Inneres (Tafeln 145—145)
Tritt man durch das Westportal in das Innere, so gewinnt man den Eindruck einer mächtigen Halle, die sich nach Osten erstreckt und dort im Chorschluß nach außen geöffnet ist. Die schmalen Wandstücke zwischen den riesigen Fenstern im Chor werden überstrahlt von der Fülle des farbigen Lichtes der bunten Scheiben. Mitgeführt wird der Blick von den gleichmäßig sich aneinanderreihenden Kreuzrippengewölben, die sieben Joche überspannen, zu den Chorschlüssen, die zu ihren sechs- und dreiteiligen Gewölben, ein vorhergeliegendes halbes Kreuzrippengewölbe mit hinzunehmen. Die sternförmigen Pfeiler mit den hohen spitzbogigen Arkaden lenken den Blick schräg in die Seitenschiffe. Trotz des Höhenunterschiedes von Haupt- und Seitenschiffgewölben wird doch der Eindruck einer Halle erweckt, da die Gewölbe große Übereinstimmung haben. Wie schon von außen erkennbar, ist in dieser Halle der Hauptchor herausgehoben. Vom sechsten Gewölbejoche an liegen die Scheitel der Gewölbe um über 70 cm höher. Dementsprechend sind auch die Kämpfer der Pfeiler höher gelegt (um über 1,20 m) und die Hauptschiffwände, die in den westlichen Jochen die gleiche Höhe mit den Seitenschiffwänden haben, sind erhöht (vgl. Schnitte A–B und C–D).
Schiff. Die Überhöhung des Hauptschiffes fällt mit der Baugrenze zusammen, die wir schon am Äußeren zwischen West- und Ostteil erkannt haben. Das auffallend schmale fünfte Joch lehnte sich mit seinen Halbpfeilern an die Ostwand des im Anfang des 14. Jahrhunderts begonnenen frühgotischen Hallenbaues des Langhauses an. Es ist anzunehmen, daß in diesen Ostmauern auch die Ostwände der Seitenschiffe der spätromanischen Basilika vermauert waren, denn hier vermutlich setzte der alte Chor an. Richartz hat bei seinen Grabungen die Grundmauern der Ostwand aufgedeckt. Der Ansatz der Mauer war im südlichen Seitenschiff unweit des Treppentürmchens. Auch auf der Nordseite ist ein senkrechter Maueransatz unterhalb des Daches zu erkennen. Bei der Erweiterung des Langhauses nach Osten wurde diese Mauer abgerissen und die Halbpfeiler wurden zu Freipfeilern ergänzt. Die westliche Hälfte der Pfeiler zeigt noch die alte Form der Langhauspfeiler, die östliche Hälfte stimmt mit den Pfeilern des Hauptchores überein. Die Pfeiler der fünf westlichen Joche sind sternförmig und haben acht weit vorspringende und acht in die tiefen Einziehungen gestellte Dienste. Sie haben runde Sockel und dünne achteckige Kämpferplatten (Adler Bl. XLIV, Fig. II, vgl. die gleiche Pfeilerbildung in der Stephanskirche in Tangermünde von 1376–1400. Inventar Stendal Land S. 211 und 216). Die Pfeiler der östlichen Joche im Hauptchor sind zwar in der Sternform den älteren Westpfeilern angeglichen, in ihrer Profilierung aber sind sie spätgotisch nüchterner ohne tiefe Einziehungen.
