Zur Militärgeschichte der altmärkischen Stadt Werben im 18. Jahrhundert.

Von E. Wollesen, Werben (Elbe).

Bei dem vorliegenden Versuch, einen Beitrag zur Militärgeschichte der altmärkischen Stadt Werben im 18. Jahrhundert zu liefern, kam es dem Verfasser nicht so sehr darauf an, eine ausführliche Geschichte der damals in Werben garnisonierenden Truppen zu schreiben, als vielmehr darauf, ein möglichst anschauliches Bild von dem äußeren und inneren Garnisonleben zu zeichnen. Ein solches Bild darf vielleicht auf einiges Interesse Anspruch erheben; es spiegeln sich in ihm damalige Sitten und Ereignisse wieder und es lassen sich an ihm mancherlei lehrreiche Vergleiche mit der Gegenwart anstellen. Die Wahl dieser „Blätter\" für den Versuch dürfte sich damit rechtfertigen, daß ja auch das Garnisonleben in den kleineren Städten des ehemaligen Herzogtums und Erzstiftes Magdeburg ganz ähnliche Bilder darbot. Einleitend sei übrigens noch hingewiesen auf die diesbezüglichen Aufsätze in den 19., 27. und 29. Jahresberichten des Altmärkischen Geschichtsvereins, sowie auf die Chronik der Stadt Werben, S. 193 ff.[1])

Die Stadt Werben hatte wegen ihrer Lage an einem bedeutsamen Elbübergange im 17. Jahrhundert einen großen Teil der berühmten brandenburgisch-preußischen Regimenter an ihren Mauern vorüberziehen sehen oder wohl gar einzelne Kompagnien derselben für kürzere Zeit in ihren Mauern beherbergt. Kein Truppenteil konnte damals längere Zeit an einem Orte in Garnison bleiben; die fortwährenden Kriege, in welche der große Kurfürst vom Jahre 1656 bis 1660 und dann von 1672 bis fast an sein Lebensende verwickelt war, machten bald beständige Märsche im Innern des Landes, bald das Ausrücken nach den Grenzen des Staates oder in das Feindesland erforderlich. Auch im 18. Jahrhundert dauerte in Werben zunächst wenigstens noch der stete Wechsel der Garnison fort. Am 1. Dezember 1718 nahmen 7 Oberoffiziere, 8 Unteroffiziere und 65 Gemeine von dem Dragoner-Regiment „von der Schulenburg\" unter dem Befehl des Kapitäns Albrecht Friedrich von Littwitz in Werben Quartier und blieben hier bis zum Jahre 1720. Am 19. Oktober 1720 wird ein Leutenant von dem Knesebeck „allhier kommandierender Offizier\" genannt. Bis zum 30. November 1724 finden wir hier Soldaten vom Infanterie-Regiment „Prinz Leopold Maximilian von Anhalt-Dessau\"; der an der Spitze dieser Truppen stehende Hauptmann Karl Ernst von und zu Adoltsheim starb am 29. März 1721 und fand seine letzte Ruhestätte in der hiesigen S. Johanniskirche. 1723 wird wiederholt ein Kapitän v. Kraut an der Spitze der Musketiere genannt. Unter dem 1. Dezember 1724 stellte der Rat der Stadt Werben dem kommandierenden Offizier von Bonin das folgende Zeugnis aus:
„Nachdem des Herrn Obristleutenants du Moulins Comp. von dem „Prinz-Leopoldi-Maximiliani zu Anhalt-Dessau\" Regiment zu Fuß vom 20. Mai a. c. bis den 1. Dezember bei uns in Quartier gestanden, in solcher Zeit hat der Lieutenant von Bonin jeden Monat das Quartiergeld für sich und die Unteroffiziere richtig abgetragen, auch übrigens solche gute Ordre gehalten, daß wir und die ganze Bürgerschaft mit Ihm von Herzen zufrieden gewesen. Weil nun die Comp. beordert worden, von hier auszumarschieren als haben wir gebührendermaßen dieses Attest der Comp. gutes Verhalten wegen erteilen wollen.\"

