Die Zeit der Schutz- und Trutzbündnisse.
Das 14. Jahrhundert war ein Jahrhundert der grauenvollsten Verwirrung. Das Land war ein Spielball und Zankapfel widerstreitender fürstlicher Interessen. Wüste Unordnung herrschte allüberall. Dem Volke blieb nichts anderes als Selbsthilfe übrig. Wieder und wieder schlossen sich auch die Städte in der Altmark zu Schutz- und Trutzbündnissen gegen weltliche und geistliche Feinde zusammen. Das erste dieser Bündnisse wurde am 21. Dezember 1321 zwischen den adligen Männern und sämtlichen Städten der Altmark, darunter die Immediatstadt Werben, unter folgenden Bedingungen geschlossen: „Wer in besagten Ländern und Städten mit Gewalt und durch sich selber Richter sein wolle, indem er die alten und bis jetzt anerkannten Rechte nicht anerkennen wolle, und wer mit gewaltsamer Hand durch Raub, Brand, Gefangenschaft oder andere Gewaltmittel zu richten trachte, der solle aus allen genannten Städten und Ländern verbannt sein. Würde jemand wegen einem dieser schändlichen Verbrechen gefangen, so solle er nach dem alten, von den früheren Markgrafen empfangenen Rechte gerichtet werden.“ Nach der Niederlage auf der Gardeleger Heide trat Otto von Braunschweig mit seinem Besieger Ludwig in einen Vergleich ein, in welchem Otto gegen eine Entschädigung von 3000 Mark die Altmark an Ludwig abtrat. Da aber Ludwig, wie gewöhnlich, kein Geld hatte, so verpflichteten sich die sieben altmärkischen Städte, für ihn Zahlung zu leisten, wofür ihnen ein großer Teil der Einkünfte der Altmark verschrieben wurde. Am 22. Dezember 1343 schloss auch Werben mit Ludwig einen besonderen Vertrag. Danach konnte die Stadt ihre Festungswerke nach Belieben verstärken und die schon ausgeführten Bauten dieser Art stehen lassen.
Plötzlich ertönte im Frühjahr 1348 das Gerücht: „Waldemar ist wieder da! Er ist nicht gestorben, sondern an seiner Stelle ist ein anderer in der Fürstengruft zu Chorin beigesetzt; er selbst ist nach dem gelobten Lande gepilgert und jetzt heimgekehrt, um die Regierung seines Landes wieder anzutreten. Der Erzbischof von Magdeburg hat ihn als den echten Waldemar erkannt!" Auch Werben schenkte diesem Gerücht Glauben und gelobte am 26. Januar 1349 mit vielen anderen Städten, bei ihrem rechten Erbherrn Waldemar mit gutem Willen und mit ganzer Treue zu bleiben. Schon im Februar 1350 wurde Waldemar durch ein Schiedsgericht für unecht erklärt und das bayerische Haus wieder mit der Mark belehnt. Natürlich entbrannte nun wieder der Krieg zwischen den Askanier und den Bayern. Am 1. August 1352 stand der Markgraf Ludwig der Römer „zu Felde vor Osterholz". Bei dem trostlosen Zustande des Landes schlossen nun die Städte der Altmark am 10. August 1353 wiederum ein Bündnis zum Schutz gegen Raub, Mord, Brand, Gefängnis, Diebstahl und sonstige Gewalttat. Zur gegenseitigen Unterstützung wurde eine kleine Heeresmacht gebildet, zu welcher Werben zwei Gleven (Lanzenreiter) und einen Schützen stellte.[13]
Im Jahre 1358 wurden unter den altmärkischen Städten Stendal, Salzwedel, Gardelegen, Seehausen und Werben, als Angehörige der Hanse, nebst Berlin, Kölln, Pritzwalk, Kyritz, Havelberg und Perleberg zu einer Beratung über gemeinsame Maßregeln gegen die Fläminger nach Lübeck zusammenberufen. Im Jahre 1368 erging an die Bundesstädte die Mahnung, sie möchten bei dem Bundeskriege gegen den König von Dänemark allen ihren Einfluss bei Fürsten und Herren geltend machen, um diese von einem Bündnis mit demselben abzuhalten.
