Wendemark

Es mögen einige Bemerkungen über den Namen und die Teile dieses großen Wischedorfes vorausgeschickt werden. Auf Althochdeutsch heißt wenti, auf Mittelhochdeutsch wende die Grenze, Wendemark würde also „Grenzmark“ bedeuten. Für ein an der äußersten Nordspitze der karolingischen Mark gelegenes Dorf wäre dies ein sehr charakteristischer Name. Und in der Tat, Wendemark liegt an der Grenze. Es lag nicht nur an der Grenze der jenseits der Elbe wohnenden Wenden, sondern auch an der Grenze eines Bistums. In alter Zeit floß durch das Dorf die Prisatine; dieses Flüßchen kam her von den Quellen der Ohre bei Ohrdorf; die Grenzlinie verließ bei Calvörde die Ohre, folgte im wesentlichen dem Laufe der Milde, der Biese, ging an den Dörfern Meseberg, Calberwisch, Uchtenhagen, Königsmark, Wasmerslage, Wolterslage, Rehhausen, Ferchlipp, Lichterfelde und Wendemark vorüber, um dann bei dem heutigen Gute Neu-Goldbeck in die Elbe zu münden. Auf der linken Seite des Flüßchens lag Ober- und Nieder-Wendemark, auf der rechten Seite Paris- und Vorwerk-Wendemark. Mit der Kolonisation durch die Niederländer zur Zeit Albrechts des Bären und seiner Nachfolger wurde es mit diesem Flüßchen ganz anders. Es hieß von nun an „Aland“, es bekam den entgegengesetzten Lauf, nicht mehr der Elbe zu, mit der Mündung bei Neu-Goldbeck, sondern von der Elbe fort, mit dem Ursprung in Räbel, mit der Vereinigung der Biese bei Seehausen, mit der Mündung in die Elbe bei Schnackenburg. Von der Quelle bei Räbel bis zur Vereinigung mit der Biese nennt man jetzt das Flüßchen den „Tauben Aland“. Sein Flußbett in Wendemark selbst ist dasselbe geblieben, wie in jener frühen Zeit. Wir haben uns mit der Beschreibung dieses Flüßchens ein wenig länger aufgehalten, als es notwendig zu sein schien. Und doch war es notwendig, denn dieses Flüßchen ist nicht zwar um seiner Größe willen, aber um seiner Geschichte willen von ganz großer Bedeutung; es bildet hier die Grenze zwischen den Bistümern Halberstadt und Verden, so daß das, was von dem Dorfe Wendemark auf dem linken Ufer des Flüßchens in seinem ursprünglichen Laufe lag, zum Bistum Verden, was auf dem rechten Ufer lag, zum Bistum Halberstadt gehörte. Merkwürdig ist’s doch, zu bemerken, wie dieselbe Jahrhunderte diese Grenze Bedeutung behielt. Bis etwa zum Jahre 1830 gehörte der linksseitige Teil des Dorfes (Ober- und Nieder-Wendemark) zum Kirchenkreise Seehausen, der rechtsseitige Teil zum Kirchenkreise Werben. Von dem Vergleich des Jahres 1607, nach dem es den „lieber“-Alandischen oder Parisischen ermöglicht wurde, kirchliche Amtshandlungen in dem ihnen näher gelegenen Wendemark vornehmen zu lassen, wird weiter unten näher geredet werden. In neuerer Zeit ist ja der Kirchenkreis Werben ganz aufgelöst und so zwischen den Kirchenkreisen Seehausen und Osterburg verteilt worden, daß die Pfarrkreise Werben, Wendemark und Neukirchen zu Seehausen, die übrigen Orte zu Osterburg gehören. Ja, jene alte kirchliche Grenzziehung wirkte sogar auch sonst bis in das 19. Jahrhundert hinein: Noch 1804 gehörte der linke Teil des Dorfes Wendemark zum Kreise Seehausen, der rechte dagegen zum Kreise Arneburg.

Nach der statistisch topographischen Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg von F. W. A. Bratring (1804) besteht Ober-Wendemark aus dem Gute Neu-Goldbeck (ehemals Seehof), aus einem adligen Lehngut und einem großen Bauerngut; Nieder-Wendemark aus Kirche, Pfarre und Schule, aus dem Rittergut, aus fünf großen Bauernhöfen, einer Windmühle nebst ½ Hufe Ritteracker und aus einem kleinen Afterlehn derer von Jagow; Paris-Wendemark aus einem Rittergut nebst Zubehör, einem Freihof und einem Bauernhof, Vorwerk Wendemark aus zwei Freihöfen, von denen der eine „Einhof“ genannt wird, und zwei großen Bauernhöfen. Leider ist es bisher nicht gelungen, über jeden dieser Höfe urkundliches Material zu finden.