Urkunden über den Bildhauer Michael Helwig und den Maler Ephraim Stahlberg.
Mitgeteilt und erläutert von E. Wollesen, Werben-Elbe.
Das Rittergut Calberwisch bei Osterburg besitzt ein reichhaltiges Archiv von Urkunden und Akten. So weit sich die letzteren auf die Geschichte des Rittergutes und seiner Besitzer, der Herren von Jagow, beziehen, sind sie zu den „Beiträgen des Kreises Osterburg" benutzt. Hier sollen aber noch einige Urkunden Platz finden, die einen willkommenen Beitrag zur altmärkischen kirchlichen Kunstgeschichte bilden. In der Zeit von 1677 bis 1709 war Erasmus von Jagow als Besitzer des Rittergutes Calberwisch zugleich Patron der bei Seehausen belegenen altmärkischen Kirchen zu Falkenberg und Ferchlipp. Wenn wir daran denken, wie furchtbar der dreissigjährige Krieg gerade in dieser Gegend gewütet hat, so können wir uns lebhaft vorstellen, wie verödet und verwüstet die Gotteshäuser auch der beiden genannten Dörfer nach dem Kriege gewesen sind. Da ist es nun Erasmus von Jagow gewesen, der in rechter patronatlicher Fürsorge beide Kirchen wieder mit würdigem kirchlichen Schmuck hat versehen lassen. In dem Calberwischer Archiv fanden sich fünf darauf Bezug nehmende Kontrakte vor, und zwar: 1. Kontrakt zwischen Erasmus von Jagow und dem Flessauer Glockengiesser Jochim Kraberg vom 13. April 1686, betr. Umguss der geborstenen mittleren Kirchenglocke zu Falkenberg; 2. Kontrakt zwischen demselben Kirchenpatron und dem Uhrmacher, Mühlenbauer Christoph Siebert Kurtz in Möllendorf vom 23. Juli 1687, betr. Herstellung einer neuen Kirchenturmuhr in Falkenberg; 3. Kontrakt zwischen demselben Patron und Michael Helwig, Bildhauer aus Altenburg, vom 6. Juli 1693, betr. Errichtung des Altars und Herstellung des Taufengels in der Falkenberger Kirche; 4. Kontrakt, oder, wie es in der Urkunde heisst, Verding mit Michael Helwig, Bildhauer aus Altenburg, wegen Verfertigung einer Kanzel in der Kirche zu Ferchlipp vom 8. Juli 1693 und 5. Kontrakt zwischen demselben Erasmus von Jagow und dem Berliner Kunstmaler Ephraim Stahlberg vom 5. August 1699, betr. Bemalung des Altars und des Taufengels in der Kirche zu Falkenberg. Von diesen fünf Kontrakten interessieren uns die unter 3 bis 5 genannten am meisten; wir teilen sie daher im Folgenden in genauer Abschrift mit und fügen einige erläuternde Bemerkungen hinzu.
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Zu wissen sey hiermit, dass heute unten gesetzten dato zwischen mir Erasmus von Jagow Kirchen Patrone zu Falkenberg und Michael Helwig Bilthauer auss Altenburgk folgender Contraet getroffen; Ess soll vnd wil Michael Helwig in gedachter Kirchen zu Falkenberg einen tüchtigen Altar nach gemachten Riss verfertigen, je doch soll an den Hauptgesimss, so noch in Riss nicht gezeuchnet dass Jagowsche vnd Putlitzsche Wapen mein vnd meiner liebsten Nähme in einen aparten Schilde noch geschnitten werden, vnd verspricht mehr getachter Bilthauer dermassen rein vnd sauber zu schneiden, auch ein jeden Stück seine gebührende Vasone nach Anleytung der Architectur oder Baukunst zu geben, also vnd dergestalt, dass an solcher Arbeit von Bau- vnd Bildhauer-Kunst-verstendigen Leuten daran kein Tadel zu spieren, vberdem geredet und gelobet Michael Helwig einen feinen säubern Kirchen Engel, welcher zur H. Tauffe zu gebrauchen zu schneiden, auch solchen ohne allen datel zu machen, weider nimbt mehr gedachter M. Helwig auch alte an den Altar vorfallende Tischler Arbeit über sich vnd garantiret davor dass solche dichtig gemachet werde, wie er den, wen ein Mangel daran zu spieren davor stehen muss, wie Er den auch ohne dem bey seiner Ehr vnd Verpfändung aller seiner Habseeligkeit hiermit verspricht vorbesagte Bilthauer- vnd Tischlerarbeit also zu verfertigen, dass sie ohne Mangel vnd datel der Kirchen zur Zierraht, Gott zu Ehren vnd ihm sclbsten zum Ruhm gereichen, vor diese Arbeiten sind Ihm auss der Kirchen von mir zu geben versprochen vier vnd achtzig thaler, vnd muss die Gemeine Ihm nebst seinen teilten alss ein Bildhauer vnd ein Tischler gesellen speisen mit freye logement vnd Betten versehen, dass Bier aber, so Ihm nohtdürfftig gegeben werden muss, so doch wöchentlich auf die Persohn über ein Vierdel von der Tonne nicht betragen muss, soll von der Kirche bezahlet werden, vnd haben die Vorsteher davor zu sorgen, dass ihm solchess entweder eingeleget oder sonsten verschaffet werte, wass an Materialien alss linden vnd dannen Holtz, Nagel vnd leim dazu erfodert wirt, muss gleichfalss die Kirche anschaffen, vnd sollen die Vorsteher ½ Stein leim von Seehausen, welchen sie vor 11 g bei den weissgerber haben können, hallen lassen. Vhrkundlich ist dieser Contraet von beyderseits Contrahenten eigen hendig vnderschrieben. So geschehen Kalberwisch, den 6. julii Anno 1693. (gez.) Erasmus von Jagow. Michael Helwig bilthauer.