Sogleich nach dem Abzuge des Fußvolkes zogen Kürassiere von der Leibkompagnie des von Dewitz\'schen Regiments in Werben in Quartier und blieben bis zum 1. September 1727. Gerade für Kavallerie schien der Garnisonort besonders geeignet, weil die großen Elb- und Havelwiesen den Pferden reichliches und prachtvolles Futter boten. Als kommandierender Offizier wird mehrfach in den Jahren 1724 und 1726 ein Leutnant Schulze erwähnt. Unter dem 2. Dezember 1724, also gleich beim Einzuge der Garnison, wurden die folgenden strengen Vorschriften erlassen:

Es sollen die Bürger melden, wenn ein Reiter stiehlt, Taback auf dem Hofe oder bei der Fourage raucht, mit bloßem Licht in den Stall geht, wenn er verdächtige Reden wegen Desertion führt oder ohne Torpaß das Tor verläßt, nach der Reträte nicht im Quartier ist, nach derselben Bier verlangt, wenn ein Reiter im Hause Karten oder Würfel spielt, über zwei Stunden nacheinander beim Bier sitzt, mit „Weibstücken\" verdächtigen Umgang pflegt, mit Bürgern in Streit gerät, wenn in den Bier- und Branntweinhäusern Schlägerei vorkommt, und wenn eine auswärtige Desertion angesagt wird. Die Bürger sollen ihre Ställe und Kammern in gehörigen Stand bringen, Luken und Türen an dem Magazin verfertigen, eine Reitbahn für die Compagnie aptieren, für den Obersten ein Quartier machen, den Soldaten nichts ohne Konsens des kommandierenden Offiziers borgen, den Reitern das ihnen nach der Ordinanz Zustehende geben, dem einzelnen Reiter nicht über 3 Pfg. Branntwein des Morgens und des Abends verabreichen, die Bier- und Brottaxe in Gegenwart des Offiziers machen und schriftlich einreichen, das Maß Bier (ohne Schaum) für 6 Pfennig verkaufen, die Fleischtaxe in Gegenwart eines von der Garnison und eines Deputierten vom Rat anfertigen, bei Feuersgefahr sofort sich mit gefüllten Eimern und Spritzen einfinden, alle Kräfte zur Rettung anwenden, die Wassertonnen (mit Wasser, wenn es nicht friert) und Spritzen in Bereitschaft halten, nichts von der Fourage kaufen, bei Desertionsalarm des Trompeters vier Pferde vor des Leutnants Quartier bringen, die Liste, wer die Pferde halten muß, kommunizieren. Das Seehäuser Tor wollte der Leutnant mit der Wache allein versorgen, in die übrigen Tore einen Reiter täglich kommandieren, wogegen der Rat in diesen Toren (in dem Elb-, Räbeler- und Komturei-Tor) die Bürgerwache zur Hälfte ordinieren sollte. An der Elb-Fährstelle sollte die Postierung des Tages kontinuieren. Seitens der Garnison verpflichtete sich der kommandierende Offizier, bei entstehender Feuersgefahr nach Königlicher Allergnädigster Verordnung das Seinige beizutragen; der Alarmplatz soll auf dem Markte sein.

Die nun folgende Garnison blieb - natürlich mit mannigfachen Unterbrechungen - von 1727-1796 in Werben im Quartier. Es waren Kürassiere des Regiments, welches nacheinander die Namen „Graf von Lottum, von Papstein, von Bredow, von Driesen, von Horn, von Manstein, von der Marwitz, von Kalckreuth, von Ihlow, von Borstell und von Reitzenstein\" führte. Ursprünglich ein Dragoner-Regiment, ward es etwa 1717 in ein Kürassier-Regiment verwandelt. Noch einen anderen Truppenteil sah Werben kurze Zeit in seinen Mauern: Vom 18. Oktober 1741 bis 29. März 1742, während die eigentliche Garnison zum 1. schlesischen Kriege ausgezogen war, war hier die Comp. des Grafen Schlippenbach Hochlöbl. Jung-Waldow\'schen Regiments Kavallerie."

