Geschichte des Bauwerks

Die erste urkundliche Erwähnung der Johanniskirche in Werben fällt zeitlich zusammen mit der Stiftung der Johanniterkomturei durch den Markgrafen Albrecht den Bären im Jahre 1160. Der Markgraf war dazu veranlaßt worden durch eine Pilgerfahrt mit seiner Gemahlin Sophia nach Jerusalem, bei der er die Wirksamkeit des Ordens kennenlernte. In der Stiftungsurkunde (erhalten im Original im Staatsarchiv Berlin-Dahlem; vgl. R. A VI. 9, Gerken Bd. I S. 72/73, Krabbo S. 59 Nr. 306) wird dem Orden die Kirche in dem Orte Werben mit allen Nutzungen, ausgenommen den Zehnten, zugesprochen. Diese in der Urkunde erwähnte Pfarrkirche diente zunächst als Ordenskirche. Es war eine spätromanische Basilika aus Backstein, von der noch heute der Turm (die unteren fünf Geschosse) erhalten ist (vgl. Baubeschreibung S. 363, eine Rekonstruktion der Basilika gibt Richartz in seiner Dissertation). Sie muß noch vor 1160 etwa gleichzeitig mit den Klosterkirchen in Jerichow und Diesdorf und dem benachbarten Dom in Havelberg um 1150 entstanden sein (später als Werben sind die Dorfkirchen in Königsmark 1164, Redekin um 1180 und Schönhausen 1212).

Die Werbener Ordensniederlassung war die erste in Norddeutschland (in Sachsen, Mark, Pommern und Wendland). Die Leitung hatte zuerst ein Prokurator oder Magister (1217 war ein „Heinricus procurator curiae“ erwähnt, Riedel I C. S. 11). Seit 1244 wurde Werben Kommende, deren Bezirk Sachsen und Slawien (Mecklenburg und Pommern) umfaßte. Der Kommendator (Komtur) war Udo von Werben (R. A VI, 14). Im Jahre 1271 war der Kommendator von Werben Statthalter (vicepraeceptor) des Ordens für Sachsen und Wendland (R. A VI, 19). Nachdem aber neben der Mutterkommende Werben die Kommende Mirow in Mecklenburg zur Macht gelangt und der Komtur von Braunschweig im 14. Jahrhundert die Würde des Herrenmeisters erlangt hatte, tritt Werben in seiner Vormachtstellung zurück. Dazu kamen innere Kämpfe im Konvent zu Werben. 1340 hatte an Stelle des Kommendators der Pfarrherr (Prior) die ganze Macht inne (R. A VI 27). Auch in späterer Zeit gelangte die Kommende in Werben niemals mehr zu ihrer früheren Macht (vgl. von Pflugk-Harttung S. 70/71). Die eigentliche Verwaltung der Güter, von denen zuerst der Überschuß der Einkünfte, später ein Jahreszins abzuliefern war, besorgte für den Komtur der advocatus. Dieser mußte von den Einkünften auch den Pfarrer und andere Geistliche, sowie Küster und Kirchendiener der Johanniskirche besolden. Dazu kamen noch im 13. und 14. Jahrhundert reiche Stiftungen für die Kirche an Land- und Getreidehebungen (R. A VI 15, 24, 26, 27, 28; Wollesen, Chronik S. 54, 17, 85, 33). Sie waren zum Teil für Seelenmessen bestimmt, z. B. 1251 von Albert von Redekesdorf u. Hampo von Plaue, 1313 von der Herzogin Anna von Breslau für den Markgrafen Hermann, 1317 Markgraf Johann für seinen Vater Hermann, 1341 vom Ritter Konrad von Krakau und dessen Sohn (vgl. Wollesen, Chronik S. 17, 52 und 33).

