8. Ueberschwemmungen der Elbe.
Die folgenden Berichte sind wiederum der Pfarrchronik entnommen. „Im Jahre 1670, den 11. März, Freitag vor Laetare, früh um 2 Uhr, ist die Elbe bei bei der hiesigen Brackmühle durchgebrochen, so daß das Wasser abends zu Seehausen angekommen, wodurch alle dortigen Stadtländereien bis an das Losse’sche Hausland überschwemmt wurden. In dem vorhergegangenen Jahre ist eine so große Dürre gewesen, daß man das Vieh hat müssen anderswohin in die Futterung bringen. Man erzählt, daß ein Schiff, um den Weg abzukürzen und desto geschwinder nach dem Seehäuser Kamps zu kommen und mit dem Aland wieder in die Elbe zu gehen, die Verwegenheit gehabt hat, durch den Bruch des Deiches zu segeln, aber auf der Anhöhe des Behrendorfer Feldes sitzen geblieben sei.
Das 1771. Jahr machte unter den unglücklichen Jahren eine ansehnliche Figur und läßt in der Geschichte dieses Landes ein trauriges Andenken zurück. Nach einem vorhergegangenen ziemlich kalten Winter folgte im Frühjahr der sehr gefährliche Eisgang der Elbe, durch den die Elbdeiche unsäglichen Schaden erlitten. Am Sonnabend vor Palmarum war hier die Gefahr am größten, indem das Eis höher als der Deich lag und das Wasser an vielen Orten mit dem Deiche gleich stand. Nachdem der Havelberger Deich durchgebrochen und das Wasser durch die Havel wieder in die Elbe gelaufen war, so daß das vordere Eis sich heben konnte, ging die Stopfung zwar fort, setzte sich aber in der Gegend von Seehausen wieder und stand bis Werben herauf. Am Palmsonntag fiel ein ungeheurer Schnee und darauf folgte Frost, so daß die Stopfung unbeweglich fest stand. Das Elbwasser lief indes die Havel hinauf und richtete hernach nebst dem Eise in der Niederlage der Holzkompagnie unsäglichen Schaden an: „Die schon gelegte „Bodens“ wurden zerrissen, viele Bäume zerbrochen, schweres Holz ging zu Grunde und alles wurde meilenweit umher getrieben. Doch dieses war noch nicht das größte Unglück. Mittwochs nach Palmarum erfolgten in der Gegend von Neukirchen, Schönberg, Herzfeld drei große Durchbrüche, woran auch die Nachlässigkeit derer, die es hätten sollen verhindern, viel Schuld sein soll. Die ganze Umgegend von Seehausen wurde unter Wasser gesetzt, unzähliges Vieh mußte ertrinken; doch sollen nur drei Menschen umgekommen sein. Frost und Hunger vermehrten das Elend. Weil unsere Gräben den Abzug verloren und am stillen Freitage zum Teil rückwärts zogen, so entstanden auch hier verschiedene Ueberschwemmungen und die ganze Wische schien das Miserere zu bekommen... Es folgte im Sommer und die Ernte hindurch ein unaufhörliches Regenwetter, wodurch das Unglück vollkommen wurde. Die Ernte verdarb so sehr, daß die wenigsten ihre Aussaat wieder bekamen. Bei Seehausen erfolgten neue Ueberschwemmungen, daher unsere Gräben nicht mehr zogen. Die Deiche von da ab, wo der jetzige alte und neue Deich zusammenstoßen, bis an das Dorf Berge, fielen ganz weg und ich räumte zweimal das unterste Stockwerk meines Hauses aus, weil man nicht anders als einen schädlichen Durchbruch befürchten mußte. Die ganze Gegend mußte täglich die Deiche bauen und bessern, welche Last bis Neujahr fortdauerte, ohne daß die Deiche fertig wurden. Weil kein Futter gewonnen worden war und das Vieh beständig auf nasse Weide gegangen, so krepierten alle Schafe, es starben die Ochsen, die Pferde verhungerten, und der einzige Segen des Jahres bestand in einer guten Eichelmast, wobei die Schweine, so die nasse Witterung noch am besten vertragen sollten, sehr fett wurden. Auch ernteten die Dörfer meiner Pfarre, schreibt Runde, noch vorzüglich viel Obst, davon Sandau garnichts, Havelberg und Werben aber blutwenig hatte. Nur von dem Getreidepreise will ich noch anmerken, daß um Martini zu Havelberg der Weizen 2 Rthlr. 20 ggr., der Roggen 2 Rthlr. 16 ggr., die Gerste 1 Rthlr. 16 ggr. und der Hafer 1 Rthlr. 8 ggr. galt.
