Zur Christianisierung der Altmark.

Von E. Wollesen, Zeitz.

Über die Einführung des Christentums in der Altmark ist schon mancherlei geschrieben; ich erinnere nur an L. Nottrott, Aus der Wendenmission, a. S. 1897, an Ernst Schmidt, Quellenkritische Untersuchungen zur Geschichte der Altmark, Teil I bis V, Seehausen 1906, an G. Daume, Die Einführung des Christentums in den nordöstlichen Teil der Altmark, Seehausen 1925, an W. Zahn, Geschichte der Altmark, Stendal 1891, an die Jahresberichte des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel. Es kann auf dem hier zur Verfügung stehenden Raum nicht meine Aufgabe sein, eine ausführliche Geschichte der Christianisierung des Gebietes zu schreiben, das wir heute Altmark nennen; umfaßt doch diese Geschichte einen Zeitraum von Jahrhunderten, sondern es kann hier nur darauf ankommen, die für die Christianisierung der Altmark wichtigsten Zeiten zu schildern, nämlich die Zeit Karls des Großen, Ottos des Großen und Albrechts des Bären. Einige kurze Bemerkungen über die Lage, die Namen und die ältesten Bewohner mögen vorangeschickt werden.

Es handelt sich bei dieser Abhandlung um ein Gebiet, das nicht genau dem der heutigen Altmark entspricht. Es umfaßt die jetzigen Kreise Salzwedel, Osterburg und Stendal ganz, vom Kreise Gardelegen dagegen nicht den Teil südlich von der Ohre und östlich vom Drömling, von den Kreisen Wolmirstedt und Neuhaldensleben nur die Striche nördlich von der Ohre. Die Ohre bildete also die südliche Grenze.

Über die von Karl d. Gr. getroffene Markeneinrichtung braucht hier nichts näher gesagt zu werden. Bekannt ist, daß sie erst unter den sächsischen Königen und Kaisern zur vollen Ausbildung gelangt ist. Kaiser Otto I. hatte dem Markgrafen Gero die Ostgrenze des Reiches anvertraut; zu seiner Markgrafschaft gehörte auch das Gebiet der heutigen Altmark. Gero starb 965. Nach seinem Tode wurde das von ihm verwaltete umfangreiche Gebiet nicht wieder einem einzelnen Manne übertragen, sondern in drei Marken, Mark Meißen, Ostmark und Nordmark, geteilt. Die Nordmark wurde dem Markgrafen Dietrich von Neuhaldensleben übertragen; diese Nordmark hieß dann einfach „Mark\" und erst von 1304 an „Altmark\".

Den ältesten schriftlichen Nachrichten zufolge ist die Altmark von deutschen Stämmen bewohnt gewesen, von Longobarden, Thüringern, Sachsen. In die Länder, die von den Deutschen durch die Völkerwanderung verlassen wurden, östlich der Elbe, drangen Wenden vor, sie überschritten die Elbe und kamen von Osten her in die Altmark, oder sie kamen vom Lüneburgischen her, also von Nordwesten und Norden; jene rechnet man zu den Liutizen, diese zu den Drewanen. Daß die Altmark von Wenden angebaut war, beweist Danneil im 13. Altm. Jahresbericht.

I. Die Verdienste Karls des Großen um die Christianisierung der Altmark gründete man früher ohne großes Bedenken auf die Halberstädter Tradition. Nach dieser Tradition erbaute Karl d. Gr. in dem damals Seligenstadt, später Osterwieck genannten Orte zur Ehre Gottes und des heiligen Stephanus eine Kirche und bestimmte auf Geheiß des Papstes Hadrian den Bischof Hildegrim von Châlons zu ihrem Oberhaupt. Hildegrim verlegte 781 den Sitz des Bistums nach Halberstadt. Die Grenzen des Bistums werden nach dieser Tradition in folgender Weise umschrieben: fluvius Albea, Sala, Unstrada, fossa iuxta Gruone, altitudo silvae, quae vocatur Hart, Ovacra, Dasanek, Druchtesbeke, Elera, Isunna, Ara, Milda, Precekina et iterum Albea. Es wird weiter berichtet, daß Karl die Halberstädter Kirche späterhin mit einem kaiserlichen Privileg begabte und die Grenzen ihres Sprengels bei dieser Gelegenheit im Jahre 803/4 ausdrücklich festlegte. Danach ging die Grenze des Bistums an den Flüssen Milde, Aland, einem damals ein wenig unterhalb Werben in die Elbe mündenden Flusse, mitten durch die heutige Altmark. Man rechnete alles rechts davon liegende Land unseres Gebietes zu Halberstadt, alles links davon liegende zum Bistum Verden und redete von der Missionierung dieser beiden Bistümer in der Altmark. Dazu paßte eine Erzählung von dem ersten bereits in die Zeit vor 783 vorkommenden Christentum, die aus einem Bericht des Bischofs Aribo von Freising (764-783) geschöpft und von dem Magdeburger Propst Meginfried 1030 in seinem „Leben des heiligen Emmeran" wiedergegeben wird und unsere Altmark betrifft: Ein gefangener Deutscher mußte, um sein Leben zu retten, Christ werden und nach dem Gebot seines Herrn eine kinderlose Witwe wider seinen Willen heiraten, und zwar geschah dies auf der Grenze von Nordthüringen und dem Lande der Parathanen. Durch die Heirat der christlichen Witwe sei er selbst Christ geworden und habe eine Wallfahrt nach Regensburg gemacht. Nun ist aber das in der Halberstädter Tradition Mitgeteilte von diesen namhaften Forschern angefochten worden; der letzte Forscher, der sich angelegentlich damit beschäftigt hat, W. Möllenberg (in der Zeitschrift für Harzgeschichte, 1917, S. 101 ff.), erkennt, daß das der Tradition hauptsächlich zugrunde liegende Diplom Ludwigs des Frommen vom 2. Sept. 814, das im Chronicon Halberstadtense überliefert ist, zwar an sich als echt an, weist aber darauf hin, daß es durch Überarbeitungen und Einschiebungen später geändert worden ist. Als Interpolation sei auch der Satz über den von Kaiser Karl bestimmten Umfang des Bistums zu betrachten, vielleicht sei diese Bestimmung entnommen aus einer nicht überlieferten Bulle Benedikts VIII.; aber die Angaben hängen mit der um 1174 von Friedrich I. zwischen den Bistümern Halberstadt und Verden vorgenommenen Grenzregulierung zusammen. Die angeblichen Zirkumskriptionsurkunden Karls d. Gr. für Halberstadt sowohl wie für Bremen und Verden seien Anachronismen. „Mögen bestimmte Abgrenzungen auch schon bei der Zuweisung der Missionsgebiete vorgenommen worden sein: von diesen Anfängen bis zur endgültigen Ausgestaltung der kirchlichen Hierarchie im Sachsenlande war noch ein weiter Weg, dessen einzelne Stadien, die durch das allmähliche Entstehen und Erstarken der Bistümer selbst und daneben durch das Ausscheiden der klösterlichen Missionsgebiete Fulda, Hersfeld, Meppen, Visbeck gegeben sind, sich auf mehr als ein halbes Jahrhundert verteilen\", für unsere Gegend, fügt Daume a. a. O. hinzu, können wir getrost sagen, auf zwei bis drei Jahrhunderte. W. Möllenberg beanstandet aber a. a. O. auch den Satz des Diploms, durch den die Zehntpflicht der Diözesanen festgesetzt wird, und den ferneren Satz, durch den schon nach dem Privileg Karls d. Gr. vom Jahre 803/04 dem Bistum die Gaue Darlingowe, Nordthuringowe, Belkesheim, Hartingowe, Svavia und Hasigowe zugewiesen werden. Unter Belkesheim ist der rechts von Milde und Aland gelegene Teil der heutigen Altmark zu verstehen. Nach W. Möllenberg bleibt an der ganzen Halberstädter Tradition nur das Folgende geschichtlich sicher:

