Die Ausdehnung des Hochwassers in den Tagen vom 15. bis 27. Februar.

„Schon am Montag, den 15. Februar, drang das über den Chausseedeich geflossene Wasser immer weiter und weiter in den Gemarkungen Büttnershof, Germerslage und Käcklitz, dann im Seegrabengebiet sogar bis über die Werbener Kleimbahn (Rohrbeck-Iden) und endlich bis Walsleben in das Grabengebiet der Kositte. Infolge des Kannenberger Deichbruches breitete sich die Überschwemmung mehr in nordwestlicher Richtung über Busch nach dem Gebiet der Beverlake aus.

Am Dienstag, den 16. Februar, drang die Flut hauptsächlich in westlicher Richtung durch die Kositte, die Seegraben-Wässerung und die Beverlake bis zur Tiefe vor, füllte die linksseitige Kaland Niederung und staute nach Osterburg zurück. Außerdem trat die Flut in nördlicher Richtung nach der Westwässerung über (Rengers-lage) und füllte die untere große Wässerung.

Am 17. Februar wurde die nördliche Verwallung der großen Wasserung überströmt; die Überschwemmung breitete sich nach Norden aus, überflutete bei Schalluhn die Verwallungen des Werbener Tauben Alands und staute über die Werben-Seehäuser Kunststraße bei Herzferlde hinweg in die Niederung hinein, welche im Norden von dem rechtsseitigen Alandddeich, dem linken Deich des Beuster’schen Tauben Aland und dem Elbdeich begrenzt wird (Wegenitz; Beuster).

Am 18. Februar entstand oberhalb der Werbener Kleinbahn eine Eisversetzung, welche einen Rückstau bis nach Kannenberg ausübte und die Flut nach Norden hin bis nach Werben und Wendemark hinüberdrückte. Die Wegenitz-Beuster‘sche-Niederung war mittlerweile bis zur Höhe der Alanddeiche vollgelaufen. Das Wasser fing an, nach dem ca. 40 cm niedrigeren Alandfluß überzuströmen und gefährdete dadurch den nördlichen Deich des Beusterschen Tauben Alands, welcher Polderdeich für Geest-Gottberg ist. Durch Absenkung und Ablenkung des Stroms ließ der Deichhauptmann der Unterschau den rechtsseitigen Alanddeich unterhalb Wegenitz durch Sprengung öffnen. Trotzdem lief in der Nacht der rechtsseitige Deich des Tauben über, das Wasser strömte

in den Geest-Gottberger Polder ein. In derselben Nacht brach der Aland in der südliche Stadtlage von Seehausen, überflutete die Osterburger Straße, den Bahndamm und die Arendsee’er Chaussee und floß nach der Zehrengraben-Niederung und dem Augrabengebiet ab. Der stark gefährdete linksseitige Alanddeich wurde dadurch entlastet; er hielt Stand.

Am Freitag, den 19. Februar, erreichte das Wasser in Seehausen seinen Höchststand mit 4,04 m am Pegel =+ 21,82 NN an der Beustertorbrücke. Sämtliche Tore der Stadt, auch der Kirchhof wurden überschwemmt.

Der Geest-Gottberger Polder füllte sich. Um ein Volllaufen zu verhindern, wurde der rechtsseitige Alanddeich am untersten Polderende, beim Unterdeich, durchstochen und dadurch eine Entlastung nach dem niedrigeren Alanddeich ermöglicht. Zur Entlastung der unteren tief gelegenen Schaugraben-Niederung bei Pollitz und Aulosen, welche der Gefahr des Volllaufens ausgesetzt war, zugleich auch im Interesse der Gartower Verband-Deiche, wurde auf Anordnung des Regierungspräsidenten der Aulosener Rückstaudeich im Zuge des Faulen Grabens durch Sprengung geöffnet.

Am 20. Februar fiel das Wasser im ganzen Gebiet oberhalb Seehausen; der Wasserstand am Beustertor war 3,89 m am Pegel = 21,67 N.N. In der linksseitigen Alandniederung schritt die Überschwemmung langsam bis über Vielbaum vor.

Am 21. Februar wurde die Eisversetzung vor der Werbener Kleinbahn gesprengt und dadurch der nach Westen hin wirkende Stau beseitigt. Der Vorflut im Aland unterhalb Seehausen war die starke geschlossene Eisdecke hinderlich. Zu deren Aufbruch waren am 16. Februar zwei Eisbrecher im Aland von Schnackenburg bis Klein-Wanzer aufwärts gegangen. Oberhalb Klein-Wanzer wurden vom 17. bis 26 Februar durch Pioniere umfangreiche Sprengungen vorgenommen.

Vom 22. Februar an fiel das Wasser stetig in der ganzen Niederung oberhalb des Beuster’schen Tauben Alands. In der linksseitigen Alandsniederung verflachte sich die Welle immer mehr und verlor sich unter dem Einfluß des Frostes am 25. Februar im Schaugrabengebiet bei Pollitz, im Zehrengrabengebiet bei Deutsch.

Am 27. Februar wurde die Bruchstelle in Seehausen abgedämmt; dadurch hörte das Abströmen in die linksseitige Alandniederung ganz auf.“

Wir haben im Vorhergehenden den Verlauf des Hochwassers nach dem amtlichen Bericht wiedergegeben, welchen der Magdeburger Meliorations-Baubeamte Mierau an den Minister und an den Regierungspräsidenten am 15. März 1909 erstattete. Es war diese Wiedergabe notwendig, um einen genauen Überblick über die ungeheure Ausdehnung der Überschwemmung zu gewinnen. Wie furchtbare Not nun aber das Hochwasser in den einzelnen Ortschaften mit sich gebracht hat, das werden uns die folgenden Abschnitte zeigen, in denen wir einige Berichte über Selbsterlebnisse wörtlich wiedergeben werden. Zuvor gilt es aber noch, einen Blick auf die Kolonie Neu-Werben zu werfen. Zwischen Räbel und Werben, etwa in der Mitte, bildet die Elbe einen rechten Winkel; an dem Scheitel dieses Winkels, und zwar auf dem rechten Elbufer, hoch an der Deichkrone, liegen vier langgestreckte niedrige Häuser, deren jedes Wohnung für zwei Familien bietet; es ist die von Friedrich dem Großen begründete Kolonie Neu-Werben, die politisch jetzt zu der Stadt Werben und der Provinz Sachsen gehört.