3. Der Schulzenhof von Nieder-Wendemark.

In dem 35. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins sind Abschriften, Regesten und Urkunden aus dem Archiv des Rittergutes Calberwisch veröffentlicht, aus denen wir auch einiges über den Nieder-Wendemarker Schulzenhof erfahren. Danach verleiht Achaz von Jagow zu Aulosen im Jahre 1605 dem Zacharias Tornow zu Werben und Christian und Jakob, seinen Vettern, beide Tornowen, das Schulzengericht zu „Niederwendtmarck“ und 8 Stücke Landes, belegen auf der Nesse neben der Wendemarker Kirche, die da angehen von dem Aland bis in den Heerweg, und eine Wische, gelegen unter dem Deiche, und das „Wordeken“, belegen neben der Wische, zu einem rechten Mannlehn. Dasselbe Lehn wird 1634 dem Christian Tornow, Zacharias sel. Sohn, und Jakob, Gevettern, den Tornowen, 1694 dem Herrn Daniel Matthäi, Pfarrer zu Wendemark, und dessen männlichen Leibeslehnserben, 1710 den Söhnen dieses Pfarrers, Thomas Christoph, Johann und Erdmann Friedrich Matthäi, 1739 dem Daniel Bartholomäus Matthäi und seinen Vettern Johann und Erdmann Friedrich M. übertragen. Es waren also Daniel und Christoph M. zugleich Pfarrer und Schulzen des Dorfes.

Es ist in diesen Belehnungen die Rede von 8 Stücken Landes „Nesse“, belegen bei der Kirche. Auch in Lichterfelde, Falkenberg, bei Seehausen am Aland, bei Neukirchen an dem Auegraben kommt dieser Name vor, allerdings nicht „Nesse“, sondern „Esse“. Es mag sich mit Nesse und Esse ebenso verhalten, wie bei Narrenberg und Arensberg. Was soll der Name bedeuten? In Maurers Geschichte der Markenverfassung, 1856, heißt es darüber Seite 48: „Unter einer Esche (Westfalen) verstand man ein aus der Mark ausgeschiedenes Ackerfeld, welches Mehreren zugehört hat und unter diese verteilt war, aber nicht mit Aufwürfen oder Zäunen durchschnitten werden durfte, indem allen Genossen des Esches das Recht zustand, nach der Ernte ihr Vieh hineintreiben zu dürfen.“ Der Name, ursprünglich „Esche“, stammt danach aus dem Westen (Westfalen) und ist ein neuer Hinweis auf die Kolonisation Albrechts des Bären, denn die Kolonisten zu seiner und seiner Nachfolger Zeit kamen ja nicht nur aus Holland, Friesland, sondern auch vom Niederrhein und aus Westfalen. Wie hier der Name Esche an die westfälischen Kolonisten erinnert, so bei Werben im Räbeler Feld die Möhne, deren Geschichte in der Werbener Chronik S. 186 genauer behandelt ist. Der Name erinnert an den gleichnamigen rechten Nebenfluß der Ruhr, der vom Plateau von Brilon kommend in westlicher Richtung der Ruhr zufließt und bei Neheim in dieselbe mündet. Das Gegenteil von Esche bezeichnet der gleichfalls aus dem Westen stammende Ausdruck „Kamp“; bezeichnete Esche das nicht eingezäunte Saatland, so Kamp das eingefriedigte Ackerstück. Ueberall sind mit Esche Aecker bezeichnet, welche sich durch besondere Fruchtbarkeit auszeichnen.

Noch im 19. Jahrhundert wohnten Tornows auf dem Hofe, der westlich von der Kirche und nördlich von der Straße Wendemark—Neukirchen, zwischen jener Straße und dem Elbdeich, gelegen ist. Vielleicht ist das derselbe Hof, auf dem schon Zacharias Tornow zu Werben sowie Christian und Jakob, seine Vettern und Nachfahren im 17. Jahrhundert wohnten und das Schulzengericht über Nieder-Wendemark ausübten.