„Als Missionssitz für das Land im Osten und Nordosten des Harzes ist ein Stift in Seligenstadt „Osterwieck" gegründet, dessen Leitung etwa in den ersten Jahren des 9. Jahrh. dem fränkischen Bischof Hildegrim von Châlons übertragen wurde. Als Bischof von Châlons erscheint er 809, als Bischof von Halberstadt ist er nirgends glaubhaft bezeugt. Halberstadt war sonach unter Karl ein von einem Bischof geleitetes Missionsgebiet, aber es war noch kein Bistum; dazu wurde es erst durch die Einsetzung eines eigenen Bischofs nach Hildegrims Tode. Auf Hildegrim wird die Verlegung des Stifts von Seligenstadt nach Halberstadt zurückgehen; auch den dem Schutzheiligen der Kirche zu Châlons S. Stephanus geweihten Dom in Halberstadt hat er doch wohl gebaut, wie ja ebenso eine Anzahl von Stephanskirchen im Halberstädter Sprengel mit seinem Wirken in Beziehung stehen. Es ist immerhin möglich, daß ihm schon Karl d. Gr. ein Privileg für seine Missionszelle erteilte. Daß Ludwig der Fromme die Immunität des dem Hildegrim überwiesenen Missionsgebietes bestätigte, scheint sicher.\"

Damit ist für eine damalige Christianisierung der Altmark nichts Bestimmtes gewonnen. Jedenfalls dürfen wir von wesentlichen Erfolgen gar nicht reden, müssen wir wohl bedenken, daß die ersten Bischöfe mit der Befestigung des Christentums unter den noch vielfach heimlich dem Götzendienste anhängenden und zur Empörung geneigten Sachsen noch nicht zu viel Arbeit hatten, um die Wendenmission in unserer Gegend ernstlich in Angriff nehmen zu können. Erst als mit Agilulf ein Sachse auf den bischöflichen Stuhl von Halberstadt kam, hätte das anders werden können, zumal auch in den Klosterschulen eine zahlreiche sächsische Geistlichkeit herangebildet war. Jetzt aber trat die schwächliche Regierung der letzten Karolinger hindernd in den Weg.

II. Die zweite für die Christianisierung der Altmark sehr bedeutungsvolle Zeit ist die Zeit Ottos des Großen. Ehe davon näher geredet wird, muß Heinrichs I. Bedeutung gedacht werden. Das Deutsche Reich dankt ihm seine Begründung. Er hat für die deutsche Kolonisation das Land östlich der Elbe erschlossen, die deutsche Wehrkraft wieder hergestellt und den Reichsfeind, die Magyaren, niedergekämpft. Wir kennen ihn aus dem Bericht Widukinds, des Geschichtsschreibers der ersten Ottonenzeit. Wie sah es aber damals in der aus den beiden Gauen Osterwalde und Belesem bestehenden Altmark aus? Was ist unter Heinrich I. für die Christianisierung dieses Gebietes geschehen? Das sind Fragen, die für uns hier von besonderem Interesse sind. Als der König 927 von Magdeburg aus elbabwärts zog und den Legaten Bernhard über eine stark von Slawen durchsetzte deutsche Bevölkerung der beiden Gauen setzte, zog er „durch ein Gebiet, das östlich und nördlich der stark bevölkerten Feste „Wallislevo" vollständig versumpft, nur von einigen wenigen Fischeransiedlungen belebt war\". Wer die Landschaft heutzutage kennt, wird sich darüber nicht wundern; heute schützen die Deiche das Land, damals aber noch nicht. Aus den Ortschaften der Altmark hebt sich vor allen anderen Walsleben an der Uchte heraus; es ist damals ein stark bevölkerter, befestigter Ort gewesen. Wenn wir einer von Thietmar mitgeteilten Vision, die ein damaliger Geistlicher von Walsleben gehabt hat, glauben wollen, so muß dort in Walsleben damals schon ein geordnetes gottesdienstliches Leben bestanden haben. Im Jahre 928, als der Legat Bernhard sich auf einem Feldzuge gegen die in der Mark Meißen wohnenden Daleminzier befand, drangen die Redarier aus dem Mecklenburgischen in die Mark ein, eroberten die Burg Walsleben, brannten die Gebäude nieder, ermordeten zahlreiche Bewohner und führten die anderen in Gefangenschaft. In diese Zeit unmittelbar nach der Zerstörung verlegt man die Erzählung des Thietmar, die er zum Troste der an der Totenauferstehung Zweifelnden in seiner Merseburger Chronik berichtet. Der Geistliche der Kirche dort habe auf dem Wege zur Frühmesse auf dem Kirchhofe eine große Menge Menschen gesehen, die einem vor der Kirchthür stehenden Priester Gaben darbrachten. Das seien Verstorbene gewesen, von denen eine ihm wohlbekannte, kürzlich verstorbene Frau an ihn herangetreten sei, um ihm zu sagen, das heilige Amt sei schon gehalten, er komme zu spät, werde aber auch bald sterben. Es ist aber doch fraglich, ob wir diese Erzählung in die angegebene Zeit setzen und ihr irgendeinen Wert beimessen können. Wäre der Kern dieses Berichtes echt, so müßte damals Walsleben für die Christianisierung der Altmark ein Mittelpunkt gewesen sein. Wir wissen, daß Bernhard im folgenden Jahre die Wenden in einer fürchterlichen Schlacht bei Lunkini (Lenzen) besiegte und blutige Rache für Walsleben nahm. Letzterer Ort wurde zwar wieder aufgebaut, erlangte aber seine frühere Bedeutung nicht wieder; an seine Stelle trat das ebenfalls an der Uchte gelegene stark befestigte Uchtenhagen, etwas weiter unterhalb.

Es war lange Zeit die Annahme verbreitet, Heinrich I. habe die an der Elbe gelegenen wichtigen Burgen Tangermünde, Arneburg, Werben gegründet; dem ist aber nicht so. Wenn der König nur vorhandene Pfalzen, Bischofssitze und Klöster in seinem Herzogtum Sachsen-Thüringen befestigen oder in und bei denselben zu ihrem Schutze Burgen oder Burgwarte anlegen ließ, so dürften damit alle Annahmen, daß die ältesten an der Elbe gelegenen Grenzburgen in der Altmark unter Heinrich I. entstanden wären, hinfällig werden (E. Schmidt, a. a. O. 2. Teil S. 4 f.). Wären diese Burgen unter Heinrich I. entstanden, so wäre gewiß von ihnen schon damals deutsches und christliches Leben auf die nähere und fernere Umgegend ausgegangen. Mochte der Graf Bernhard auch über die Nordmark herrschen: die Slawenstämme jenseits der Elbe mußten zwar Zins zahlen, behielten aber ihre eigenen Fürsten, die sich um die Lehnshoheit des sächsischen Herzogs, d. h. des Königs, wenig kümmerten. Auch das Christentum fand nur langsam Eingang. Adalward von Verden wird als der einzige Bischof bezeichnet, der damals die Mission unter den Wenden unternahm. Adalward starb 935; seine Erfolge gingen in den folgenden Jahren wieder verloren.

