Stammen die von Beneckendorff und von Hindenburg aus der Altmark?

Von E. Wollesen - Zeitz.

Von den gegenwärtigen deutschen Heerführern ist der Generaloberst Paul von Beneckendorff und von Hindenburg oder, wie er kurz gewöhnlich genannt wird, von Hindenburg der volkstümlichste. Seine reckenhafte Erscheinung, sein echtdeutsches Wesen, seine geniale Heerführung im Osten unseres Vaterlandes haben ihm die Volkstümlichkeit eingebracht. Ueberall sieht man Bilder von ihm; überall redet man von seinen Taten; überall vermischt man in den Erzählungen von ihm Dichtung und Wahrheit. Auch die altmärkische Bevölkerung steht wahrlich nicht in der gebührenden Verehrung dieses Helden hinter anderen zurück; ja, sie hat noch einen besonderen Grund dazu. Als der berühmte Russenbesieger noch kommandierender General in Magdeburg war, trat er zweimal in besonders nahe Beziehungen zur Altmark: Es war in den Jahren 1906 und 1909; in dem ersteren Jahre erschien er persönlich mit dem Grafen von Haeseler, um der ergreifenden Jahrhundertfeier des siegreichen Gefechts von Altenzaun beizuwohnen; in dem letzteren Jahre besichtigte er nicht nur selbst die Schäden, die die Elbe durch Ueberschwemmung in der altmärkischen Wische angerichtet hatte, sondern er sandte auch bereitwilligst seine braven Infanteristen und Pioniere, die ganz wesentlich zur Linderung und Beseitigung der Hochwassernot beitrugen. Infolge dieser besonderen Beziehungen erscheint der lebhafteste Wunsch der Altmärker berechtigt, zu erfahren, ob die Familie des berühmten Heerführers aus der Altmark stammt. Es sei gestattet, in dem Folgenden einen kleinen Beitrag zur Antwort auf die Frage zu geben, ob das Geschlecht Beziehungen zu dem gleichnamigen Dorfe am Südrande der Wische und zu anderen altmärkischen Orten hat.