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Verding mit Michael Helwichen Bildhauern auss Altenburgk wegen Verfertigung einer Cantzel in der Kirchen zu Ferchlip vom 8. Julii 1693: Kundt vnd zu wissen sey hiermit, dass am heutigen zu Ende gesetzten dato zwischen mir Erasmo von Jagow Patrone der Kirchen zu Ferglip vnd H. Michael Helwichen Bildthauern aass Altenburgk folgender Verding getroffen: Ess verspricht itzt erwehnter Bildhauer in der Kirchen zu Ferglip einen zierlichen, sauber-künstlich vnd rein geschnittenen Predigtstuhl oder Cantzel nach dem gemachten vnd mir gegebenen Riss zu verfertigen, also und dergestalt, dass Er der Kirchen nicht allein einen feinen Zierraht gehe, sondern auch von dergleichen kunsterfahrenen Leuten ohne Tadel erkant werde, vnd verfertiget vorbemelter Bildthauer Michael Helwich nicht allein die Bildhauer Arbeit, sondern ess hat derselbe auch die Tischler Arbeit mit über sich genommen, wird also dahin sehen müssen, dass solche auch tüchtig, beständig vnd sauber gemacht werde, wie Er den hiermit beg Verpfändung seines Ehrlichen Nahmenss auch aller seiner Haabseeligkeit, nichts davon aussgenommen, sich hiermit so wol vor seine eigene cdss Tischler Arbeit der Kirchen verschreibet vnd solche wenn ein Mangel daran zu spieren zu erstatten verobligieret. Wass aber mehr gemelter Michael Helwig zu solcher Arbeit an Materialien alss Holtz, Bretter, Nagel, Leim vnd wciss sonstens vorfället, nöthig hat, solchess muss die Kirche schaffen, vnd werden Ihm vor solcher Cantzel, wenn sie vorgedachtermassen tüchtig vnd guet verfertiget, hiermit von der Kirchen versprochen viertzig vnd zwei thlr, wie auch frey Bier, jedoch cdso dass ess auf die Persohn wöchentlich über 1/4 der Tonne nicht komme. Die Speisung einlangendt muss solchess die gemeine thun, wie Ihm den selbige auch frey logament vnd Betten verschaffen muss. Zu mehrerer Vhrkundt ist dieser Contract von beyden theilen unterschrieben, vnd sind darüber zwey gleich lautende Exemplaria aussgefertiget, so geschehen auf dem Hausse Kalberwisch den 8ten Julii Anno 1693. (gez.) Erasmus von Jagow. Michael Helwig Bilthauer.
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Kontrakt zwischen Erasmus von Jagow und dem Berliner Kunstmaler Ephraim Stahlberg.
