Der Grabstein eines Altmärkers in der Kirche des adligen Fräuleinstifts Heiligengrabe.

Von E. Wollesen, Zeitz.

In der Ostprignitz liegt zwischen den beiden Städten Pritzwalk und Wittstock in anmutiger Gegend das ehemalige Cisterzienser-Nonnenkloster, das jetzige adlige Fräuleinstift Heiligengrabe. Da es noch in seiner ursprünglichen Anlage und Einrichtung erhalten ist, bietet es dem Freunde mittelalterlicher Baukunst viel des Beachtenswerten dar. Es ist daher kein Wunder, daß es in jedem Sommer von zahlreichen Gästen von nah und fern besucht wird, zumal da als besondere Anziehungskraft in den letzten Jahren noch ein Museum hinzugekommen ist, in dem allerlei vorgeschichtliche Funde und geschichtliche Altertümer aus der Heimat liebe- und verständnisvoll gesammelt und aufgestellt werden. Bei einem solchen Besuche in dem Stifte Heiligengrabe fand ich hinter dem Altare der schlichten Stiftskirche einen Grabstein, der mein besonderes Interesse erregte, war es doch der Grabstein eines Altmärkers, mit dessen Familiengeschichte ich mich schon wiederholt beschäftigt hatte. Der Abbildung füge ich eine nähere Erklärung bei, obwohl noch nicht alles ganz sicher und klar bestimmt ist.

Das Mittelstück des Steins wird von zwei auf schlichten Sockeln aufsteigenden Rundsäulen eingefaßt, die über den Kapitälen durch einen Flachbogen mit einander verbunden sind. In den beiden durch diesen Bogen gebildeten Zwickelstücken sind zwei nach rechts und links schräg gestellte Wappen angebracht. In dem Mittelstücke steht die Gestalt eines ehrwürdigen Mannes, dessen Antlitz einen milden freundlichen Ausdruck zeigt, dessen langes lockiges Haar auf beide Schultern herabfällt, dessen Rechte in Schulterhöhe einen auf den Boden gestellten hohen Stab ergreift, dessen Linke einen handgroßen kugelförmigen Gegenstand mit herabhängender Kette (?) hält. Bekleidet ist die Gestalt durch einen bis etwas über die Knie hinabreichenden Rock mit langem Ober- und kurzem Unterteile, mit einem Spitzen-Halstuche, das auf der Brust sorgfältig ausgebreitet ist, mit Handschuhen, deren Stulpen von den Unterarmen breit hernieder hängen, mit hohen Stiefeln, die allerdings zum großen Theil durch ein davor stehendes Wappen verdeckt sind. Ueber dem Rocke liegt eine über die linke Schulter gehende mächtige Schärpe, die unterhalb der rechten Hüfte durch eine Rosette zusammengehalten wird. Unten vor den Sockeln der beiden seitlichen Pfeiler stehen noch zwei Wappenschilde, so daß wir also im ganzen deren fünf auf dem Grabsteine finden.

Ueber den also Dargestellten klärt uns die folgende um den Rand des Grabsteins laufende Inschrift auf: „Der Hoch Edelgebohrne Gest und Veste Herr Herr Hanß Erdtmann von Bertkow, hiesigen Klosters XXXVjährigen Hauptmann, auff Bertkow Schwarzholtz Erbherr ist Gottsehlig entschlafen den X. Octobr. Ao. 1680, seines Alters LXIV Jahr VIII Monat XV Tage."

An dem Bogen zu Häupten der Figur lesen wir die Worte: „Leichtext Jes. c. 57 v. I: Aber der Gerechte kommt umb und niemand ist, der es zu hertzen nehme."

Wir haben also den Grabstein des Hans Erdmann von Bertkow vor uns, der von 1645 bis 1680, bis zu seinem Tode, Stiftshauptmann gewesen, und darum auch hier in seiner Amtstracht dargestellt ist, --- noch ohne Orden, dessen Anlegung den Stiftshauptleuten erst am 16. Dezember 1790 bewilligt worden ist.