Sogleich im Jahre 1727 wurden Maßregeln für den Fall einer Desertion getroffen. Die ganze Bürgerschaft war in 3 Viertel geteilt. Bei vorgefallener Desertion sollten sich die Bürger des 1. Viertels am Elbtor, die des 2. im Räbel\'schen und die des 3. im Seehäuser Tore versammeln. In jedem Tore wurden 2 Rottenmeister gewählt. Die aus dem 1. Viertel mußten zwei Mann nach Quitzöbel senden, um die Desertion anzusagen, die aus dem 2. Viertel nach Berge und Räbel, die aus dem 3. Viertel nach Wendemark und Behrendorf. Die aus dem 1. Viertel mußten das Räbel\'sche Feld absuchen, die aus dem 2. Viertel das Bergische, die aus dem 3. Viertel das Behrendorfer und Wendemarker Feld. Wer ausblieb, wurde dem Rate gemeldet.

Bevor wir näher auf das Gebiet dieser Garnison eingehen, sei es gestattet, einige Nachrichten über die militärischen Zwecken dienenden Gebäude beizubringen. Die Hauptwache lag auf dem Markte am Rathause. Als Strohmagazin für die Garnison diente das eine Giebelgebäude des alten Rathauses. Die Montierungskammer befand sich in der oberen Etage der „Heilig-Geist-Kapelle\" oder „Salzkirche\"; eine Treppe am Ostgiebel ermöglichte den Zugang von außen. Der freie Platz gegenüber der Salzkirche wurde als Reitbahn benutzt. Der kommandierende Offizier wohnte in dem der Stadt gehörigen, 1769 neu erbauten Hause, welches noch heute an der Ecke des Marktplatzes und der Seehäuser Straße liegt. Die anderen Offiziere und Mannschaften waren in Bürgerquartieren untergebracht. Noch heute ist nahe am Elbtor eine sogenannte Kaserne aus jener Zeit vorhanden. Dicht neben einander liegen die beiden Haustüren; öffnet man die den Fenstern des Erdgeschoßes zunächst liegende Tür, so blickt man in einen gewöhnlichen Hausflur; tut man dies bei der unmittelbar daneben liegenden Tür, so findet man eine steile, in der ganzen Breite der Türöffnung in das obere Stockwerk führende Treppe. In solchen „Kasernen\" bildete das Erdgeschoß die Stallung für 3 oder 4 Pferde, während der Oberstock das Mannschaftsquartier war, dessen Tür mit Berücksichtigung der damals starken Neigung zum Desertieren nach dem Zapfenstreich hinter den Mannschaften verschlossen zu werden pflegte.

Selbstverständlich war die Garnison in jedem Frühjahr kürzere oder längere Zeit von Werben abwesend; so finden wir sie in der Regel in Tangermünde zur Revue, aber auch in Salzwedel, ja sogar in Magdeburg (1751) und in Spandau (1755). Während der Abwesenheit fiel den Bürgern der Wachtdienst zu. Als am 1. September 1729 die Comp. des Rittmeisters von Schlichting auszog und die Montierungskammer mit Montierungsstücken zurückließ, wurde bestimmt: Es sollten am Tage in jedem Tore zwei Bürger wachen, sich nach Toresschluß nach der Hauptwache verfügen und vor die Montierungskammer und das Fourage-Magazin Schildwache setzen. Die „aufgehende\" Wache sollte sich jeden Morgen um 6 Uhr vor der Hauptwache einfinden.

Unter dem Kommando des Rittmeisters von Plettenberg marschierte die Comp. am 14. März 1741 in den 1. schlesischen Krieg; unter dem Kommando des Obristwachtmeisters von Plettenberg kehrte sie am 26. Juli 1742 wieder zurück. Vom 15. November 1745 bis 14. Januar des darauf folgenden Jahres war die Comp. des Rittmeisters von Pfeiffer Comp., die erst am 24. Oktober 1745 hier eingerückt war, auswärts. Am 13. August 1756 rückte die Garnison unter dem Rittmeister George Ludolph v. Wulffen in den siebenjährigen Krieg, nachdem sie im Jahre zuvor am 21. Juli von dem Chef, Generalmajor von Driesen, inspiziert worden war. Auf des Regiments Taten in diesen schlesischen Kriegen einzugehen, liegt dem Zwecke dieser Darstellung völlig fern. Die Blätter der preußischen Kriegsgeschichte melden oft und eingehend sein rühmliches Verhalten bei Lobositz und vor allem bei Kunersdorf, wo es 2 tote und 10 verwundete Offiziere hatte. Daß auch die Werbener Abteilung dabei gewesen, darf daraus gefolgert werden, daß bereits am 26. Augst 1762 ihr Rittmeister von Wulffen als „Major\" bezeichnet wird.