Erst unter den ersten Ottonen ging es in unserem Gebiete mit dem Deutschtum und mit dem Christentum mächtig vorwärts. Alles kam darauf an, die unruhigen Elemente links und rechts der Elbe zu unterwerfen, denn ehe nicht äußere Ruhe und Sicherheit herrschten, war an ein rechtes Christianisieren nicht zu denken. Dieses Ziel erreicht zu haben, ist das Verdienst Ottos I. und des Markgrafen Gero. Die eigentlichen Kämpfe mit den Wenden fanden zwar zumeist auf dem rechten Elbufer statt, doch dienten sie dadurch desto mehr zur Sicherung der linkselbischen Marken, in denen nun das Christentum bodenständig würde, wenn auch noch hin und wieder große Wendenraubzüge die gottesdienstlichen Stätten und die deutschen Burgwarte einäscherten. Nun entstanden die oben genannten wichtigen Grenzfesten an der Elbe, Tangermünde, Arneburg und Werben. So groß waren die kriegerischen Erfolge auf der rechten Elbseite, daß Otto I. es wagte, die Bistümer Havelberg 946 am 9. Mai und Brandenburg am 1. Oktober 948 oder 49 zu stiften. Bisher sind nur wenige Ortsnamen aus der Altmark aus dem Dunkel der Vergangenheit aufgetaucht. Infolge der zunehmenden Christianisierung unter Otto I. treten immer mehr Namen von Städten, Dörfern, Burgen aus dem Dunkel der Vergangenheit heraus. Dem Bistum Havelberg wurden nach der Stiftungsurkunde u. a. 30 Hufen in vier Dörfern in der Provinz Mintga (in der Altmark?) und 6 Hufen in robely (Räbel) verliehen. In der Schutz- und Bestätigungsurkunde dieser Schenkung durch König Konrad III. vom 3. Dezember 1150, welche diese Schenkung wörtlich aufnimmt, werden noch 5 Hufen in prato, quod dicitur vulgo wisch (also in der altmärkischen „Wische\") hinzugefügt. Wir erfahren auch die Namen jener 4 Dörfer, nämlich Minteshusini, Hagerstedi, Aesthuni und Ajästum oder Aciestoum. Man hat unter dem dritten Dorf das heutige Iden und unter dem vierten das heutige Altenzaun (beide im Kreise Osterburg, nicht weit von der Elbe) verstanden. Für die Sicherheit, die man glaubte errungen zu haben, sprechen auch die Gründungen einiger Klöster sowie die Zuweisungen von Abgaben aus altmärkischen Dörfern an kirchliche Institute. Schon 942 entstand ein vom Grafen Lothar zu Walbeck gegründetes Augustiner Chorherrenstift des heiligen Pancraz und Unserer lieben Frauen, das seit 1224 dem Domstift zu Halberstadt einverleibt wurde. Im Jahre 956 gab Kaiser Otto I., richtiger König Otto I., sechs slawische Dörfer mit Namen Kribci, Kazina, Tulci, Sebene, Klinizua und Liubene, welche in marca Lipani gelegen, der Abtei Quedlinburg zum Geschenk. Dies sind unverkennbar die heutigen Ortschaften Crevese und Cassun im Kreise Osterburg, Tylsen und Seeben im Kreise Salzwedel, sowie Clenze und Lübbau im Lüneburgischen. Die örtliche Lage und Richtung der geschenkten Dörfer, welche von Osten nach Westen sich quer durch die Altmark erstreckt, gibt der Vermutung kaum Raum, es habe sich hier im Jahre 956 um einen Stillstand der kriegerischen Operationen des Königs gehandelt und um Feststellung der Grenzen gegen die im nördlichen Teil zusammengedrängten Wenden. Sie lagen, wie wir gesehen haben, in der marca Lipani; diese kann nur im Norden gelegen haben, weil sie sich augenscheinlich als ein noch von Wenden besetzter Distrikt in der Urkunde kund gibt, an dessen südlicher Grenze die 6 slavicae villae der Quedlinburger Schenkung zu suchen sind. Als letztes Überbleibsel dieser ehemaligen wendischen Mark Lipani werden wir das heutige etwa in der Mitte gelegene Dorf Leppin zu betrachten haben. Da Lipani von dem wendischen Lipa (die Linde) abstammt, so beweist auch der Ort Leppin die Lage der Mark Lipani in der oben bezeichneten Gegend. Übrigens liegt in der Nähe von Leppin ein Dorf „Lindenberg\". Pfarrer Hofmeister, der im 20. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins diese Urkunde Ottos d. Gr. veröffentlicht und erörtert, fügt das Folgende hinzu: „Da nun nicht angenommen werden kann, daß der Kaiser Otto seine Schenkung slawischer Dörfer an Quedlinburg ohne Sicherstellung ihres Besitzes gegenüber den Slawen vorgenommen hat, so wird er in der Nähe jener Ortschaften eine Reihe von militärischen Kastellen als Schutz- und Grenzfesten angelegt hatten. Es muß hier an die Gewohnheit der Sachsen erinnert werden, nicht bloß Burgen in den eroberten Ländern, sondern auch Grenzburgen anzulegen und sie militärischen custodibus limitum zum Schutz der Grenzen anzuvertrauen, wie sie es ja auch an der Elbe getan hatten.\" Pfarrer Hofmeister nennt als Burgen, die zum Schutze jener sechs Dörfer angelegt würden, Hindenburg, Uchtenhagen, Osterburg, Krumke, Groß-Rossau, Gladigau, Plathe, Kerkau, Schulenburg (an der Jeetze), Alten-Salzwedel, Tylsen (an der Dumme), Seeben und Clenze. Ob diese Annahme auf alle genannten Orte zutrifft, ist doch wohl fraglich; diese Frage zu untersuchen, ist hier nicht der Ort. Uns interessiert die Schenkung an Quedlinburg nur insoweit, daß sie uns den Rückschluß erlaubt: Es müssen in diesen Dörfern Slawen gewohnt haben, die soweit zum Christentum bekehrt waren, daß man ihnen Unterordnung unter die Abtei Quedlinburg und die Pflicht der Abgabenzahlung an dieselbe auferlegen konnte.

Die Gründung des Jungfrauenklosters Hillersleben nördlich der Ohre (jetzt im Kreise Neuhaldensleben) fällt in die Zeit zwischen 958 und 963. Das Kloster, das um das Jahr 1000 in ein Männerkloster umgewandelt wurde, war von nicht geringem Einfluß auf die Christianisierung der Altmark.

Ob die Erwerbungen der berühmten Benediktiner-Abtei Corvey in der Altmark in das 10. Jahrh. zurückweichen, wie Nottrot a. a. O. 451 meint, ist wohl anzunehmen; wir kennen das Verzeichnis aller dem Kloster gehörigen Besitzungen freilich erst aus der folgenden Zeit. In den Jahren 1053 bis 1071 gab der Abt Sarraco ein solches Verzeichnis heraus. Danach besaß das Kloster u. a. einige Grundstücke und Untertanen zu Gardelegen, zu Meßdorf, zu Väthen, Schwarzlosen und zu Cobbel. Wir können uns denken, daß die Corveyer Mönche, die ja eifrige Missionare waren, ihre geistliche Fürsorge den Bewohnern ihrer Dörfer zugewandt haben.

Noch ähnliche Überweisungen von altmärkischen Dörfern an kirchliche Institute aus der Zeit Ottos I. sind zu nennen:

Am 21. August 959 überwies der König das Dorf Buthukesdorp (Bösdorf, Kreis Gardelegen) mit Höfen, Gebäuden, Ländereien, „salericiis\" und allem Zubehör dem Magdeburger Moritzstift und fügte dieser Schenkung noch das Dörfchen Gramaningorod mit allem Zubehör daselbst hinzu. Demselben Stift schenkte er am 29. Juli 961 Etingen und Flechtingen oder, wie es damals hieß, Adinga und Flagtungun.

Nach Hahn, Heimatkunde der Altmark, S. 163, hatte seit 965 in Weferlingen das Kloster Gandersheim den Zehnten.

In Hetzlingen, Kr. Gardelegen, erbaute ein Graf Hed in den Tagen Kaiser Ottos I. eine Kirche, errichtete daselbst ein Nonnenkloster und ordnete diese Abtei der Obhut des Erzbischofs Adaldag von Bremen unter. Am 30. April 973 setzte auf Bitten Ottos I. der Erzbischof dessen Patenkind, die zwölfjährige Hedwig von Walbeck, Tochter des Grafen Lothar und Tante des bischöflichen Geschichtsschreibers Thietmar, als Äbtissin ein, nachdem sie am Tage vorher den Schleier genommen hatte. Diese ließ die Kirche, wo auch ihre Mutter Jutta beigesetzt war, nachher in Steinen (Findlingsgranit), obwohl diese dort selten sind, ausführen. So erklärt es sich, daß Thietmar in Heßlingen ein Landgut besaß, auf dem er sich öfter aufhielt.

(Rindtorff bei Arneburg[1]), Kreis Stendal, wird schon in einer Urkunde des Papstes Benedikt VII. erwähnt (981-983). Danach nahm Otto II. Arneburg, dem auch die Hälfte von Rodenstorp (Rindtorff) überwiesen war, in kaiserlichen Schutz. Dort in Arneburg erstand 977 ein Kloster, das dem heiligen Thomas und der Maria geweiht war. Es wurde vom Burggrafen Bruno von Arneburg, einem Verwandten des sächsischen Kaiserhauses, und seiner Gemahlin Friederuna, gestiftet und mit Benediktiner-Chorherren besetzt und 980 vom Papst Benedikt VII. bestätigt. Sein Bestehen war nur von kurzer Dauer; jedenfalls wurde es schon 997 bei der Zerstörung Arneburgs mit in Asche gelegt und später nicht wieder aufgebaut.

