Die Fenster im Mittelschiff.

In dem Fenster E sehen wir, oben und unten von Teppichmustern in Grisaille-Malerei eingeschlossen, die Standfiguren Jakobus des Älteren, Pauli und Johannes des Täufers.

F gibt die über dem mittleren Wappen erhaltene alte Jahreszahl 1467 als Zeit der Herstellung an. Wichtiger aber noch sind die beiden Darstellungen dieses Fensters: unten der Tod der Maria, oben ihre Krönung (Maria zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn), welche unzweifelhaft zu den vorzüglichsten Kunstwerken dieser Art gehören, die wir besitzen. Bei großartigster Konzeption der ganzen Anordnung und Gruppierung ist es vorzugsweise die hohe Schönheit der Gestalten und vor allem der Köpfe, welche uns anzieht. „Ich wüsste ihnen", so schreibt einer der bedeutendsten Kunstkennern, „seit den Zeiten des Meisters Stephan kaum etwas Ähnliches in Deutschland an die Seite zu stellen. Ich stehe nicht an, diese beiden Glasgemälde (F und H) für die schönsten malerischen Kunstwerke der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Deutschland anzunehmen." Unter diesen Bildern wurden zur Erinnerung an die 1872 erfolgte Restaurierung dieser drei Hauptfenster die Wappen des deutschen Reiches, Preußens und Brandenburgs mit der Unterschrift angebracht: Wilhelm von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, Kurfürst von Brandenburg 1872.[124][125]

G, das mittlere Hauptfenster, enthält die Figuren der Maria mit dem Kinde zwischen Johannes dem Täufer und der heiligen Katharina, alle drei von reichem Tabernakelwerk überragt. Zu unterst zeigen die drei blaugemusterten Felder ebenso viele schwebende Engel in weißen Gewändern mit wenigen farbigen Streifen und reichen Flügeln von grünen und goldenen Pfauenfedern. Jeder Engel hält einen schräg gelehnten Schild, der mittlere weiß, mit dem roten brandenburgischen Adler, die beiden anderen auf rotem (das Wappen auf rotem Grunde ist das des Johannitermeisters in Deutschland) und schwarzem Grunde mit dem weißen Johanniterkreuz, das hier, wie so oft, noch nicht die spätere Formbildung zeigt. Diese Johanniterwappen bilden in der Tat ein würdiges Symbol des in erneuerter Blüte erstehenden Johanniterordens der Ballei Brandenburg, der von Werben aus sich gegenwärtig nicht nur über die Mark Brandenburg, Sachsen und Wendland, wie der alte Titel lautete, sondern über ganz Preußen und selbst über dessen Grenzen hinaus mit Segen verbreitet; ja, selbst nach Jerusalem, von wo er vor 800 Jahren nach Werben ausging, ist er segenspendend zurückgekehrt.[126][127]

Auch diese Glasmalereien reihen sich den obengenannten Kunstwerken würdig an, und wenn auch etwas schärfer in der Färbung, so teilen sie doch die Vorzüge derselben.

