8. Kirchliches.

Im Jahre 1472 belieh Kurfürst Albrecht die von Kröcher mit dem Kirchlehn zu Röbel up der Elve, nachdem diese schon 1441 im Besitz des ganzen Dorfes waren. In diesem Verhältnis hat sich in der Reformationszeit nichts geändert. Auch in den Kirchenvisitationsabschieden von 1542 und 1551 werden die von Kr. zu Dreetz und Luhme als Collatores der Räbeler Pfarre genannt. Räbel hatte damals eine Pfarrstelle für sich, darum auch ein Pfarrhaus und einen Garten dazu. Das Pfarrhaus soll auf der Grenze des alten und neuen Kirchhofes gestanden haben. Trotzdem wurde es 1542 von Werben, seit 1581 von Berge aus kuriert. Der 1. Pfarrer Andreas Krüger (1600 bis 1611), sowie seine Nachfolger Christoph Regius (bis 1626), Georg Michael Dahle aus Havelberg (bis 1650), endlich Johann Jungius aus Cölln a. d. Spree (bis 1692) scheinen im Räbeler Pfarrhause gewohnt zu haben. Zur Pfarre gehörte 1 Hufe und 1 Wohrt. Die Accidentien bezog der Pfarrer wie damals üblich. Unter den Einkünften des Pfarrers werden auch 3 Memorien 1542 genannt, die aber seit 1551 fehlen, weil Räbel inzwischen evangelisch geworden war. Für die Kirche und den Gottesdienst muß der Pfarrer Wachs zur Altarbeleuchtung, Brot und Wein zum Abendmahl besorgen. Von seinem Gehalt muß er „über seine Mühe und Arbeit 5 Ruthen Deichs halten“. In dem Abschiede vom Jahre 1600 heißt es: „Der Pfarrer hat sich mit dem jetzigen Inhaber der Pfarrhufe vertragen, daß er ihm jährlich 20 Gulden als auf Michaelis und Ostern, auch 5 Scheffel Roggen, 3 Scheffel Gerste und 2 Scheffel Weizen geben soll, jedoch nur auf des Pfarrers Leben.“ Gotteshausleute in demselben Jahre waren Michel Schulz, Peter Belitz. Der Schule hieß Carl Schmidt. Die Aeltesten hießen Chim Ruwe, Chim Polckow, Thomas Garahn, Lucas Wulzsche.

Der Küster hieß nach dem Matrikel des Jahres 1600 Caspar Horn, Freiburgensis in Meißen; man möchte bei Freiburgensis an einen Lesefehler denken und Freibergensis lesen, denn Freiberg liegt allerdings in dem ehemals Meißnischen, Freiburg aber in dem ehemals Naumburgischen. Der Caspar Horn wird auf seiner Wanderschaft nach Räbel gekommen und dort wohnen geblieben sein. Interessant bei der Aufzählung der Küster-Gehaltsteile war mir, daß der Name „Wolfswinkel“ noch darin vorkommt, — es heißt „5 Viertel Landes im Wolfswinkel gelegen“ —, daß auch hier Memoriengeld genannt wird, daß die Betglocke damals noch „geschlagen“, und daß noch Nicolai und Kirchweihe gefeiert ward; seit 1551 fehlen des Küsters Einnahmen zu Nicolai und zur Kirchweihe. Die Feier des Nicolai-Tages weist auf den Kirchenheiligen.

Die Kirche war mit heiligen Geräten wohlversehen: 1542 hat sie 1 silbern-vergoldeten Kelch, 1 ebensolche Monstranz (Hostienbehälter), ein kleines silbernes Röhrlein und eine „Ordnung“; 1600 fehlt die Monstranz, die ja nun unnötig geworden war, dafür aber hat die Kirche nun ein rothsammet Meßgewand, 2 Röckel. Unter der „Ordnung“ werden wir eine Art Agende zu verstehen haben, in der die sonntäglichen gottesdienstlichen Feiern geordnet sind; unter den Röckeln sind wohl weiße Ueberkleider über dem Meßgewand zu verstehen. Von der Beibehaltung der katholischen priesterlichen mittelalterlichen Festkleidung war oben bei Neukirchen bereits die Rede.

Unter den heiligen Geräten der Räbeler Kirche befindet sich noch heute ein bemerkenswerter Abendmahlskelch. Er stammt wohl aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Kelch zeigt auf seinem Fuße sechs Felder, die sich nach dem wulstigen Knaufe hin verjüngen. Während die Felder 1 und 2 leer sind, zeigt Feld 3, wenn ich nicht irre, zwei sich anschauende Köpfe, Feld 4 eine Darstellung der Opferung Isaaks, Feld 5 das Bild „Moses mit der ehernen Schlange“ und Feld 6 das des gekreuzigten Heilandes. Unter den ersten fünf Bildern, mehr am Rande, zieht sich die deutsche Inschrift herum: „Der Here sprac zu Mose: Mache dir eine erne Slange un richte si auf zu Zeigen. Wer gebissen is der soll leben“, unter dem 6. Bilde steht die lateinische, auf deutsch lautende Fürbitte des Heilands am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“. Auf dem 4. Bilde sehen wir in der Mitte Abraham in großer Gestalt, rechts von ihm den Widder, links von ihm den auf dem Holzstoß knieenden betenden Isaak mit abgewandtem Angesicht. Abraham schwingt über seinem Haupte in der Rechten das Opfermesser, während er die Linke auf das Haupt des geliebten Kindes legt. Ueber dem Abraham an dem durch zwei Sterne angedeuteten Himmel erscheint der Engel des Herrn, der dem Abraham zuruft: „Lege deine Hand nicht an den Knaben.“ Die Bilder 4 und 5 weisen auf das Bild 6, das Opfer Christi, hin. Abraham ist hier ein Vorbild Gottes, der auch seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben. Die 5. Gruppe mit der Inschrift darunter „Moses und die eherne Schlange“ bezeichnet Christus selbst als Vorbild seines Todes. So finden die beiden alttestamentlichen Darstellungen in dem Bilde des Opfers Christi am Kreuz ihren bedingenden Mittelpunkt und entsprechen zugleich der besonderen Bestimmung des Kelches für den Gebrauch zum heiligen Abendmahl. Der Kelch bildet ein sehr wertvolles Stück unter den sparsam vorhandenen Resten der älteren Goldschmiedekunst in den Marken. Die zugehörige Patene trägt auf ihrem Rande ein Kreuz und auf demselben eine Hand mit zwei ausgestreckten Fingern. Leider war an dem Kelche eine Datierung ebenso ein Beschauzeichen nicht zu entdecken.