Kund vnd zu wissen sey hiermit dass heute untengesetzten dato zwischen mir Erasmo von Jagow cdss Pedrono der Kirchen zu Falkenberg vnd H. Ephraim Stahlbergen Kunstmahlern auss Berlin folgender Contract getroffen worden. Ess wil und soll laud dieses Contracts itztgedachter Kunst Mahler H. Ephraim Stahlberg den in der Kirche zu Falkenberg vor wenigen Jahren neu gebenden Altar, wie auch den TaufEngel nach der Mahler Kunst wol staffiren, die Flügel und leisten mit guten echten golde überziehen auch edlen halben wo ess nichtig thut dass gold nicht spahren, inwendig in dem grossen Felde dess Altaris die Creutzigung Christi, und in dem untersten Felde dess Altaris die Einsetzung dess Hochwirdigen Aachtmahlss auf guter manier vnd nach der Kunst schildern und mahlen, die Gewand an den beyden Aposteln zum theil vergülden zum theil fein und nett lackiren, den TaufEngel gleichfalss die Haare, Flügel vnd in der Hand haltende Schale mit guten echten Golde, dass Gewand aber mit guten florentiner Lach überziehen, und alless dergestalt gut end tüchtig machen, dass kein Kunstverständiger solche Stafferarbeit so wol am Altar als TaufEngel mit Fug tadeln könne, diese Stücke auch der Kirchen ein feines Ansehen und Zierraht geben. Wass nun mehr erwähnter H. Stahlberg an Gold, Silber, Farben, Öhl und anderen Speciebus dazu benöhtiget ist, solchess muss Er alless auf seine Kosten anschaffen, soll auch künftigess Frühjahr damit den Anfang machen. Vor solche Arbeit sind Ihm H. Ephraim Stahlbergen nebst freyer Station, auch Essen und trinhen, welchess letztere die Kirche bezahlet, jedoch muss zum höchsten wöchentlich nicht mehr denn 1/4 Tonne Bier auf die Persohn und ½ Tonne auf 2 Persohnen gegeben werden, dass Speisen aber muss die Gemeine thun. Solte auch der jenige bey dem oftermelten H. Stahlberg, sein logiament vnd Nachtlager bekommen wird, davor etwas verlangen, muss solchess gleichfalss aus der Kirche gegeben werden, einss vor alless an bahren Gelde versprochen Ein Hundert und dreysig Thaler. Damit nun alless ohne Tadel, tüchtig und gut gemachet werde, setzt H. Ephraim Stahlberg desswegen nicht allein seinen ehrlichen Namen, sondern auch sein Haab vnd Guht zum Unterpfande. Uhrkundlich ist dieser Contract von beyden Contrahenten eigenhändig vollenzogen und in duplo aufgesetzt. So geschehen Kalberwisch, d. 5. Aug. 1699. Dieweil diesess Werke viel Gold und Silber erfordert hat, so auch beydess nicht gesparet worden, alss sind H. Stahlbergen noch zwantzig thlr dazu versprochen. (gez.) Erasmus von Jagow. Ephraim Stahlberg.
Erasmus von Jagow war der Sohn Achaz II. und der Elisabeth geb. von Winterfeld. Er bekleidete die Ämter eines preussischen Landrates und eines altmärkischen Deichhauptmanns. Vermählt war er mit Dorothea Christina geb. Gansin Edle Freiin zu Putlitz, wie sie an der Orgelempore der Ferchlipper Kirche genannt wird. Erasmus war Erbherr auf Calberwisch und Scharpenhufe; er starb am 30. August 1709 und fand seine letzte Ruhestätte in der Kirche zu Calberwisch.
Über den Bildhauer Michael Helwig wissen wir leider nichts weiter, als dass er zunächst in Altenburg und dann in Helmstedt gewohnt hat; in jenen Verträgen wird er als „Bildhauer aus Altenburg" bezeichnet; auf der Rückseite des Ferchlipper Altarbildes lesen wir die Worte: „Michael Helwig, Sculpteur fecit 1721 Helmstadiensis." Nur beiläufig sei erwähnt, dass wir in der Geschichte unserer Gegend öfter Trägern dieses Namens begegnen; so war z. B. 1558 Stephan Helwig aus Havelberg als Studiosus in Wittenberg immatrikuliert; so erklärte sich am 10. April 1670 der Havelberger Rektor Valentin Gottfried Helwig zur Annahme des geistlichen Inspektorates in Werben-Elbe bereit, starb aber schon am 12. Mai 1672 an der Pest; so war Hiernonymus Helwig, der sich am 30. November 1685 mit Anna Sabina Schultz vermählte, von 1685 bis 1704 Pfarrer in Bertkow bei Goldbeck in der Altmark. Ob ein Zusammenhang zwischen diesen Trägern des Namens Helwig und unserem Bildhauer besteht, hat sich leider bis jetzt noch nicht nachweisen lassen.
