3. Der Zernitzer Hof.
Als 3. Hof in Ober-Wendemark führt Bratring einen großen Bauernhof an; es ist der an den eben genannten westlich angrenzende Hof. Freilich liegen die Wirtschaftsgebäude dieses Hofes, der jetzt „Freihof 21“ heißt, nicht mehr an der ursprünglichen Stelle hart am Aland, sondern nördlich davon, näher an der Elbe. Die Witwe des Dietrich Falcke baute sie an der neuen Stelle im Jahre 1858 auf. Ueber die Geschichte dieses Hofes sind wir glücklicherweise besser unterrichtet, als über die des vorigen; bei einem gelegentlichen Besuche fanden sich in einem sehr alten Schranke in der Werkstatt 9 Urkunden, die mit kurzer Inhaltsangabe im 33. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins veröffentlicht sind. Der Hof hieß ursprünglich „Zernitzer Hof“, später (1703, 1782) „Zwischenhof“. War der letzterer Name von der Lage des Hofes zwischen Aland und Elbe abzuleiten, so der erstere von den früheren Besitzern. Wir kennen die Familie Zernitz schon aus der Werbener Chronik, in der auf Seite 81 gesagt war, daß im Jahre 1433 dem Claus Zernitz aus dem Tideke Stolting verschiedene Ackerstücke von Ghiso Zernitz zu einer frommen kirchlichen Stiftung überlassen würden. Die Lehnsherrschaft über den Hof besaß die Familie von Kröcher, die in der Wische noch in Räbel und Schwarzholz angesessen war (siehe „Geschichte des Geschlechts von Kröcher, 2. Band, Berlin 1865). Die Lehnware, die bei jedem Lehns- und Besitzwechsel bezahlt werden mußte, betrug 1 Thaler oder 3 Gulden und außerdem 8 Schilling dem Diener. Bei der Belehnung handelt es sich um den Zehnt über 1½ Hufen Landes und um das Gericht über den Hof und die Hufen. Statt „Zehnt“ heißt es von 1670 an „die Hoheit“.
Aber woher wissen wir, daß die Zernitz die ersten Besitzer des Hofes gewesen sind? Auf den Rückseiten der Urkunden aus den Jahren 1555 und 1565 finden wir den gleichen Vermerk: „Es steht zu Tangermünde auf dem Hause im Landbuch, daß die Schartow den Hof gleich wie die Zernitz gehabt haben und haben sollen, wie denn der rechte Kaufbrief beibringt, und haben zur Lehnware diesmal gegeben einen Thaler“. Darnach waren die Zernitze die Vorgänger von den Schartows. Es heißt wörtlich in dem Lehnbrief von 1555: „Dieses vorgeschriebenen Lehnes und Gutes will Jakob von Kröcher mit seinen Vettern und den Erben dem Buffo Schartow zu Giesenslage, Matthiesen, Busso, Valentin und Christophern, Matthiesens sel. Söhnen zu Werben, und Christophern, Bartholomes sel. Söhne, zu Seehausen, alle geheißen die Schartow, und ihren männlichen Leibes-Lehnerben von Erben zu Erben eine rechte Gewähr sein und gleich seinen und ihren anderen Gütern verteidigen vor allen, die vor Recht kommen. Recht geben und nehmen wollen.“ Die Schartow bewirtschafteten den Hof nicht immer selbst, — sie hatten ja auch in anderen umliegenden Orten Landbesitz, — sondern sie überließen ihn gegen Pacht anderen zur Bewirtschaftung, so z. B. 1555, 1565 dem Achim Witte, 1600 dessen Sohn Hans.
