuzganges eingelassen und befestigt wurden." Zu diesem Berichte des Prof. Dr. Brinkmann möchten wir nur bemerken, daß auch abgetretene Grabplatten immer ihren Wert behalten, ich meine nicht nur den Wert der Pietät, sondern auch der Familiengeschichte, denn, wenn auch die Schrift unleserlich geworden sein mag, zumeist ist anderes doch noch zu erkennen, wie z. B. Wappen, Rüstung, Kleidung des Dargestellten. Es wäre also sehr wertvoll gewesen, wenn man auch jene Grabplatten aufgehoben hätte. Bedauerlich ist es auch, daß man die elf in den Kreuzarmen untergebrachten Grabplatten mit Zement verputzt und sie der Betrachtung entzogen hat. Da aber nun die ganze Moritzburg mit der Kirche in den Besitz der Stadt Zeitz übergegangen ist, hofft man, daß dieser Putz recht bald entfernt und die Betrachtung der Steine ermöglicht wird. Vorläufig müssen wir uns auf die in der Kirche selbst noch vorhandenen Grabdenkmäler beschränken. Unter diesen sind die wertvollsten mehrere Messingplatten und Bronzerahmen; ihnen soll die folgende Untersuchung gelten.

1. An der Nordseite des Hohen Chors steht am weitesten nach Osten eine Reliefplatte in Messing. Brinkmann beschreibt das Bild folgendermaßen a. a. O.: „Domherr in Alltagstracht. Das Gesicht realistisch, aber von gewöhnlichem Ausdruck, die Hände sind über die Brust gekreuzt. Die Kleidung besteht aus langem Talar, dem Chorhemd und einem Mantel, der mit Troddeln behängt ist. Zu Füßen Wappenschild mit Ochsenkopf, beiderseits von einem Löwen gehalten. Die Umrahmung bilden zwei schlanke Säulen, aus deren Kapitell naturalistische Zweige und Ranken, oben sich verschlingend, emporwachsen. Das Kunstwerk ist nicht bedeutend und tritt sehr hinter die anderen zurück. Die Arbeit wird dem Anfange des 16. Jahrhunderts angehören." Eine Erklärung des Reliefs gibt der Verfasser nicht. Die Heraldik allein kann sie geben. Das Wappen deutet auf die von Weißenbach. Siebmacher sagt darüber: „von W., Uradel des Pleißener Landes. Stammschloß im Schönburgischen. In Sachsen als Freiherrn anerkannt 21. Februar 1853. Wappen: In Silber ein schwarzer Büffelskopf. --- Auf dem Helm (gewöhnlich ungekrönt) zwei silberne, schwarz übereck geteilte Hörner. --- Decken: schwarz, silbern."

Um das obige Relief ist ein neuerer schlichter Holzrahmen gelegt. Wo war der ursprüngliche Rahmen? Er war mit anderen Rahmen bei der Anlage der Heizung beiseite geschafft und in einer abgelegenen Kammer untergebracht worden. Dem Prof. Dr. Brinkmann haben wir es zu verdanken, daß er mit anderen gleichfalls als altes Gerümpel behandelten Rahmen wieder an das Licht gebracht und an der Südseite des hohen Chors der Kirche angebracht wurden. Seine Inschrift lautet: Obiit Reverend. Pr. Dus Reinnol dus Weysenbach, Ecclesie cicësis P. Posit Necnon Ejusdem Numburge sis et Budissen sis Ecclesiarum Canonic. Anno Salutis Nre MCCCCC Quï to Kalendas Maj. c'. --- Aia Requiescat i Pace. Amen.

Es ist doch wohl keine Frage, daß dieser Rahmen zu dem oben beschriebenen Bilde gehört, weil beide dasselbe Grab schmückten. Wir haben ein Bild des Propstes Reinhold von Weißenbach vor uns, der außer seiner Zeitzer Würde noch die eines Domherrn zu Naumburg und Bautzen trug und im Mai 1505 starb. In den Ecken des Bildrahmens sind die vier Evangelistensymbole, in den Mitten der vier Seiten vier Wappen dargestellt und zwar oben das derer von Weißenbach, unten das derer von Ende (Wolf), links das der Familie von Haugwitz (Widderkopf), rechts das derer von Creuzen (Pfahl).

1469 ist Johannes von W. praepositus ecclesiae Cicensis.

1565 wird Anton von W. iunior in canonicatum minorem eccles. Zicensis aufgenommen; 1567 bekommt er die Major-Praebende des Lic. Michael Arnold.

Am 26. Februar 1756 wird laut Kirchenbuch Frau Eleonora Augusta von W., geborene von Pöllnitz, des weiland Herrn Julii Friedrichs von W., Erblehn- und Gerichtsherrn zu Reichstedt, S. Majestät in Polen und Kurf. Durchl. zu Sachsen Generalmajors der Infanterie, nachgel. Witwe, gestorben am 22. Februar (1756), in der Zeitzer Klosterkirche beigesetzt.