Das Altarbild befindet sich noch heute so, wie es in den Verträgen beschrieben ist, in der Falkenberger Kirche, nur ist die ursprüngliche Bekrönung desselben abgenommen und in dem Dachraum der Kirche untergebracht. Diese Bekrönung zeigt, ebenso wie der Altar in der Kirche, schöne Formen und Linienführungen; ganz besonders sind die Gesichtszüge der Figuren (des auferstehenden Christus und der Wächter am Grabe) mit grosser Sorgfalt und künstlerischem Verständnisse ausgearbeitet, so dass durch eine sachgemässe Wiederherstellung jedenfalls ein wertvoller Schmuck der Kirche wiedergegeben würde. Es bedürfte hierfür nur der Säuberung, der stellenweisen Ergänzung und kunstverständigen Bemalung. Sollten aber in absehbarer Zeit Mittel zur Wiederherstellung nicht aufgebracht werden können, so müsste jene Bekrönung baldmöglichst dem Altmärkischen Museum, vielleicht mit Vorbehalt des Eigentumsrechtes, zur Aufbewahrung übergeben und dadurch vor weiterem Verfalle bewahrt werden.
Der Taufengel ist noch erhalten, wird aber kirchlich nicht mehr benutzt.
Die Kanzel in Ferchlipp wird von der Gestalt eines auf einem Knie ruhenden Engels getragen. Die Wandung des Kanzelaufgangs trägt auf blauem Schilde in goldenen Schriftzeichen den Bibelspruch 1. Joh. 2 V. 17. In ganz ähnlicher Weise tragen blaue Schildchen um das Corpus der Kanzel herum, von vielem „Blätterwerk" umgeben, die vier Sprüche: Col. 4 V. 4, Luc. 11 V. 28, Jer. 1 V. 9 und Matth. 10 V. 20. Über jedem Schildchen befindet sich an der Kanzelbrüstung ein Engelsköpfchen. Der Schalldeckel zeigt zwischen drei ebenfalls mit Sprüchen beschriebenen Schildchen die künstlerisch ausgearbeiteten Wappen der Stifter, des Erasmus von Jagow und seiner oben genannten Gemahlin. Die ganze Kanzel ist, mit Ausnahme der blau gehaltenen Spruchtafeln, mit einer dick aufgetragenen braungelben Ölfarbe überstrichen, welche die schönen Umrisslinien verkleistert.
Der 1721 von Michael Helwig hergestellte Altaraufsatz zeigt in der Predella das Bild des heiligen Abendmahls, in dem Mittelstück zwischen zwei tragenden Säulen das Bild der „Kreuzigung" und als Abschluss „den gen Himmel fahrenden Heiland", flankiert von Ähren und Trauben, als den sinnbildlichen Zeichen des heiligen Abendmahls. Zu beiden Seiten des Altaraufsatzes sehen wir die Gestalten des Moses und des Täufers Johannes. Die höchst mangelhafte Malerei in Predella und Mittelstück stammt laut Inschrift an der Rückwand des Altars von dem Osterburger Maler August Nüssler. Über dem Mittelstück des Altaraufsatzes erblicken wir die Wappen der damaligen Patronatsfamilie, des Rudolph Gebhardt von Jagow und seiner Gemahlin Cordula Luise von Schwarzwald; das erstere Wappen ist uns schon bekannt. Das letztere zeigt im quergeteilten Schilde oben im schwarzen Felde einen Zweig mit drei goldenen Eicheln, unten in Blau einen goldenen Löwenkopf en face. Auf dem Helm wiederholt sich letzterer mit dem Eichenzweig über der Stirn. Es gibt aber verschiedene Varianten des Wappens, z. B. an einem Jagowschen Epitaphium in der Marienkirche zu Stendal, wo der Löwen- (oder Wolfs-)kopf den Zweig senkrecht im Maule hält. Die Familie von Schwarzwald ist, wie Prof. Ad. M. Hildebrandt-Berlin mitteilt, ursprünglich eine Danziger Patrizierfamilie, welche 1658 den polnischen Adelstand erhielt und in Westpreussen Güter besass.
Kanzel und Altar müssten bei einer recht notwendigen Restauration zunächst von der dick aufgetragenen Ölfarbe befreit und dann von neuem in weiss mit sparsamer farbiger, meist hellblauer Absetzung und mit sparsamer Vergoldung der Profile versehen werden; vor allen Dingen müssten aber die beiden Altarbilder durch bessere Malereien ersetzt werden. Hoffentlich gestatten die kirchlichen Mittel es recht bald, eine sachgemässe Restauration der Kanzel und des Altars vorzunehmen, damit dann beide in ihren schönen Barockformen einen neuen würdigen Schmuck der Kirche bilden.