a) Die Zeit bis zum Eintreffen Gustav Adolfs.
Die Stände des niedersächsischen Kreises hatten den König Christian IV. von Dänemark zum Kriegsobersten erwählt. Am Anfang des Jahres 1626 besetzten die Kaiserlichen das Erzstift Magdeburg. Die dänische Armee musste die Altmark besetzen, ehe dies den Feinden möglich war. Die Städte Salzwedel, Stendal und Tangermünde wurden gezwungen, dänische Besatzung aufzunehmen. Werben war schon seit dem 19. April von einer Kompagnie unter dem Hauptmann Innocenz von Starschedel besetzt. Da brach im Dänenheer in und um Tangermünde die rote Ruhr, kurzweg „Pest“ genannt, aus und zwang den General Fuchs zu schleunigem Aufbruch. Er marschierte über Sandau und Havelberg, ließ die bei Tangermünde abgebrochene Schiffsbrücke bei Werben wieder aufschlagen und ergänzte das fehlende Material durch Abbruch mehrerer vor den Toren gelegenen Häuser. Die Anwesenheit des ganzen Heeres, welche bis zum 17. Juli dauerte, brachte der Stadt „eine ganz merkliche Ungelegenheit und großen Schaden durch Verderbung der Feldfrüchte und Wegtreiben des Viehes". Doch entging Fuchs dem Feinde nicht, vor dem er floh, denn die Seuche brach auch in Werben aus und wütete so verheerend, dass eine gleichzeitige Aufzeichnung sagt, „sie habe die meisten Häuser der Stadt leer gemacht". Der General marschierte nun zur Hauptarmee seines Königs und fand in der für die Dänen unglücklichen Schlacht bei Lutter am Barenberge am 17. August 1626 seinen Tod. Noch einmal im Jahre 1626 finden wir Dänen in Werben, ein Hauptmann Fels lag mit einer Kompagnie Fußvolk vom 28. Oktober bis 9. November dort. Nach dem Abmarsch dieser Truppen rückten sofort vier Kompagnien kaiserliche Reiter, Lüneburgs Volk unter Rittmeister Gallen, in die Stadt ein, welche die ausgestorbenen Häuser nun völlig zerstörten.[87]
Für den Winter 1626 - 1627 bezog Nikolaus de Wipart, Rittmeister des Kaiserlich-Hausmannischen Regiments, mit einer Kompagnie zu Ross Quartier in Werben.
Im Jahre 1627 entbrannte um Havelberg ein heißer Kampf. Sobald die Dänen erfuhren, dass der Dom Havelberg nicht stark besetzt sei, warfen sie sich am 25. April 1627 hinein, verschanzten sich und beschossen von der Höhe herab die Stadt und die kaiserliche Besatzung, wobei die Stadt am 15. Mai fast ganz in Flammen aufging. Da den Kaiserlichen an dem Besitz dieser Position viel gelegen war, so verschanzten sie sich stärker und boten zu dieser Arbeit auch Mannschaften aus der nahen Altmark auf. Zur Vertreibung der Dänen zog am 20. Juni 1627 Tilly selbst über Stendal und Sandau heran, musste aber mit einem starken Verluste zurückgehen. Damals lagen auch in Werben verschiedene kaiserliche Truppen, unter anderem 400 Mann vom „schlesischen Regiment“, welche mit Fleisch, Brot und Bier versorgt werden mussten. Da sich nun beide Heere nach Norden wandten, so blieb die Altmark einige Monate verschont, um dann nur noch mehr leiden zu müssen.
In dem Winter 1627 - 1628 bezog Tilly mit 20 Kompagnien und 7 Kornetts (zu 76 Mann) in der Altmark Winterquartiere. Wegen der Kontributionen wurden mit jeder Stadt besondere Verträge abgeschlossen. Außerdem begehrte Tilly für seinen Hofstaat wöchentlich 1500 Thaler. In Werben wurde bis zum 27. Dezember 1627 ein Teil der Aldringischen Soldateska einquartiert, dann kamen Soldaten unter dem Befehl des Hauptmanns Stürtzhausen, die auch in den folgenden Jahren blieben. Welche Leiden aber brachten damals die Einquartierungen mit sich! Die Offiziere begingen allerlei Exzesse. Den Soldaten folgte ein Schwarm von mindestens ebenso vielen Weibern, Dirnen, Buben, Trossknechten und sonstigem Gesindel, welche gewohnt waren, die Herren im Quartier zu spielen. Die Offiziere hielten zahlreiche Bediente und Pferde, berechneten die Kompagnien höher als der wirkliche Mannschaftsbestand war, zogen sogar für diejenigen, welche als sogenannte Salvegardien abkommandiert waren, Verpflegungsgelder ein und verlangten von den Räten der Städte einen angeblichen Rückstand, indem sie die Verpflegungsgelder von einem viel zu frühen Termin an berechneten. Salvegardien waren Soldaten, welche zur Verhütung von Exzessen abkommandiert waren.[88]
Als die Altmärker wegen der furchtbaren Exzesse der Offiziere bei Pappenheim Beschwerde erhoben, fanden sie bei dem hartherzigen Mann durchaus kein Gehör, denn sein Grundsatz war es, die Feinde vollständig zu ruinieren und zu enervieren und so zum Frieden zu zwingen. Dafür zeugt auch sein an den Rat der Stadt Werben gerichtetes Schreiben, welches wir hier wörtlich mit veränderter Rechtschreibung wiedergeben:[89]
„Gottfried Heinrich, des H. Röm. Reichs-Erbmarschall, Herr zu Bappenheim und Treichling u. s. w., Ritter: Röm. Kais. Mtt. Reichs-Hofrat und Kämmerer, Königl. Mtt. zu Hispanien wie auch Kurfürstl. Durchl. in Bayern bestallter Obrister zu Roß und Fuß und General-Wachtmeister über die Infanterie.