Im Jahre 979 tritt ein Nonnenkloster S. Laurentii in Calbe in das Licht der Geschichte. Es hat sich über die Lage dieses Klosters eine ganze Reihe geschichtlicher Abhandlungen, namentlich in den Altmärkischen Geschichtsberichten, gebildet; die einen treten für Calbe an der Milde, die anderen für Calbe an der Saale, die dritten für Schöningen ein, wo die Vorstadt Ostendorf den Namen Calve geführt hat (Altm. Jahresbericht 1, 5, 21 I und II). Wenn wir uns auch für Schöningen entscheiden müssen, also für die Lage des Klosters außerhalb der Altmark, so haben wir doch Grund, uns hier damit zu beschäftigen, weil das Kloster mit vielen altmärkischen Besitzungen ausgestattet ward. freilich wurde das ursprüngliche Nonnenkloster in ein Augustiner-Mönchskloster verwandelt und auf einem weiter oberhalb gelegenen, dem Bischof von Halberstadt gehörigen Hof neu erbaut, aber dieses neue Kloster wurde mit den sämtlichen Besitzungen des ursprünglichen Nonnenklosters ausgestattet. Die Besitzungen des Klosters lernen wir in der am 18. Oktober 1121 zu Halberstadt ausgestellten Urkunde kennen. Zu den altmärkischen Besitzungen gehörten die folgenden: Balligge (Bellingen), Swardelese (Schwarzlosen) und Buga (Buch), in welchen das Kloster einzelne Höfe und Hufen besaß, Eslestede (Estedt) und Akendorf (Ackendorf), beide als bei Gardeleben gelegen bezeichnet und beide dem Kloster ganz gehörig, samt einem Anteil an dem bei diesen

Dörfern gelegenen Walde Heimisse, Droploge (vielleicht Trippigleben) ganz, Luiduine (Luthäne) halb, Schirinbeche (Schernebeck) ganz, mit Ausnahme zweier Hufen, welche dem Bischof Reinhard gehört hatten, von diesem aber auch dem Kloster zu Schöningen übertragen waren, endlich in Allende, einem schon früh wüst gewordenen Dorfe, das in der Wische gelegen haben soll. Wir glauben, daß die Zuwendungen an die Klöster für die Christianisierung der Altmark von beträchtlichem Einflusse gewesen sind, denn es ist anzunehmen, daß die Klöster ihre geistliche Tätigkeit auch auf die ihnen zugewiesenen Dörfer und deren Bewohner ausgedehnt haben. Daß in den bedeutenderen Orten, wie namentlich in den Burgen, das Christentum ebenso wie das Deutschtum gepflegt wurde, ist wohl selbstverständlich. So können wir es verstehen, wenn Helmold von Bosow(1160 bis 1170), der Verfasser einer Slawenchronik, schreibt, es habe zur Zeit der Ottonen bis zum Jahre 983 nichts gegeben, was der jungen Kirche entgegengestanden hätte. Wenn das sogar von den Wendenländern östlich der Elbe galt, so galt es erst recht von der Mark westlich dieses Flusses. Freilich müssen wir einschränkend bemerken, daß mit dem äußeren Fortschritt nicht immer die innere Durchdringung mit dem Christentum verbunden war; wir wissen ja, wie zäh die Wenden innerlich an dem Heidentum festhielten. Das sollte sich nur zu bald zeigen.

III. Die dritte Periode, die Zeit Albrechts des Bären, ist die bedeutungsvollste; sie brachte endlich das Christentum in der Altmark zum Siege. Aber wie oft war es in der langen Zeit von 983 bis 1154 in furchtbaren Kämpfen von den Wenden überwunden worden! Die Geschichte dieses entsetzlichen Ringens ist so bekannt, daß es genügt, hier die wesentlichsten Ereignisse aus ihr herauszuheben. Ein sehr verhängnisvolles Jahr war das Jahr 983. Der Kaiser Otto II. weilte im fernen Süden; er wurde am 15. Juli 982 bei Squillace (Cotrone in Calabrien) von den Griechen aufs schwerste geschlagen. Die Nachricht von dieser Niederlage rief 983 den großen Wendenaufstand hervor. Nicht nur die slawischen Eindringlinge der Altmark, sondern alle Wilzen- und Lutizen-Stämme erhoben sich, setzten Dörfer und Städte der Marklande in Brand, erschlugen die Mönche und Priester und nahmen die schwachen Besatzungen gefangen. Havelberg und Brandenburg wurden erobert. Auf den Trümmern der beiden Bischofssitze wurde, nachdem so „die deutsche Kultur aus dem Boden gerissen war\", der alte Götzendienst von neuem errichtet und offen den „guten und lichten\" Gottheiten geopfert. Aber auch die Nordmark mit dem übrigen Sachsen wurde mit Raub und Brand erfüllt. Bald schweiften die Slawenscharen sengend und brennend jenseits der Elbe in der Nordmark herum; ein Schwarm Obotriten erschien vor dem S. Lorenz-Kloster in urbe Calvo und steckte es in Brand. Inzwischen hatten andere Schwärme die Elbburgen Werben, Arneburg und Tangermünde sowie Walsleben zerstört und waren, das offene Land plündernd und verwüstend, bis zum Tanger, einem linken Nebenflüßchen der Elbe, vorgedrungen. Da stellten sie ihnen endlich die Deutschen entgegen, drängten die Feinde über die Elbe zurück und nötigten sie zum Rückzug, konnten es aber nicht hindern, daß die kirchlichen Stiftungen jenseits des Stromes vernichtet blieben, daß slawische Häuptlinge den nördlichen Teil der Altmark, das Land an der Uchte und am Aland, das „ganz wüste von Volk und voll langen Rohres\" war, behaupteten und das Christentum mit seinen Ordnungen auch hier völlig ausrotteten. Damit hatten die Christianisierungsbestrebungen wieder ihren Tiefstand erreicht; an dieser Tatsache änderten die immer erneuerten Unternehmungen der Deutschen in der Folgezeit nicht viel. Schmidt bezeichnet a. a. O. das Ergebnis der vielgepriesenen Ottonenzeit folgendermaßen: „Die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg hielten sich außerhalb ihrer Sprengel auf, ihre Lande waren wendisch.\" Adam von Bremen konnte in seiner hamburgischen Kirchengeschichte mit Recht sagen: „Die Wenden zwischen Elbe und Oder, welche 70 Jahre und darüber während der ganzen Ottonenzeit dem Christentum angehangen hatten, fielen ins Heidentum zurück.\" Auch der nördliche Teil der Nordmark war wendisch, wenn auch Salzwedel und Bismark mit deutschen Besatzungen belegt waren. Der Teil der Altmark, der sich auf Werben, Arneburg und Tangermünde stützte, war deutsch. Dieser Teil gehörte zum Bistum Halberstadt, dessen Grenze gegen das Bistum Verden in den Jahren 1012 bis 1023 festgesetzt wurde, so daß hier Uchte, Biese und Prisatine (der alte Aland mit seiner Mündung etwas unterhalb Werben) die Grenze bildeten.

Auch unter den beiden ersten fränkischen Königen und unter den Markgrafen aus dem Hause Haldensleben änderten sich die Verhältnisse in der Nordmark nicht wesentlich. Wie einst, 1005, Heinrich II., so verhandelte auch Konrad II. persönlich in der alten Grenzfeste Werben mit den Wenden (vgl. E. Wollesen, Chronik der altmärkischen Stadt Werben und ihrer ehemaligen Johanniterkomturei, 1898, Seite 2 f.). Aber das Ergebnis aller Verhandlungen war immer wieder dasselbe: Die Wenden brachen nach dem Abzug der Deutschen treulos mit Mord und Raub in die Nordmark ein, und die Deutschen unternahmen Rachezüge in das Wendenland hinein. Das Wenige, was erreicht wurde, war dieses: Deutsche Burgen wurden im Havellande erbaut, deutsche Ansiedler ließen sich in den Sprengeln von Havelberg und Brandenburg wieder nieder und verehrten den Christengott, während die neben ihnen frei und unabhängig auf ihrem Grund und Boden ansässigen Wenden ihren alten Gottheiten dienten. So konnte die Macht Bernhards II., des Markgrafen der linkselbischen Nordmark, auf dem rechten Elbufer keine tiefen Wurzeln fassen. Aber auch dieses Wenige, was erreicht war, wurde vollständig wieder vernichtet durch die furchtbare

Niederlage der Deutschen am 10. September 1056 bei Prizlawa in der Nähe der Havelmündung.