Die zahlreichen Schenkungen der Herzogin Anna und ihres Sohnes, des Markgrafen Johann, waren vermutlich für einen gotischen Neubau, einer Hallenkirche am Anfang des 14. Jahrhunderts, bestimmt. Von diesem Bau sind noch die Außenwände mit vermauerten Fenstern und Portalen im vierten und fünften Joch von Westen erhalten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Bau überhaupt nicht weiter fortgeführt und daher erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollendet wurde (vgl. Baubeschreibung S. 365). Man baute von Osten nach Westen und ließ den Chor der Basilika noch stehen. Es war dabei angenommen, daß das Langhaus der Basilika bis zum fünften Joch (einschließlich) der heutigen Kirche reichte und sich daran erst im sechsten und siebenten Joch der Chor mit Apsis anschloß. Diese Ansicht wird bestätigt durch Grabungen von Richartz, der die alten Ostmauern der frühgotischen Halle, die wahrscheinlich nach dem Hauptschiff zu mit den südlichen Seitenschiffmauern der Basilika zusammenfallen, aufgefunden hat. Zum Bau der frühgotischen Halle stifteten mehrere Bischöfe und setzten geistliche Ablässe aus: 1344 des Vikars Heinrichs des Bischofs von Halberstadt für die, die vor dem Marienbilde beten; 1358 von vierzehn Bischöfen für Gaben an die Abendglocke usw. (Bekmann a. a. O. S. 8); 1362 bestätigte Bischof Ludwig von Halberstadt einen Ablaßbrief (die Johanniskirche unterstand der Diözese Halberstadt. In Werben war der Sitz des Dekanats der Wische). Bei den Ablässen ließ der Komtur an die Wallfahrer Abzeichen mit dem Lamm Gottes und dem Bildnis Johannis des Täufers verteilen (vgl. Wollesen, Chronik S. 33/34). Für das Innere der Kirche wurde eine große Zahl von Altären besonders von Familien und dem Rate der Stadt Werben gestiftet: 1265 der Marienaltar von den Familien von Plaue und Redichsdorf (R. A VI 16); 1345 tägliche Messe am Katharinenaltar vom Rate der Stadt (R. A VI 29); 1352 Maria Magdalenenaltar durch Martin Bötcher (Urkunde im Kirchenarchiv). Die Fenster der Kirche waren reich mit farbigen Scheiben geschmückt, von denen noch heute Reste aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erhalten sind (Genesisfenster, Petruslegende, Szenen aus dem Leben Christi, vgl. Glasfenster S. 369).

[Bild] Abb. 158. Werben. Johanniskirche. Ansicht des Chores und Querschnitt durch das Schiff und den Chor, gez. 1864

Im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts beginnt nun der zweite große Umbau der spätromanischen Basilika. An die zwei Ostjoche, die noch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts stammen (vgl. S. 357), wurden drei weitere Joche nach Westen bis zum Turm gebaut. Der Neubau wird reich verziert und erhält reichprofilierte Portale. Das ganze Langhaus einschließlich des frühgotischen Teiles wird außen mit Strebepfeilern und innen mit Pfeilern versehen und eingewölbt (vgl. Baubeschreibung). Von der spätromanischen Basilika ist jetzt nur noch der Chor vorhanden. Zwei Ablässe - der eine aus dem Jahre 1407 vom Bischof Johann von Lebus (R. A VI 48 und Bekmann II. 3d. V. Teil 8. Kap. S. 22) und besonders der andere vom Jahre 1414, bei dem zwei Bischöfe einen Ablaß von 100 Tagen zum Bau, zur Beleuchtung und inneren Ausstattung stifteten - werden bereits von Adler (Backsteinbauwerke Bd. I S. 77) mit dem Neubau in Zusammenhang gebracht. Zahlreiche Stiftungen, Erwerb von Besitz und wiederverkäuflichen Rentenverschreibungen (vgl. Wollesen, Chronik S. 82/83; R. A VI 45, 46, 73) im 15. Jahrhundert gaben der Komturei die Geldmittel zu diesem umfassenden Bauprogramm. Eine Inschrift in der Kirche von 1412, die nach Redemanns Sammlungen S. 100 den Beginn des Baues angegeben haben soll, ist heute nicht mehr vorhanden.

[Bild] Abb. 159. Werben. Rekonstruktion der romanischen Basilika, gez. von Richartz

Die Fassadenausbildung und die Pfeilerform sind mit dem um 1400 bereits fertigen Langhaus der Stephanskirche in Tangermünde verwandt (vgl. Inventar Stendal Land S. 211 und 216). Die Übereinstimmung mit dem Schiff der Pfarrkirche in Seehausen (etwas später als Werben) ist bereits auf S. 300 erwähnt. Ein Stadtbrand im Jahre 1438 soll auch die Kirche beschädigt haben (Wollesen, Chronik S. 50).

