Der Vaterländische Frauenverein im Überschwemmungsgebiet.
Als am Abend des 15. Februar zur Kenntnis des Provinzialverbandes der Vaterländischen Frauenvereine gelangte, daß infolge des zweiten Deichbruchs schweres Unglück den Bewohnern der Wische nahte, wandte sich der Verbandsvorstand im Verein mit dem Vorstand des Provinzialvereins vom Roten Kreuz sofort mit einem Aufruf an die Bewohner der Provinz Sachsen. Diesem Aufruf traten angesehene Herren der Provinz, namentlich der Altmark, bei. Glänzend bewährte sich da die private Hilfsbereitschaft; obwohl erst kurz vorher durch die Sammlungen für die in dem Bergwerk Radbod und in Italien Verunglückten erhebliche Ansprüche an die allgemeine Mildtätigkeit gestellt waren, wetteiferte doch alles in der Unterstützung der Bedrängten. Bekleidungsgegenstände jeder Art, Lebensmittel, Stroh, Heu, Saatgut usw. gingen in ganz erheblichen Mengen dem Komitee zu, das sich auf Veranlassung des Landrats in Osterburg gebildet hatte, und an die in jenem Aufruf bezeichneten Stellen wurden bedeutende Summen gezahlt. Von den gespendeten Beträgen hat indes der Vaterländische Frauenverein zur eigenen Verteilung sich nur diejenigen vorbehalten können, welche an seinen Schatzmeister von seinen Zweigvereinen gesandt oder ihm ausdrücklich von Gönnern und Freunden zur Verfügung gestellt waren.
Von den beiden für das Überschwemmungsgebiet in Betracht kommenden Zweigvereinen war der sich satzungsgemäß auf die Stadt Werben beschränkende Verein alsbald durch das Wasser vom Verkehr abgeschnitten. Der Osterburger Verein besaß fast nur in der Stadt Osterburg Mitglieder und konnte somit die Organisierung der Hilfstätigkeit für das ganze Überschwemmungsgebiet nicht wohl übernehmen. Beide Vereine haben aber in ihren Städten eifrige Wirksamkeit entfaltet. Unter diesen Umständen wandte sich der Verbandsvorstand an sämtliche Geistliche und zahlreiche andere Personen des Überschwemmungsgebietes mit der Bitte, nach Benehmen mit den Gemeindebehörden die in den einzelnen Ortschaften herrschende Not festzustellen, dem Vorstand alle Wünsche zu übermitteln und die ihnen dann zugehenden Gaben im Namen des Vaterländischen Frauenvereins zu verteilen. Auf diese Weise wurde viel Not im Überschwemmungsgebiet bekannt und gelindert. Inzwischen hatte nämlich der Hauptverein die
Hilfstätigkeit im ganzen Vereinsgebiet organisiert, da sich herausgestellt hatte, daß auch in anderen Landesteilen durch Hochwasser erheblicher Schaden angerichtet war. Die Gaben an Kleidungsstücken, Wäsche, Lebensmitteln usw., die auf den vom Hauptvorstande erlassenen Aufruf hin, in Berlin eingingen, wurden vom Provinzialverein Berlin ausgepackt und sortiert. Alle Bitten um Zusendung von Gegenständen wurden nach Berlin übermittelt und von dort aus in kürzester Zeit erfüllt.
Während die Fluren der Wische noch von Wasser und Eis bedeckt waren, wurde in Seehausen ein neuer Vaterländischer Frauenverein gegründet. Dieser Verein beteiligte sich in Seehausen bald eifrig an der Fürsorge für die Überschwemmten; ihm fiel die Aufgabe zu, eine Döcker’sche Baracke in Betrieb zu setzen, die seitens des Zentralkomitees vom Roten Kreuz nach Seehausen gesandt war, als das Hochwasser das Krankenhaus daselbst bedrohte. Da das damals befürchtete weitere Steigen des Hochwassers nicht eintrat und somit eine Räumung des Krankenhauses nicht erforderlich wurde, blieb die Baracke einstweilen unbenutzt; der Zweigverein Seehausen hat sie dann aber später mehrere Wochen lang mit Kranken belegt, die in dem kleinen städtischen Krankenhaus keine Aufnahme mehr finden konnten.
Inzwischen bildeten sich für den gesamten ländlichen Teil des Überschwemmungsgebietes zwei neue Zweigvereine: mit dem Sitz in Hindenburg und in Neukirchen.
Dem Vaterländischen Frauenverein gebührt sicherlich herzlichster Dank für alle werktätige Nächstenliebe, mit der er vom allerersten Augenblicke an den Überschwemmten geholfen hat.