Im allgemeinen herrschte zwischen den Offizieren und den Bürgern ein gutes Verhältnis. Das geht aus den Attesten hervor, welche der Rat der Stadt den scheidenden Kommandeuren ausstellte. Wie einst dem Leutenant von Bonin, so bezeugte es der Rat dem Rittmeister von Plettenberg am 29. März 1742, daß er während des Quartierstandes gut Kommando geführt und richtig bezahlt habe. Auch dem Grafen von Schlippenbach stellte der Rat ein ähnliches, beide Teile ehrendes Zeugnis aus. Sicherlich ist auch das ein Beweis für das bestehende gute Verhältnis, daß im Jahre 1753 der Obrist und Kommandeur von Plettenberg, der Major von Pfeiffer und der Leutnant Schmeickard zu den Mitgliedern der Werbener Schützengilde gehörten.

Dagegen war das Verhältnis zwischen den Soldaten und Bürgern nicht immer ungetrübt. Ganz besonders in den Jahren 1752 bis 1755 kamen einige grobe Excesse vor. Im Jahre 1752 schlug ein Reiter ohne Ursache einen Bürger mit einem „Kruse\" ins Gesicht und verwundete ihn; ein anderer Reiter stahl Gartenfrüchte, überfiel nebst einem anderen den aufpassenden Bürger, schlug ihn blutrünstig und trat ihn mit Füßen; ein 3. Reiter, wütend darüber, daß er an einem kleinen Tisch besonders essen sollte, faßte seinen Quartierwirt ins Haar und stieß ihn mit Füßen. Die ersteren beiden Missetäter mußten drei Tage lang, jeden Tag zwei Stunden, an dem Pfahl stehen; der letztere wurde mit der Stabswache nach dem Stabe gebracht und mit „Gassen-Laufen\" bestraft. Ein Reiterweib, welches 1754 dem Wirte Leinenzeug gestohlen, wurde mit viertägigem Gefängnis abgestraft. Am 12. Oktober desselben Jahres wollten zwei Reiter bei Andreas Schultze Getreide stehlen, wurden aber dabei abgefaßt; der eine mußte zwölfmal hier Spitzruten laufen, der andere, der bei der Abfassung verwundet war, wurde nach seiner Wiederherstellung am 16. Dezember durch 40 Mann mit Spitzruten achtmal geführt. Ähnlich erging es einem Reiter, der im Februar 1755 einem Bürger die Fenster eingehauen hatte.

Bis zum Jahre 1796 blieb Werben Garnison. Aus welchen Gründen es damals aufhörte, Garnison zu bleiben, ist an anderer Stelle näher auseinandergesetzt.[2]) Würden Rat und Bürgerschaft heute vor die Entscheidung gestellt, entweder eine größere Garnison aufzunehmen, oder ganz auf die Garnison zu verzichten, so würden sie sich sicherlich für die Vergrößerung der Garnison aussprechen. Indessen ist kaum daran zu denken, daß die Stadt wieder vor eine solche Entscheidung gestellt wird; die Lage an der Elbe und Havel, die ihr einst eine große militärische Bedeutung gegeben hat, scheint heutzutage keine militärische Bedeutung mehr zu haben. Die Zeiten sind vorbei, in denen ein Gustav Adolf beim Anblick der Stadt Werben und ihrer Lage geäußert: „es nehme ihn wunder, daß die Kriegserfahrenen diesen Ort so schläfrig außer acht gelassen, desgleichen er noch nirgends bisher in Deutschland gefunden, der zur Befestigung Mehreres tauglich wäre.\"

Anmerkung: Wir geben diese kleine Skizze in unsern Geschichtsblättern, obwohl sie sich auf die Altmark bezieht, weil die hier geschilderten Verhältnisse auf die Städte im Magdeburgischen zutreffen.
H.

Fußnoten

[1]Die nachfolgenden Ausführungen beruhen in der Hauptsache auf den Berichten der Ratsprotokolle.
[2]^1^ Werbener Chronik, S. 195 f.