Kirchliche Stiftungen.

Die Kenntnis der Geschichte Neukirchens in der mittelalterlichen Zeit schöpfen wir vor allem aus dem bekannten Riedelschen Urkundenwerk „Codex Diplomaticus Brandenburgensis“. Diese Urkunden reden fast alle davon, daß Neukirchener Güter, Renten, Einkünfte in kirchlichen Besitz gewandt wurden. Um ihres und der Ihrigen Seelenheiles willen überwiesen fromme Eltern bzw. Großeltern Einkünfte an bestimmte Altäre ihrer Kirche oder benachbarter Gotteshäuser, damit an diesen Altären zu festgesetzten Zeiten Seelenmessen feierlich gelesen würden. So legten diese Stiftungen ein schönes Zeugnis für die Liebe zu den verstorbenen Familienmitgliedern, aber auch für die ernste Sorge der Lebenden um ihr eigenes Seelenheil ab. Für die Kirche war natürlich diese Aeußerung der Frömmigkeit eine ergiebige Einnahmequelle. Wenn in drei Fällen die Stiftungen Werbener Altären zugewandt wurden, so dürfen wir uns darüber nicht wundern, denn die Werbener Pfarrkirche war ja die Kirche der ersten und darum ältesten Johanniter-Niederlassung in der ganzen Mark, Sachsen, Pommern und Wendland, wie es damals hieß, war ja die Kirche, die sich gerade in dem 14. und 15. Jahrhundert aus kleinen Anfängen heraus zu immer herrlicherem Glanze der äußeren und inneren Schönheit entfaltete. Aber die heimatliche Kirche kam doch bei diesen Stiftungen nicht ganz zu kurz; wir bemerkten schon oben, daß die von Neukirchen ihr ein Lehn, „Marien“ genannt, gestiftet hatten. Bevor wir nun zu den einzelnen Zuwendungen im kirchlichen Besitz übergehen, müssen wir des Kirchengebäudes, wie es ja schon damals vorhanden war, gedenken. Dhio in seinem Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, V. Teil, schreibt: „Frühgotischer Ziegelbau, rechteckig mit Lisenen und Winkelfriesen. Die Westfront für den Dachreiter mit Blenden erhöht. Die rechteckige Anlage wiederholt die benachbarte Kirche in Wendemark“. In der Kirche stand der Marienaltar, den die Patronatsfamilie von Neuenkirchen mit ziemlich reichen Zinsen versehen hatte, damit durch regelmäßige Messen für ihr Seelenheil gesorgt würde. Die Vermutung liegt nahe, daß die Kirche der „Maria, der Gottesmutter“ geweiht war. Der Priester Eckardus Burmeister schenkte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Kirche zu Nyenkirke dem Kloster zum „Heiligen Geist“ in Salzwedel, und am 3. Januar 1344 bekräftigte Markgraf Ludwig auch seinerseits diese Schenkung. Es war in jener Zeit nichts Ungewöhnliches, daß man Pfarr-Werberge bestätigte. Interessant sind diese Urkunden, den Klöstern Mittel zuführten, mehr als bisher ihren wohltätigen guten Zwecken zu dienen. So geschah es auch hier mit der Zeit, daß die Haupt- und Stadtkirche S. Michael dem Stephans-Nonnenkloster zugewiesen wurde. Mit der Reformation hörte das natürlich auf. Doch nun zu den kirchlichen Stiftungen. Die Familie von Redichsdorf hatte einen Marienaltar in der Werbener Ordenskirche gestiftet und von dem Hampo von Plauen in Neuenkirchen einen Hof gekauft. Einkünfte von diesem Hofe bestimmte nun 1263 Albert von Redichsdorf dazu, daß an dem Marienaltar täglich eine Messe zum Seelenheil der Stifter gelesen würde. Diese Messen wurden, je nach der Höhe der Stiftung und je nach dem Wunsche der Stifter, reicher oder schlichter ausgestaltet. Zur höheren Feier der Messe mußten oft noch benachbarte Priester, auch die Kirchenvorsteher und Altardiener, mithelfen. Geläut, Gesang, Evangelienverlesung durften nicht fehlen. Schon 1271 war ein Streit zwischen dem Werbener Komtur, Ulrich von Welleberg, und dem Ritter Bruning von R. ausgebrochen. Die Ursache des Streites schien die Weigerung Brunings zu sein, die Neuenkirchener Abgabe für den Altar zu leisten. Der Werbener Vogt Heinrich nebst mehreren Rittern und Bürgern entschied aber dahin, daß Bruning ebenso wie alle seine Nachfolger jährlich 1 Wispel Getreide an die Werbener Komturei zu liefern verpflichtet sei; danach kann es sich freilich auch um eine andere Abgabe wie die an den Altar gehandelt haben. Eine Getreidehebung von 14 Scheffel Hafer, welche der Johanniterorden in Wolfswinkel (Räbel) und Neuenkirchen hatte, wurde 1345 mit Genehmigung des Johanniter-Herrenmeisters