Etwas günstiger sah es in dem westlicheren Teil der Nordmark aus, der weniger unter den wendischen Einfällen zu leiden hatte. Dort war schon 1022 das Dorf Steinedal (Stendal) von Bischof Bernward von Hildesheim dem Michaeliskloster geschenkt, in welche Schenkung auch die Dörfer Elversdorf (Kreis Stendal) und Bremezhe (jetzt eine Wüstung, deren Lage unbekannt ist) eingeschlossen waren. Dort verlegten die Markgrafen ihren Wohnsitz nach Salzwedel, das als markgräfliche Residenz schnell aufblühte und Anlaß zur Entstehung des Namens „Mark Salzwedel\" gab. Dort erstanden um diese Zeit (vgl. E. Schmidt a. a. O. 4. Teil, S. 53) die Burg Gardelegen an der oberen Milde und Ostaraburg (Osterburg) an der unteren Biese.

Die Kämpfe mit den Wenden dauerten unter den Kaisern Heinrich IV. und Heinrich V. sowie unter den Markgrafen aus dem Hause Stade mit wechselnden Erfolgen an. Wie das Jahr 1056 einen Tiefstand für die Christianisierung der Altmark bedeutet, so nicht minder das Jahr 1113. Tief gehende andauernde Streitigkeiten zwischen den Großen des Reiches waren ausgebrochen. 1113 kam es dahin, daß der Markgraf Rudolf selbst die Liutizen ins Land rief, um sich ihres Beistandes gegen Milo, den Sohn des Grafen Dietrich von Ammensleben, zu bedienen. Was aber geschah? Die treulosen Bundesgenossen besetzten Havelberg, nachdem sie die schwache markgräfliche Besatzung verjagt hatten. Um der beständigen Streitigkeiten willen im eigenen Lager hatten die Markgrafen aus dem Hause Stade trotz vereinzelter glücklicher Unternehmungen gegen die Wenden nur geringe Erfolge. Mit dem Sitze in Salzwedel konnten sie nur die nächste Umgebung der Stadt behaupten. Die Lande jenseits der Elbe blieben dauernd in slawischem Besitz. Noch 1127 waren die Bewohner von Havelberg Heiden; erinnert sei an die Erlebnisse, die Otto von Bamberg dort hatte, als er im genannten Jahre auf seiner zweiten Reise zur Bekehrung der Pommern nach Havelberg kam. Von einer Wiedererrichtung der Bistümer Havelberg und Brandenburg konnte noch immer keine Rede sein. Die Bischöfe weilten außerhalb ihrer Sprengel, meist am kaiserlichen Hofe. Dem Havelberger Bischof zu Ehren hatten im 11. Jahrhundert Havelberger Domherren, die in Döllnitz (östlich von Calbe a. d. Milde) weilten[2]), auf einer nahen und gesicherten Stelle, noch weiter östlich, eine Burg gegründet und Biscopesmark (Bismark) genannt.

Verschiedene günstige Verhältnisse führten endlich den völligen Sieg des Christentums und des Deutschtums in der ganzen Nordmark herbei. Die Stadeschen Markgrafen hatten zweierlei erreicht, die von selbst zur Geltung kommende Erblichkeit und den eigenen Besitz in der Nordmark, ohne welchen schwerlich die Neugründung und Wiederausrichtung der Mark ihren Nachfolgern, den Askaniern, gelungen wäre. Dazu kam die ruhmreiche Regierung Lothars von Sachsen, von dem ein sächsischer Chronist bewundernd berichtet: „Ihm bezeugten Könige und Königreiche die höchste Verehrung. Von Ungarn, Russen, Dänen, Franzosen und den übrigen Völkern und Königen wurde er mit Geschenken und Gesandtschaften beständig aufgesucht. Denn unter ihm war das Reich von Frieden beglückt; der Wohlstand war in Fülle verbreitet; die Gerechtigkeit führte das Szepter, die Ungerechtigkeit kam zum Schweigen.\" Am bedeutungsvollsten war für die Christianisierung der Altmark die Tatsache, daß König Lothar, Herzog von Sachsen, 1134 mit der Nordmark seinen tapferen Kampfgenossen Albrecht den Bären von Ballenstedt als Lohn für die auf dem italischen Feldzuge geleistete Hilfe belehnte, den Mann, der endlich der schwer geprüften Nordmark den Frieden gab, so daß sie nun nicht nur das Christentum, sondern auch das Deutschtum ungestört ausbreiten konnten.

Das große Verdienst Albrechts des Bären bestand also darin, daß er endgültig der Nordmark den Frieden brachte. Ist dieses Verdienst des Askaniers angefochten worden. In dem 4. Bande der Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte wird die Frage: „Wann begann die rationelle Germanisierung des Landes (der Prignitz)?\" folgendermaßen beantwortet: „Ich glaube, man wird sagen dürfen, in den ersten Dezennien des 12. Jahrhunderts, nachdem Lothar von Supplinburg angefangen hatte, so planvoll und energisch, wie es seit Geros Zeiten nicht mehr geschehen war, die Ostseeslawen fortwährend mit Kriegszügen heimsuchen und ihre Macht zu zerreiben. Im Jahre 1054 gelangte die Nordmark in die Hand der Grafen von Stade. Wir wissen von diesem Fürstenhause, daß es zu Salzwedel, als dessen Markgrafen seine Mitglieder wohl bezeichnet werden, seine Residenz hatte. Nun ist es ferner bekannt, daß sie den Slawen ganz im Süden den vorgelagerten Grenzstrich rechts der Elbe zwischen Ihle, Stremme und Havel entrissen haben, daß sie ferner 1100 Brandenburg, wenigstens vorübergehend, in ihre Gewalt brachten: Ist es da glaublich, daß sie den Feind in ihrer Nähe geschont und ihre Hauptstadt jedem feindlichen Vorstoß von jenseits der Elbe preisgegeben haben sollten? Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, daß die Slawen in der Prignitz, soweit sie noch in kompakten Massen unter nationalen Häuptlingen zusammensaßen, tributpflichtig waren und sie wenigstens äußerlich zum Christentum bekannten. So war die Prignitz völlig unterworfen, ein gesicherter, wenn auch noch nicht germanisierter Besitz, als Albrecht der Bär 1134 durch Belehnung mit der Nordmark die Erfüllung lang gehegter Wünsche erreichte.\" Ich kann dem nicht zustimmen. Zur Zeit der ersten Markgrafen aus dem Hause Stade, Udo I. und II., war trotz der wiederholten Kriegszüge an ein Abhängigkeitsverhältnis der Wenden an der Havel und ihren Nebenflüssen zu den Markgrafen der Nordmark nicht zu denken. Das Christentum war unter ihnen bis auf wenige Spuren so gut wie erstorben. Die Liutizen standen dem Markgrafen Udo II. weder zu Recht noch zahlten sie Tribut. So lange aber die rechtselbischen Wenden nicht für das Christentum gewonnen und zu endlichem Frieden gezwungen waren, konnte auch der Friede auf dem linken Elbufer nicht gesichert gelten. Unter den letzten Markgrafen aus demselben Hause, Rudolf, Heinrich II. und Udo, dauerten die Kämpfe mit den Wenden unter wechselnden Erfolgen an. Von dem Jahre 1113 war schon oben die Rede. Die bedauerlichen Streitigkeiten im Deutschen Reiche, die trotz des Vergleichs in Salzwedel (1112) immer wieder aufloderten, mußten ja die Wenden zu neuem Aufstand reizen. Wohl unternahm Herzog Lothar von Sachsen verschiedene Einfälle weit in das Wendenland hinein, so namentlich im Jahre 1121, aber die Erfolge blieben aus. Ja, Albrecht der Bär mußte selber noch einmal gegen die Söhne Wirikins, die das Gebiet von Havelberg inne hatten, zu Felde ziehen, mußte die Prignitz im Winter 1136/37 bis zum Rhin erobern und eine Kreuzfahrt mit dem Erzbischof von Magdeburg, den Bischöfen von Halberstadt und Brandenburg und vielen Fürsten mit einem noch durch polnische Scharen verstärkten Heere unternehmen, auf dem man bis nach Pommern vordrang. Nach allem können wir sagen: Die Markgrafen aus dem Hause Stade haben dem westlichen, Lothar und namentlich Albrecht der Bär haben dem am meisten gefährdeten östlichen Teil der Nordmark den endlichen Frieden gegeben. Nur ein Fürst von der Tatkraft eines Albrechts konnte den treulosen Feinden Furcht einjagen und sie zur endgültigen Unterwerfung bewegen.

