1. Das Rittergut Parishof.
Man sagt gewöhnlich, das Dorf Paris-Wendemark sei in früher unbestimmter Zeit wüst geworden und aus ihm das Rittergut hervorgegangen. Das ist nicht richtig. Das Dorf bestand noch im 18. Jahrhundert, wenigstens wird im Werbener Taufregister noch 1718 die Taufe der Anna Sophia, der Tochter des Schultzen zu Paris-Wendemark Christoph Grube, verzeichnet; nach dem Sterberegister ist der Kossat Christoph Grube am 12. Februar 1733 gestorben.
Das Geschlecht, das von diesem seinem Stammsitz den Familiennamen annahm, blüht noch heute. Nicht sehr lange scheint es in der altmärkischen Heimat geblieben, sondern schon früh nach der Ostprignitz ausgewandert zu sein; schon 1316 taucht hier in Tüchen ein Henning „geheten Pariß“ auf. 1352 wird zwar noch ein Pariß in der Altmark genannt, ein Konrad, Guardian der Salzwedeler Barfüßer; aber auf dem Parishof wird schon damals die Familie nicht mehr angesessen gewesen sein. Auch in der Ostprignitz kann sie nicht lange angesessen gewesen sein, denn Siebmacher nennt in seinem berühmten Wappenbuch das Geschlecht von Paris ein in der Neumark alteingesessenes Geschlecht und der Freiherr von Zeetlitz-Neukirch schreibt in seinem Adelslexikon: „Die ordentliche Stammreihe beginnt mit Karsten von Paris, der im Jahre 1486 als Landeshauptmann von Pyritz starb und schon damals mit dem Landgute Mandelkow bei Stettin belehnt worden war. In dem angeführten Adelslexikon finden wir nähere Nachrichten über die Teilung des Geschlechts in eine pommersche und eine süddeutsche Linie, sowie über die Teilung der letzteren in die Memminger und Augsburger Linie; auch bringt dieses Lexikon Nachrichten über die bei seinem Erscheinen 1837 noch lebenden Mitglieder des Geschlechts. Das Wappen beschreibt Siebmacher folgendermaßen: Schild: Weiß mit blau geharnischtem, ein Schwert schwingendem, aus dem Schildesfuß hervorkommendem Arm. Helm: Drei weiße Lilien auf grünen Stengeln. Decken: blau und weiß.
Es hat auch eine bürgerliche Familie Paris gegeben; von ihr führen wir kurz das Folgende an: 1344 übertrug Markgraf Ludwig dem Osterburger Bürger Henning von Holtzhausen die Lehnsvormundschaft über die nachgelassenen Söhne des Schulzen Paris zu Osterburg. Unter den Werbener Bürgern wird 1439 Hans, 1457 Kersten, 1464 Heine Paris genannt. Bei der Einführung der Reformation bestanden an der Werbener Pfarrkirche sieben Memorien oder Seelenmeßstiftungen, darunter eine von Kersten, eine andere von Balzer Paris in Lübeck. Die Frage, ob der Brandenburger Domherr Nicolaus Parys, der, von der Kirche ausgestoßen, 1351 dem dortigen Bischof und Propst Gehorsam und Unterwerfung gelobte, der ritterlichen oder bürgerlichen Familie angehört, ist noch offen.
