Ueber einige Werbener Siegel.
Von E. Wollesen, Zeitz.
Ueber Werbener Stadt- und Innungssiegel soll in Folgendem einiges beigebracht werden. Wohl ist über die Werbener Stadtsiegel schon manche vorzügliche Arbeit erschienen; wir erinnern nur an die Arbeiten im 24. und 26. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins; wenn wir dennoch hier noch einmal auf diese Siegel zurückkommen, so tun wir es deshalb, weil wir unsere Meinung über die Bedeutung der „Beizeichen\" in dem Werbener Stadtwappen zur Besprechung stellen möchten. Die genannten Arbeiten bringen zwar mancherlei Vermutungen über die Bedeutung dieser Beizeichen bei, bleiben aber eine bestimmte Erklärung schuldig. Ueber Werbener Innungssiegel ist einiges in der Werbener Chronik gesagt, was hier ergänzt werden kann. Hinzugefügt wird noch eine kurze Bemerkung über ein kurfürstliches Siegel, dessen Abdruck sich im Stendaler Museum befindet.
Es sind drei Werbener Siegel, die eine spitzovale Form haben, bekannt. Das erste dieser Siegel ist das der Werbener Johanniterkomturei; es gehört wahrscheinlich der letzten Zeit des 13. Jahrhunderts an und zeigt das Lamm Gottes mit Heiligenschein und Kreuzfahne; die Umschrift in altdeutscher Majuskel lautet „+ S. dom. Werben\"[1]). Das zweite bekannte spitzovale Werbener Siegel (Fig. a), dessen Abdruck gleichfalls im Stendaler Museum ist, stammt sicher auch aus dem 13. Jahrhundert. Es zeigt den Herrn Christus als Richter mit Schwert und Lilie und trägt die Inschrift „S. scabinorum opidi Werben"; es ist also das Siegel der Werbener Schöppen. Auf dem Werbener Rathause befand sich bis vor nicht so langer Zeit ein sogenannter Schwurblock, der in das Stendaler Museum gegeben ist; der ein Kreuz tragende Block zeigt auf seiner Vorderseite noch schwache Reste von Malerei, die gleichfalls die Darstellung des „Christus in der Glorie" erkennen lassen. Ratmänner und Schöppen in Werben waren im 14. Jahrhundert nicht streng von einander geschieden, wenigstens werden in Urkunden von 1342 und 1352, die die Ueberlassung von Grundstücken und Einkünften an Stadt und Kirche betreffen, Schöppen und Ratmänner zusammen als Zeugen genannt.[2]) Auch in den Glasmalereien der Werbener St. Johanniskirche findet sich Christus in der Glorie mit Schwert und Lilie dargestellt, daneben links die heilige Agathe als Schutzpatronin der Malteser-Ritter, rechts Johannes der Täufer als Patron der Mark Brandenburg.
Das dritte spitzovale Werbener Siegel ist das Stadtsiegel, welchem ein ähnlich hohes Alter wie den beiden genannten Siegeln zuzusprechen ist. Es zeigt den brandenburgischen Adler mit der Umschrift „S. Burgensium in Werben" und ist in seinem größten Durchmesser 8 cm hoch[3].
Diese drei spitzovalen Siegel sind die ältesten bekannten Werbener Siegel. Unter den altmärkischen Stadtsiegeln zeigte nur noch das von Tangermünde diese Form. Man wählte diese Siegelform, um Personen stehend in ganzer Figur darzustellen. So sehr sich diese Form für die Darstellung des „richtenden Christus" eignete, so wenig für die des brandenburgischen Adlers; alle anderen bekannten Werbener Stadtsiegel haben denn auch die runde Form. Winkel führt in seinem Aufsatze a. a. O. noch zwei Werbener runde Sekretsiegel an, von denen das ältere (Fig. b) um den nach links gewendeten Adler die Inschrift trägt „S. secretum civitatis Werben", während das andere aus viel späterer Zeit stammen und noch 1664 im Gebrauch gewesen sein soll.
