Das Gebiet der Überschwemmung.
Das von der letzten Elbüberschwemmung heimgesuchte Land wird „altmärkische Wische“ genannt. Der Kreis Osterburg, zu welchem die Wische gehört, besteht aus zwei Teilen, die landschaftlich und auch sonst unter sich ganz verschieden sind. Wer von der Höhe der polkernschen Berge hinabschaut, bemerkt in der Landschaft einen Gegensatz, wie er im Flachlande kaum auffallender gedacht werden kann: Hinter ihm liegt die trockensandige, vielfach mit Geröll bestreute Höhe, eine wellige Ebene mit einzelnen aufgesetzten Sanddünen, mit düsterem Föhrenwalde bestanden, der nur in der Umgebung der durchweg geschlossenen Siedelungen gerodet und dem Pfluge gewichen ist; vor ihm liegt dagegen eine reiche blühende Ebene mit fruchtbarem steinlosem Boden, so weit der Blick reicht, nur lachende Fluren und grüne Wiesen, von größeren Wäldern keine Spur, nur hie und da an den Wasserläufen etwas Auenwald und vielfach Eichenrämel mit mächtigen Stämmen, hinter denen die Gehöfte einzeln zerstreut liegen. Ähnlich hebt sich die Niederung auch im Süden von der Umgebung ab, und nur im Norden sind die landschaftlichen Gegensätze weniger scharf ausgeprägt. Diese weite, offene Niederung ist die „Wische“, hochdeutsch die „Wiese“, die einst zur Zeit Albrechts des Bären und seiner nächsten Nachfolger von den Holländern kolonisiert worden ist. Gewöhnlich bezeichnet man damit die fruchtbare Flußniederung zwischen Biese - Aland einerseits und der Elbe andererseits, ein Viereck, dessen kleinere nördliche Grundlinie westöstlich vom Alandsknick nach Ostdorf verläuft, und dessen größere südliche Grundlinie die Orte Osterholz und Düsedau verbindet.
Die Länge der Niederung beträgt 41 km, ihre Breite nimmt im allgemeinen von Südosten nach Nordwesten ab; sie mißt zwischen Osterburg und Sandau 19, zwischen Seehausen und Werben 16 km, und verengt sich nach Norden zu allmählich auf 3 bis 4 km.
Entscheidend für die Bewässerung der Wische ist die Tatsache, daß die Wische im großen und ganzen eine schiefe Ebene darstellt, die sich nach Westen zum Uchte-Alandstal allmählich abdacht. Messungen haben ergeben, daß z. B. der Wasserspiegel der Uchte bei Walsleben über 6 m niedriger liegt als das Gelände hinter dem Elbdeich bei Altenzaun. Ähnliche Verhältnisse herrschen überall längs der Elbdeiche. So tritt der Abfall des Geländes noch auf der Geest zu Tage, bei Wahrenberg, wo auf der kurzen Strecke von 3 km bis zum Alandstal noch ein Gefälle von 3 m vorhanden ist. Demgemäß ist auch die Bewässerung. Das ganze Gebiet gehört naturgemäß zum Stromgebiet der Elbe, die es an ihrem Ost- und Nordrand in weitem, nach Südwesten geöffneten Bogen umschließt, aber der Strom selbst erhält aus dem Innern der Wische keinen einzigen Zufluß. Alles Wasser der Niederung ergießt sich ins Uchte-Alandstal, das sich als tiefste Senke hart am Rande der Arendsee’er Platte (Polkern’sche, Rossauer, Bars-Berge) hinzieht. Die Wasserscheide zieht unmittelbar dem Elbdeich parallel, so daß die Quellen der kleinen Wasserläufe zum Teil nur durch den Elbdeich vom Hauptstrom getrennt sind.
