b) Gustav Adolf in und bei Werben.

Gustav Adolf, der auf Werben bereits sein Augenmerk gerichtet hatte, entsandte Graf Artenburg und den Oberst Baudiß mit 1000 Reitern zur näheren Rekognoszierung nach dieser Stadt. Die Schweden ritten bei Sandau durch die damals sehr niedrige Elbe, marschierten in der Nacht vom 12. zum 13. Juni 1631 nach Werben, überfielen am 13. die kaiserliche Besatzung, nahmen sie gefangen, plünderten die Stadt und führten sämtliche Pferde fort. Die beiden genannten Führer hatten sich bei dem scharfen Gefechte und bei dem regellosen Plündern stark erhitzt, dann in der Elbe gebadet und „einen starken Trunk getan", so dass sie beide schwer erkrankten. Während Baudiß genas, starb Graf Artenburg, den man nach Berlin geschafft hatte. Die Schweden gingen wieder über die Elbe zurück. Auch eine schwedische Abteilung von 160 Musketieren und einigen Offizieren zog schon am 18. Juni wieder aus der alten Schanze, einer Erdumwallung auf der Landspitze zwischen Elbe und Havel, fort und gab die Stadt Werben wieder den Kaiserlichen preis. Schon am folgenden Tage wurde sie von 80 Kroaten besetzt, welche am 21. durch 300 kaiserliche Musketiere abgelöst wurden. Letztere blieben bis zum 2. Juli.

Schon hatte Gustav Adolf selbst ernste Zusammenstöße mit der kaiserlichen Armee gehabt: Am 29. Juni war Pappenheim bei der Stadt Burg mit starkem Verlust zurückgeschlagen; am 1. Juli wurde die Burg Tangermünde von den Schweden mit Sturm genommen; am 2. Juli war Gustav Adolf selbst in die Burg Karls IV. in Tangermünde eingezogen; am 6. Juli wurde die kaiserliche Besatzung in Schloss Angern niedergemacht und am 8. Juli wurde das schwedische Heer bei Arneburg vom Könige gemustert. Zu dem Unterhalt des sich immer mehrenden Heeres wurde die Lieferung von wöchentlich 70 000 Pfund Brot samt einer großen Zahl Fässer Bier, Rinder und Schafe auf die altmärkischen Städte verteilt. Werben musste jeden Mittwoch 2000 Pfund Brot und 12 Tonnen Bier nach Tangermünde liefern.

Am 11. Juli 1631 traf der König Gustav Adolf in Werben ein. Er stieg in dem Goldbeckschen, am Markt belegenen Haus ab, wo er zuerst Quartier nahm; es war das Haus, welches jetzt die Nummer 222 trägt. Da es historische Bedeutung gewonnen hat, so erscheint es gerechtfertigt, einige Notizen über dasselbe hinzuzufügen. Andreas Goldbeck, Ratsverwandter zu Werben, erbgesessen zu Näbel und Berge, war 1617 gestorben. In einem Vergleich erstand seine Witwe Susanna, geborene Schwarzer, dieses Haus auf dem Markte von ihrem Schwager Christoph Goldbeck im Jahre 1618 mit der Bedingung, dass sie im Falle eines Verkaufs es dem Christoph Goldbeck oder seinen Lehnsfolgern erst anbieten, immer aber nur wiederkäuflich veräußern dürfte. Als sie sich 1619 mit Matthias Konow wieder verheiratete, verkaufte sie jedenfalls das Haus wieder an ihren genannten Schwager, der aber auch schon 1621 starb. In wessen Hände das Haus dann gekommen ist, wissen wir nicht, vermutlich in die des B. Joachim Friße; jedenfalls ist 1631 von der Familie Goldbeck niemand B. in Werben. Doch kehren wir zu Gustav Adolf zurück. Bei dem Anblick der Stadt und ihrer Lage soll er geäußert haben, „es nehme ihn wunder, dass die Kriegserfahrenen diesen Ort so leichtfertig außer acht gelassen, desgleichen er noch nirgends bisher in Deutschland gefunden, der zur Befestigung mehr tauglich wäre". Seine Truppen ließ er auf der sogenannten Marsche, jener zwischen Stadt und Elbe belegenen Wiese lagern, auf der später der König selbst mitten unter seinen Soldaten sein Zelt aufschlug. Dieses Lager wurde im Norden durch die Elbe und die damals hier einmündende Havel, im Süden durch den Elbdeich und die vorgelagerte, mit in die Befestigungen hineingezogene Stadt geschützt. Hinter dem als Brustwehr benutzten Elbdeich wurde die schwedische Artillerie nebst den Musketieren verdeckt aufgestellt. Um die Stadt herum wurden Redouten gebaut, mehrere Häuser, darunter die Ziegelei des Rates und das Hospital St. Georg, abgebrochen, die Gärten und Baumpflanzungen rasiert, die beiden Elbufer durch die von Tangermünde nach Werben geschaffte Schiffbrücke verbunden und die auf beiden Elbufern fouragierenden Truppen durch weit vorgeschobene Reiterabteilungen, besonders gegen die in Dömitz liegenden Kaiserlichen geschützt.[90]

