Der Besuch des Königs Friedrich Wilhelm IV.
Am herrlichsten zeigte sich der Patriotismus der Bewohner gelegentlich des Besuches Friedrich Wilhelms IV. Seit dem Jahre 1762, wo die Gemahlin Friedrichs des Großen hier weilte, um das aus dem dreißigjährigen Kriege berühmte Schwedenlager zu sehen, war kein Mitglied des preußischen Königshauses in den Mauern der Stadt gewesen. Umso größer war daher die Freude der Bewohner, als am 23. Mai 1841 die offizielle Nachricht eintraf, der König Friedrich Wilhelm IV. würde am Mittwoch, den 26. Mai, nach Werben kommen. Mit der größten Begeisterung war jeder bereit, zum möglichst festlichem Empfang des geliebten Königs alles zu tun, was in seinen Kräften stand. Vor dem Seehäuser Tor waren zwei Ehrenpforten errichtet: Die eine, die auf der über den Aland führenden Brücke stand, war mit Laubgewinden, Blumen und einer preußischen Flagge geschmückt; die andere, nahe am Eingang der Stadt, vor demselben Tor errichtete Ehrenpforte zeigte mit ihren Laubgewinden, Blumen und Fahnen reichen, äußerst geschmackvollen Schmuck. Am Nachmittag des 25. Mai schmückte jeder sein Haus; besonders waren die Häuser in der Seehäuserstraße, auf dem Markt, in der Markt- und Kirchstraße mit Blumen und Laubgewinden prächtig geschmückt und die Straßen mit Kränzen und Inschriften überzogen. Von den Türmen der Kirche, des Elbtores, der Domäne, sowie von dem Rathaus wehte die Nationalflagge.[117]
Der Morgen des 26. Mai brach herein und mit ihm neues Leben in der kleinen Stadt. Das schönste Wetter begünstigte die Feier. Gegen 7 Uhr ritt unter Führung des Ratmanns Achilles und des Domänenpächters Noth eine Deputation der Bürgerschaft, welche aus sechs ehemaligen Freiwilligen des Lützowschen Korps bestand, zum Empfang Seiner Majestät nach der Behrendorfer Straße und Grenze der Stadt. Der Magistrat, die Stadtverordneten, die Bürgerschaft, viele ehemalige Freiheitskämpfer und die Schützengilde zogen mit Musik nach dem Seehäuser Tor und stellten sich an der äußeren Ehrenpforte im Spalier auf.
Um 9½ Uhr vormittags erschallte der Ruf: „Der König kommt!" Die Glocken begannen zu läuten. Die zahllose Menge stimmte Jubelrufe an. Der mit sechs Pferden bespannte Wagen, in welchem Seine Majestät der König und Seine Königliche Hoheit der Prinz Karl saßen, näherte sich rasch und hielt auf Befehl Seiner Majestät vor der Ehrenpforte an, als der Bürgermeister Ebel sich dem Wagen nahte und folgende Worte an den König richtete:
„Eure Königliche Majestät erlaubt sich die Bürgerschaft dieser Stadt hier ehrfurchtsvoll zu begrüßen und ihren alleruntertänigsten Dank auszusprechen, dass Eure Majestät die hohe Gnade haben, unsere kleine Stadt mit Allerhöchst Ihrem Besuche zu beglücken. Indem Eurer Königlichen Majestät wir unsere Treue und Liebe versichern und um fernere Huld und Gnade flehen, geruhen Allerhöchst Sie mir weitere Befehle allergnädigst erteilen zu wollen."
