Neukirchen
Etwa in der Mitte zwischen Werben und Seehausen liegt das langgestreckte Dorf Neukirchen. Name, Anlage, Flureinteilung, alles läßt auf Gründung durch die Niederländer, Friesen, Rheinländer, die Albrecht der Bär und sein Nachfolger zur Kolonisation herbeigerufen hatte, schließen. Wir können unbedenklich eine Namensübertragung aus der Heimat der Kolonisten nach der Wische annehmen. Zu Neukirchen gehört auch das Gehöft mit dem Namen Schüring (1209 Scuringe). Derselbe Name findet sich auch in Holland; er ist gewiß abzuleiten von schur = Schutz, Schirm, Scheuer, Schuppen, Schutzdach. Jedenfalls würde sich gegen die Bezeichnung selbst als Ortsname nichts einwenden lassen, wenn wir annehmen, daß unter „Scuringe“ nur ein einzelnes Gehöft zu verstehen ist. Ein Hof bei Engern heißt 1352 „Tho der Schuren“. Diese Namensübertragung des Schüring kann nur jene Annahme, daß auch der Name „Neukirchen“ übertragen sei, verstärken.
Im Jahre 1935 hat der Neukirchener Lehrer Heinrich Schlüter eine sehr gründliche ausgezeichnete Arbeit über die Geschichte Neukirchens in Maschinenschrift herausgegeben und sich dadurch um die Ortsgeschichte und ihre Erforschung ein sehr großes bleibendes Verdienst erworben. Es ist nur zu bedauern, daß er sein Werk nicht im Druck als Buch hat erscheinen lassen; einer weiteren Verbreitung hätte er gerade in unserer Zeit sicher sein können. Für den Verfasser dieser „Beiträge zur Geschichte des Kreises Osterburg“ erhob sich angesichts dieser Neukirchener Ortschronik die Frage: Ist es nicht unter diesen Umständen besser, ganz an dieser Stelle auf eine Arbeit über Neukirchens Geschichte zu verzichten? Ich habe diese Frage verneint, mich also doch zur Abfassung von Beiträgen zu einer Ortschronik von Neukirchen an dieser Stelle entschlossen, einmal in der Meinung, daß sonst eine bedenkliche Lücke in den „Beiträgen“ entstünde, sodann in der Hoffnung, daß ich vielleicht doch noch einiges zur Schlüterschen Chronik hinzufügen kann, und endlich in der Absicht, denen damit zu dienen, die nicht die Möglichkeit haben, sich die Schlütersche Ortschronik zu beschaffen. Natürlich werde ich mir die Freiheit nehmen, die Schlütersche Arbeit bei meinen Ausführungen fleißig zu benutzen, aber ich werde auch immer eifrig mich bemühen, die Autorschaft des Herrn Schlüter zu bemerken und zu betonen; seine Chronik sei fürderhin mit „Schl. Chron.“ bezeichnet.
Nach unserem altmärkischen Dorfe nannte sich eine rittermäßige Familie. Wir finden in alter Zeit am Rhein im Cleveschen unter dem Namen von Nienkerken eine ritterliche Familie, die u. a. Hockelhausen am rechten Rheinufer besaß; danach ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß ein Zweig von ihr mit den Kolonisten in die Wische gezogen ist, um hier seinen Wohnsitz zu nehmen. Wir finden einen Arnoldus von N. in den Jahren 1244 bis 1256 in mecklenburgischen Urkunden als Zeugen, einen Rudolf von N. 1289 in Treptow im Gefolge der Pommernherzöge, einen Ritter Zabel von N. 1304 als Bürgen für den Markgrafen Hermann, einen Knappen gleichen Namens 1316 als solchen für die von der Weide, als sie ihren Hof der Stadt Werben verkauften. In mecklenburgischen Urkunden des 14. Jahrhunderts werden Bernhard, Ludolf und Henning von N. erwähnt. Wahrscheinlich gehörten auch der Domherr Johann Nienkerken und sein Bruder Otto zu unserm Rittergeschlecht; sie verpfändeten 1393 ihren Hof zu Stendal für 1 Mark jährlicher Hebung zur Gedächtnisfeier des Curt Schoening. Von den Brüdern Cone und Werner wird 1444 ebenso wie von den Knappen Werner 1466 und 1489 von Balthasar von N. ausdrücklich bezeugt, daß sie in Neukirchen wohnhaft seien. Noch wird uns in einer kirchlichen Extrakt-Matrikel vom Jahre 1600 mitgeteilt, daß sie der Pfarre in ihrem Wohnort ein Lehn, „Marien“ genannt, mit 4 Mark weniger 10 Schilling Kapital auf Zins gestiftet haben. Balthasar von N. wird der letzte seines Stammes auf dem Stammsitz der Familie gewesen sein. Aus dem Adelslexikon von Zedlitz, Neukirch, erfahren wir noch das Folgende: Schon um das Jahr 1346 blühte das Geschlecht in Pommern, wo es auch um 1611 wieder vorkommt. Die obige Annahme eines Zusammenhanges zwischen den rheinischen und altmärkischen von N. wird durch ihre verschiedenen Wappen nicht bewiesen, denn die rheinischen von N. führten nach dem angeführten Adelslexikon den Schild silbern, durch schwarzen Strich geteilt, oben der Giebel oder das Türmchen einer Kirche, auf dem Helm einen silbernen Hundekopf, die altmärkischen dagegen führten im Schilde drei Sparren übereinander, auf dem Helm 5 Pfauenwedel, überragt von 4 dergleichen.