„Uns kommt mit Verwunderung vor, wasmaßen Ihr nicht allein die ausständige Kontribution der geschlossenen Ordnung noch nicht entrichtet, sondern Euch auch der künftigen weiteren Erlegung ausdrücklich weigern sollt. Weil aber solches den armen Soldaten zu großem Abbruch und Mangel gereicht, dahero auch keineswegs zuzusehen, als haben wir Vorzeigern dieses unseren Kapitän-Leutnant mit gewisser Instruktion und Befehl zu Euch abgefertigt, dem werdet Ihr nun nicht allein völligen Glauben beizumessen, sondern auch in dem, was er Euch in unserem Namen anzeigt und befehlen wird, die schuldige Folge zu leisten, und Euch im Widrigen vor anderen Kompellierens-Mitteln zu hüten wissen. Und wir sind Euch im Übrigen mit allem Guten beigethan. Gegeben in unserem Hauptquartier Gardelegen, den 16. März 1628. Euer wohlaffektionierter G. H. Bapenheimp."
Wie ganz anders Tilly! Sein Verhalten in dieser ganzen Angelegenheit gereicht ihm entschieden zur Ehre. Wir teilen auch sein Schreiben ebenso mit:
„Demnach Eurer Excellenz Klagen einlangen, dass der nach Werben verlegte Hauptmann sich daselbst einer unzeitigen übermäßigen Kontribution anmaßen tue, indem er dieselbe vom 1. Dezember, da noch dazumal die Aldringische Soldateska im genannten Städtlein gelegen und erst hernach über drei Wochen ihren Abzug genommen, vermeintlich exigiert und einfordert, so wird dem Hauptmann oder Kommandanten zu Werben auf Befehl hochgeb. Ihrer Exc. hiermit ernstlich auferlegt, sich solches unguten Anforderns gänzlich abzumassen und nicht von obgesetzten Dato 1. Dezember, sondern nach Abzug der Aldringischen Soldaten der Kontributionsforderung der ausgegangenen Verpflegungs-Ordinanz gemäß einen Anfang zu machen, und dann auch alles Übermaß einzustellen, dem er ohne fernere einkommende Klagen gebührendermaßen nachzusetzen hat, und man tut sich solches zu geschehen gewiss versehen. Datum Buxtehude, den 3. März 1628.
Aus ebenmäßigem ernstlichem Befehl wird Ihm hiermit injungiert, Joachim Frißens, Bürgermeisters daselbst, angehöriges Haus, Hof samt Appertinentien vor Einquartierung und anderer übermäßiger Auflage zu verschonen. Dess' zu geschehen u. f. w. Johann Graf von Tilly."
Aber alle solche Befehle waren vergeblich. Der in diesem Briefe gemeinte Hauptmann von Stürßhausen erhob in Werben von Februar 1628 bis dahin 1629 über 3991 Thaler Kontribution. In einem Aktenstück aus jener Zeit wird uns das ganze Elend, das damals in dem Städtlein herrschte, geschildert. Vor allem schlecht erging es dem Bürger B. Georg Bertram, der gänzlich ausgeplündert, dem die Braupfanne zerschlagen und nichts gelassen wurde. Die Häuser von sechzehn anderen Bürgern, die auch Bier zu brauen pflegten, waren entweder niedergebrannt oder völlig verlassen. Da war es kein Wunder, dass die restierenden Bierzechen eine gewaltige Höhe erreichten.
Im Jahre 1629 musste die Stadt Werben für drei Kompanien Pappenheimer Fußvolk wöchentlich 50 Thaler Kontribution zahlen. Dieser Pappenheimer-Einquartierung, die bis Ostern 1630 in der Altmark dauerte, folgte das Regiment Holk, dessen Kompanien nach verschiedenen Orten der Altmark ins Quartier gelegt wurden. Zu der Kontribution für dieses Regiment, die in der ganzen Altmark aufgebracht werden musste, zahlte Werben wöchentlich 74 Thaler 5 Groschen 4 Pfennig. Das Holksche Regiment rückte im März 1631 nach dem Lager vor Magdeburg. Nach dem Falle Magdeburgs wurde Werben fortwährend von kaiserlichen Truppen heimgesucht. Am 26. Mai 1631 lagen hier 50 Musketiere vom Lichtensteinschen Regiment, die am 28. nach Havelberg zogen; am 1. Juni folgten 150 Mann desselben Regiments mit Munitionswagen, welche sich am anderen Tage ebendahin wandten; am 5. Juni erschien eine Abteilung Reiter von Wolmirstedt aus und blieb bis zum 8. Juni; am 11. Juni erschienen weitere 300 Mann desselben Regiments mit dem Kommandanten. Die Stadt zahlte an dieses neue Regiment am 1. Juni 1631 für einen Monat 41 Thaler und lieferte unter dem 12. Juni 1363 Brote à 1 ½ Pfund.
Unterdessen nahte der Held und Rächer der Evangelischen, Gustav Adolf, König von Schweden, der Stadt Werben.