„1804, den 21. Dezember, setzte sich das Eis bei sehr hohem Wasserstande im Strome fest und ward durch den anhaltenden Frost über 3 Fuß stark. Erst am 6. März 1805 brach das Eis auf, nachdem die Elbe schon vorher so hoch angewachsen war, daß der Deich an mehreren Orten nur noch 2 Fuß höher war als das Wasser. Der Strom warf 2½ Fuß starke Eisschollen von beträchtlichen Größe auf und vor den Deich an der neuen Elbe und sicherte so vor dem Durchbruche desselben. Das Eis setzte sich aber sehr bald wieder und kam erst am 7. wieder in Gang. Bei diesem letzten Eisgange wuchs das Wasser durch mehrere unterhalb entstandene Stopfungen so hoch an, daß vom ehemaligen Sübeck’schen (jetzt Rumprecht’schen) Deiche bis zum Räbelschen Deiche hin nur wenige Stellen blieben, wo das Wasser nicht überströmte. An den niedrigsten Orten ging das Wasser höher als 1½ Fuß über den Deich, wodurch in dem Deiche an der Landseite schon beträchtliche Löcher gewühlt wurden. Gerade als das Unglück des Durchbruchs im Deich unvermeidlich schien, ward die nächste Stopfung durch die ungeheure Wassermasse weggedrängt und so die hiesige Gegend vor der schrecklichsten Wassersnot befreit. Die ältesten Menschen, worunter ein Mann über 90 Jahre ist, können sich keines ähnlichen Eisganges entsinnen. Von Magdeburg bis Wittenberge waren auf jener Seite der Elbe 8 und auf dieser Seite 2 Durchbrüche, die hier aber nicht den mindesten Schaden verursachten. Durch erstere wurden in Havelberg 2 noch neue Wohnhäuser und mehrere Hintergebäude zertrümmert und die Brücken zerstört."
„Im Anfange des Monats Dezember 1819 setzte sich das Eis in der Elbe bei einem sehr niedrigen Wasserstande. Da aber mit dem 16. Dezember sehr starkes Tauwetter einfiel, und mehrere Tage anhielt, so sah man dem Ausbruch des Eises entgegen und war darüber bei dem niedrigen Stande der Elbe ohne Sorge. Am 20. fror es aber wieder heftig. Unerwartet brach das Elbeis am 26. bei 4 Grad Kälte auf, setzte sich an mehreren Orten und kam wieder in Gang, bis sich am 28. das sämtliche Eis von hier bis Tangermünde von unterhalb Werben bis eine beträchtliche Länge oberhalb Werben in eine Masse zusammenschob. Mit dem Eise kam eine Schiffmühle von Tangermünde an, welche späterhin auseinandergenommen und bei Werben über die Stopfung zu Lande gebracht wurde. In der hiesigen Gegend verursachte der Eisgang keinen Schaden, sondern nur Besorgnisse für die Zukunft."
