Zur Geschichte des Ritterguts II in Wendemark.

Von E. Wollesen, D. theol. h. c., Zeitz.

Den folgenden Ausführungen liegt besonders ein Schreiben zugrunde, das der Seehäuser Bürgermeister Franz Engel unter dem 14. November 1741 verfaßt hat. Er bittet darin, ihm in seines verstorbenen Vetters Hilmar Friedrich Engel nachgelassenes Gut zu Wendemark die Nachfolge zu gestatten. Zuvor wollen wir das Lehn beschreiben und zwar nach dem Lehnbrief vom 25. April 1713:

Es besteht aus dem Wohnhof zu Wendemark mit 4 Hufen und 2 Kossaten wüsten Erben oder Land, jährlich auf 2 Stücke gerechnet, Achim Ruwen Hof daselbst mit 2 Hufen, Hans Beilingens Hof mit 3 Hufen und ihre Wischen, Gewerte, Zehenden, Holzung, Wassern, Gerichten, obersten und niedersten, Diensten und Zubehörung, ferner aus dem geteilten Zehnt über 1 Hufe in der von Redern Hof, welchen jetzt Balentin Krusemark bewohnt, und über ½ Hufe derer von Jagow, Kirchland genannt, ¼ von einer Hufe Landes nebst Pletzen Hof im Gericht zu Paris gelegen usw. Es folgen noch Angaben über Getreidehebungen über Mewes Dietrichs Hof zu Groß-Ballerstedt, über Simon Teggen Hof und Hufen bei dem Speckhof zu Lichterfelde und über den Speckhof. Ferner das Straßengericht von dem Heiligen Busch bis auf die Mühlenbrücke zu Wendemark.

Dieses Rittergut war lange Zeit im Besitz der Familie von Wultzsch gewesen. Als sie in der Mitte des 17. Jahrh. ausstarb[1], wurde das Gut dem Bürgermeister Knüppelholz auf gewisse Jahre adjudiciert. Seine Witwe heiratete Peter Engel, Accise-Direktor zu Seehausen, der dadurch das erkaufte Gut zwar mit überkommen, die eröffneten Lehen aber seinem Sohn Andreas I. überlassen hatte, welcher denn auch damit am 12. Februar 1687 beliehen wurde.

Andreas Engel I. verheiratete sich mit der Tochter des benachbarten Gutsbesitzers Heidenreich Riepert. Im Januar 1688 vergleichen sich beide Männer: Engel gibt dem Schwiegervater Zeit seines Lebens eine bestimmte Pension und soll nach dessen Tode dessen Frau Schwester, einer verehelichten Schleßmann, die Hälfte der Kaufgelder, des Inventars und anderer Erbschaftsstücke entrichten. Andreas I. hatte vier Söhne, 3 aus erster Ehe, Joachim Christoph, Johann Heinrich, Andreas II., und aus zweiter Ehe Hilmar Friedrich sowie eine Tochter Loysa Polyxena. Alle vier Söhne werden 1713 als Gesamthänder belehnt, „jedoch, daß Johann Heinrich und Andreas II., sobald sie aus fremden Landen wieder nach Hause kommen, Hilmar Friedrich aber nach erreichter Majorennität sich gleichfalls pflichtbar machen und überall praestanda prästitieren".

Andreas I. starb zu Tangermünde. Der Hof in Wendemark ging 1708 auf seinen ältesten Sohn Joachim Christoph über. Dieser hatte 2 Söhne und 4 Töchter; die Söhne hießen Andreas (III) und Christoph, jener war Soldat in Potsdam und starb früh, dieser starb im 16. Lebensjahr. So ging der Hof auf Andreas I. Sohn aus 2. Ehe, Hilmar Friedrich über, als Joachim Christoph am 5. August 1739 gestorben war. Noch ist der Wortlaut des Eides bekannt, den Bürgermeister Franz Joachim Güssefeld in Vollmacht Hilmar Friedrich Engels am 2. August 1740 geleistet hat: „Ich, Franz Joachim Güssefeld, huldige, gelobe und schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich alles und jedes, was mir jetzt vorgelesen, und ich wohl verstanden habe, stets, fest und unverbrüchlich halten will, getreulich, ohne alle Gefährde, so wahr mir Gott helfe um Christi willen. Vorstehenden Eid hat der B. Franz Joachim Güssefeld kraft gehabter Vollmacht und in die Seele Hilmar Friedrich Engels heute dato bei der vorgewesenen Erbhuldigung in Allerhöchster Gegenwart Sr. Königl. Majestät wirklich abgeschworen und darüber dieses Attestatum erhalten, wovon ein gleichlautendes Exemplar ad acta gelegt worden. Berlin, den 2. August 1740. (gez.) Henr. Wilh. Holtendorff."