2. An der Südseite steht neben dem eben beschriebenen Rahmen eine Bronzetafel 1,75 x 0,75 m mit herrlicher eingravierter Figur. Sie steht unter einem kielbogenartig gestalteten Baldachin, dessen Innenseite mit gemustertem Teppich behängt ist. Der krabbenbesetzte Kielbogen ruht auf schlanken Säulen, die entsprechende Fialen tragen; er endigt in einer Kreuzblume, die links und rechts von Maßwerkfenstern flankiert wird. Die Fenster stehen auf dem Kielbogen.

Die Kleidung ist im Gegensatz zu den Bischofskostümen einfach. Eine hohe Kappe bedeckt das Haupt. Ein regelmäßiges Gesicht mit starkgefurchter Stirn, von sorgfältig behandeltem Haar umwallt, erscheint darunter. Die ganze Gestalt umgibt ein schlichter, von einer edelsteinbesetzten Agraffe zusammengehaltener Mantel. Die Alba ist wie ein langer Talar und über ihr erscheinen bis über die Knie hinabreichend die fransenbesetzten Bänder der Stola. Die Spitze des linken Fußes erscheint unter der Alba. Die Hände halten zwanglos ein mit reichen Beschlägen versehenes Buch. Die Gestalt steht auf schön gemusterten Fliesen, auf denen rechts ein Wappenschild mit einem Widderkopf steht. Die Tracht weist trotz ihrer Einfachheit wegen der vorn herabhängenden Enden der Stola auf einen höheren Geistlichen. Brinkmann a. a. O. kann die dargestellte Figur nicht bestimmen, sondern nur annehmen, daß es ein Propst oder Dekan aus dem bocksdorfischen Geschlecht ist, aus dem auch der Nachfolger Georgs von Haugwitz stammte, nämlich Bischof Theodorich II. Wir wissen, daß das Wappen mit dem Widderkopf auf die von Haugwitz weist; das Wappen zeigt im Schilde einen (schwarzen) vorwärts sehenden gehörnten Widderkopf, ohne Krone, auf der Seite liegend im (roten) Schilde; Helm: Hals und Kopf eines Widders, gekrönt und mit Federn besteckt (die Helmzier fehlt auf der Platte). Die Vermutung, daß die Figur den Georg von Haugwitz darstellt, wird unterstützt durch die folgende Inschrift des auf der Südseite des Hohen Chores angebrachten Rahmens: Anno dm. MCCCCLXIII ipso diesci Remigii confessoris o. reverend' pater et Dns Dns Georgius de Hugewitz. Daia requiescat i Pace. Über Georg von H. gibt uns Zergiebel, Chronik von Zeitz, Band I S. 183, erwünschte Auskunft: „Nach des Bischofs Peter Tode wurde George von H., Dechant zu Meißen, Propst zu Zeitz, auch Domherr zu Würzburg und Merseburg und des Kurfürst Friedrichs von Sachsen Kanzler, ein tapferer, für seine Person ansehnlicher und wegen seiner Gelehrsamkeit und Beredsamkeit berühmter Mann, von welchem sich das Stift große Erwartungen machen konnte, den 19. September 1463 zu aller Zufriedenheit zum Bischof gewählt, aber noch vor seiner Einführung und Bestätigung den 1. Oktober vom Schlage gerührt, daß er daher nur ein Bischof von 12 Tagen gewesen ist. Er würde in Zeitz in der bischöflichen Gruft beigesetzt und auf seinem Grabe würde sein Andenken durch sein Bild in Messing mit einer Grabschrift erhalten." Wegen des frühen Todes ist er als Propst dargestellt. Von der Familie von H. haben noch zwei Glieder ihre letzte Ruhestätte in dem Zeitzer Peter- Pauls-Dom gefunden, nämlich Johann Ernst von H., Kurf. Sächsischer Rat, Präsident und Hauptmann in Zeitz, Dompropst zu Meißen und Merseburg, Propst zu Zeitz, Kustos und Domherr zu Naumburg, Amtmann zu Schönburg, seines Alters 70 Jahr, und Christoph Abraham v. H., Kurf. Sächsischer des Stifts Naumburg und Zeitz verordneter Hauptmann, seines Alters 48 Jahr 28 Wochen.