[Bild] Abb. 163. Deuben. Johanniskirche. Querschnitt gegen Osten (Maßstab 1:300)
Die Zwischenräume zwischen den acht Eckdiensten sind flach durch kleinteilige Wulste gegliedert. Die Sockel sind achteckig und die Kämpferplatten viel stärker. Die Pfeiler im Westteil sind noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zusammen mit den Portalen errichtet worden. Einer etwas späteren Zeit gehören vermutlich die spitzbogigen Arkaden an, da sie ihr Profil nicht organisch aus dem Pfeilerquerschnitt entwickeln (die inneren Leibungen sind rechteckig). Die kurze Bauunterbrechung zwischen der Herstellung der Pfeiler und der Einwölbung mag durch den Brand von 1438 veranlaßt worden sein (vgl. Geschichte des Bauwerks S. 359). Die Gewölbe in dem Hauptschiff und den Seitenschiffen haben die gleichen Rippen und Gurte (breites Rundstabprofil). Tellerförmige Schlußsteine. Die Gewölbe der Seitenschiffe ruhen auf dreiteiligen Vorlagen. Im zweiten Fenster des nördlichen Nebenchores Scheibe mit Inschrift (Kapitale): Im dritten Joch (von Westen): Anno 1631 was General Tilly und Bapenheim mit irem Geschütz an diesem Gotteshaus verwüstet so höchlichen war nötig das hat Herr Ritmeister Fromholt von Meyer hinwider Anno 1638 Gott zu Ehren und zu seinem Andenken lassen repariren.
Im zweiten Joch des südlichen Seitenschiffes Scheibe: Friedrich Wilhelm IV. besuchte dieses Gotteshaus am 26. Mai 1841. An den Wänden sind nachträglich in etwa 2,50 m Höhe runde Stuckmedaillons mit aufgemalten Kreuzen oder Vierblattrosetten (z. T. mit schmiedeeisernen Stiften) angebracht. Richartz nimmt an, daß es Reste alter Weihekreuze sind, die im Westteil älter als im Ostteil sind, d. h. der Westteil ist vermutlich zunächst für sich geweiht worden.
[Bild] Abb. 164. Werben. Johanniskirche. Querschnitt gegen Westen (Maßstab 1:300)
Ostteil mit dreiseitigem Chorschluß. Auf die Erweiterung der Kirche nach Osten weist eine Inschrift an der Kappe des Hauptchorgewölbes hin: Ampliata anno 1466. Renovata anno Christi 1614 in festo Johannis baptistae Restaurata anno 1868 (Kapitale in schwarzer Farbe, erneuert). Ebenso wie die Pfeilerprofile sind auch die Profile der Arkaden etwas anders wie im Westteil (vgl. oben S. 367). Es fällt hierbei auf, daß die Profile der einander gegenüberliegenden Arkaden nicht übereinstimmen. So bedeutend der Plan des Ostteiles ist, so wenig sorgfältig ist aber die Ausführung des Baues ganz im Gegensatz zum Ostteil. Die besondere Gliederung der Wände des Chorschlusses durch spitzbogige und segmentbogige Nischen und Fensterhohlbankgesimse, die Profile der Fensterleibungen, die Überhöhung der Schildbögen und die Form der schmucklosen Kelchblockkapitelle führt Adler auf das Vorbild des Stendaler Domchores zurück (erb. 1423–1450). Neben der Taufkapelle ist eine große spitzbogige Nische, begleitet von zwei segmentbogigen kleinen Nischen angebracht. (Tafel 144, 145 a.)
Dachstuhl: Ein mächtiges Satteldach, das sich über dem Chor abwalmt, bedeckt die ganze Kirche. Es ist eine Kehlbalkenkonstruktion, wie sie in Norddeutschland bei spätgotischen Hallenkirchen üblich ist. Auf den Mauern des Hauptschiffes sind Stuhlwände errichtet, an die die Dachkonstruktionen über den beiden Seitenschiffen sich anlehnen. Darüber baut sich eine Dachkonstruktion mit einfach stehendem Stuhl auf, die durch Kreuzverstrebungen mit dem unteren Dachstuhl verbunden ist. Sämtliche etwa 1 m voneinander entfernten Gespärre des Hallendaches sind gleich (binderloser Dachstuhl, unter den Sparren Windlatten). Charakteristisch für den Dachstuhl der Kirche ist die Verbindung der Stiele durch Spannriegel. Der Dachstuhl über dem erhöhten Chor (Ostteil) ist im wesentlichen der gleiche wie beim Schiff (Westteil) (vgl. Schnitt A-B und Schnitt C-D und Tafel 146 a). Wie bereits schon bei dem Mauerwerk des Ostteiles festgestellt worden ist (vgl. S. 368), ist auch der Dachstuhl über dem Ostteil viel weniger sorgfältig ausgeführt, wie der über dem Westteil.