Als 2. ritterliches Geschlecht auf dem Parishofe finden wir das derer von Rintorff, deren Stammsitz das gleichnamige Dorf bei Arneburg im Kreise Stendal war. Es trat 1255 mit Johann v. R. und dann 1281 mit Ermbrecht zuerst urkundlich auf. Allmählich erwarb es großen Güterbesitz in der Altmark; es seien hier nur die Hauptgüter genannt: Gr.-Ellingen, Bethlingen, Iden, Rintorff (rundes Dorf), Rochow, Rönnebeck und Parishof-Wendemark. Das Wappen des Geschlechts zeigt ein im weißen Felde auf grünem Rasen schreitendes rotes Rind mit weißem abflatterndem Bande um den Hals. Auf dem Helm sieht man das Rind wachsend zwischen zwei weißen Büffelhörnern (vgl. Deutscher Herold, 1929, S. 43 ff.). Vom Besitz der Familie in Paris-Wendemark hören wir in den folgenden Urkunden: Am 21. Dez. 1441 verschreibt der Kurfürst Friedrich II. der Anna v. R., Klosterjungfrau in Arendsee, der Tochter des Ermbrecht, im Dorfe parisz über Jakob Brades Hof und dem Eslande 2 Mark und 5 Schill.; am 23. Juni 1455 verkaufen Hans und Kurt, Gebrüder b. R., dem Seehäuser Kaland eine freie Hufe Landes, belegen zu dem Hofe zu parys, zu Henning Wultzkens Hofe wärts, für 20 M. stend.; das Gleiche tut zur selben Zeit Ermbrecht v. R. im Einverständnis mit seinem Sohne Balthasar und seinen Vettern Hans und Kurt; 1485 verpfändet Dietrich v. R., wohnhaft zu Idem, 1 Mark jährl. Rente über den Parishof bei Lichterfelde bei Werben, den zur Zeit Simon Conow bewohnt. In der Leichenrede der 1630 verstorbenen Anna Maria von Kracht, geb. v. R., werden ihr Großvater und Urgroßvater Jakob und Kurt ausdrücklich als „Erbsessen zu Bethlingen und auf dem Parishof“ bezeichnet, während es von ihrem Vater Joachim v. B. heißt „Erbsessen zu Wendemark auf dem Parishof“. Vom Kurfürsten Joachim Friedrich wurden der Familie zwei Lehnbriefe erteilt und zwar unter dem gleichen Datum, dem 24. April 1598. Joachim, s. Jakobs Sohn, wurde mit dem Parishof belehnt; er war vermählt mit Ilse Schilling von Landstein. Aus dieser Ehe stammten 4 Töchter und 2 Söhne. Von den Töchtern verheiratete sich die eine mit Claus von Rohr in Schönberg bei Seehausen i. d. Altm., eine andere mit Otto von Winzelberg auf Rochow und Hohenwulsch, eine dritte, Anna Maria, mit Hildebrandt von Kracht, Kriegsobristen, Gouverneur der Festung Küstrin; die vierte Tochter, Richel Hedewich, die am Antonii 1598 geboren war, starb schon, wie der Grabstein in der Wendemarker Kirche besagt, am 11. Juni 1605. Die beiden Söhne hießen Christian Ehrenreich und Joachim Friedrich. Ueber Anna Maria und Christian Ehrenreich seien noch einige biographische Notizen gestattet:
In der oben genannten Leichenrede der Anna Maria v. R. heißt es: „Sie ist fromm erzogen. Im 7. Jahre ist sie ins Kloster zum Heiligen Grabe, dessen Domina eine v. R. gewesen, mit ihrer anderen Schwester, Claus von Rohrs s. Frau Witwe, getan worden, wo sie zwei Jahr gewesen. Danach blieb sie zu Hause, bis sie 1603, damals 14 Jahre alt, an den Kurfürstlichen Hof genommen ward und von der Kurfürstin Anna, der Gemahlin Joh. Sigismunds, zur Kammerjungfer angenommen ward. Zehn Jahre blieb sie in dieser Stellung, also daß die Kurfürstin ein großes Belieben und herzliches Gefallen an ihr getragen. Im Jahre 1613, am 21. März, verheiratete sie sich mit Hildebrand Kracht auf Lindenberg, Kurf. Brand. Kriegsobersten und Rat der Feste Küstrin. 17 Jahre 14 Wochen 3 Tage dauerte die Ehe. 1614, den 17. Februar, wurde eine tote Tochter geboren, 1615, den 29. Januar, ein Sohn Isaak, 1619, den 29. April, eine Tochter Eva Sophia. Diese und die Töchter ihrer Schwester, der Frau von Rohr, hat sie erzogen. Am 30. Juni 1630 starb sie.
Christian Ehrenfried v. R. war auf dem Parishof 1612, den 29. April, geboren. Als ihm sein Vater früh genommen und seine Schwester sich mit Hildebrand von Kracht vermählt, so ist er dem letzteren Ehepaar zur Erziehung übergeben. Er besuchte die Schulen in Küstrin, bis er mit 14 Jahren auf die Universität Frankfurt a. O. kam. Er sollte dann eigentlich in fernere Provinzen versandt werden; da aber sein Schwager, der Obrist von Kracht, nach Preußen mit seinem Regiment marschiert, so hat er ihn in seine Leibkompagnie genommen und im untersten Grade dienen lassen. Nach der Rückkehr ist er in demselben Regiment befördert und Gefreiter-Korporal geworden, bis ihm das Fähnlein unter des Obristen-Leutnant Rhedern Comp. anvertraut wurde. 1633 ist er zum Capitaen-Lieutenant in der Leib-Kompagnie des Schwagers angenommen worden. Anno 1634 erhielt er des von Rhedern Comp. 1641 behielt er nicht nur seine Comp. in demselben Regiment, das nach des Schwagers Tode der Obrist Georg Friedrich von Trott erhielt, sondern er wurde auch Obrist-Wachtmeister dieses Regiments und der Festung Peitz vorgestellt. Ueberall diente er zur vollsten Zufriedenheit. Er war ein frommer aufrichtiger Christ. Längere Zeit an Schwindsucht krank, wurde er in Küstrin bettlägerig. Am Montag nach Quasimodogeniti 1645 starb er. Er war 34 Jahre weniger 6 Tage alt.