Hilmar Friedrich Engel konnte sich nicht lange des Besitzes erfreuen; schon am 2.1.1742 starb er. Da er keine männlichen Leibes-Lehnserben, sondern nur seine Witwe hinterließ, so entstand ein heftiger Streit um das Successionsrecht. In diesem Rechtsstreit treten zwei als Gegner besonders hervor: Franz Engel, Bürgermeister von Seehausen, und Johann Friedrich Engel, Feldwebel bei des Königs Garde in Potsdam. Worauf gründeten sich ihre Ansprüche? Franz, oder wie er sich selbst gern nennt, Franciscus E., ist der jüngste Sohn des primus acquirens Peter Engel und des † Andreas I. leiblicher Bruder. Er hat 2 Söhne, nämlich Johann Georg und Christoph Wilhelm, ersterer Wachtmeister im Leibregiment unter Rittmeister von Loe Compagnie und letzterer Sergeant im Leopoldischen Regiment bei des Obristleutnants von Rindtorff Compagnie. Auf diese nahe Verwandtschaft stützt Franz Engel, Bürgermeister von Seehausen, seine Ansprüche und tritt, als sein Neffe Hilmar Friedrich gestorben, die possession des Gutes am 9.1.1742 an. Johann Friedrich E. stützt seine Ansprüche darauf, daß er ein Enkel des Peter E., des primus acquirens, und ein Sohn des Johann Albrecht, des Bruders Andreas I., sei. Uebrigens war sein Vater Johann Albrecht Leutnant im Schlippenbachschen Regiment. Schon am 10.1.1742 erhebt Johann Friedrich dagegen Einspruch, daß sein Oheim die possession des Gutes ergriffen; er will „des Königs hohen Schutzes und manutenenz sich dieserhalb zugleich alleruntertänigst getrösten". Aber auch Franz E. ist nicht untätig; unter dem 18.1.1742 berichtet er, daß Hilmar ohne Hinterlassung männlicher Leibes-Lehnserben gestorben und niemanden denn seine Witwe hinterlassen, die sich das Successionsrecht anmaßt. Franz gibt zu, daß, als sein Bruder Andreas I. zu dem Besitz der Güter gelangt, die gesamte Hand nicht der Gebühr nach verfolgt habe, aber er beruft sich darauf, daß der König 1717 alle begangenen Lehnsfehler „condoniert" habe. Er, Franciscus, habe 2 Söhne in Kriegsdiensten bei dem Leibregiment Cavallerie und dem Prinz-Leopold-Regiment als Unteroffiziere über 20 Jahre stehen; er bittet auch darum, ihn in die Succession zuzulassen. Unter dem 19.2. überreicht er ein Immediat-Rescriptum, auf welches der König an das Altmärkische Obergericht den Befehl ergehen läßt, Franciscus Engel solle die Sache in Güte oder durch den Weg Rechtens in foro ordinario ausmachen. Dem Feldwebel Johann Friedrich E. gelingt es, einen Termin gegen die Witwe und den B. Franc. zu extrahieren; darin wird folgendes abgemacht: Die Witwe des Hilmar Friedrich wird abgewiesen, weil nach der Lehnsconstitution vom 21. August 1718 keine Witwe oder sonstigen Allodialerben in Betracht kommen, nicht eher, als bis alle masculi et sim. investiti ausgestorben. Johann Friedrich E. sei allein ein agnatus und descendens von dem primus acquirens. Er hat den Lehnbrief vom 23. Oktober 1713 allein auf seine Brüder expedieren lassen, da sein Vater militiae causa absens gewesen. Die Witwe kann keine Ansprüche machen, so lange sich noch descendenten von dem ersten vasallo Peter Engel finden. Bürgermeister E. soll das von dem verstorbenen Vater behändigte Blanquet entweder retardieren oder beglaubigt anzeigen, wozu er es gebraucht habe, da dann nach Befinden dem Kläger deshalb iura zu reservieren. Kläger bittet auch, die Witwe Engel in die Erstattung der bisherigen aus dem Gute genossenen Aufkünfte und verursachten Kosten zu verurteilen. Des Klägers Vater, der Leutnant Johann Albrecht, ist 1698 reduziert und endlich 3 Jahre nachher völlig dimittiert, da er dann sich in Westfalen aufgehalten. Aber damit ist der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen. Am 31.12.1742 schreibt der B. Franz gegen den Feldwebel Johann Friedrich, am 20.1.1743 umgekehrt dieser gegen jenen, am 16.2.1743 die Witwe Engel gegen den Feldwebel, der am 20.4. als Leutnant erscheint, bis dann die juristische Fakultät der Universität Frankfurt a. O. ein Urteil in dieser Sache fällt, und die Obergerichte der Altmark, Landeshauptmann und Räte nach eingeholtem Rate der Rechtsgelehrten folgendermaßen entscheiden: Des Klägers Johann Friedrichs E. Suchen hat nicht statt. Die Beklagte, die Witwe E., ist, ihres Einwendens ungeachtet, schuldig, das streitige Gut nebst den eingehobenen Nutzungen Intervenienten (d. i. dem B. Franciscus Engel) abzutreten. Die aufgewandten Kosten werden aus bewegenden Ursachen gegeneinander billig kompensiert und aufgehoben. Gegen dieses Urteil appelliert Leutnant Engel unter dem 7.11.1743; er will es sich nicht gefallen lassen. Aber umsonst. Wir finden ihn nachher nicht als Besitzer des Wendemarker Rittergutes, sondern als Landrat zu Greifenberg in Pommern und dessen Sohn Johann Friedrich als Fürstlich Mecklenburgischen Wirtschaftsinspektor 1748 zu Pahl. Franc. E. führt im Schilde seines Wappens die Justitia mit Schwert und Waage, auf dem Helm einen wachsenden Engel.