Wir halten uns zunächst in der Untersuchung an den ursprünglichen Familiennamen „von Beneckendorff\", ist doch der andere Name „von Hindenburg\" erst verhältnismäßig spät hinzugekommen. Als der Generaloberst von Beneckendorff und von Hindenburg am 2. Oktober d. J. sein 67. Lebensjahr beendigte, machte die „Neue Gesellschaftliche Korrespondenz\" einige, auch in den „Leipziger Neuesten Nachrichten\" teilweise wiederholten Mitteilungen über seine Familie und ihre Herkunft. Nach diesen Angaben soll der Generaloberst aus einem Geschlecht altmärkischen Uradels stammen, dessen Stammhaus das Dorf Benkendorf bei Salzwedel ist. In einer Urkunde aus dem Jahre 1280, die im städtischen Archive zu Salzwedel aufbewahrt wird, kommt, so heißt es in jenen Angaben weiter, bereits 1280 ein „Johannes de Benekendorpe\" vor und die ununterbrochene Stammreihe der Vorfahren des Generalobersten läßt sich zurückführen bis auf Hans von Benkendorf, der um 1430 auf Alten-Klücken saß. Es gilt, diese Angaben, die wohl zum wesentlichen Teil aus dem Gothaischen Taschenbuch entnommen sind, zu prüfen. Nach Ledeburs Adelslexikon gibt es eine altmärkische und eine neumärkische Familie von Beneckendorff. Es wäre sehr wohl möglich, daß es sich dabei nicht um verschiedene Familien handelte, sondern um eine altmärkische Familie, deren Glieder, wie die vieler anderer altmärkischer Adelsgeschlechter[1]), sich frühzeitig nach der Neumark gewandt hätten. Indessen sprechen folgende sehr gewichtige Gründe für eine Verschiedenheit beider Familien: Wenn auch die oben angeführte Urkunde vom Jahre 1280 ohne Siegel in Riedels Codex Diplomaticus abgedruckt ist, so ist doch das Wappen der altmärkischen v. Beneckendorff bekannt; sie haben im Schilde den halben Adler und drei Rosen[2]). Anders ist das Wappen der neumärkischen v. Beneckendorff, die einen „Widderkopf\" im Schilde führen[3]). Wären beide Familien einem gemeinsamen Stamme entsprossen, sie würden auch ein gemeinsames Wappen führen. Da nun der Generaloberst in seinem Wappen einen Ochsenkopf --- richtiger wäre ein Widderkopf --- führt, so wird er der neumärkischen Familie v. Beneckendorff angehören und nicht der Altmark entstammen. Dafür spricht noch ein anderer Grund. Selbst bei der Annahme, daß die Urkunde vom Jahre 1280 auf die Familie mit dem Widderkopfe im Wappen bezogen werden könnte, würde doch, da der Generaloberst seine Stammreihe nur bis zum Jahre 1430 zurückführen kann, eine Lücke von fast 150 Jahren in dem Geschlechtsregister bleiben. Nun ist kaum anzunehmen, daß sich jene Urkunde von 1280 auf die neumärkische Familie bezieht, vielmehr anzunehmen, daß sie mit ihrem Johannes Beneckendorff einen Angehörigen der aus dem bei Salzwedel liegenden Dörfchen Benkendorf meint. Bestimmteres würde sich schon aus dem Orte ergeben, an dem die Urkunde ausgestellt ist, und aus der Reihe der anderen Zeugen, die noch darin angeführt werden. Uebrigens scheint das altmärkische Geschlecht weder lange in der Altmark geblieben noch besonders hervorragend gewesen zu sein[4]); jedenfalls ist es auffallend, daß sie zwei hervorragende altmärkische Geschichtsschreiber, Wohlbrück (von Ledebur) und von Mülverstedt, in ihren zahlreichen, von den altmärkischen Adelsgeschlechtern handelnden Aufsätzen, soweit sie uns bei sehr langer Beschäftigung mit der altmärkischen Geschichte bekannt geworden sind, gar nicht mit ihm beschäftigen. Wir müssen nach allem dabei bleiben, daß es sich um zwei ganz verschiedene Geschlechter v. Beneckendorff handelt und daß der „Gothaische Kalender\" ungenau unterrichtet ist, wenn er beide Geschlechter durcheinanderwirft[5]).

Wie aber verhält es sich nun mit der Herkunft des Namens von Hindenburg? Es ist bekannt, daß Johann Otto Gottfried v. Beneckendorff am 2. Januar 1789 die Erlaubnis vom preußischen Könige erhielt, Namen und Wappen derer v. Hindenburg mit den seinen zu vereinen. Das Wappen, wie es auch noch heute geführt wird, zeigt von nun an einen gevierteilten Schild[6]) und zwar im Feld 1 und 4 in Blau einen schwarzen Ochsen- (richtiger Widder) kopf mit Hals, mit goldenem Nasenring; im Feld 2 und 3 in Silber vor einem grünen Baum mit zwei Wipfeln auf grünem Boden ein schreitendes Reh. Ueber dem Schilde zwei gekrönte Helme: 1) 4 Straußfedern blau-schwarz-schwarz-blau; Decken blau-silbern; 2) offener schwarzer Flug, Decken rot-silbern. Die Familie heißt also richtig „von Beneckendorff und von Hindenburg\", nennt sich selbst aber jetzt ganz allgemein „von Hindenburg\".

Es gilt nun noch zwei Fragen zu beantworten: 1) Wie war es zu der Namen- und Wappenerweiterung gekommen? und 2) Wie weist der neue Name in die altmärkische Geschichte hinein?