H, das südlichste der drei großen Hauptfenster, stellt in zwei Gruppen den „Sündenfall" dar: Adam und Eva unter dem Baum, an dem sich die mit menschlichem Antlitz versehene Schlange emporringelt, darunter dieselben aus dem Paradiese vertrieben, und in einer Gruppe die Erschaffung des Weibes. Die Figuren sind stets mit grünen Bäumen gemischt. Die erste Gruppe ist auf rotem, die zweite auf blauem Grunde. Zu unterst zeigen die drei Abteilungen des Fensters drei herrliche Wappen nebeneinander. Das mittlere Wappen zeigt im weißen Felde den roten brandenburgischen Adler, überragt von dem goldenen mit einer goldenen Krone geschmückten Helm, aus dem zwei schwarze, mit goldenen Herzen bestreute Adlerflügel emporwachsen. Das nördliche Feld zeigt den Nürnberger Löwen mit dem dazugehörigen Helmschmuck der Büffelhörner; das südliche Feld dagegen den schwarz- und weißquadrierten Zollernschild, überragt von dem pommerschen Greif, welcher dem „Eisernen“ Friedrich so viele Kämpfe und die beste Kraft seines Lebens gekostet hat. Jedes dieser drei Wappen ist mit der Kette des Schwanenordens versehen, dessen Kleinod herabhängt. Aus der schon oben mitgeteilten Unterschrift geht hervor, dass dieses Kunstwerk noch von dem Stifter des Schwanenordens, Friedrich II., herrührt. Und durch die gleichfalls vorhandene Jahreszahl 1467 werden diese Darstellungen der Schwanenordenskette unter allen bisher bekannt gewordenen als die ältesten mit einer Jahreszahl versehenen festgestellt. Hat aber unsere Darstellung einen so großen historischen Wert, so ist es wohl angebracht, sie ein wenig genauer zu betrachten. Um die oben beschriebenen Wappenschilde herum legt sich die eigentliche Kette mit ihren einzelnen Gliedern oder Premsen, welche aus je zwei nach innen gezahnten Seitenschienen, die ein blutiges (rotes) Herz zwischen sich halten, bestehen. Nach der Meinung des frommen Stifters sollte solche Premsen ein Zeichen sein, „dass wir unseren frechen Mut, Eigenwillen und Wollust zwingen, unter Gottes Hand uns demütigen und unser Herz mit Premsen (Marterwerkzeugen) wahrer Reue, Beichte und Buße kasteien sollen". Mittels eines Ringes ist an dieser Kette das Bild der Maria - als Kniestück - mit dem Jesuskinde auf dem Arme, befestigt. Unterhalb derselben befindet sich ein mit den Spitzen aufwärts gekehrter Halbmond mit der Inschrift: „Ave mundi Domina!“ der nebst den das ganze Bild umgebenden Sonnenstrahlen die heilige Jungfrau als Himmelskönigin bezeichnet. Das ganze Bild soll an „die Gnade und Hilfe, die uns die Jungfrau Maria erworben hat", erinnern. Unter diesem Bilde hängt das eigentliche Ordenssymbol, ein Schwan, der durch sein reines Gefieder die Reinheit des Herzens und durch seinen Gesang kurz vor seinem Tode das stete Andenken an den Tod bezeichnen soll. Den Schwan umgibt eine gewundene Zwirnbinde, an deren beiden herabhängenden Zipfeln je fünf Franzen, d. h. Kettchen mit anhängenden Glöckchen, hängen. Diese letzteren sollten durch ihren Klang den Ritter an die zehn Gebote, an die Wachsamkeit und Bereitwilligkeit zu guten Werken erinnern.[128]

I, das dem E entspricht, zeigt die Standfiguren Johannes des Evangelisten, des Petrus und des Bartholomäus, darunter und darüber wiederum dasselbe Teppichmuster.

Fußnoten

[124] Cf.. über die drei Fenster F, G und H die Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst, herausgegeben von von Quast und Otte, 1858, II, S. 33. Die Kartons dieser drei Fenster bilden einen Saalschmuck der Leipziger Akademie.
[125] Von Quast a. a. O.: Maria, welche auf dem Sterbelager liegt, ist von Aposteln umgeben, von welchen der eine ihr den Kelch reicht, der andere ihr das Kreuz entgegenhält, der dritte aus einem heiligen Buche vorliest.
[126] Im Kriege trugen die Ritter über der Rüstung ein rotes Oberkleid mit dem weißen Kreuz. Cf. Altm. Jahresbericht, 2. Heft, S. 30.
[127] Diese Wappen sin in dem 2. Bande obiger Zeitschrift buntfarbig abgebildet.
[128] Soweit wir uns erinnern, existiert nur eine Original-Ordenskette, die einst der Generalpostmeister Nagler auf einer Auktion in Basel aufkaufte und dem nachmaligen Kaiser Friedrich schenkte; sie ist jetzt im Berliner Hohenzollern-Museum. Eine Darstellung der Ordenskette befindet sich noch als Stickerei auf einem Meßgewande im Dom zu Brandenburg. Cf. Freiherr von Stillfried-Rattonitz, Denkmale des Schwanenordens, Berlin 1842; derselbe, Der Schwanenorden, Halle 1845.