2. Das Rittergut Wendemark.
Nach diesem Gute wird sich eine ritterliche Familie von Wendemarke genannt haben, deren Mitglieder wir in früher Zeit ab und an in Urkunden und anderen Schriftstücken begegnen; es sei nur erinnert an Konrad und Heinrich von W., von denen der erstere 1309 als Zeuge, letzterer in den Jahren 1313, 1316 und 1322 als Werbener Ratsherr erscheint. Daß der letztere auch der ritterlichen Familie von W. angehört hat, ist wahrscheinlich, gehörten doch Mitglieder ritterlicher Familien auch in anderen Städten zum Ratskollegium. Als die städtischen Burgen ihre Bedeutung verloren, blieb ein Teil der Burgmannen in der Stadt, ein anderer siedelte sich auf Gütern in der Nähe an. Die von W. müssen aber früh ausgestorben sein. Nach ihnen finden wir das Rittergut W. jahrhundertelang in dem Besitz der Familie von Wultzsch, die ihren Namen von dem Stammsitz Hohen-Wulsch bei Bismark entlehnte und mit Kuno von W. 1335 und Heinrich von W. 1342 zuerst urkundlich auftrat. Außer Wendemark waren Hersfelde und Schepelitz zum Teil während mehrerer Jahrhunderte ihre Hauptgüter. Wir führen im Folgenden einige Glieder dieser Familie, die das Wendemarker Rittergut inne hatten, mit den Jahreszahlen ihrer Erwähnung kurz an: Heyne vultzeke 1427, Henningh wultzke 1471, sein damals schon verstorbener Bruder Clawes, Henning W., 1517, 1519; Balthasar, ein Sohn des Henning, der am 8. März 1598 von dem Kurfürsten Joachim Friedrich belehnt wird, Henning W., ein Sohn des Balthasar, ein Bruder des Valentin und Gabriel, und Nikolaus Fritz, geboren zu Herzfelde als Sohn des braunschweigischen Leutnants Joachim am 15. August 1638; er starb als Letzter seines Stammes am 26. Dezember 1679. Von ihm, dem Vetter des oben genannten Balthasar, wird berichtet, daß er in verschiedenen Kriegsdiensten ein bewegtes Leben führte, gegen die Türken focht, zuletzt als Kurbrand. Rittmeister beim Kürassierregiment Sparr stand, der 1663 kränklich auf einer kleinen Besitzung in der Seehäuser Wische lebte und bei dem Manne seiner Schwester, dem braunschweigisch-lüneburgischen Hauptmann zu Aderstedt, Ludwig Statz von Werpup, starb und dort seine letzte Ruhestätte find. Aus dem Jahre 1607 ist noch ein Stammbuch des Heinrich von Spiller vorhanden; in demselben befindet sich n. a. neben der Eintragung „1607. H. G. A. Z.: Henningk Wulzke“ das farbige Wappen derer von W.; es zeigt: In Weiß einen offenen roten Flug im Schilde, darüber den Wulst weiß-rot und auf dem Helm 7 weiße Reiherfedern; die Decken weiß-rot (vgl. Deutscher Herold 1899, Nr. 10, und Salzwedeler Jahresbericht 17, S. 167). Die letzte Erwähnung dieser ritterlichen Familie ist in dem Wendemarker Kirchenbuch zum Jahre 1736, in dem Peter Krüger als Pensionarius auf Wulsch’ Leibgeding genannt wird.
Schon 1653 war das Rittergut an Jakob Frame verpachtet.