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In dem 21. Jahresberichte des Altmärkischen Geschichtsvereins, im 2. Heft S. 49 f., sind Lehnsakten der Familie von Bertkow veröffentlicht, denen wir einige Personalnotizen über unseren Stiftshauptmann entnehmen können: Danach war er der Sohn des Daniel von Bertkow, war vermählt mit Maria von Vollenschier und war der Vater von David Reimer und Alexander Moritz von Bertkow. Bei der Besprechung der fünf auf dem Grabstein befindlichen Wappen werden wir unten noch einmal auf die Angabe über seine Gattin zurückkommen. Derselben Quelle entnehmen wir, daß Hans Erdmann das Wollenrader Gut seines 1626 verstorbenen Schwiegervaters Joachim von Vollenschier wiederkäuflich laut Kontrakt zu Beetzendorf, den 13. April 1660, mit Konsens d. 17. Mai ej. a. kaufte. Das Stammgut Bertkow, dessen nähere Geschichte im zweiten Theile der „Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg", S. 67 ff., enthalten ist, liegt in dem Kreise Osterburg zwischen den Dörfern Hindenburg und Goldbeck. Auch in dem bei Osterholz unweit der Elbe in demselben Kreise gelegenen Schwarzholz hatte die Familie lange Zeit Besitz; auf einem ihr dort gehörigen Gute hatte 1608 Michael von Bertkow seinen Wohnsitz. Ueber die Tätigkeit des Hans Erdmann als Stiftshauptmann von Heiligengrabe können wir leider nicht viel beibringen: Joachim von Winterfeld, der von 1606 bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges hinein Stiftshauptmann war, starb mit dem größten Teil des Konvents an der Pest. Nachdem die Stelle eine Zeit hindurch unbesetzt geblieben, übernahm dieselbe im Jahre 1645 Hans Erdmann von Bertkow. Ihm fiel die schwierige Aufgabe zu, das Stift und seine Besitzungen nach den verheerenden Stürmen des dreißigjährigen Krieges wiederherzustellen, eine Aufgabe, die er mit aller Treue zu lösen versucht hat. Darüber, daß Hans Erdmann von Bertkow, obwohl Altmärker, zum Stiftshauptmann des prignitzischen Klosters gewählt wurde, dürfen wir uns um so weniger wundern, als damals die Altmark mit der Prignitz in innigem politischen und kirchlichen Zusammenhang stand. Die Einleitung des G. G. E. Winkelschen Aufsatzes im 24. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins gibt uns über diesen Zusammenhang sehr willkommenen näheren Aufschluß.

Mancherlei Schwierigkeit bietet nun die Erklärung der fünf Wappen auf unserem Grabstein dar. Schon im Voraus bemerken wir, daß in dem Folgenden, wenn von links und rechts die Rede sein wird, stets links und rechts vom Beschauer gemeint ist. Wir bezeichnen um der Einfachheit willen das Wappen unten in der Mitte mit 1, das linke unten mit 2, das rechte unten mit 3, das linke und rechte oben mit 4 und 5.

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1 bezeichnet das Wappen derer von Bertkow. Die darüber stehenden Anfangsbuchstaben „D. v. B." lesen wir Die von Bertkow. Wir sehen im Schilde einen mit drei Rosen belegten Schrägrechtsbalken und auf dem Helm zwischen zwei Büffelhörnern eine Rose auf astigem Stiel.

2 zeigt in seinem Schilde einen etwas schräg rechts liegenden Ast, aus dem nach oben ein Zweig herauswächst, der auf der einen Seite zwei Blätter, auf der anderen ein Blatt trägt. Ueber dem Helm sehen wir eine „wachsende" Frauengestalt, die in der Rechten eine Fahne hält. Die Anfangsbuchstaben über diesem Wappen lauten „D. v. R." Ueber die Bedeutung dieses kann zunächst Bestimmtes nicht gesagt werden; es scheint eine Variante des Wappens derer von Grävenitz zu sein, welches im Schilde einen wagerecht liegenden Ast mit zwei Blättern nach oben und einem Blatte nach unten zeigt.[1])

3 ist das von den Buchstaben „D(ie) v(on) K" begleitete Wappen der Familie von Karstedt; im Schilde führt sie drei Zipfelmützen, als Helmzier einen „wachsenden" Mannsrumpf mit Mütze. Eine andere Familie desselben Namens führte im Schilde einen „schräg liegenden abgehauenen Baumstumpf".

