VII. Das Elbtor.

Von der alten Befestigung sind nur noch spärliche Reste vorhanden. In dem Diakonatsgarten, in dem ehemals Haverlandschen Garten, und sonst hie und da sind noch Teile der ehemaligen Befestigungsmauer erhalten. In dem erstgenannten Garten steht noch der untere Teil des Weichhauses, in dem letztgenannten Garten erhebt sich noch in ursprünglicher Höhe ein schlichter Rundturm, an dem der Maueransatz die stattliche Höhe der Mauer erkennen lässt. Glücklicherweise ist aber doch noch ein herrliches Denkmal der mittelalterlichen Befestigungskunst in Werben vorhanden: das trutzige Elbtor. Wir gelangen von der Heilige-Geist-Kapelle dorthin, wenn wir die „Promenade“ weiter wandern, aus dem Fischertor hinausgehen, den Elbdeich rechter Hand verfolgen. Links fällt dann unser Blick auf die Märsche, jenen Wiesenkomplex zwischen Deich und Elbe, auf dem der Schwedenkönig Gustav Adolf vom 11. Juli bis etwa 14. August 1631 mit seinen Truppen kampierte, und rechts erblicken wir den zinnengekrönten Elbtorturm, zu dem uns ein vom Deich rechts abbiegender Weg gar bald führt.

Das schöne Stadttor besteht aus dem zum Durchgangsverkehr bestimmten Torhause und dem danebenstehenden Rundturm. Das erstere öffnet sich mittels profilierter Spitzbogen nach Stadt- und Feldseite und ist mit einem auf birnenförmigen Rippen ruhenden Kreuzgewölbe überdeckt. Die über dem Tore angeordnete Plattform ist innen und außen mit gegliederten Zinnenwänden besetzt, an deren Pfeilern Wappenblenden eingefügt sind. Der in zwei Absätzen sich erhebende außerordentlich starke Rundturm, dessen Untermauer eine Dicke von 11 Fuß besitzt, wird von der Stadtseite her mittels einer schmalen Treppe erstiegen. Diese Treppe führt zu dem kreisförmigen, mit einer Rundkuppel überwölbten Wachtraume, welcher mittels dreier Fensterscharten die Feldseite bestreicht und durch eine Öffnung im Fußboden mit einem kuppelüberwölbten, unterirdischen Raum verbunden ist, in dessen Mitte sich ein Wasserbrunnen befindet. Von dem Wachtraume führt eine zweite Treppe einerseits auf die Plattform des Tores, andererseits zu dem gleichfalls mit einer Kuppel überwölbten oberen Stockwerke, welches einen Kamin besitzt und von dem zwei Fuß zehn Zoll breiten, gezinnten und abgepflasterten Umgang, der den Unterturm bekrönt, durch eine Doppeltür abgeschlossen werden kann. An der Außenmauer des Oberturmes sind eiserne Haken eingemauert, welche wahrscheinlich zur Befestigung der bei feindlichen Angriffen anzubringenden Schirmdächer über dem gezinnten Umgang dienten. Von dem oberen Geschosse führt endlich eine massive Treppe zu der Plattform des Oberturmes, welche mit einem Zinnenkranz umgeben ist und die übliche Einleitung zur Ableitung des Regenwassers zeigt. Die mit schwarz glasierten Zickzackstreifen belebte Fassade des Rundturmes macht durch die energische Gesamtgestaltung und die kräftige Profilierung der Zinnenkränze und Hauptgesimse eine sehr bedeutende Wirkung. Nach dem Charakter der Kunstformen beurteilt, darf die Bauzeit des Elbtores auf ungefähr 1460 angenommen werden. Diese Bauzeit ist die gleiche wie die des Haupttores der Kirche; es ist anzunehmen, dass ihr Erbauer Stephan Buxtehude gewesen ist, der sich zu seiner Empfehlung in einem Schreiben an den Zerbster Rat auf die von ihm ausgeführten Bauten in Stendal, Tangermünde, Werben, Brandenburg und Berlin beruft.

Wir sind am Schlusse unserer Wanderung. Wenn wir es auch lebhaft beklagen müssen, dass so manches gewichtige Bauwerk der mittelalterlichen Stadt Werben zugrunde gegangen ist, wie z. B. die beiden Hospitäler St. Georg und St. Gertrud nebst ihren Kapellen, die beiden Stadttore, das Räbeler und das Seehäuser Tor, das Rathaus und die Stadtmauertürme, so können wir uns doch von Herzen darüber freuen, dass wenigstens diese gewichtigen Zeugen der großen Vergangenheit in die Gegenwart hineinragen und bedeutsame Zierden der heutigen Stadt bilden. Möchte sich die Werbener Bürgerschaft, wie bisher, so auch fernerhin die Pflege und Erhaltung dieser Denkmäler mit allem Ernste angelegen sein lassen!

Druck: „Osterburger Zeitung“ . Jnh. Albert Ronneburger,

Osterburg (Altmark)