Als Karl IV. in der Mark regierte (1373 - 1378), kehrte einigermaßen Ordnung ein, aber nach seinem Tode folgten auf die bisherige Kaiserpracht wieder böse Tage. Sein Sohn Sigismund war noch ein Knabe, überdies fast niemals im Lande anwesend. Im April 1379 betrat er zum letzten Male das Schloss Tangermünde, auf welchem er fünf Jahre seiner Kindheit verlebt hatte. Seit 1381 hat er die Mark überhaupt nicht mehr gesehen. So waren denn die Städte wieder auf eigene Kraft angewiesen. Bei einem Bündnisse vom Jahre 1386 gegen „Räuber, Schinder und unrechtfertige Leute" musste Werben zu der gemeinsam bewaffneten Heeresmacht drei Gleven und einen Schützen stellen. Noch schlimmer wurde es in der Mark, als Sigismund, welcher inzwischen die Königswürde von Ungarn erworben hatte, die Mark an seine Vettern Jobst und Prokop von Mähren mit dem Rechte der Einlösung innerhalb der nächsten fünf Jahre verpfändete (1388). Jobst, ein Mann von seltener Unwürdigkeit, bestätigte nach angenommener Huldigung die Rechte der Stadt Werben am 1. Oktober 1388.
Zu den zahlreichen Bündnissen der Städte gegen äußere Gewalt gesellte sich im Jahre 1392 noch ein Bündnis gegen Bedrückungen des geistlichen Gerichts. Es umfasste diejenigen Städte der Altmark, welche zum Bistum Halberstadt gehörten, also auch Werben. Wenn ein geistlicher Richter einen Bürger verunrechten wollte, so wollten sie das nicht gestatten, sondern ihm behilflich sein, dass er dem Unrecht Widerstand leisten möge. Würde ein Bürger vor Gericht geladen, so sollte er den ersten Termin einhalten, die Vorladung aber dem Rate bringen. Im Falle seiner Unschuld wollte dann der Rat seines Wohnortes den Rat von Stendal davon unterrichten, und sie wollten dann ihm behilflich sein, dass er bei Recht bleibe. Käme es aber zur Appellation, so sollte aus jeglicher Stadt ein Ratmann nach Stendal reiten, woselbst der Archidiakonus des Balsambannes, der höchste geistliche Richter nächst dem Bischof, seine Residenz hätte. Auch wenn eine ganze Stadt durch das geistliche Gericht „gekränkt“ würde, so wollte man sich gegenseitig unterstützen und die Kosten nach einem bestimmten Verhältnis gemeinsam aufbringen.
Im August des nächsten Jahres (1393) vereinigten sich wieder Stendal, Osterburg, Seehausen und Werben auf drei Jahre zum Schutz gegen Räuber und sonstige Übeltäter. Wenn eine Stadt der Mannschaft der anderen bedurfte, so hatte sie für den ersten Tag auch die Verpflegung der Mannschaften und Pferde zu tragen; den zweiten bis siebenten Tag bezahlte jede Stadt für ihre eigenen Leute, über den siebenten Tag hinaus aber wieder die Stadt, welche die Hilfe so lange in Anspruch nahm. War die Mannschaft nicht vollzählig, so war für jeden fehlenden „Mann mit der Gleve" (Lanze) eine Mark Silber, für jeden Schützen eine halbe Mark zu zahlen, welche Gelder zu Verteidigungszwecken verwandt werden mussten.
Bessere Verhältnisse begannen erst, als König Sigismund den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg im Jahre 1411 zum Verweser der Mark bestellte. Lange zwar dauerte es, ehe sich die Städte der Altmark zur Huldigung entschließen konnten. Erst als der Rat von Gardelegen in einem Rundschreiben an die Städte zur Huldigung riet, wurde dieselbe geleistet, so dass Burggraf Friedrich am 11. Dezember 1412 auch die Stadt Werben bestätigen konnte. Friedrich, der seinen Sitz auf der Burg Tangermünde nahm, blieb, rüstig ordnend und schaffend, bis gegen den August 1414 in der Mark. Dann riefen ihn die Angelegenheiten des Reiches an den kaiserlichen Hof, von wo er erst im Dezember, freilich nur auf ganz kurze Zeit, zurückkehrte. Für die Zeit seiner Abwesenheit hatte er seine Gemahlin, die „schöne Else", zur Statthalterin eingesetzt.[14]