Die Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz Osterburg und Seehausen bei der Überschwemmung.
Die Kolonne Osterburg hatte sich rechtzeitig mit geeigneten Kähnen versehen und ihre besondere Ausrüstung als Sanitätsmannschaften nochmals einer Prüfung und, wo nötig, einer Ergänzung unterworfen. Als daher die Wassermassen in ihr Tätigkeitsgebiet sich wälzten und Menschen und Vieh, Hab und Gut in Bedrängnis gerieten, war sie mit den braven Pionieren zuerst auf dem Platz, um teils an deren Seite, teils selbständig bergen zu helfen, was an Leben und Besitz dem entfesselten Element noch entrissen werden konnte. Ein Teil der Kolonne, später alle
Mitglieder, hatten den Auftrag, den durch das Hochwasser von der regelmäßigen Zufuhr Abgeschnittenen, in ihren Besitzungen Zurückgebliebenen, täglich Nahrungsmittel auf Kähnen zuzuführen, auch Postsendungen und anderes zu überbringen bzw. nach außen zu übermitteln, was die Wechselbeziehungen des täglichen Lebens erforderlich machten. So wurden nicht nur Medikamente, Verbandmaterial, Kleidungsstücke, Nahrungsstoffe und Ähnliches herangeschafft, sondern auch für die Überführung von Kranken nach Hospitälern Sorge getragen. So retteten mehrere Kolonnenmitglieder am 16. Februar gegen Abend noch in Dobbrun eine Mutter mit ihrem Neugeborenen auf Leiterwagen und Kahn und brachten beide wohlbehalten ins Osterburger Krankenhaus.
Die Verwaltung der Zentral-Sammelstelle für das ganze Überschwemmungsgebiet lag in den Händen eines Kolonnenmitgliedes; einige Kameraden standen ihm bei der Lösung seiner Aufgaben, die er in Gemeinschaft mit den Damen und Herren des Hilfskomitees übernommen hatte, zur Seite.
Durch die rasche und schonende Überführung der am 20. Februar 1909 bei dem Zentralkomitee des Preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz für Seehausen erbetenen und sofort bewilligten transportablen Baracke noch in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar hat die genannte Kolonne einen neuen Beweis ihrer Leistungsfähigkeit abgelegt.
Die Sanitätskolonne Seehausen fand schon am 12. Februar Gelegenheit einzugreifen, als eine erstarrt aufgefundene Frau zum Leben zurückgerufen und in ein Obdach gebracht werden mußte. Am 16. Februar gelang ihr die glückliche Überführung einer weiteren, schwerkranken Frau aus einem gefährdeten Hause vor dem Mühlentor nach der inneren Stadt. Von diesem Tage an erschienen die Kolonnenmitglieder nur noch in vorschriftsmäßiger Bekleidung auf der Straße, um jedermann als hilfsbereite Männer kenntlich zu sein. Sie wurden dem Pionierkommando für etwaige Hilfeleistungen und zur Ausführung allenfalls notwendiger Krankentransporte zur Verfügung gestellt; an der Seite dieses Kommandos hielten sie während der ganzen Dauer ihrer Tätigkeit treu aus. Die Radfahrbahre der Kolonne stand auf dem Marktplatz neben den Pontons transportfertig; die Unfallmeldestelle am Markt war durch eine Fahne mit dem Genfer Kreuz als Zufluchtsstätte für Hilfsbedürftige gekennzeichnet. Nach dem Einbruch des Wassers in die Umgebung Seehausens beförderte die Kolonne wiederholt
kranke und verletzte Frauen und Kinder, auch einen erkrankten Pionier, nach dem Krankenhause, zum Teil unter großen Schwierigkeiten; so wurde z. B. am 18. Februar nachts eine Bahnwärterfrau mit verletztem Bein von einem Ponton Pioniere und fünf Mitgliedern der Sanitätskolonne aus dem Bahnwärterhause im Behrend’schen Hauslande, unter Zuhilfenahme einer Lokomotive, gerettet. Am kürzesten und besten schildern uns die fernere Tätigkeit dieser Kolonne die Eintragungen in das Sanitätskolonnen-Buch:
„20. Februar: 2 Mann bringen ein Kind aus dem Überschwemmungsgebiet (Schönberg) in das Krankenhaus. Aufstellung der 1. Baracke (des Stendaler Kreises) auf Baarsberge unter Mitwirkung der Kolonne Osterburg.
21. Februar: Aufstellung der 2. Baracke (vom Zentralkomitee vom Roten Kreuz in Berlin) unter persönlicher Leitung des Oberstabsarztes Dr. Hering auf Baarsberge.
„6 Uhr: Konferenz desselben Herrn mit dem Hilfskomitee wegen Verwaltung der Baracken. Es erscheint zu dieser Konferenz Herr Oberpräsident von Hegel; derselbe wünscht, daß Mannschaften der Sanitätskolonne die Pioniere auf den Pontons begleiten, um Nachfrage nach dem Bedarf von Lebensmitteln, Kleidungsstücken usw. zu halten; dies geschieht vom 22. bis 27. Februar. Von diesen Fahrten wird ein krankes Kind und ein kranker Mann mitgebracht und ins Krankenhaus eingeliefert.
24. Februar: Herr Landgerichtspräsident Chuchul aus Stendal, Mitglied des Zentralkomitees vom Roten Kreuz, besichtigt die Baracken auf Baarsberge und das Seehäuser Krankenhaus.
Am gleichen Tage hielten Herr Regierungsrat von Velsen und Major von Landwüst (vom Provinzialverband des Vaterländischen Frauenvereins und des Roten Kreuzes) mit dem Herrn Superintendent Hennicke, dem Magistrat und dem Vorstand der Sanitätskolonne eine Konferenz.
Mehrere Verwundungen bei Zivilisten und Soldaten wurden in der Zeit vom 16. bis 27. Februar verbunden. Auch beteiligten sich Mitglieder tätig bei Rettung aus Hochwassergefahr.“
Wir können diese kurzen Ausführungen nicht besser schließen als mit den Worten, mit denen ein Bericht in Nr. 14 der Zeitschrift „Das Rote Kreuz“ 1909 schließt:
„Mit Genugtuung kann man auch auf diese durch Wochen fortgesetzte planmäßige Hilfstätigkeit unserer Männer-Organisationen
hinblicken; letztere haben bewiesen, daß sie zur rechten Zeit an der rechten Stelle sind, und daß sie nichts unversucht lassen, um sich als treue Freunde ihrer Mitbürger in ernster Stunde durch die Tat zu zeigen.
Sie haben aufs neue gezeigt, daß unsere Sanitätskolonnen keine Sporteinrichtungen sind, noch unnütze Spielerei treiben, sondern daß sie entschlossen und befähigt sind, in ernster Zeit zugunsten des Allgemeinwohls sich nützlich zu machen.
Mögen diese Tatsachen aufs neue beweisen, daß die Gemeinden, Berufsgenossenschaften usw. durch die tatkräftige Unterstützung und Förderung des Sanitätswesens sich treue Helfer für Notfälle aller Art sichern.“