Nach Macholz, Die Kirchenbücher der ev. Kirchen in der Provinz Sachsen, reichen die Sterberegister in Berge bis 1632, die in Räbel bis 1601 zurück.

Unter den der Räbeler Kirche gehörigen Grundstücken heißt eins im Jahre 1600 „die heilige Wohrt“; die Anmerkung lautet vollständig: „1551 hat Deiche zu bauen; 9 Viertel Landes, gibt 3 Pfund. 1581: u. 30 Schilling von einer Wohrt (1600: die heilige Wohrt genannt) und etliche ablösliche Zinse“. Wir begegnen der Bezeichnung „heilig“ für „kirchlich“ öfter, so z. B., gibt es in Iden und Rengerslage „heiliges Kreuzland“, woraus man schließen kann, daß die beiden Kirchen „Kirchen des heiligen Kreuzes“ gewesen sind. Gibt es nicht in Pollitz sogar einen Gasthof „Zum heiligen Vater?“

Wohl hatte die Räbeler Kirche im Jahre 1600 an Hauptsumme auf Zins ausstehen 87 Mark 30 Schill. Zinsen jährlich 10 Gulden 22 Schilling 6 Pfennige, aber sie hatte auch die schwere Deichlast, wie wir eben ersehen haben.

Aus der Zeit um 1542 ist noch in einer Original-Einlage in den Visitations-Abschieden ein Register des Einkommens und der jährlichen Zinsen des Gotteshauses zu „Robell ahn der Elhw“ und seiner „ingehoringen“ vorhanden. Die Namen der Abgabepflichtigen seien kurz angeführt: Jürgen Belitz, Michel Schrepkow, Hans Lemme, Peter Kunsch, Achim Bake, Achim Hennecke, Steffen Lange, Benedikt Nyenkerken, Hans Kunsth, Hans Bake, Clawes Kroger, Achim Smidt, Lentze Hallendorp, Titke Dancker, Thomas Horst, die Achim Brigesche, Otto Kruge, Kersten Schrepkow vom Berge, Hans Smidt, Achim Schunemann von dem Hofe der Cröchern, Achim und Gymen Walthe, Clawes Witte, Mauritze Germen und Arndt Polkow.

Das Räbeler Kirchengebäude stammt in seinem Hauptteil aus der Zeit des gotischen Baustils. Ursprünglich wird auch zur Kirche ein auf breiter Basis ruhender Backsteinturm gehört haben. In der furchtbaren, für diese Gegend besonders schrecklichen Zeit des 30jährigen Krieges wird der Turm zerstört worden sein. Die Armut der Folgezeit gestattete nur einen Fachwerk-Turmbau. Im Jahre 1795 wurde durch Sachverständige erklärt, daß der alte Räbeler Kirchturm einzustürzen drohe. Aus Mangel an Geld unterblieb damals der Neubau. 11 Jahre darauf wurden beide Glocken, um sie vor einem leicht möglichen Unfall zu sichern, vom Turme genommen. Die größere Glocke wurde in der Kirche aufbewahrt, die kleinere aber auf dem Kirchhof zum nötigen Gebrauch in einem Gerüst aufgehängt. Nach dem wiederholten Befehl des Konsistoriums wurde am 21. Februar d. J. mit dem Abbrechen des alten Turmes angefangen und sogleich mit dem Bau des neuen Turmes begonnen. Da das Kirchenvermögen nur 650 Tlr. 12 Gr. 11 Pfg. dazu hergeben konnte, wurde dieser Bau nur durch erhebliche Beiträge der Gemeinde möglich. Am 20. Mai wurde das Holzwerk aufgerichtet und bei dieser Gelegenheit vom Prediger eine kurze Rede gehalten. Am 20. Juni wurde der Turm eingeweiht. Im Jahre 1890 erfuhr das ganze Innere der Kirche eine durchgreifende Erneuerung.

Im Turm befinden sich zwei Glocken; die größere Glocke trägt keine Inschrift; auf der anderen sehen wir das Bild des gekreuzigten Heilands und die Inschrift „Gott allein die Ehre. Anno 1659“. Es mag damit auch das Jahr der Errichtung des Fachwerkturmes bezeichnet sein. Da die kleinere Glocke, so schrieb ich in der 1. Auflage, im Laufe der letzten Jahre einen Riß bekommen hat, will der Pfarrer Prietze, früher Pfarrer von Berge und Räbel, eine neue Glocke stiften.