3. und 4. Auf den drei anderen Messingplatten fehlen leider die Wappen. Brinkmann vermutet, daß die Grabplatte, die auf der Nordseite des Chores sich befindet und einen Bischof in vollem Ornate darstellt, zum Grabe des Johann von Schleinitz gehört und die auf der Südseite des Chores zwischen den beiden Rahmen befindliche Bischofsfigur den Peter von Schleinitz darstellt. Und wir müssen ihm in dieser Vermutung recht geben. In ihm sind sechs Bischöfe begraben: Hugo I. († 979), Ado II. († 1186), Johannes II. (von Schleinitz) († 1434), Peter von Schl. († 1463), Georg von Haugwitz († 1463) und Julius Pflug († 1564). Die ersten beiden Namen kommen hier nicht in Betracht, weil die Formen der Figuren und des Ornaments der spätgotischen Zeit angehören. Die Grabplatte des Georg von Haugwitz ist bereits beschrieben. Julius Pflug hat keine Grabplatte, sondern ein Sandsteinrelief; es bleiben also nur noch die beiden von Schleinitz übrig. Brinkmann a. a. O. hält die auf der Nordseite befindliche Platte für die des Johann von Schl., die andere für die des Peter von Schl., die Architektur auf der ersteren Platte scheint ihm auf die frühere Zeit zu deuten. Johann war Bischof von 1422 bis 1434, Peter von 1434 bis 1463. Derselbe Autor, Brinkmann, meint: „Der künstlerische Wert dieser Arbeiten ist nicht gering und besonders Nr. 2 (die des Johann von Schl.) dürfte zu den besten gehören, die überhaupt existieren, was um so bedeutsamer ist, als die Bronzeplatten dieser Zeit sonst meist nicht den gleichen Kunstwert haben." Die Meister dieser herrlichen Zeitzer Platten sind leider nicht bekannt. Über die beiden genannten Bischöfe gibt uns Zergiebel in der Zeitzer Chronik S. 174 bis 183 nähere Nachricht. Das Wappen derer von Schl. ist bekannt: Gespalten. Vorne in Silber eine rote Rose, hinten in Rot übereinander zwei silberne Rosen. --- Auf dem Helm zwei Hörner, silbern, rot. --- Decken: rot, silbern. Die Rose, das Wappenbild, finden wir auch auf der Grabplatte des Johann, nämlich auf dem Handschuh der den Krummstab haltenden Linken.

5. Ungemein anziehend ist das erste Bronzerelief auf der Nordseite des Chores. Es stellt eine Figur in langem, reichgemusterten, langärmeligen Talar mit großen Kragenaufschlägen dar; das Gesicht von Locken umrahmt, schön und geistvoll; die Linke hält eine niedrige Kappe und einen Rosenkranz, die Rechte einen Zettel, der in vertiefter Schrift den engelischen Gruß enthält. Die Figur lag (nach Brinkmann a. a. O.) auf einem Grabstein, der bei der Hebung jedenfalls zertrümmert worden ist. Wer der Dargestellte ist, wissen wir nicht. Brinkmann schreibt: „Es ist ein im rüstigsten Alter stehender Domherr."

Es ist aber noch ein Bronzerahmen da und zwar an der Nordseite zwischen den Grabplatten des Bischofs Johann und des von Weißenbach. Die Ecken dieses Rahmens sind mit den Evangelistensymbolen geschmückt. Die Umschrift in römischen Majuskeln lautet: M. D. XX. NO. NOVEMB. CLARISS. IVRE. CON. D. HEINRI CvS SCHMIDBVRG. LIPS. NVMBVRG. DIOCES. FREISING. EP. PHI. BAVAR. PRIN. ADMINISTR. CANCELLAR. PAVPVM. ADVOC. VITAM. FAMILIAQ. FINIVIT. R. I. P. AMEN. (Im Jahre 1520 am 9. November hat der berühmte Rechtsgelehrte Herr Heinrich Schmiedburg aus Leipzig, Kanzler des Bischofs der Naumburger und Freisinger Diözese, nämlich des Philipp, Prinzen von Bayern, der Armen Beschützer, sein Leben und sein Geschlecht beschlossen. Er ruhe in Frieden. Amen.)

Über den Bischof Philipp schreibt Zergiebel a. a. O. S. 198: Er kam nur selten ins Stift, sondern hielt sich meistenteils in Freisingen auf und ließ die Zeitzer Stiftsangelegenheiten durch seinen Kanzler D. Heinrich Schmiedeberger und durch seinen Statthalter Eberhard von Thor, Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn des Oberhofs zu Auligk, besorgen.

Schmiedburg oder Schmiedeberger hat sich bei den Bürgern besonders mißliebig gemacht, weil er die päpstliche Bannbulle gegen Luther, die ihm D. Eck zugesandt hatte, in Zeitz anschlagen ließ. Die darüber erregten Zeitzer rotteten sich zusammen, rissen die Bulle überall ab und traten sie mit Füßen, stürmten dann die Kurien der Domherren und besonders die des Schmiedeberger, der schleunigst nach Eilenburg floh und bald darauf starb.

Die Annahme, daß jenes unter Nr. 5 beschriebene Bild und dieser Rahmen zusammengehören, läßt sich nicht von der Hand weisen, läßt sich freilich auch nicht beweisen. Es sind noch viele bedeutsame Grabsteine, Epitaphien und Wappentafeln im Zeitzer Dom vorhanden, deren Beschreibung vielleicht später an dieser Stelle erfolgen kann.