Doch kehren wir nach dem Parishof zurück. Joachim, v. R., der Vater dieser Kinder, kaufte 1597 zu seinem Rittergute noch zwei unter der Lehnshoheit des Arendseer Jungfrauenkloster stehende Meyerhöfe hinzu; sie lagen an der Straße Wendemark-Werben. Jetzt befindet sich an ihrer Stelle nur ein Hof, das sogen. Wöllmerstift. Von dem Kaufgelde blieb Joachim v. R. der Domina von Eichstedt und dem ganzen Konvent des gen. Klosters 600 Reichsthaler schuldig. Er verpflichtete sich, sie jedes Jahr zu Pfingsten von 1597 an mit 36 Reichsthalern zu verzinsen und diesen Zins jedes Jahr auf seine Kosten in das Kloster zu senden. Als Bürgen setzte er seine Verwandten ein: Daniel von Landstein zu Falkenberg, seinen Schwiegervater, Claus und Peter v. R. zu Iden und Michael von Lindstedt zu Lindstedt. Falls die Zinsen nicht pünktlich gezahlt oder die Hauptsumme samt Zins und Schäden nach geschehener Loskündigung nicht erlegt würden, verpflichteten sich Schuldner und Bürgen auf Erfordern der Gläubigerinnen von Stund an, in eine von letzteren bezeichnete ehrliche Herberge zu Salzwedel oder zu Seehausen „jeder mit seinem selbsteigenen Leibe, einem Knechte und zwei Pferden einzureiten, daselbst ein recht ritterliches Einlager zu leisten und zu halten, daraus weder tages noch nachts zu ziehen, bis die gedachten Klosterjungfrauen bis auf den letzten Heller zufrieden gestellt sein werden“. Wie oben ausgeführt wurde, gehörte Paris- und Vorwerk Wendemark kirchlich zu Werben. Unter dem 10. April 1617 kaufte darum die Witwe nach dem Tode ihres Mannes Joachim v. R. in der Kirche zu Werben für die Familie eine Grabstätte. Die Witwe und die Erben gelobten, für das Begräbnis in der Kirche, für das Geläute bei demselben und für ihren Stand in der Kirche 100 Gulden mit 6 Gulden jährlich zu verzinsen. Joachim Friedrich scheint nach dem Tode des Vaters die Bewirtschaftung der Wendemarker Güter übernommen zu haben, wenigstens erfahren wir, daß er im Jahre 1622 die beiden genannten Meyerhöfe auf 12 Jahre an Jakob Muhl ausgetan hat. Nicht lange nachher kamen die Leiden und Nöte und Schrecken des furchtbaren Krieges auch über diese Gegend. Am furchtbarsten wurden diese Kriegsnöte im Sommer 1631. Gustav Adolf hatte mit seinem Heere unmittelbar bei Werben ein befestigtes Lager bezogen. Tilly und Pappenheim rückten mit ihren sieggewohnten Scharen immer näher verderbenbringend heran. Um sie zum Rückzuge zu zwingen, ließ der Schwedenkönig vorher alle irgendwie erreichbaren Lebens- und Futtermittel in sein Lager bringen. Um Rettung zu bringen, mußte der König den Altmärkern die allerschwersten Opfer auferlegen. Der Plan des Königs gelang: Die feindlichen Truppen mußten nach kurzer Belagerung des Werbener Lagers umkehren, weil der Hunger dazu zwang. Es geschah das in der Kriegsgeschichte gewiß seltene Ereignis, daß der Belagerte den Belagernden aushungerte. Wie traurig aber sah es auf dem Lande, besonders in dem so nahe bei dem Lager belegenen Wendemark aus! Wäre der Kriegsnot damit ein Ende gewesen, so hätten die armen Bewohner sie ertragen können, aber wir wissen aus der Geschichte der Altmark, daß die Kriegsnot noch lange nicht zu Ende war, sondern in immer neuen Durchmärschen, Einquartierungen, Kontributionen, Plünderungen, Brandschatzungen über diese Gegend kam. Das Sprichwort der damaligen Zeit bewahrheitete sich in erschreckendem Maße: "Die Vesten zu Dömitz und Werben waren des Landes Verderben." Kein Wunder, daß auch die v. R. ihren Wendemarker Besitz nicht mehr lange behaupten konnten. Ob Joachim Friedrich seinen 1645 verstorbenen Bruder Christian Ehrenreich v. R. überlebt hat, wissen wir nicht, aber daß der Wendemarker Besitz 1650 in andere Hände überging, das wissen wir aus einer Notiz, die im 21. Jahresbericht des Altmärk. Geschichtsvereins, 2. Heft, S. 61, mitgeteilt ist; sie meldet, daß am 13. Februar 1650 Johann Roloff der Aeltere den Parishof wieder käuflich erstand.