Die Entwicklung des kirchlichen Lebens am Ende des 14. und im 15. Jahrhundert erhält seinen Antrieb immer mehr von der Bürgerschaft der Stadt Werben. An dem der „heiligen Dreifaltigkeit“ und dem „heiligen Leichnam“ geweihten Altar, der 1422 vom Rate in der Pfarrkirche errichtet worden war, hielten die geistlichen Brüderschaften ihre kirchlichen Feiern ab (Urkunde im Kirchenarchiv R. A VI 49; Bekmann II. Bd. V. Teil 1. Buch 8. Kap. S. 1–14; Wollesen, Chronik S. 86 und S. 66–69). Zwischen dem Komtur, den Ordensgeistlichen einerseits und der Bürgerschaft andererseits kam es häufig zu Streitigkeiten, da die Komturei zum Teil mehr auf Erwerbung von Besitz als auf Erfüllung ihrer geistlichen Pflichten Wert legte (vgl. Wollesen, Chronik S. 33–36). 1471 fand ein Vergleich zwischen der Komturei und dem Rate über die Spenden zum Nikolaialtare und des heiligen Kreuz, einer Reliquie, die dem Altar gegenüberstand, statt. 1443 stiftete der Priester Dietrich Rotidecke am Tage der Kreuzeserhöhung eine Ottilienkapelle mit Altar, die auf der Südseite der Kirche angebaut, 1473 vom Bischof von Halberstadt bestätigt und 1474 mit einer reicheren Schenkung von dem Stifter versehen wurde (R. A VI 37, 69; Bekmann a. a. O. S. 1–14; Zahn I S. 124/25, Zahn III S. 95, 94, 112, 103).

[Bild] Abb. 160. Werben. Profile und Pfeiler aus der Johanniskirche, gez. von v. Quast um 1850

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird an Stelle des alten spätromanischen ein neuer Chor gebaut. Dabei wird der Bau in der Breite des Langhauses um zwei und ein halbes Joch nach Osten vergrößert. Daran schließt sich der breitapsidiale Chorschluß, so daß eine mächtige Hallenkirche geschaffen wird. Es ist dies der letzte große Umbau bei der spätromanischen Basilika: Anfang 14. Jahrhundert Bau des vierten und fünften Langhausjoches, erstes Viertel 15. Jahrhundert Bau von drei Langhausjochen nach Westen, zweite Hälfte 15. Jahrhundert. Neubau des Chores. Seit dem Bau werden die alten frühgotischen Fenster des vierten und fünften Langhausjoches durch neue Fenster ersetzt (vgl. die gleichen Leibungen wie beim Chor, Baubeschreibung S. 365). An der Kappe des Chorgewölbes ist eine Bauinschrift Ampliata anno 1466 (vgl. die ganze Inschrift auf S. 368 Baubeschreibung) angebracht. Eine Bestätigung der Bauinschrift erhalten wir durch die Jahreszahlen 1467 auf zwei farbigen Fenstern des Chorschlusses, die vom Kurfürsten Friedrich II. gestiftet worden sind. Die eigenartige Raumgestaltung des Dreiapsidenchores hat nach Sigrid Thurm (Norddeutscher Backsteinbau S. 54–58) ihre Vorbilder in einer Gruppe von Kirchen Lübeck–Prenzlau und in Gransee. Für die äußere und innere Gliederung der Wände ist nach Adler der 1423–1450 erbaute Stendaler Domchor maßgebend gewesen. Die Kirche erhält eine reiche Ausstattung: 1487 Guß des großen Leuchters, 1489 Guß des Taufbeckens, 1493 Errichtung eines Schrankes in der Sakristei (über weitere Stücke vgl. Ausstattung). Gleichzeitig mit dem Chor sind die Sakristei und die Taufkapelle erbaut worden.

Nicht lange vor der Reformation werden noch zwei neue Altäre gestiftet: 1511 bewidmet Dietrich Bolte den von ihm gestifteten Elendenaltar, der durch den Johanniter-Herrenmeister bestätigt wird (Urkunde im Kirchenarchiv R. A VI 79). Nach Betmann (II. Bd. V. Teil 8. Kap. S. 1–14) soll auf dem Altar eine Marienkrönung mit Gott Vater und Christus dargestellt gewesen sein. Der Altarstein lag im 18. Jahrhundert vor der Tür zum Gewölbe. Der zweite Altar, der von Gebr. Kröger und Klaus Amelung 1512 gestiftete Annenaltar, ist zum Teil (Schrein) noch heute erhalten und hängt in der Taufkapelle (vgl. Ausstattung Nr. 4).

