Die Entstehung der Stadt und der Komturei Werben.
Die günstige Lage an dem bequemen Elbübergang führte in friedlichen Zeiten manchen Vorteil mit sich. In kriegerischen Zeiten aber, wie sie bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts fortdauerten, waren die Niederlassungen an dieser Stelle von feindlichen Einfällen bedroht. Gewiss ist erst mancher Anfang städtischen Anbaus an diesem Ort, den einstweilige Dauer friedlichen Verkehrs zwischen den Sachsen und Wenden hervorrief, bei dem Wiederausbruch feindlicher Einfälle zerstört worden. Als sich die Nordmark unter dem tapferen und tatkräftigen Geschlecht derer von Stade um das Jahr 1100 eines verhältnismäßig ruhigen Zustandes erfreute, mögen sich auch neben der Burg Werben Kolonisten niedergelassen und das sogenannte „lange Dorf" begründet haben. Erst Albrecht dem Bär (1134 - 1170) war es vorbehalten, wie der ganzen Altmark, so auch der Werbener Niederlassung dauernden Frieden und damit die Möglichkeit fröhlichen Gedeihens zu geben. Er hat sich um Werben und seine Umgebung unsterbliche Verdienste erworben, denn er rief die Niederländer herbei und begründete dort die erste Johanniter-Niederlassung oder Komturei. [4]
Vom Meere in der Heimat hart bedrängt, folgten die Niederländer willig dem Rufe, welchen Albrecht der Bär und der Havelberger Bischof Anselm an sie ergehen ließ, bevölkerten die öde Gegend zwischen Elbe und Aland, schützten das Land durch den ihnen von der Heimat her wohlbekannten Deichbau gegen die Überschwemmung der Flüsse, bebauten die Felder, errichteten Kirchen und Häuser und taten außerordentlich viel zur Germanisierung des Landes. Albrecht der Bär siedelte sie nebst anderen deutschen Kolonisten auch bei der Burg Werben und zwar in dem Winkel, den die Burg Werben mit dem langen Dorf bildete, an, gab eine Strecke Landes her zur Hervorbringung der notwendigsten Bedürfnisse der Bewohner und bestimmte, wieviel zu Worthen genommen, was zur allgemeinen Viehweide, als Wiesenwachs oder als Holzung unbeackert liegen bleiben und wieviel Hufen der Ackerbau treibenden Bürgerschaft übergeben werden sollten. An der Spitze stand der von ihm ernannte Stadtschulze, d. i. Stadtrichter, welcher, wie es allgemein üblich war, zwei Drittel der Gerichtsgefälle für den Markgrafen, ein Drittel für sich einzog. Und wenn in der um 1150 ausgefertigten Stiftungsurkunde Stendals unser Ort Werben schon als „Stadt“ namhaft gemacht wird, so ist es jedenfalls auch Albrecht der Bär gewesen, der den Ort mit dem Stadtrecht begnadigt hat.
Die Wahl dieses Ortes Werben zur städtischen Anlage war durchaus günstig. Die Elbe war schon damals eine wichtige Wasserstraße, auf welcher der Schiffahrtsverkehr zwischen dem betriebsamen Magdeburg und Hamburg stattfand. Auf Antrag des Markgrafen Albrecht, welcher die Bedeutung der Elbe für den Handel wohl zu würdigen verstand, wurden im Jahre 1136 durch Kaiser Lothar die Elbzölle bei Elbei, Mellingen (wüst oberhalb Tangermünde) und bei Tangermünde zugunsten der Magdeburger Kaufmannschaft ermäßigt. Ferner war hier ein bequemer Elbübergang für diejenigen, welche aus der Priegnitz und den östlich gelegenen Ländern nach der Altmark und nach dem hochwichtigen Handelsplatz Braunschweig reisen wollten. Endlich berührte auch der Verkehr auf der Havel die Stadt. Die geschichtliche Berühmtheit aber, welche der Ort schon damals hatte, musste die Aufmerksamkeit der Fürsten immer wieder auf Werben lenken und die häufige Einkehr derselben für den städtischen Verkehr von Bedeutung werden.
Das andere Verdienst Albrechts des Bären um die Stadt Werben bestand darin, dass er in derselben die erste Johanniter-Komturei in ganz Norddeutschland anlegte. Auf einer Pilgerfahrt, welche dieser Markgraf mit seiner Gemahlin Sophia nach dem heiligen Lande in den Jahren 1158 und 1159 unternahm, lernte er auch die wohltätige Wirksamkeit des Johanniter-Ordens kennen. Anerkennung der guten Zwecke und Werke veranlasste den Markgrafen im Jahre 1160, dem Orden die Kirche in Werben mit allem Zubehör und allen Nutzungen, den Zehnten ausgenommen, und sechs holländische Hufen mit der ausdrücklichen Bestimmung zu schenken, dass der aus dieser Schenkung zu erzielende Ertrag den im Spital zu Jerusalem weilenden Armen alljährlich überschickt würde. Da aber zu dieser Zeit dem Johanniter-Orden in Norddeutschland, oder, wie man zu sagen pflegte, in Sachsen, Mark, Pommern und Wendland, noch alle Besitzungen fehlten, so musste zu Werben eine eigene Komturei errichtet werden, an deren Spitze ein Komtur gestellt wurde.
Es liegt der Gedanke nahe, dass Albrecht der Bär bei der Wahl des Ortes für seine Komturei von dem Gedanken geleitet sei, für diese wichtige Grenzfestung gegen die Wenden an den Johannitern tapfere Verteidiger zu gewinnen, falls etwa die Feinde das deutsche Joch abzuschütteln versuchen sollten, indessen bieten die Urkunden für diese Annahme keinen Anhalt. Werben hörte ja schon zu Albrechts Zeiten auf, überhaupt eine Grenzfestung zu sein, da die deutsche Herrschaft jenseits der Elbe völlig unbestritten blieb. Wir finden denn auch neben dem Komtur, der immer der Ritterschaft des Ordens zugehörte, nur einen Konvent von priesterlichen Ordensbrüdern, die meist bürgerlicher Abkunft waren und zur zweiten Klasse des Ordens gehörten.[5]
Die Tatsache, dass Albrecht der Bär den Johanniter-Orden in Norddeutschland eingeführt, ist kürzlich an dem Denkmal dieses Fürsten in der deutschen Reichshauptstadt zu schönem Ausdruck gekommen. Die hoheitsvolle Gestalt Albrechts ist von Kopf zu Fuß mit dem Ringpanzer angetan. Die fast bis aufs Knie reichende Brünne trägt mitten auf der Brust das Kreuz der Johanniter.
Wir freuen uns von Herzen darüber, dass der Orden gegenwärtig sich in neuer Blüte von Werben aus über ganz Preußen und selbst über dessen Grenzen hinaus mit Segen verbreitet hat; ja selbst nach Jerusalem, von wo er vor 800 Jahren ausgegangen, ist er jetzt segenspendend zurückgekehrt.
In wie nahen Beziehungen Albrecht der Bär zu Werben gestanden, geht auch daraus hervor, dass er seinen sechsten Sohn „Dietrich“ zum Grafen von Werben ernannte. - Als solcher wohnte Dietrich auch der Einweihung des Havelberger Doms nach dessen Neubau bei.