Bevor wir die Geschichte des Hofes weiter verfolgen, teilen wir kurz die Urkunden mit, die uns aus dem 15. und 16. Jahrh. noch einige Kunde über denselben geben: 1438 wohnte Hans Howisch als "Meyer" in parys, 1449 Hans Barth; 1472 hatte Simon Konow 2 Hufen in parys und 1485 bewohnte er den Parishof; vor 1518 hatte Hans Rogge einen Hof zu Parys, den das Havelberger Domkapitel in demselben Jahre eigentümlich an Peter Krusemark verkaufte; es handelt sich hier natürlich nicht um das Rittergut, sondern um einen der beiden anderen Höfe, die noch zu Pasis-Wendemark gehörten. Es war für jene Zeit auffallend, wenn ein Bürgerlicher mit einem Rittergut belehnt wurde. Nach dem oben angeführten Buche von Steinhart, Ueber die Altmark, verhielt es sich mit Johann Roloff ähnlich wie mit Peter Engel und dem Wendemarker Rittergut II. Auch Roloff soll ein tapferer Streiter unter den Fahnen des Großen Kurfürsten gewesen und aus Dankbarkeit mit Parishof belehnt worden sein.
Auf dem Parishofe Erbgesessen werden genannt Johann Roloff der Aeltere, vermählt mit Katharina Elisabeth, der Tochter des vornehmen Tangermünder Bürgers Christian Wilhelm, ferner Johann Roloff der Jüngere, vermählt mit Magdalena Dorothea von Hitzacker, die aber schon 1702 im Werbener Taufregister als Witwe des „sel. Herrn Roloff auf Wendemark“ erscheint, endlich Johann Christian, der 1701 als Erbsaß auf dem Parishof genannt wird. Von den folgenden Besitzern nennen wir nur die Familien von Goetze und von Grevenitz. Sie verpachteten zeitweise den Parishof; so lernen wir als Pächter kennen Ostenwald 1741, Borchmann, † 1747, Peter Wiechert, † 1762, und Balthasar Schäffer, der sich am 19. Sept. 1763 mit der Witwe seines Vorgängers namens Ludovika Friederike Wilhelmine Pfuhl verheiratete. Der hervorragendste Vertreter der Familie von Goetze auf dem Parishof war Generalmajor; über seinen Tod und sein Begräbnis lesen wir in dem Wendemarker Kirchenbuch das Folgende: „Gleich nach der Bataille, ohnweit Dresden, darin die preußische über die kombinierte österreichische und kursächsische Armee einen glorreichen Sieg erhielt, ist der Herr Generalmajor von Goetze, wie man sagt, an einem Stickfluß gestorben am 17. Dezember, worauf dessen Leichnam heruntergebracht und in hiesiger Kirche stille beigesetzt wurde, doch daß er mit Consens der Herren Kirchenpatrone 14 Tage beläutet ist.“
Ueber die Familie von Goetze geben die Wappenbücher von Zedlitz-Neukirch, 2. Band, S. 251 f., und J. Siebmacher, 2. Bd., 3. Abtlg., S. 29, Auskunft.
Aus dem 19. Jahrhundert seien als Besitzer des Parishofes kurz genannt Karl Friedrich Wilhelm Müller und der Deichhauptmann Ferdinand Müller.
Ueber den noch in dem Dorfe Baris-Wendemark genannten Freihof und den Bauerhof haben sich nähere Urkunden und Akten nicht finden lassen.