Mit der bekannten Freundlichkeit nahmen Seine Majestät diese Worte entgegen und richteten noch einige Fragen in Bezug auf die Stadt an den Bürgermeister. Darauf setzte sich der Zug durch die Ehrenpforte und die hinter derselben zu beiden Seiten aufgestellten Reihen der Bürger, der ehemaligen Freiheitskämpfer und der Schützengilde zur Stadt in Bewegung. Unter fortwährendem Jubel fuhr der König durch die zweite Ehrenpforte und das Tor nach dem auf dem Markt belegenen Haus des Kaufmanns Achilles, wo Allerhöchstdieselben von dem Oberpräsidenten von Flottwell und von der Ritterschaft des Kreises empfangen wurden. Nach kurzer Erholung begaben sich die Hohen Herrschaften unter zahlreicher Begleitung zu Fuß nach der St. Johanniskirche, von der Geistlichkeit, den Lehrern und der Schuljugend ehrerbietig begrüßt. Zwei kleine Mädchen bestreuten den Weg in die Kirche vor Seiner Majestät mit Blumen. Beim Eintritt in die schöne Kirche ertönten Orgelklänge. Nachdem der König unter der Führung des Superintendenten Schulze die Merkwürdigkeiten der Kirche, besonders die Glasgemälde, in Augenschein genommen, begab sich derselbe nach dem Absteigequartier zurück, nahm eine kleine Erfrischung an, bestieg mit dem Königlichen Bruder nach beinahe einstündigem Aufenthalt den Reisewagen und fuhr langsam durch die Seehäuserstraße, bis zur ersten Ehrenpforte, indem er überall die jubelnden Einwohner und zahlreichen Fremden huldreichst begrüßte. Das „Altmarkische Intelligenz- und Leseblatt" bemerkt in seinem Festbericht: „Es verdient die ruhige Haltung der Bewohner von Werben eine rühmliche Erwähnung. So groß die Sehnsucht auch war, den hochverehrten Landesvater zu sehen, in einer Stadt, die seit länger als 200 Jahren keinen König in ihre Mauern geschlossen hatte, größer noch war die Ehrfurcht, und wo Seine Majestät hinschritt, überall traten die Bewohner ehrerbietig zurück. Es lag in dieser Selbstverleugnung, in diesem Streben, Seiner Majestät ihre Liebe zu beweisen, von dem die Herzen überflossen, in dieser stillen Huldigung etwas ungemein Rührendes, das der nur fühlen kann, der diese Stunde miterlebt hat."
Von Werben fuhr der König nach dem nahe gelegenen Wendemark und stieg in der Wohnung des Freisassen Dietrich Falke ab, um ein aus Königlicher Küche serviertes Frühstück einzunehmen. Haus und Hof waren festlich geschmückt. Im Innern der Wohnung, in einem Eichenkranz, begrüßte Seine Majestät folgende Inschrift:
„Ziehe wie zu Friedensfesten, wie zu Friedensfesten ziehe bei uns ein; Feire der Triumphe besten, den Triumph, geliebt zu sein."
Vor dem Eingang standen die Jungfrauen des Dorfes mit Blumengewinden, die Gemeinde mit ihrem Prediger. Seine Majestät erwiderten den Jubelruf der Versammelten mit einem freundlichen „guten Morgen". Außer der hohen Begleitung waren der Landwehr-Kommandeur von Rohr-Havelberg, der Freisasse Falke nebst Frau, die versammelten Rittergutsbesitzer, der Wendemarker Prediger und der Werbener Bürgermeister Ebel zur Frühstückstafel befohlen. Unaufgefordert hatten sich vier Lehrer aus Osterburg in dem Nebenzimmer eingefunden, um den Genuss des Mahles noch durch Gesang zu erhöhen. Nach aufgehobener Tafel verlangte der König, in die freie Luft zu treten. Er begab sich unter eine große Eiche. Das obige Blatt schildert die nun folgende Szene folgendermaßen: „Während sich der König an die Eiche lehnte, versammelten sich die Bewohner der hiesigen Gegend um den treu geliebten Landesherrn. Ach, das war ein trauliches Plätzchen! Der Vater, umringt von seinen Kindern in der ländlichen Zurückgezogenheit. Es wurde still unter der alten Eiche, und manchem mochten sich die Augen vor Freuden feuchten. So stand der König, huldvoll um sich blickend und freundlich redend, wohl über eine viertel Stunde. Dass diese Eiche für alle Zeiten die Königseiche heißen, dass niemals die Axt ihre Wurzeln berühren wird, braucht keinem Preußenherzen mehr gesagt zu werden. Nachdem Seine Majestät gegen den Freisassen Falke seine Zufriedenheit auf die huldvollste Weise zu erkennen gegeben, bestiegen Höchstdieselben mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Karl den Wagen, um die Reise nach Seehausen fortzusetzen."
Wir schließen diese Schilderung mit den Worten des Bürgermeisters Ebel am Schluss seines Festberichts an den Landrat: „So hat unsere Stadt ein großes Glück gehabt und einen Festtag erlebt, der über alles schön und erhaben war. Das Andenken daran wird ewig bleiben."