Die erstere Frage ist halb beantwortet: Arend v. Beneckendorff auf Alten-Klücken in der Neumark heiratete Elisabeth von Strauß aus dem Hause Hennickow; sein Sohn Hans Friedrich v. Beneckendorff heiratete Ursula Margarete von Eickstedt aus dem Hause Roten-Klempenow; dessen Sohn Hans Joachim v. Beneckendorff auf Alten-Klücken heiratete Margarete von Schack aus dem Hause Prüllwitz. Von dessen 4 Söhnen heiratete der eine, Arend v. Beneckendorff auf Werein i. d. Neumark, Scholastica Elisabeth von Hindenburg aus dem Hause Falkenberg, Kr. Pyritz. Sein Enkel war der oben genannte Johann Otto Gottfried v. Beneckendorff, der von seinem Großonkel, dem Letzten der Familie von Hindenburg, die Güter Limbsen, Neudeck, Keimkallen und Perscheln in Ostpreußen erbte und daher die Erlaubnis zur angegebenen Namen- und Wappenerweiterung erhielt. Von ihm stammt in gerader Linie unser Feldmarschall ab[7]).

Wir kommen zur Beantwortung der zweiten Frage. Durch Scholastica, die Gemahlin des Arend v. Beneckendorff, kamen beide Familien in engstes verwandtschaftliches Verhältnis; Scholastica stammte aber aus der altmärkischen Familie, die ihren Stammsitz in dem altmärkischen, zwischen Werben und Stendal gelegenen Dorfe Hindenburg hatte. Es hat nur eine Familie von Hindenburg gegeben, die stets das Wappen mit der Hindin vor dem Baume führte[8]). Ueber die altmärkische Familie von Hindenburg ist in den „Beiträgen des Kreises Osterburg\", Teil 2, S. 126, näheres beigebracht; sie ist von 1208 bis 1340 in einzelnen Gliedern dort urkundlich nachweisbar[9]). Schon frühzeitig wanderte diese Familie nach der Uckermark und nach Hinterpommern aus und gründete dort Orte mit dem Namen ihrer altmärkischen Heimat. Als Herzog Barnim von Pommern dem Kloster Chorin 1335 die Zollfreiheit in den pommerschen Landen bestätigte, befand sich unter den Zeugen auch ein Ritter Vickone de Hyndenborch. Daß die Familie später sich nach Ostpreußen ausbreitete, wo sie reichen Güterbesitz erwarb, ward oben erwähnt. Sie starb in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts aus, worauf Güter, Name und Wappen an das Geschlecht von Beneckendorff durch Erbschaft übergingen.

Die vorstehenden Ausführungen suchen nachzuweisen, daß zwar der Ursprung der Familie von Beneckendorff nicht in der Altmark zu suchen ist, daß aber dennoch der Generaloberst durch die Heirat eines seiner Vorfahren, Arend von Beneckendorff mit Scholastika Elisabeth von Hindenburg geschichtliche verwandtschaftliche Beziehung zu der Altmark hat. Diese Ausführungen wollen weder erschöpfend noch unumstößlich beweisend sein; es ist so schwer, fern von der Altmark altmärkische Geschichte zu treiben; sie wollen nur Anregung geben, dem interessanten Gegenstande neue Aufmerksamkeit zu schenken. Jedenfalls bringen die Altmärker dem berühmten Russenbesieger eine solche dankbare Verehrung entgegen, als wenn er völlig nach seiner Abstammung einer der Ihrigen wäre.

Fußnoten

[1]Vergl. Altmärkische Jahresberichte Nr. 26, S. 102.
[2]Näheres bei Zedler, Universallexikon, XXVII ^13^a, XXXII ^37^, XXXIX ^19^,^2^, XLI ^30^,^3^.
[3]Vergl. Zedler, a. a. O., III, S. 1152, Koenig, Adelshistorie und „Allgem. deutsche Biographie\".
[4]Vergl. Riedel, Cod. diplom., Urkunden.
[5]^1^ Briefl. Mitteilung des Herrn Prof. Ad. Hildebrandt - Berlin.
[6]^2^ Abgebildet bei Köhne, Wappenbuch der Preußischen Monarchie.
[7]^1^ Vgl. Polit. Beilage der „Leipz. Neuesten Nachrichten\" Nr. 273, 1914.
[8]^2^ Vergl. Siebmacher, III, 157.
[9]^3^ v. Ledebur i. d. märk. Forschungen, IV, S. 250.