Auf dem Werbener Rathause befindet sich ein in Holz geschnitztes Stadtwappen, das der Stadtrechnung nach 1582 dem Werbener Rate von Dr. Jakob Stoppel verehrt wurde. Dieses bunt bemalte Wappen zeigt --- anscheinend zum ersten Male --- als Beizeichen über dem Adlerkopfe den nach oben gerichteten Halbmond und wieder über diesem einen sechsstrahligen Stern. Wie nicht anders anzunehmen, steht der rote Adler im silbernen Felde; Mond und Stern sind golden gemalt. Noch heute wird das Wappen in dieser Gestalt geführt. Die Frage ist nun die: Warum hat man gerade diese Beizeichen gewählt? Die genannten Aufsätze in den 24. und 26. Jahresberichten des Altm. Gesch.-Vereins geben mannigfache Antworten darauf, die uns aber nicht so recht zusagen. Uns will vielmehr bedünken, daß das Siegelbild in der letztbeschriebenen Gestalt auf den wendischen Namen und Ursprung der brandenburgischen Immediatstadt Werben hinweisen soll. Die Bedeutung des Adlers im Stadtsiegel ist klar. Die Bedeutung des Halbmondes und Sterns als Lieblingszeichen slawischer Geschlechter wird im 27. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins nachgewiesen. Es werden dort drei Adelsfamilien der Altmark, deren Wappen slawischen Charakter tragen, genannt, nämlich die Familien von Könnigde, von Portitz und von Welle. Der Schild der beiden ersten Familien enthält einen liegenden aufwärts gekehrten Halbmond und hier darüber einen Stern (Könnigde), dort (Portitz) zwei Sterne auf den beiden Spitzen und einen Stern unterhalb. So zeigen also beide Familien, außer in ihren wendischen Namen, auch in ihren Wappenbildern echt slawische Eigenheiten. Die Namen der benachbarten altmärkischen Städte waren und sind deutsch (Seehausen, Osterburg, Stendal, Tangermünde), der Name Werbens ist wendisch; er bedeutet Weidenbusch. Die genannten Städte haben die charakteristischen Beizeichen für ihre Siegel von der Bedeutung ihrer Stadtnamen hergenommen, wie z. B. Seehausen Seeblätter, Osterburg eine Burg, Stendal (Steinetal) Steine gewählt haben. Werben hätte also eigentlich in die vordere Hälfte seines Siegels einen halbierten brandenburgischen Adler, in die zweite Hälfte einen Weidenbusch setzen sollen, anstatt dessen begnügte es sich damit, in seinen Beizeichen zum Ausdruck zu bringen, daß sein Name ebenso wie sein Ursprung wendischer sei. Durch seinen wendischen Namen unterschied sich Werben von den mit deutschen Namen versehenen Nachbarstädten; sein wendischer Name war also ein bezeichnendes Unterscheidungsmerkmal. Wenn es gegen die heraldische Regel ist, daß die golden gemalten Beizeichen auf silbernem Felde aufgelegt sind, so könnte bei einer etwaigen Aenderung Halbmond mit Stern darüber auf jeden Adlerflügel gelegt werden; es wäre dann der heraldische Verstoß beseitigt und doch wären die kennzeichnenden Beizeichen erhalten.
Zum Schlusse möchte ich noch einige Worte über Werbener Gildesiegel sagen. In der Werbener Chronik sind einige Werbener Innungssiegel kurz beschrieben, nämlich die Siegel der Schneider, der Bäcker, der Schuhmacher und der Kaufleute. In dem Siegel der Schneider las man um das Bild der aufgespannten Schere die Worte „Das Snider : A : zu : Werben"; das Siegel der Bäcker zeigte in der Mitte ein Roggenbrot, belegt dreipaßförmig mit Schichtsemmeln wie Fig. c; das Siegelbild der Schuhmacher brachte Pfriemen und beilartiges Messer wie Fig. d zur Darstellung; das Siegel der Kaufleute war dasselbe wie das der Stadt, wenn auch natürlich mit anderer Umschrift (Krämer-Gülde-Siegel). Das Siegel der Leineweber (Fig. e) und der Lakenmacher ist gleichfalls schon in der Chronik mitgeteilt; ersteres zeigt drei ins Dreieck gelegte Weberschiffchen mit der Umschrift „D. Leinweber Sigel in Wer.", das letzte (Fig. f) den Wollbogen mit den Worten „De Lakenmaker tho Werben". In dem Altmärkischen Museum befindet sich ein Abdruck des Siegels der Tischler (Fig. g); wir sehen in dem Schilde die drei Tischlerwerkzeuge Zirkel, Winkel und Lineal abgebildet und herum die Worte „Der Discher Hantwerk Sigl v. Werben".
Es bleibt nun nur noch übrig, über ein im Altmärkischen Museum befindliches Siegel zu sprechen, das ein Szepter mit der Umschrift Werben answeist. Dieses Siegel (Fig. h) ist keinesfalls ein Siegel der Stadt Werben, sonst würde das „Sigillum civitatis" in der Umschrift nicht fehlen. Das Szepter ist das kurfürstlich-brandenburgische, welches auch noch später in der Zeit des Königreichs Preußen vielfach als amtliches Stempelzeichen für verschiedene Behörden diente; so hat z. B. noch jetzt die Königliche Porzellan-Manufaktur zu Berlin einen solchen Stempel mit dem Szepter auf ihren Fabrikaten. Fragliches Siegel wird also von einem staatlichen Amte in Werben, etwa von dem Steueramte, geführt sein. Nur nebenbei sei kurz bemerkt, daß der Brandenburgische Adler als kurfürstlicher immer mit einem (blauen) Brustschilde dargestellt wird, in dem ein aufrecht stehendes (goldenes) Szepter als Zeichen der Kurwürde und des Erbkämmereramtes erscheint.