Unterdessen stand des Königs großer Gegner Tilly bei Mühlhausen in Thüringen, in der Absicht, gegen den Landgrafen von Hessen zu ziehen, der die Aufforderung zur Unterwerfung „widerlich und spöttisch" beantwortet hatte. Als er aber von Pappenheim das Vordringen Gustav Adolfs erfuhr, wandte er sich über Aschersleben und Magdeburg nach Wolmirstedt, wo er am 17. Juli eintraf.

Gustav Adolf beschloss gegen ihn einen Vorstoß zu unternehmen. Er sammelte am 16. Juli 1631 seine Reiter und Dragoner bei Arneburg und zog noch am Abend bis Bellingen, wo er im Pfarrhause übernachtete. Bei Burgstall, Sandbeiendorf und Angern kam es am folgenden Tage zu einem heftigen Zusammenstoß, in welchem die Kaiserlichen vollständig geschlagen wurden. Bei Angern, wo unter dem Befehl des Rheingrafen Otto Ludwig heftig gekämpft wurde, zeichnete sich der Junker Augustus von Bismarck ruhmreich aus. Ein anderer Kriegsheld desselben Regiments, der Pfalzgraf Karl Ludwig von Lautern, wurde, nachdem er einen feindlichen Kornett heruntergeschossen, selbst von zwei Kugeln tödlich verwundet. Nach Werben in das Lager gebracht, hauchte der Held zur großen Betrübnis des Königs sein Leben aus. Seine Fahne, sein Wappen und Degen sollen lange in der Werbener Kirche gehangen haben. Als seine Leiche zur Überführung nach Pommern durch das Lager gebracht wurde, folgte der König mit den vornehmsten Offizieren bis zur Schiffbrücke nach. In dem Zuge waren auch alle Geschütze des Lagers sowie die Truppen, die mit im Gefechte gestanden. Nach schwedischer Art wurde zweimal Salut geschossen.[91]

Am 19. Juli traf der König wieder in Werben ein. Nachdem er aber dort die nötigsten Anordnungen getroffen, ging er nach Arneburg, wo sein Leibregiment zu Pferde lag. Tilly lag inzwischen mit seiner ganzen Heeresmacht in und bei Tangermünde. Bis zum 25. Juli fanden täglich kleine Gefechte statt. An diesem Tage ward die Stadt Osterburg von den Schweden derartig geplündert, dass sich der Verlust an Vieh und Getreide auf 16.440 Thaler belief und sich sechs Wochen lang darin kein Bürger sehen ließ. An dem 25. Juli rückte Tilly unter beständigen Gefechten auf Arneburg vor. Die Schweden zogen sich auf Werben zurück. Tilly folgte am 26. unter beständigen Gefechten. Aus Hecken und Büschen heraus unterhielten die schwedischen Musketiere ein scharfes, wohlgezieltes Feuer auf Tillys Reiterei. Am 27. Juli rückte Tilly, während Gustav Adolf seine sämtlichen Truppen in die werbenschen Befestigungen zurückzog, mit der ganzen Armee von dem südlich gelegenen Hofe Arensberg noch näher an die Stadt heran und stellte sich mit breiter Front in Schlachtordnung auf. Einige Geschichtsschreiber berichten über eine von Tilly angewandte List: „Tilly schickte etliche heimlich vor sich her, welche die schwedischen Stücke vernageln und die Stadt anzünden sollten, ob man vielleicht im selbigen Tumult ins königliche Lager kommen könnte. Allein es wurde verraten, und der König ließ mit Schießen inne halten und ein großes Feuer zu Werben anlegen, damit die Tillyschen desto getroster unter das Lager kommen möchten, gleich ob alles getan wäre, was Tilly befohlen. Worauf man mit desto größerem Nachdruck in der Nähe auf sie gefeuert, also dass sich Tilly mit großem Verlust wieder ins Lager begeben“. „Tilly fing an", so schreibt ein anderer, „mit groben Stücken, darunter waren, die 24 Pfd. führten, auf das schwedische Lager zu spielen, also, dass auch der Kirchturm zu Werben davon eingeschossen ward. Nachdem er 72 Schüsse getan, hat er etliche Truppen bis an das schwedische Lager anhauen und anfallen lassen, unter welche aber auch die schwedischen Musketiere eilige Male losgebrannt haben".[92]