Die Geschichte des Rittergutes nahm nun eine neue Wendung. Das Gut wurde auf gewisse Jahre dem Bürgermeister Knüppelholz behördlich zugesprochen. Seine Witwe heiratete Peter Engel, Accise-Direktor zu Seehausen. Dieser Peter E. hatte den Großen Kurfürsten auf seinen kriegerischen Zügen überall begleitet. Zum Dank dafür schenkte ihm der Kurfürst aus Gnaden den Wendemarker Hof. Peter E. war also der erste der Familie, der den Hof übernahm; er aber überließ die eröffneten Lehen seinem Sohne Andreas. In einem neuen Gnadenbeweis wurde er mit dem Gute am 12. Februar 1687 beliehen. Er verheiratete sich mit der Tochter des benachbarten Gutsbesitzers Heidenreich Riepert. Im Januar 1688 verglichen sich beide Männer: Andreas Engel gab dem Schwiegervater zeit seines Lebens eine bestimmte Pension und versprach, nach dessen Tode dessen Schwester, einer verehelichten Schleßmann, die Hälfte der Kaufgelder, des Inventars und anderer Erbschaftsstücke zu entrichten. Andreas I. hatte vier Söhne, drei aus erster Ehe, Joachim Christoph, Johann Heinrich, Andreas II., und einen aus zweiter Ehe, Hilmar Friedrich, sowie eine Tochter Loysa Polyxena. Andreas I. starb am 12. November 1701. Seine drei Söhne aus erster Ehe besaßen die väterlichen Güter zuerst gemeinsam. Da sie aber einsahen, daß ein solcher gemeinsamer Besitz einem jeden höchst schädlich war, so überließen die beiden jüngsten Brüder ihre Lehnsanteile für 4000 Taler dem ältesten Bruder Joachim Christoph. Der Käufer nahm alle Lasten auf sich. Die Verkäufer beteiligten sich pro rata an der Abfindung ihres Oheims Johann Engel, Königl. Preuß. Amtmannes zu Neuenhagen, welche ihm vermöge großväterlicher Disposition aus Valentin von Wultzkes Hof zustand. Auch hafteten sie für die der Stiefmutter versprochenen 100 Taler und nahmen von den den Geschwistern vermachten Alimentationsgeldern des Käufers Anteil über sich, so lange er sie an seinem Tische frei und ohne Geld behielte. Es behielten sich endlich die Verkäufer an ihren und des Käufers Anteilen die gesamte Hand vor. Dieser Vergleich war am 8. Nov. 1703 getroffen. Wie mit den beiden echten Brüdern, so mußte sich auch Joachim Christoph mit seinem Halbbruder Hilmar Friedrich auseinandersetzen. Das geschah am 11. Oktober 1705; ersterer übernahm des letzteren Lehnsanteil für 2000 Taler an sich, letzterer behielt sich an den sämtlichen Anteilen die gesamte Hand vor. Unter dem 22. Juli 1706 bestätigte König Friedrich obigen Kaufkontrakt nebst Vergleich mit eigenhändiger Unterschrift. So war also nun Joachim Christoph alleiniger Besitzer. Aus der Inschrift seines gewaltigen Grabsteins in der Wendemarker Kirche kennen wir bereits die wichtigsten Daten aus seinem Leben. Er starb am 5. 8. 1739. Seine jüngste Tochter Justina Elisabeth vermählte sich am 18. Mai 1734 mit dem Ortspfarrer Johann Dietrich Löwe. Joachim Christoph hinterließ vier Töchter und zwei Söhne, Andreas (III.) und Christoph; jener war Soldat in Potsdam und starb früh, dieser starb im 16. Lebensjahr. Der Hof ging darum nun auf Hilmar Friedrich, den Sohn Andreas’ I. aus seiner zweiten Ehe, über, aber Hilmar Friedrich konnte sich nicht lange des Besitzes erfreuen, denn er starb schon am 2. Januar 1742. Da er keine männlichen Leibeslehnserben, sondern nur seine Witwe hinterließ, so entstand ein heftiger