Nachdem Albrecht der Nordmark den Frieden gegeben, schritt er zu einem höchst bedeutsamen Werke, nämlich zur Kolonisation der an der Elbe von Altenzaun bis Schnackenburg sich hinziehenden Wische. Auch dieses Verdienst des Askaniers hat man zu schmälern versucht. Dr. Theodor Rudolph erklärt die Berichte über die Einwanderung und Tätigkeit der Niederländer, Flam- und Seeländer, Rheinländer und Westfalen als sehr übertrieben; er meint damit namentlich den Bericht der „Slavischen Chronik\" des Helmold, den des Dominikanermönches Hermann Korner zu Lübeck (c. 1402---1437) und endlich den der „Uralten Sachsenchronik\" (bis 1438 reichend und in niedersächsischem Dialekt abgefaßt), abgedruckt in der Sammlung etlicher noch nicht gedruckten alten Chroniken, die der in dem altmärkischen Hindenburg geborene Caspar Abel 1732 zu Braunschweig herausgegeben hat. Der oben genannte Kritiker nennt den Bericht des Helmold übertrieben, bezeichnet Korner als einen höchst unzuverlässigen und durchaus unglaubhaften Kompilator und sagt von der gegen die Mitte des 15. Jahrh. entstandenen Sachsenchronik, sie sei sagenhaft, traditionell erweitert und mit Ausschmückungen versehen, auch aus viel zu später Zeit. Mag dieser Kritiker recht haben; für den Teil der Nordmark, der sich in breitem Gebiet von Altenzaun bis Schnackenburg an der Elbe hinzieht, kann das Werk Albrechts des Bären gar nicht hoch genug bewertet werden. Die Bedeutung desselben ist eine dreifache, eine kulturelle, eine kirchliche und eine politische. Als Albrecht die Herrschaft in der Nordmark antrat, lag, wie Nottrott a. a. O. S. 454 ff. berichtet, das Land fast als eine Wüste da. Von Deutschen ziemlich entblößt, war es zum größten Teil wieder in den Besitz der Wenden gekommen. Die Markgrafen hatten sich 1½ Jahrh. lang mit Mühe der Angriffe der überelbischen Slawen zu erwehren gehabt und wenig für die Kultur des Landes getan. Außer den wenigen oben genannten und bald wieder zerstörten Klöstern wird uns in der Nordmark in der ganzen Zeit kein Kloster genannt. Kirchen wird es nur in den größeren Ortschaften gegeben haben; nicht nur die Wenden des jenseitigen Ufers bedrohten das Land, sondern auch die Wogen des Elbstromes selbst. Wohl gab es schon Deiche, aber sie waren von jedem Orte höchstens zum eigenen Schutze angelegt, noch nicht nach einem großen gemeinsamen Plan mit dem Blick auf die Sicherheit des ganzen Landes. Das wurde nun durch die Kolonisation alles anders, alles besser. Die Einwanderer kannten aus ihrer Heimat die Kunst, Deiche zu bauen, Sümpfe zu trocknen, Gräben zu ziehen, Äcker zu vermessen, Dörfer anzulegen, Ackerbau zu treiben. So entstanden in langsamer, überaus mühsamer Arbeit die starken, hohen Elbdeiche, die schmalen langen Ackerstreifen, die zahlreichen Abzugsgräben, die getrennten Dorfanlagen. Damals erhielt der Aland den Lauf, den er noch heute unter dem Namen des „Tauben Aland\" hat; damals entstanden die Querabzüge, die Große Wässerung, der Schiffskanal u. a. Was muß es damals für ein gewaltiges Leben und Regen, Walten und Wirken, Raten und Taten in der bis dahin so stillen Gegend gegeben haben! Nur zwei Urkunden melden uns, daß Albrecht selber in der Altmark gewesen sei: Am 3. Oktober 1157 stellte er in Werben eine Urkunde aus, in der er seine Rechte in dem altmärkischen Polkritz an das Harzer Kloster in Ilsenburg abtrat. Am 12. Juni 1162 weilte er in Arneburg, wo er dem Kloster Lammspringe den vierten Teil des Kirchlehns zu Apelern mit Zustimmung seiner Söhne schenkte. Wir können mit Recht annehmen, daß er öfter in diesem Teile seiner Mark geweilt hat, um sich von dem jeweiligen Stande und Fortschritt seines Kulturwerkes zu überzeugen. Aber hier kommt es ja auf die Bedeutung an, die das Kolonisationswerk für die Christianisierung der Nordmark gehabt hat. G. Daume a. a. O. faßt seine Ausführungen über die kirchliche Bedeutung des Kolonisationswerkes dahin zusammen: „Die ersten Kolonisten wurden vom Erzbischof Friedrich von Bremen ins Land gerufen; sie erschienen zuerst sämtlich unter Führung ihrer Pfarrer. Das ganze Werk war kirchlich organisiert. Die Bischöfe stellten geradezu die Kolonisierung der Slawenländer als Kreuzzug dar." Die christlich-germanischen Kolonien, die in die wendische Bevölkerung hineingeschoben wurden, übten je länger, desto mehr wegen ihrer hervorragenden Stellung eine gewisse Anziehungskraft auf die Wenden aus; das deutsche Recht und die deutsche Verwaltung machten sich immer mehr geltend. Die Einwohner lernten von den Kolonisten nicht nur die Vorteile eines ergiebigen Ackerbaues und nützlichen Gewerbes kennen, sondern das Vorbild christlichen Gottesdienstes und Gemeinschaftslebens. Sie schlossen sich zu einem großen Teile der deutschen Bevölkerung an. Übrigens folgten den ersten Zügen der Kolonisten später neue nach. „Wo die Kolonisten\", schreibt Nottrott a. a. O., „auch niederließen, gleichviel ob sie altwendische Dörfer in Besitz nahmen oder neue Dörfer gründeten, so war mit ihrer Niederlassung die Errichtung einer Pfarrei und der Bau einer Kirche verbunden. Gleich bei der Zuweisung des Landes wurden zu diesem Zwecke Grundstücke ausgeworfen. Der den Ansiedlern auferlegte Zehnte gebührte grundsätzlich dem Bischof, würde aber gewöhnlich zum dritten Teile dem Pfarrer überlassen\".