Hermann von Werberge an den Rat der Stadt Werben verkauft, damit dafür ein Priester an dem der „heiligen Katharina" geweihten Altar in der Werbener Pfarrkirche täglich zum Seelenheil der Bürger eine Messe lese. Aus dieser Urkunde geht hervor, daß die Werbener Ordenskirche zwar dem Orden gehörte, aber auch den Bürgern der Stadt zur Andacht offen stand. Erst in der Zeit der Reformation ging das Patronat von dem Johanniter-Komtur auf den Rat der Stadt Werben über, worüber in der Werbener Chronik näheres nachgelesen werden kann. Und wieder hören wir von einer kirchlichen Stiftung, diesmal aus dem Jahre 1351. In Neukirchen gab es einen Hof, der denen von Rindtorff gehörte, den damals Arnold Wilde bewirtschaftete, und den man kurzweg den „Wildenhof" nannte. Im November 1351 verzichtete Ermbrecht von Rindtorff auf diesen Hof, acht Tage später übereignete Markgraf Ludwig diesen Hof dem Martin Böttcher zu kirchlichen Zwecken. Letzterer bewidmete denn auch im darauf folgenden Jahr mit jährlichen Einkünften von diesem Hof den Marien-Magdalenen-Altar in der Werbener Kirche, wofür ihm und seinem Sohne Johannes, nach ihrem Tode aber dem Werbener Rat das Patronat über jenen Altar zustehen sollte, ein Abkommen, das 1352 Hermann von Kirchen den Klöstern inkorporierte: man wollte dadurch schon deshalb, weil sie uns drei Altäre in der Werbener Kirche nennen, den Marien-, Katharinen- und Marien-Magdalenen-Altar; wir wissen, daß noch viel mehr Altäre bis zur Reformation dort gestanden haben und daß einige noch heute dort stehen. Von einer anderen kirchlichen Stiftung berichtet eine Urkunde vom Jahre 1444. Der Priester und Vikar der Wilsnacker Kirche Johann Westfal kauft von den in Neukirchen wohnenden Brüdern, den Knappen Kone und Werner von Nienkerken, einen Acker, genannt „Einlage", gelegen auf der Feldmark Abbendorf, für 15 Mark mit einer jährlichen Rente von 30 Scheffel Hafer. Diese Rente soll zuerst an Herrn Johann Westfal, nach seinem Tode an seinen Altar in der Wilsnacker Kirche fallen. Auch diese hat wieder weitere Bedeutung als nur die kirchliche; sie sagt uns, daß damals noch die von Neukirchen an ihrem altmärkischen Stammsitz wohnten, daß ein wohlhabender Wilsnacker Priester sein Geld gut und sicher anzulegen verstand, und daß die Knappen von N. einen Besitz an einen sicheren Käufer abtraten, einen Besitz, den zu bestellen und recht zu verwerten Schwierigkeiten bereitete, weil er jenseits der Elbe auf der Prignitzer Seite gelegen war. Aus dem Jahre 1455 hören wir, daß drei Brüder von Rohr einen Hof in Neukirchen besitzen und von demselben eine jährliche Rente dem Seehäuser Kaland verkaufen. Der Kaland war eine mittelalterliche geistliche Brüderschaft. Steinbart, der um 1800 das bekannte Werk „Ueber die Altmark" geschrieben, sagt im 2. Teil seines Buches S. 109: Ihre Bestimmung war ursprünglich sehr edel und lobenswürdig ... Sie sammelten nämlich Almosen für die Armen, vorzüglich für die reisenden Pilger, standen ihnen in ihren Krankheiten bei und unterzogen sich dieser liebenswürdigen Tugend ohne eigennützige Absichten. Weil sie allemal den 1. Tag des Monats zusammen kamen, um ihre Rechnungen von den eingegangenen und angewandten Almosen abzulegen, so nannte man sie von Calendis (so heißt der Erste im alten römischen Kalender) Kalandsbrüder. Doch vergaßen sie sich selbst bei diesen monatlichen Versammlungen nicht, sondern hielten ein freundschaftliches Mahl miteinander (vermutlich aus der Almosenkasse), das die steigende Jovialität mit der wachsenden Einnahme halb in ein Bacchanal verwandelte.“ Der Seehäuser Kaland besaß auch den Königsmarker Hof „Eichbaum, Ekbom". Aus den Jahren 1460 und 1466 werden uns noch zwei Wendungen in kirchlichen Besitz mitgeteilt; im ersteren Jahre verkaufen die Brüder Albrecht und Vincenz in Stendal den geistlichen Leuten, d. h. den Johannitern, in Werben ihren Hof in Neukirchen, den sie von den Sekken gekauft haben, und im letzteren Jahre verkauft der Knappe Werner von Neukirchen über seinen freien Hof und alles, was dazu gehört, dem Gotteshause S. Marien in Stendal, genauer gesagt, „allen Vikaren, die nun sind, und ihren Nachfolgern" 3 Pfund jährlicher Rente.