4. Der Hauptchorabschluss.

a) Der Hauptaltar:

Indem wir einige Stufen aufwärts gehen, gelangen wir in den Hauptchorabschluss des Mittelschiffs und zwar zunächst an den Hauptaltar, der zwei übereinander gestellte Altarschreine hat. Wir betrachten zunächst den unteren größeren Marien-Altarschrein. Die Predella zerfällt in fünf Abteilungen, welche mittels durchbrochener Strebepfeiler getrennt und durch dreiteilige Tabernakelkrönungen oben abgeschlossen sind. An der linken Seite beginnt die figurenreiche Darstellung mit der „Verkündigung Mariä“: es folgt „Der Besuch der Frauen“, „Die Geburt Jesu“ und die „Anbetung durch drei knieende und herzentragende Engel“; ferner „Die Anbetung durch die heiligen drei Könige“ und schließlich „Die Beschneidung des Kindes im Tempel“. - Auf diesem Unterteil ruht nun der Oberteil, aus dem festen Mittelfelde und zwei beweglichen Flügeln bestehend. Jeder Flügel zerfällt in zwei Reihen von jeweils vier Gestalten, die in hohem Relief gearbeitet und in tabernakelartige, durch Strebepfeiler getrennte Nischen eingestellt sind. Rechts oben stehen Thaddäus, Thomas, Margaretha und Stephanus; rechts unten Philippus, Walpurgis, Nikolaus und Georg. Auf dem linken Flügel befinden sich oben Ursula, Adalbert, Maria Magdalena und Johannes der Evangelist; darunter Matthias, Jakobus der Ältere, Jakobus der Jüngere und Andreas. Das feste Mittelfeld ist nach der Breite ebenfalls in drei Teile geteilt und jeder Seitenteil wieder in 2 Zonen zerlegt. Die Mitte füllt als das Hauptstück die Krönung der Maria innerhalb eines reich geschnitzten Wolkenkreises, auf dessen faltigen Rändern 27 musizierende Engel naiv und fröhlich sich schaukeln. Innerhalb dieses Kreises sitzt die gekrönte Gottesmutter mit demütiger Gebärde; ihr zur Seite der Sohn und Heiland mit der Weltkugel. In den Ecken unten beugen sich zusammengekauerte Gestalten von Pharisäern und Sadduzäern, während in den entsprechenden oberen Ecken herabschwebende Engel angeordnet sind. Unten links zur Seite des Hauptbildes befindet sich ein figurenreiches Relief, welches den Tod der Maria darstellt; ihm entspricht auf der rechten Seite ein Relief mit der gen Himmel schwebenden, von sechs Engeln umgebenen Maria. Oberhalb dieser Gruppen sehen wir links Paulus und Johannes den Täufer, rechts Petrus und Bartholomäus. Endlich sehen wir noch zwischen dem Mittelfelde und den beiden Seitenteilen links und rechts, oben und unten Maria Magdalena und Margaretha, Elisabeth und Lucia. Die Bewaffnung des S. Georg, eine reiche Schienenrüstung mit Krebsblechen, Kniedornen usw. sowie das Kostüm des einen der drei Könige mit langen, halbrund geränderten Oberärmeln, gestatten, die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts als Herstellungszeit des Altars anzunehmen. Hierzu stimmen auch die spätgotischen Detailformen der Architektur, insbesondere die Verzierungsweise der Ränder des Mittelteils, wie der Flügel mit gepressten Zinnverzierungen und edelsteinartig aufgesetzten farbigen Gläsern. Dr. Reincke - Hamburg schreibt: „Für den Hauptaltar dürfte der Zusammenhang mit der Werkstatt des Meisters Francke = Hamburg stilistisch erweisbar sein.“

Der zweite, oben daraufgestellte Flügelaltar, ein Altar Johannes des Täufers, zeigt in seinem Mittelteil „Gott-Vater“; er sitzt gekrönt und hält die Weltkugel in der Rechten, welche der links neben ihm sitzende, ebenfalls gekrönte Christus leicht mit der Hand berührt. Zur Rechten neben Gott-Vater kniet Johannes der Täufer, mit gefalteten Händen als Fürbitter tätig. Auf der entgegengesetzten Seite kniet Maria, ihre rechte Brust als den Quell liebevoll mütterlicher Ernährung darbietend. Unter dem Schemel Gott-Vaters zeigen sich die symbolischen Tiere zweier Evangelisten, Löwe und Stier; während die entsprechenden: Engel und Adler – mit Spruchbändern versehen – die oberen Ebenen füllen. Über den beiden Hauptgestalten, Gott-Vater und Gott-Sohn, sind vier schwebende Engel mit den Passionswerkzeugen, Kreuz, Geißelsäule, Nägel, Dornenkrone und Lanze sehr geschickt untergebracht. In dem rechten Flügel sehen wir rechts oben Paulus, Petrus und Andreas; unten Thomas, Bartholomäus und Matthias. Im linken Flügel sehen wir oben Katharina, Anna mit beiden Kindern und Barbara; endlich unten Apollonia, Bischof Martin und Margarethe. Dieses Altarschnitzwerk hat viele Vorzüge vor dem Hauptaltarschrein; es lässt in dem Reichtum der Motive, in der scharfen Charakteristik der einzelnen Köpfe, in der geschickten Raumbenutzung, in der feierlichen Ruhe und würdigen Haltung auf ein bedeutendes bildnerisches Talent schließen. An beiden Altären sind die Rückseiten der beiden Flügel mit Gemälden bedeckt. Die wenig kunstvollen Tempera-Malereien in den Flügeln des unteren Altarwerkes schildern in acht Darstellungen die Passionsgeschichte des Herrn. Auf dem linken Flügel des oberen Altarschreines sehen wir oben die Madonna mit dem Kinde, im Strahlenkranz auf einer Sichel stehend. Darunter Georg und Sebastian. Der rechte Flügel zeigt oben die Gregors-Messe, unten Christophorus und Wolfgang. Bemerkenswert dabei ist die Verwendung baumreicher Landschaften als Hintergrund für die beiden unteren Bilder. Der erste Altar stammt aus der Zeit um 1430, der zweite aus der Zeit um 1510. Bei dem großen Restaurationsbau der Kirche im Jahre 1868 und 1869 sind auch die Altarschnitzwerke unter der sachverständigen Leitung des Prof. Dr. Adler-Berlin gründlich und herrlich restauriert worden. Hochkünstlerisch sind an dem Hauptaltar die zierlichen Baldachinschnitzereien in immer wieder anderen Mustern.