„1820. Bei der fortdauernden Kälte, welche am 10. Januar bis auf 20 Grad stieg, ward die Elbe abermals mit einer Eisdecke belegt, so daß man mit Wagen und Pferden darüber fahren konnte. Am 19. trat wieder starkes Tauwetter ein. Der dadurch verursachte Wuchs des Wassers hemmte wenigstens den Uebergang mit Pferden. Die traurigen Nachrichten von den Verwüstungen, welche andere Ströme angerichtet, erweckte auch hier manche Besorgnisse und es wurden mancherlei Vorkehrungen in und bei Räbel getroffen. Am 29. Januar vormittags kam endlich das Eis von Tangermünde her bei Sandau an, nachdem das Wasser schon seit einigen Tagen, und vorzüglich an diesem Morgen, beträchtlich gewachsen war. Von 11 Uhr bis nachmittags 2 Uhr setzte sich das Eis diesseits des Fährkruges fest, ohne daß es die hiesige Eismasse nur im mindesten bewegte. Der ganze Strom kam nun vom Fährkruge durch die alte Elbe hier mit aller Macht vorbei und brachte nun auch das Eis in der neuen Elbe in vollen Gang. Dies brach mit dem heftigsten Gekrache und türmte sich, wo es nur den mindesten Widerstand fand, gleich Gebirgen auf. So lagen auf dem ganzen Deiche an der neuen Elbe Eisberge von 12 Fuß Höhe. (Der Deich an der neuen Elbe war damals nur ein Sommerdeich.) Aus einigen derselben stiegen, wie aus einem Krater, Eisschollen von 12 und mehr Fuß lang in die Höhe und fielen mit Geprassel herunter. Eine Scholle von etwa 14 Fuß Breite an ihrem Ende fuhr, ohne daß man es sah, unter dem Wasser in den Deich, kam in der Krone wieder heraus, so daß nur noch drei Fuß derselben stehen blieben; ein Teil dieses aufgehobenen Deiches ward auf die Landseite geworfen. Wäre dieser Scholle noch eine zweite gefolgt, so wäre an dieser Stelle keine Rettung möglich gewesen. Glücklicherweise bekam die ganze Eismasse einen Stillstand und beim Wiederaufbruche mehr den Gang nach jener Seite der Elbe. Gegen Abend kam alles Eis wieder in Gang, warf alle bei Räbel gemachten Vorkehrungen fort und das Wasser strömte bei dem sogen. Sübeck’schen Deiche 1½ Fuß hoch über den Deich. Die größte Gefahr fand sich in Räbel vor dem Kruge, wo das Wasser mehr als 2 Fuß hoch überstürzte und alle Arbeit fast vergeblich machte. Um 9 Uhr wurde in Werben, wo das Wasser an mehreren Orten über den Deich stürzte, bis Mitternacht gestürmt. Um 10 Uhr ließ ein von jener Seite her tönendes Brausen dort einen Durchbruch vermuten, so fand sich hier ein Stillstand des Wassers und Menschenhilfe ward anwendbar, welches obige Vermutung mehr bestätigte. Am 30., morgens 3 Uhr, war nach der heftigsten Arbeit die größte Gefahr für Räbel behoben. In der Nacht fanden sie hier zu Berge im Deiche mehrere Quellstellen, unter andern in dem Garten des Kossaten Müller, die nur von der Wasserseite her gestopft werden konnten. Beim anbrechenden Tage fand es sich, daß die Stopfung bei Werben unverrückt stehe, der Deich auf seiner Seite an zwei Orten, nämlich unterhalb Neu-Werben und vor dem Nitzower Holze weggerissen sei, wobei die Bewohner des ersteren Ortes in der schrecklichsten Gefahr gewesen sind, da sie sich in ihren auf dem Deiche befindlichen Häusern, von denen eins durch den Strom fortgerissen worden, nur auf Wischen sitzend und stehend, vor Wasser geschützt haben. Sie sind am 30. von Nitzowern gerettet. Da am 4. Februar die hiesige oben angezeigte Quellstelle gehörig untersucht wurde, fand es sich, daß der Deich unterhalb im Wasser in einer Breite von 14 bis 16 Fuß ganz schwammig war, so daß es zu verwundern ist, wie der Deich dem Drucke des Wassers widerstanden hat. Da das Wasser etwas gefallen war, so wurde am 4. und 5. eine Art Fangdeich an dieser Stelle gemacht. Bis zum 8. ward ununterbrochen an Erhöhung und Ausbesserung gearbeitet. Mehr denn 25 Menschen waren zwei Tage völlig mit Abräumung des Eises von den Deichen beschäftigt.“