Lange und zahlreiche Erörterungen der Geschichtsfreunde haben die beiden Fragen hervorgerufen: „Aus welcher Zeit stammen die schönen romanischen Kirchen in der sogenannten altmärkischen Wische, wie z. B. die in Lichterfelde, Ferchlipp, Giesenslage, Uchtenhagen u. a. O.?\" und „Woher ist der Baustil dieser Kirchen übertragen?\" Ich möchte hier diese Fragen nicht näher behandeln, aber doch wenigstens berühren. Der Geh. Oberbaurat Adler, dem wir das sehr wertvolle Werk „Mittelalterliche Backsteinbauwerke des preußischen Staates\" zu verdanken haben, führt die Kunst des Ziegelbrennens und den Stil jener altmärkischen Kirchen auf die Kolonisten Albrechts des Bären zurück. Dieser Ansicht treten andere Forscher, wie z. B. Theodor Rudolph in seinem schon oben erwähnten Buche „Niederländische Kolonisation in der Altmark\", mit aller Entschiedenheit entgegen; Rudolph schreibt u. a.: „Bereits 1106 wurden an der unteren Weser, ganz besonders in der Umgebung von Bremen, unter Erzbischof Friedrich an Zahl und Umfang sehr beträchtliche Kolonien angelegt. Dort sind aber keine Spuren so alter Ziegelbauten mehr auffindbar. In Holland selbst hat um die Mitte des 12. Jahrh. die Backsteinbautechnik nicht so in Blüte gestanden, daß aus der allgemein üblichen Anwendung dieser Bauart der Schluß auf eine Übertragung durch die Einwanderer berechtigt wäre. Die ersten Ansiedler haben ums tägliche Brot kämpfen müssen; sie haben weder Zeit noch Mittel noch die Kunst zu solchem Bau, wie Jerichow, gehabt. Die Klosterkirche zu Jerichow setzt Adler nämlich in die Zeit von 1149---1159. Diese Urkunden beziehen sich aber nicht auf die heute noch stehende Kirche, die (nach Schaefer) erst im 13. Jahrh. entstanden ist.\" Auf diesen Standpunkt in der Beantwortung der beiden obigen Fragen werden wir auch gestellt, wenn wir an die Baugeschichten der beiden bedeutendsten Kirchen dieser Gegend, die doch sicher von hervorragendem Einfluß auf die gesamten Kirchenbauten gewesen sind, der Jerichower Klosterkirche und des Havelberger Domes, denken. Die Kirche in Jerichow, die bald nach 1144 als Bruchsteinbau begonnen und gegen Ende des 12. Jahrh. in Backstein erneuert wurde, sowie der Havelberger Dom, der etwa 1138 bald nach der Wiedereroberung durch Albrecht den Bär begonnen und 1170 bei der Weihe in Bruchstein vollendet wurde, sind Bauten der Prämonstratenser. Beide Bauten waren also zunächst aus Bruchstein aufgeführt; die Backstein-Bauteile stammen erst aus dem Ende des 12. Jahrh. Daß die Kirche in Jerichow von lombardischen Maurern ausgeführt worden ist, hat Stiehl nachgewiesen; neuerdings hat Hamann auch auf normannische Einflüsse aufmerksam gemacht. Bei diesen lombardischen und normannischen Einwirkungen handelt es sich zunächst nur um die Technik und die Einzelformen. Der Urbau des Havelberger Domes ist ein „reiner, außen putzfreier Bruchsteinbau, von Bruchstein aus der Gegend von Magdeburg, der nur an ganz wenigen Stellen ausnahmsweise einzelne an Fischgrätenverband erinnernde, schräge Reihungen zeigt. Indessen muß hier festgestellt werden, daß die Backsteine schon als technisches Hilfsmaterial Anwendung fanden, denn eine Anzahl alter Balkenlöcher der Seitenschiffe dicht über den Arkaden sind auf eine Tiefe von etwa 80 cm (also ursprünglich!) mit Backsteinen ausgesetzt\" (vgl. Jahrbuch der Historischen Kommission f. d. Prov. Sachsen und für Anhalt, Bd. I, S. 461). Die ältesten reinen Backsteinbauten in weiterer Umgebung sind wohl die Ostteile des Brandenburger Domes (beg. 1165) und der Chor von S. Nicolaus daselbst (beg. 1160 u. gew. 1173). Aus allem dem hier Angeführten ergibt sich für die Beantwortung der obigen beiden Fragen das Folgende: 1. Die Kolonisten haben die Kunst des Ziegelbrennens nicht mitgebracht. 2. Die Backsteinkirchen der altmärkischen Elbwische stammen erst aus der Zeit nach 1200. 3. Der romanische Baustil ist auf die Prämonstratenser zurückzuführen. 4. Die Bruchsteinkirchen sind älter als die aus Backstein erbauten Gotteshäuser.

Einen Mittelpunkt aller seiner kirchlichen und kulturellen Unternehmungen schuf Albrecht der Bär in der Begründung einer Niederlassung der Johanniter in Werben a. d. Elbe, der ersten Ordensniederlassung in ganz „Mark, Sachsen und Wendland". Den äußeren Anlaß gab wohl der Tod seiner Gemahlin Sophia am 7. Juli 1160. Albrecht wollte durch solche fromme Stiftung für das Seelenheil der verstorbenen Gattin, aber auch für sein, seiner Kinder, seiner Vorgänger und Nachfolger Seelenheil sorgen. Er schenkte dem Orden die Werbener Pfarrkirche mit allem Zubehör und allen Nutzungen, den Zehnten ausgenommen, und 6 holländische Hufen mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß der aus dieser Schenkung zu erzielende Ertrag den im Spitale zu Jerusalem weilenden Armen alljährlich überschickt würde. Albrecht wird auf seiner Pilgerfahrt, die er 1158 und 1159 mit seiner Gemahlin Sophia, einer Staufin, und dem Bischof Ulrich von Halberstadt und zahlreichem Gefolge nach Palästina unternahm, die wohltätige Wirksamkeit des Ordens im Spital zu Jerusalem kennen gelernt haben. So wollte er mit der Werbener Schenkung die guten Zwecke und Werke des Ordens anerkennen und fördern. Es liegt der Gedanke nahe, daß Albrecht der Bär bei der Gründung gerade in Werben auch von dem Gedanken geleitet gewesen sei, für diese wichtige Grenzfeste an den Johannitern tapfere Verteidiger zu gewinnen. Indessen bieten die Urkunden hierfür keinen Anhalt. Nun war ja die deutsche Herrschaft jenseits der Elbe völlig unbestritten, nun war ja Werben keine Grenzfeste mehr, die der Verteidigung bedurft hätte. Die Werbener Ordensniederlassung ist ein Mittelpunkt wirtschaftlichen und geistlichen Lebens: Neben dem Vorsteher, dem Ordensritter, standen mit der Zeit 6 bis 7 Ordenspriester, die keine anderen Pflichten hatten, als die gottesdienstlichen Pflichten zu erfüllen.

Auch für andere Orte, Klöster und Kirchen erwies sich Albrecht als Wohltäter. Da diese Stiftungen für die Festigung des Christentums nicht unwichtig sind, müssen wir sie hier anführen. Im Jahre 1151 schenkten die Markgrafen Albrecht der Bär und Otto I., Vater und Sohn, nach der dazu erhaltenen Einwilligung Ödalrichs, damaligen Bischofs zu Halberstadt, des Diözesans dieser Gegend, außer nicht unbedeutenden Ländereien die „S. Nicolai-Kirche auf dem Berge\", d. h. die Kirche in dem bei Werben gelegenen Dorfe Berge, mit dem Rechte, den Zehnten daselbst zu erheben, der bischöflichen Kirche zu Havelberg. Die Zustimmung des Halberstädter Bischofs zu dieser Schenkung war notwendig, weil ja Berge, wie dieser ganze Teil der Wische, zum Bistum Halberstadt gehörte. Während die Kirche zu Berge zum Bistum Havelberg gehörte, war das Dorf Berge der im Jahre 1188 gestifteten Stendaler Domkirche mit der ausdrücklichen Bestimmung zugewiesen, daß die Einkünfte desselben ausschließlich dem jedesmaligen Inhaber der Stendaler Propstei zufließen sollten. In diese Schenkung waren auch die im Süden der Altmark gelegenen Dörfer Wittenmoor und Burgstall einbegriffen. Und noch einmal empfing das Havelberger Domstift reiche Gunstbezeugung: Bei der Einweihung des Domes 1170 schenkte Markgraf Otto diesem die altmärkischen Dörfer Dalchau und Drüsedau sowie die Hälfte des Dorfes Losse und zur Erleuchtung und Erhaltung der Kirche eine auf gewissen Hufen in der Wische ruhende Abgabe.

Kloster Hillersleben erhielt 1160 durch Albrecht den Bär das Dorf Slantitz (Schleuß bei Tangermünde) geschenkt, nachdem ihm der Kaiser auf Albrechts Bitte schon im Jahre 1132 aus zwei Wendendörfern den Wozop, eine wendische Getreidegabe, das später sogenannte Zipkorn, überlassen hatte.