+-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------+ | Peter Engel\ | | 🞩Witwe Knüppelholz\ | | Accise-Direktor in Seehausen\ | | primus acquirens. | +:================:+:================ | | +-----------------------------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+ | 1.Andreas I., belehnt 12.2.1687\ | 2. Jochim\ | | 3. Johann\ | 4. Johann Albrecht\ | 5. Dietrich\ | | 6. Fransicuc, B. in Seehausen | | | 🞩Tangermünde\ | † ohne Erben | | † ohne Erben | Leutenant\ | † ohne Erben | | | | | a) 🞩 .. Riepert\ | | | | † 3.5.1741 | | | | | | b) 🞩 ? | | | | | | | | | +------------------+----------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+ | | | | | | | | | | | +------------------+----------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+ | a) 1.\ | a) 2.\ | a) 3.\ | b) 1.\ | b) 2.\ | 1., 2., 3.,\ | 4.\ | 1 Johann Georg,\ | 2 Christoph\ | | | Joach.\ | Joh.\ | Andreas\ | Hilmar Friedr.\ | Loysa Polyxena\ | † vor dem\ | Johann Friedrich,\ | Wachtmeister | Wilhelm, Sergeant | | | Christoph\ | Heinrich\ | II.\ | † 2.1.1742,\ | verehel. Thalin\ | Vater | Feldwebel b. d.\ | | | | | 1708\ | ohne\ | ohne\ | 🞩 Rosina Giese | in Branden-\ | | Garde, 1743 Leutenant, 1748 Landrat zu Greisenberg i.P. | | | | | belehnt,\ | Erben † | Erben † | | burg, genannt\ | | | | | | | † 5.8.1739 | | | | 13.10.1742 | | | | | | +------------------+----------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+ | | | | | | | | | | | +------------------+----------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+ | 1.\ | 2.\ | 3-6\ | 1. N.,\ | 2. N.,\ | | Johann Friedrich,\ | | | | | Andreas III.\ | Christoph\ | Töchter | † 1733 in Osterburg | † in Brandenburg vor seinem Vater | | Fürstl. Mecklenbg. Wirtschaftsinspektor zu Pahl, 20.2.1748 genannt | | | | | gewes. Soldat; | † im 16. Lebensjahre | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | † in Potsdam | | | | | | | | | | +------------------+----------------------+---------------+---------------------+-----------------------------------+----------------------+--------------------------------------------------------------------+------------------+--------------------------------+---------------+

Seiten aus 01.251.-.Band.VI.Heft.3

Fußnoten

[1]E. Wollesen, Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg, Teil 1, Seite 17 ff.