Gerade diese Gegend der Altmark hatte in dem 30 jährigen Kriege doppelt schwer zu leiden, einmal unter den Wogen des Krieges selbst und sodann unter den entfesselten Wogen des Elbstromes, der die in der furchtbaren Not vernachlässigten Elbdeiche durchbrach. Auch der zu unserm Gute gehörige Elbdeich war im Jahre 1643 „umgelegt“. Die Schartow konnten den „bösen“ Elbdeich nicht wiederherstellen ihres Unvermögens halber und mußten inhalts Quartalgerichtsabscheids zu Stendal das Lehn an Jakob Kratz kommen lassen. Jakob Kratz war schon in Räbel der Nachfolger der Schartow gewesen. Die von Kröcher verpachteten 1613 den Räbeler Hof, den sie 1603 gegen geringe Abgaben dem Karl Schartow überlassen hatten, auf 12 Jahre dem Jakob Kratz. Letzterer muß das besondere Vertrauen seiner Lehnsherrschaft besessen haben. 1670 kaufte Michael Bielefeldt aus Damelack (Prignitz) den Hof von Joachim Kratz, als Jakobs sel. Sohne; er wird in demselben Jahre von den von Kröcher belehnt. Als Michael Bielefeld in der Osterwoche 1694 gestorben war, ging das Wendemarker Lehn auf Conrad Bielefeld, zu Wendemark „wohnhaftig“, über; seine Belehnung meldet uns die Urkunde vom 14. 12. 1703. Es folgt nun in den aufgefundenen Urkunden ein Ehevertrag vom 11. Mai 1764 zwischen Johann Christian Bielefeldt, Ackermann in Wendemark, und dessen Braut, der Jungfrau Anna Marie Müller, 3. Tochter des verstorbenen Peter Müller und seiner Ehefrau Katharina Elisabeth, geb. Wahrenberg. Die letzte Urkunde Lohm, den 11. 12. 1782, ist ein sogenannter Muthschein, in dem es wörtlich heißt: „Da nach Anzeige und beigebrachter Bescheinigung des Bielefeldtschen Vormundes Johann Dietrich Bielefeldt, Altsitzer zu Neukirchen, unser Afterlehnmann, der Ackermann Johann Christian Bielefeldt zu Oberwendemark in der Altmark, verstorben und drei ... Söhne mit Namen Johann Friedrich, Johann Christian und Johann Dietrich hinterlassen hat, Curator auch wegen eines durch Absterben ihres Vaters auf sie devolvierten von unserm Geschlecht (von Kröcher) zu Lehn gehenden Ackerhofes, der „Zwischenhof“ genannt, und 1½ Hufen Landes zu Oberwendemark in der Altmark belegen, für gedachte seine Curanden gemutet und um Belehnung gebeten hat, so wird demselben dieser Muthschein unter meiner des jetzigen Seniors eigenhändigen Unterschrift und Lehnspflicht aber bleibet, bis einer von den Söhnen die Jahre erreichet, daß er den Hof selbst versehen kann, ausgesetzt“. Unterzeichnet ist dieser Muthschein von Carl Ludewig von Kröcher.
Wie wir aus einem 1796 beginnenden, auf dem Hof und gegenwärtig befindlichen Rechnungs- und Wirtschaftsbuche ersehen, wird Johann Friedrich, der älteste von den drei Söhnen, Inhaber des Hofes. Von ihm ging der Hof in den Besitz des Dietrich Falcke über, der auch den nachher Wöllmerschen Hof in Wendemark besaß. Nach seinem Tode bewirtschaftete seine Witwe längere Zeit beide Höfe und baute den „Zwischenhof“, wie oben bemerkt, an einer anderen Stelle wieder auf. Ihr Nachfolger war Theodor Falcke sen., Anton Falcke und Theodor Falcke jun. Die Namen der dann folgenden Besitzer sind hier unbekannt. Dem am Orte wohnenden Geschichtsfreund wird es leicht sein, seine Namen zu ergänzen. Es sei aber noch einmal auf den Artikel „Der Zernitzer Hof in Wendemark“, Altmärkischer Jahresbericht 33, S. 35 ff., hingewiesen.