In früher Morgenstunde des 28. Juli brach die schwedische Reiterei aus dem Lager und jagte die Kroatenwache Hals über Kopf zurück. Dadurch wurde das feindliche Lager alarmiert und die Reiterei kam den Kroaten zu Hilfe. Es entspann sich ein hitziges Reitergefecht, in welchem auf beiden Seiten an 150 Mann fielen. Tilly hatte den Seinigen befohlen, kein Quartier zu geben. Die gefallenen Kaiserlichen, darunter der Rittmeister der Kroatenwache, wurden ins Lager gebracht, die gefallenen Schweden dagegen ihrer Sachen und Kleider beraubt und auf dem Platze begraben. Schließlich brachen die Schweden das Gefecht ab und zogen sich in guter Ordnung zurück. Im Gefecht tat sich besonders wieder der tollkühne von Baudiß hervor; er stieß einem kaiserlichen Offizier den Pallasch in den Leib, dass die Klinge darin stecken blieb und er nur das Gefäß und einen spannenlangen Stumpf in der Hand behielt. Ein Sporenrad und ein Stück vom Sattel wurden ihm weggeschossen und sein Pferd von einer Kugel getroffen. Er wäre auch gefangen genommen, denn schon hatten zwei Feinde ihn am Kragen gepackt, wenn nicht sein Auswärter, ein Junker von Wildenstein, ihm zu Hilfe gekommen und den einen niedergestoßen hätte, von dem anderen riss er sich los. Auch der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, der kurz vorher in schwedische Dienste getreten war, kam hart ins Gedränge; ein Pferd wurde ihm erschossen, das andere verwundet: „Weil nun diese beiden unkommandiert und nur aus übriger Courage in solches Handgemenge gekommen, hatte es nachmals beim Könige nichts als lauter Tadel davor gegeben."

Tilly musste sich schließlich entschließen, sein Unternehmen aufzugeben. In dem jahrelang ausgezogenen Lande waren keine Vorräte aufzutreiben. Die umliegenden Dörfer waren von den Schweden völlig ausgeräumt, das neue Getreide war gedroschen und in Werben aufgespeichert. Die hungernde kaiserliche Armee konnte den wohlversorgten Schweden nicht Trotz bieten. So brach denn Tilly am 29. Juli früh von Werben auf und marschierte nach Arneburg. Seine besten Regimenter sollten den Rückzug decken. Erst am Nachmittag, als die Armee in langen Kolonnen auf dem Marsche war, brachen die Schweden aus Werben vor, griffen die Nachhut der Feinde an und erbeuteten viele Gefangene und Pferde. So passierte hier der in der Kriegsgeschichte gewiss seltene Fall, dass die Belagerten die Belagernden aushungerten.

Gustav Adolf reiste von Werben aus nach Güstrow, wo die feierliche Einsetzung der beiden mecklenburgischen Herzöge stattfand. „Bald nach seiner Rückkehr nach Werben erschien der Landgraf von Hessen-Kassel in seinem Lager, um ein enges Bündnis auf Verteidigung und Angriff mit ihm zu schließen; der erste regierende Fürst in Deutschland, der sich aus freien Stücken und öffentlich gegen den Kaiser erklärte." Und noch ein wichtiges Bündnis wurde hier im Lager geschlossen. Der Kurfürst Johann Georg von Sachsen, durch den Eintritt des Tilly in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, sandte seinen Feldmarschall aufs eilfertigste in Gustav Adolfs Lager, diesen lange vernachlässigten Monarchen um schleunige Hilfe anzugehen. Die Verhandlungen schlossen auch hier mit einer Allianz, deren bedeutende Folgen sich in dem Siege bei Breitenfeld offenbaren sollten."[93]

Fußnoten

[90] Das Haus, das nach einer Inschrift über der Haustür 1241 erbaut gewesen sein soll, stürzte am 22. Februar 1793 meistenteils ein und wich einem Neubau.
[91] Cf. Beckmann, „Märkische Historie“ a. a. O.
[92] Cf. Puffendorf, Matthäus Lungwitius u. a.
[93] Cf. Schiller, „Geschichte des dreißigjährigen Krieges“, 1. Teil, 2. Buch, S. 581 ff. und W. Jahn, „Gustav Adolf in der Altmark“.