Die Elbe tritt bei Altenzaun in das Gebiet der Niederung ein und verläßt es bei Schnackenburg, nachdem sich ihr Wasserspiegel um gut 13 m gesenkt hat. In der breiten Talung hatte der Strom reichliche Gelegenheit, sein Bett zu verlegen. Noch Ende des 18. Jahrhunderts sind wesentliche Änderungen in der Grundrißgestaltung des Elblaufs eingetreten; erst die im verflossenen Jahrhundert durchgeführte planmäßige Regulierung der Elbe setzte den Stromverlegungen ein Ziel. Zahlreiche seenartige Schlenken und Löcher, sogenannte Bracks (Haken), lassen noch heute die alte Grundrißform des Elbbetts deutlich erkennen. Bei dem sogenannten Sandauer Fährkrug floß z. B. der Strom westlicher in großem Bogen an Büttnershof, Germerslage, Kannenberg und Berge vorüber, um in der Nähe der heutigen Gänsebrinkschleuse in sein jetziges Bett einzumünden. Das von diesem Bogen des Stromes umschlossene Gebiet lag also ursprünglich auf dem rechten Elbufer, gehörte zu Sandau und trägt daher noch heute den Namen „Sandauerholz“. Heute aber fließt die Elbe in gerader nördlicher Richtung von Sandau auf das Dorf Räbel zu. Der alte, dem ursprünglichen Lauf des Stromes folgende Deich, der vom Fährkrug in weitem Bogen bis nach dem Dorfe Berge reicht, hat seine Bedeutung als Deich verloren und eine Bedeutung als öffentliche
Landstraße gewonnen. Parallel mit der neuen Stromrichtung ist daher ein neuer Deich in der Mitte des vorigen Jahrhunderts errichtet, der in gerader Richtung vom Sandauer Fährkrug bis zur Gänsebrinkschleuse führt. Auf diese Weise ist das nun auf der linken Elbseite gelegene Sandauerholz polderartig nach Norden, Westen und Süden von dem alten Deich (Schlafdeich) und nach Osten von dem neuen Deich eingeschlossen. Auch an anderen Orten, wie bei Räbel, Werben, Schönberg und Beuster, hat die Elbe ihre Stromrichtung geändert; der häufig vorkommende Name „alte Elbe“ erinnert noch heute daran.
Der andere wichtige Fluß in der Wische ist die Biese, die durch eine breite Talrinne bei Osterburg in die Wische eintritt. Unterhalb dieser Stadt vereinigt sich die Biese mit ihrem bedeutendsten Nebenfluß, der Uchte. Sie fließt trägen Laufes in der fast ebenen Talung, im allgemeinen die nördliche Richtung innehaltend, durch sumpfige Wiesen, vorbei an Dobbrun, Gehrhof, Biesehof und Seehausen dahin, biegt dann bei Wegenitz, abgelenkt durch eine stärkere Bodenerhebung, nach Nordwesten um und behält diese Richtung bis zur Mündung in die Elbe bei. Zwischen Groß- und Klein-Wanzer verbreitert sich der Flußlauf seenartig, wird dann wieder schmaler und geht etwa 2 km oberhalb der Mündung in einen breiten See über, der jedoch infolge der geringen Stromgeschwindigkeit stark verkrautet ist. Da der Aland – so heißt nämlich die Biese vom Biesehof ab – seinen Wasserspiegel nur um 8 m senkt, die Elbe aber von Altenzaun bis Schnackenburg um 13 m, so erhellt sofort, daß das Hochwasser der Elbe von der Alandmündung aus einen ungewöhnlich starken und weiten Rückstau ausübt. Der Biese-Aland-Fluß erhält seine Zuflüsse ausschließlich von Osten her, denn das Flußtal ist so dicht an die linksseitige Höhe herangerückt, daß eine Flußentwicklung auf dieser Seite durchaus unmöglich ist.
Es seien die folgenden Nebenflüsse und Gräben kurz genannt: die Kuhsitte, die aus dem Zusammenfluß des Balsam- und Geestgrabens entstehend den südlichen Teil der Wische entwässert und unmittelbar nach Einmündung der Uchte in die Biese fällt; ferner der Schöppgraben, der durch Vereinigung des Seegrabens mit der Beverlake entsteht und unterhalb Dobbrun mündet; der Herzgraben, der bei Behrendorf entsteht und in die Beverlake mündet; die große Wässerung, die im Innern des Elbbogens hart am Deich entsteht und bei Gehrhof in die Biese fällt, der taube Aland, derauf einem Hof in Räbel entspringend, in trägem Lauf mit kaum merkbarem Gefälle unter vielfachen mäanderartigen Windungen in westlicher Richtung der Biese zufließt, die er unterhalb Liesehof erreicht. Eine Anzahl kleinerer Gewässer, welche die Wische im Norden entwässern, fließen dem tauben Aland auf der rechten Seite zu. Das Gebiet östlich von Seehausen wässert zum Landwehrgraben ab, der in rechteckigem Bogen durch mehrere Quergräben die Gewässer der Niederung sammelt. Parallel dem Elbdeich zieht, die Ortschaften Camps, Ostorf und Beuster berührend, ein anderer Graben entlang, der zunächst künstlich entstanden, dann aber in ein Bett geleitet ist, das einst von den Fluten der Elbe benutzt ist, wie seine ansehnliche Breite mit ziemlicher Sicherheit vermuten läßt. Er ist in seinem unteren Laufe mit Deichen versehen. Nördlich von dem Deich dehnt sich ein Gebiet aus, das bei tieferer Lage besonders stark durch Grundwasser zu leiden hat. Zu seiner Entwässerung ist ein vollständiges Sielsystem eingerichtet, mit dem Zwecke, das Grund- und Qualmwasser auf einzelne Teile des Polders gleichmäßig zu verteilen.