Streit um das Recht der Nachfolge. In diesem Rechtsstreit traten zwei „Engel“ als Gegner besonders hervor: Franz E., Bürgermeister zu Seehausen, und Johann Friedrich E., Feldwebel bei des Königs Garde, jener der jüngste Sohn des primus acquirens Peter E. und des † Andreas I. leiblicher Bruder, dieser ein Enkel des Peter E. und ein Neffe Andreas I. Wir können hier nicht diesen lange sich hinziehenden Rechtsstreit erörtern, sondern nur auf den Aufsatz „Zur Geschichte des Rittergutes II. in Wendemark“ in den Stendaler Beiträgen, Band VI, Heft 3, verweisen, wo auch eine Stammtafel angegeben ist. Als Sieger ging aus diesem Rechtsstreit B. Franz Engel hervor. Er hatte zwei Söhne, Johann Georg und Christoph Wilhelm, beide hatten über 20 Jahre in Kriegsdiensten bei dem Leibregiment Kavallerie und dem Prinz-Leopold-Regiment zuletzt als Wachtmeister und Sergeant gestanden. Als der B. Franz E. am 12. Mai 1751 starb, ward der jüngste Sohn Christoph Wilhelm Nachfolger in Wendemark; er verheiratete sich am 9. Mai 1753 mit der Jungfrau Catharina Elisabeth Müller, des Wendemarker Kirchenvorstehers und Ackermanns Peter Müller ältesten Tochter, starb aber schon am 20. März 1761. Als Besitzer der Engelschen Güter erscheint 1762 der Witwer Cuno Wilhelm Nicolaus Buchholtz, der sich am 22. April 1766 mit Jgfr. Catharina Dorothea, der vierten Tochter des verstorbenen Peter Müller, gewesenen Ackermanns, verheiratete.
Die folgende Nachricht über die Engelschen Güter entnehmen wir dem Buche „Ueber die Altmark“, dessen 1. Teil 1800, dessen 2. Teil 1802 in Stendal bei Franzen und Große erschienen ist. Der Verfasser nennt sich zwar nicht, aber wir wissen, daß der Pfarrer Steinhardt das Werk verfaßt hat. In dem 2. Teil, S. 78, schreibt er über unsern Hof: „Da die männliche Linie (des Peter Engel) ausstarb, so meldete sich der nächste Erbe, der natürliche Sohn eines Kriegsrates Engel aus Stettin; Friedrich der Große zeigte ihm zur Antwort den 30. Vers aus dem 4. Kapitel an die Galater: „Der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der Freien“ und darauf kam der Hof an den Unteroffizier Engel zu Seehausen, der gar keine Verwandtschaft als nur den Namen nachweisen konnte. Der Prediger von Iden bekommt von diesem Hofe den Kornzehend, der gar nicht unbeträchtlich ist.“ Was an dieser Angabe richtig ist, können wir nicht nachprüfen; sicher ist nur, daß der Hof wieder in den Besitz einer Familie Engel kam, in deren Besitz er bis 1874 blieb. Es wird nicht schwer sein, die Namen der Besitzer nach dem Wendemarker Kirchenbuch festzustellen. Wenn wir aber erfahren, daß der Verfasser jenes Werkes, Heinrich Christoph Steinhart aus Vienau in der Altmark, adjungierter Prediger in Erxleben, im Jahre 1800 8 Jahre in Dobbrun bei Seehausen Pfarrer war, so können wir annehmen, daß er über den von ihm oben berichteten Vorgang wohl unterrichtet war.
Nach der Bratringischen Statistik gehörten zu Nieder-Wendemark noch fünf große Bauernhöfe, eine Windmühle nebst ½ Hufe Ritteracker und ein kleines Afterlehn derer von Jagow. Zu diesen 5 Bauernhöfen mögen die im Lehnbrief vom Jahre 1713 genannten Höfe gehört haben: Achim Ruwens Hof mit 2 Hufen, Hans Beilingens Hof mit 3 Hufen und ihren Wiesen, Holzungen, Wassern; zu ihnen hat aber sicher der Nieder-Wendemarker Schulzenhof gehört.