4 erkennen wir ohne weiteres als das Wappen derer von Rindtorff. Die Anfangsbuchstaben lauten „D v R T" (Die von Rindtorff). Der Schild zeigt ein schreitendes Rind mit Halsband, als Helmzier das Rind „wachsend" zwischen Büffelhörnern.

5 trägt die Anfangsbuchstaben „D v R" und ist das Wappen derer von Rengerslage; es hat im Schilde einen rückwärts schauenden und aufspringenden Hirsch vor einem Baum und auf dem Helm gleichfalls den Hirsch; es ist dieses Wappen dem derer von Hindenburg sehr ähnlich.

Ueber die Anordnung dieser fünf Wappen gehen die Ansichten sehr auseinander, ist sie doch von der gewöhnlichen abweichend. Meist finden wir oben links das Wappen des Vaters des auf dem Grabstein Dargestellten, oben rechts das der Mutter, unten links das der Großmutter väterlicher- und unten rechts das der Großmutter mütterlicherseits. Hier ist die Anordnung ganz anders. Wir möchten unsere Ansicht über dieselbe dahin aussprechen:

„1 bezeichnet das Wappen des Hans Erdmann von Bertkow, 2 das seiner ersten und 3 das seiner zweiten Gemahlin, während 4 das seiner Mutter und 5 das seiner Großmutter väterlicherseits bezeichnet."

Danach wäre unser Hans Erdmann nicht mit Maria von Vollenschier, sondern das erste Mal mit einer Angehörigen der durch das zweite Wappen bezeichneten Familie, zum zweiten Male aber mit einer von Karstedt verheiratet gewesen. Diese Annahme hat mancherlei Gründe für sich: Exzellenz von Bardeleben, der Vorsitzende des „Herold", bezeichnet Eva Margaretha von Karstedt als Gattin unseres Stiftshauptmanns. Aus den oben angeführten Lehnsakten geht hervor, daß sie ihren Gatten noch um lange Jahre überlebt und eine recht energische Tätigkeit in dem Erwerb von Gütern für die Familie entfaltet hat; wäre sie die erste Gattin gewesen, so wäre sie wohl ungefähr ebenso alt wie ihr Gatte gewesen; jedenfalls hätte sie ihn dann kaum um achtundzwanzig Jahre überlebt. Doch im Jahre 1708 erhielt sie nach der oben angeführten Quelle in Woldenrade einen Rittersitz (vergl. a. a. O. S. 51). Wäre Maria von Vollenschier wirklich die Gattin des Hans Erdmann gewesen, so würde die Darstellung ihres Wappens kaum auf seinem Grabstein gefehlt haben. Das alles läßt die Annahme begründet erscheinen, daß Hans Erdmann von Bertkow sich nach dem Tode seiner ersten Gemahlin zum zweiten Male und zwar mit der damals noch verhältnismäßig jungen Eva Margaretha von Karstedt verheiratet hatte. Jedenfalls war schon damals diese Familie in der Ostprignitz begütert; ihr Hauptgut ist dort noch heute Fretzdorf zwischen Wittstock und Kyritz.

Fußnoten

[1]Herr Professor Ad. M. Hildebrandt-Berlin bemerkt zu diesem Wappen das Folgende: „Das fragliche Wappen hat die allergrößte Aehnlichkeit mit dem der Familie Drieplatz, deren Schild einen Ast zeigt, aus dem oben 3 Blätter (Anspielung auf den Namen!) hervorgehen, während als Helmzier eine wachsende weibliche Figur erscheint, die in der Rechten eine Fahne hält. Es führen zwar noch verschiedene andere Geschlechter der Mark einen Ast mit Blättern, aber dann sind die Helmfiguren ganz andere. Die von Drieplatz waren freilich nicht in der Altmark angessen, sondern in der Gegend von Ruppin, trotzdem ist doch eine Verwandtschaft mit v. Bertkow sehr wohl möglich. Nur stimmen die Buchstaben D. v. R. nicht. Aber irgendein Geschlecht v. R. mit dem Wappen: Blätterzweig und Frauengestalt, ist nicht zu ermitteln. (Könnte nicht in den Buchstaben ein Irrtum seitens des Bildhauers obwalten?)