Bedeutsam für die Christianisierung der westlichen Altmark war die Stiftung des Augustinerinnenklosters Marienwerder zu Diesdorf durch Graf Hermann von Warpke. Nach der Bestätigungsurkunde des Jahres 1162 erhielt es 8 Dörfer, deren Bewohner noch Slawen waren; diese Dörfer waren Groß- und Klein-Bergmoor, Abbendorf, Fahrendorf, Peckensen, Ellenberg, Waddekath und Bodenstedt. Das Kloster arbeitete eifrig, aber, wie es scheint, zunächst mit geringem Erfolg an der Bekehrung der Dorfbewohner. Noch 1235 hatten „gewisse Einwohner\" der Klosterdörfer Cuzeresdorp (wüst), Honlege (wüst), Modenborg und des andern Dorfes gleichen Namens (beide wüst) den christlichen Glauben nicht völlig angenommen, sondern hingen noch fest an gewissen heidnischen Gebräuchen. Deshalb beschloß der Propst, in einem dieser Dörfer eine Kirche zu erbauen. Als es 1245 zur Errichtung einer Taufkirche kam, hieß es in der Stiftungsurkunde ausdrücklich, daß die Errichtung deshalb erfolge, damit die Leute in den Dörfern, welche den christlichen Glauben noch nicht angenommen hätten, sondern noch Heiden wären, zur wahren Einheit des Glaubens gebracht würden. Zugleich wurde angeordnet, daß die Bewohner ihre Toten auf dem Gottesacker der Kapelle beerdigen sollten; sie hatten dieselben also offenbar bis dahin nach heidnischer Sitte in Feldern und Wäldern verstreut begraben. Die Verordnung erging mit der Drohung, daß wenn „genannte Menschen\" ihren heidnischen Gebräuchen nicht absagen wollten, deutsche Kolonisten katholischen Glaubens an ihre Stelle gesetzt werden sollten. 1223 war auch die Propstei Daehre westlich von Salzwedel dem Kloster untergeben.

Zu immer wichtigeren Mittelpunkten kirchlichen Lebens hoben sich die beiden Orte Seehausen und Stendal aus der Zahl der anderen altmärkischen Städte heraus. Seehausen wird zum ersten Male sicher in einer Urkunde Friedrichs I. vom Jahre 1174 erwähnt, in der das Archidiakonat Seehausen dem Bistum Verden zugesprochen wird. In der Urkunde wird der Archidiakon zusammen mit den Priestern der Wische genannt; ja der Archidiakonus wird ausdrücklich als Spitze einer wohlorganisierten Priesterschaft und als Stellvertreter des Bischofs zu Verden urkundlich bestimmt. Das läßt auf eine langjährige kirchliche Bedeutung des Ortes schließen (vgl. Daume a. a. O. S. 27, ferner 37. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins S. 40 ff.). E. Schmidt a. a. O., 3. Teil, S. 13, Anm. 1; meint in dem zum Jahre 1008 genannten Sidegeshusun und Werben, welche Orte Abgaben an das Stift Merseburg abzuführen hatten, die beiden altmärkischen Städte Seehausen und Werben erblicken zu können. Bei der großen Zahl gleichnamiger Orte in größerer Nähe von Merseburg, bei dem Mangel an bestimmten Hinweisen auf die altmärkischen Städte ist diese Meinung anfechtbar. Jedenfalls aber hat Seehausen namentlich seit 1174 eine hervorragende Bedeutung für das kirchliche Leben der Wische. Nottrott a. a. O. S. 457 führt den wendischen Namen an. Der Name Seehausen stammt von den Kolonisten. Steinedal (Stendal) wurde als Dorf 1022 von Bischof Bernward von Hildesheim dem dortigen Michaeliskloster geschenkt, ebenso die Dörfer Elversdorf, Kr. Stendal, und Bremezhe (jetzt Wüstung). Um 1164 (vgl. Altm. Jahresbericht 37 S. 9 ff.) gab Albrecht der Bär dem Dorfe Steinedal (Stendal) Magdeburger Stadtrecht und Marktgerechtigkeit. Die zum Markte kommenden Kaufleute sollten 5 Jahre lang Zollfreiheit genießen, die Bewohner der Stadt aber frei sein von Abgaben bei ihrem Verkehr mit Brandenburg, Havelberg, Werben, Arneburg, Tangermünde, Osterburg und Salzwedel. Dadurch erhielt Stendal großen Einfluß auch in kirchlicher Hinsicht; es bildete den Mittelpunkt, von dem aus sich das Licht des Christentums in die weiteste Umgebung Bahn brach. Aber noch viel bedeutender wurde dieser Einfluß, als Heinrich, Graf zu Gardelegen, und sein Bruder Otto II. von Brandenburg um 1188 dort ein dem heiligen Nicolaus geweihtes Chorherren- oder Domstift gründeten. Seine reiche Ausstattung sowie der Umstand, daß es unmittelbar dem Papste untergeordnet würde, weisen darauf hin, daß es wohl der Sitz eines altmärkischen Bistums werden sollte.

Nach der Überlieferung des ältesten märkischen Chronisten, des Osterburger Pfarrers Christoph Entzelt, hat Graf Werner von Osterburg das Kloster Crevese bei Osterburg 1157 zum Gedächtnis seines bei der Erstürmung von Brandenburg gefallenen Sohnes gestiftet. Diese Nachricht des sonst als wenig zuverlässig bekannten Chronisten hat viel Wahrscheinlichkeit für sich, denn in der ältesten bekannten das Kloster betreffenden Urkunde vom 21. September 1249 ist schon von einem Propst und Konvent des Klosters von Krevese, also schon von einem vollständig eingerichteten Kloster die Rede. Es war wie das 1184 gestiftete Kloster in Arendsee ein Benediktinerinnenkloster. Daume a. a. O. S. 29 führt noch das Kloster der Cisterzienserinnen in Neuendorf seit dem 11. Jahrh. und die Niederlassung der Franziskanerinnen dritter Ordnung und der Augustinerinnen in Stendal an und schreibt über den Einfluß der Klöster, besonders der Nonnenklöster, auf das umwohnende Volk Näheres.

In der Nähe von Seehausen gab es seit der Zeit vor 1200 noch einen wichtigen Mittelpunkt geistigen Lebens, das Collegiatstift in Groß-Beuster, dessen älteste Urkunde freilich erst aus dem Jahre 1246 stammt.

Mit starker Hand hatte Albrecht der Bär die Verhältnisse der Mark geordnet. Ohne feste Residenz, wie sie die Markgrafen aus dem Hause Stade in Salzwedel gehabt, war er für alles treu besorgt im Lande umhergezogen. Seine Gerichtstage, die er als Inhaber des Königsbannes hielt, hatten ebenso wenig an ein für allemal bestimmten Orten stattgefunden. Der Tribut der Wenden gebührte allerdings noch dem Kaiser, aber gleich den früheren Markgrafen hatte auch Albrecht einen Anteil an demselben. Nach Albrechts Tode setzten als seine Nachfolger das von ihm begonnene Werk kräftig fort. Neue Scharen von Kolonisten folgten, neue geistliche Stiftungen traten ins Leben, neue Mittelpunkte für das christliche Leben erstanden in ihnen, wie z. B. das schon genannte Benediktinerinnenkloster in Arendsee für die Umgegend des Ortes, insbesondere für die dem Kloster zugeeigneten Dörfer, das demselben Orden gehörige, zu Dambeck gegründete Kloster für die Salzwedeler Gegend, das Augustiner-Mönchskloster in Salzwedel für die Stadt Salzwedel. Alle diese Klöster halfen die Wenden für das Deutschtum und das Christentum zu gewinnen. Das aber geschah friedlich und sehr langsam. Noch Jahrhunderte nach den Tagen Albrechts des Bären gab\'s in der Altmark Reste einer wendisch redenden Bevölkerung. Daß aber bei dem Charakter der Wenden sich trotz äußerlicher Bekehrung zum Christentum noch viel wendisch-heidnisches Wesen lange erhielt, läßt sich denken (vgl. 17. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins S. 172 ff.).

Fußnoten

[1]Hahn will unter Rodenstorp Rodensleben bei Magdeburg verstanden haben (cf. Altm. Jahresbericht 36, 5. s. unten).
[2]Zahn behauptet, daß ein Aufenthalt der Havelberger Domherren in Döllnitz urkundlich nicht nachweisbar sei (Altm. Jahresbericht 36, S. 106).