Die Reformation begann in Werben, als der Kurfürst Joachim II. sich zum evangelischen Glauben bekannt hatte. Im Jahre 1559 berief der Rat der Stadt den ersten evangelischen Prediger Augustin Brinkmann aus Königsmark, der zunächst vermutlich in der St. Spirituskapelle predigte. Die Pfarrkirche, die unter dem Patronat des Komturs stand, blieb noch katholisch. Erst 1542 bei der ersten Kirchenvisitation trat der Komtur Thomas Runge das Patronat über die Pfarrkirche mit allem Zubehör dem Rate der Stadt ab (Müller, Altmärk. Ber. 21 II S. 41). Die Patronatsüberlassung wurde nach Streitigkeiten in einem neuen Vertrag von 1544 durch den Kurfürsten bestätigt (Bekmann II. Bd. V. Teil 8. Kap. S. 6–14; Wollesen, Chronik S. 94–99). 1545 wurde auch Balthasar von der Marwitz, der evangelisch geworden war und sich verheiratet hatte, Komtur in Werben, damit hörten die Streitigkeiten mit der Bürgerschaft auf.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird dann die Pfarrkirche für den evangelischen Gottesdienst eingerichtet. Die Altäre werden nach und nach entfernt und Emporen eingebaut. 1590 gestattete der Rat dem Komtur die Errichtung eines „Gebäu“ über dem Chor (über der Orgelempore), an dem die Passion gemalt war (Urkunde im Kirchenarchiv). 1689 wurde dieser Chor beschädigt und 1746/47 durch einen Neubau unter der Orgelempore ersetzt (Bekmann Nachlaß). 1602 wurde eine neue Kanzel von dem Bildhauer Michael Spies aus Magdeburg hergestellt (vgl. Ausstattung Nr. 5). Eine neue Orgel war bereits 1579 eingeweiht worden (die jetzige Orgel stammt aus dem Jahre 1747, vgl. Ausstattung Nr. 7).

Das Schicksal der Stadt Werben und ihrer Pfarrkirche wird im 17. Jahrhundert besonders durch die Kriegsereignisse bestimmt. Kaum war die Kirche 1614 (vermutlich besonders der Bau) wiederhergestellt worden (nach der Bauinschrift im Gewölbe des Chores Renovata anno Christi 1614 in festo Johannis baptistae), so wurde im Dreißigjährigen Kriege bei der Beschießung der Stadt durch Tilly (1631) der Turm und die Ottilienkapelle beschädigt (vgl. Wollesen, Stendaler Beiträge VI S. 21 u. 23). Nach der Inschrift jetzt im ersten Fenster des nördlichen Chores ließ 1638 der Rittmeister Frommhold von Meyer den Schaden reparieren (vgl. Baubeschreibung S. 367 und Bekmann II. Bd. V. Teil 8. Kap. S. 14–22). Nach dem Kriege wurde 1663 die Kirche repariert, nachdem die Kirchenkasse 50 Taler von Jürgen, Kuhhirte in Darnelack, geliehen hatte. Ein ungefähres Bild der Kirche im Dreißigjährigen Kriege gibt uns die Stadtansicht von Merian und die im Theatro Europaeo von 1631. Der Turm hatte einen hohen Dachreiter (vgl. Abb. 148). Da 1689 durch Blitz Turmdach, Glockenstuhl, Mauer am Komtureichor und Orgel beschädigt worden waren, wurden diese Bauteile 1699 wiederhergestellt. 1713 wurde der Dachreiter des Turmes abgenommen. 1716 wurden die Fenster des Turmes, vermutlich die Schalllöcher des alten Glockengeschosses (um 1230) zugemauert (Bekmann II. Bd. V. Teil 8. Kap. S. 16; Bekmann Nachlaß; Urkunden im Kirchenarchiv; Wollesen, Chronik S. 175).

Eine Beschreibung des Zustandes der Kirche im 18. Jahrhundert (1741–1752) finden wir bei Bekmann Nachlaß (Berlin Rep. 92, Bekmann V. Topographica A II). Dachreparaturen am Kirchen- und Turmdach, sowie am Dachreiter der sogenannten „Klingelspitze“ werden in den Jahren 1721, 1780–1783, 1792, 1799, 1809–1816, 1868 und 1936/37 vorgenommen (Magdeburg Rep. A 12 Spez. 44 und 58).

Zu Beginn des Freiheitskrieges im Jahre 1813 wurde die Kirche durch einquartierte französische Truppen beschädigt (der Kronleuchter seiner Fahne beraubt usw.). Die letzte große Wiederherstellung des Inneren und Äußeren wurde 1868 unter Leitung des Bauführers Wille für 13 867 Thl. 13 Silbergroschen ausgeführt. Hierbei wurden die Emporen mit Ausnahme der Orgel- und Domänenempore entfernt, die Grabsteine vom Fußboden aufgenommen und im Turm aufgestellt, sowie ein neues Kirchengestühl errichtet (vgl. Wollesen, Chronik S. 228). Die 1863–1864 aufgenommenen Pläne und Ansichten der Kirche (gez. vom Bauführer Schmidt) sind noch vorhanden (Abb. 157, 158). Auf der Nordansicht und dem Grundriß ist eine Kapelle (Ende 15. Jahrhundert angebaut) auf der Nordseite neben dem Portal (im zweiten Joch von Westen) eingezeichnet. Es ist die Grabstelle der Familie Konow, neben der Brauttür, die 1706 an Joachim Bertram verkauft wurde. Die Kapelle ist 1868 abgerissen worden.