Die Burg Werben.

An der Stelle, an welcher heute die Stadt Werben liegt, erhob sich in früheren Zeiten eine geräumige Burg mit wasserreichen Gräben, hohen Wällen und starken Planken. Diese Burg reichte im Süden bis an den heute „Aland“ genannten Fluss, im Osten bis zum Ende der Schadewachtenstraße, im Westen jedenfalls bis zur Mitte der heutigen Fabianstraße und im Norden etwa bis zum Markte; sie umfasste also den heutigen Domänenhof und den Kirchplatz nebst den daran grenzenden Straßen. Aus jener alten Zeit stammt der noch heute erhaltene Straßenname „Schadewachten", d. h. „Schusswacht", weil in dieser Straße die Wächter der Burg, die Burgmannen, wohnten. In der Burg lag beständig eine deutsche Kriegsmannschaft, die sich in der Bewachung der Burg ablöste und dem Burggrafen gehorchte. Zum Unterhalt der Kriegsmannschaft diente ein zur Burg gelegter, bestimmt abgegrenzter Distrikt in der Umgebung; dieser war in Lose (Burglehen, Wurthen) abgeteilt. Jeder Burgmann erhielt ein solches Lehen statt des Soldes, mit dem Erbrecht auf seine Söhne. Die Burg hatte die schwierige Aufgabe, den überaus wichtigen Elbübergang an der Havelmündung zu schützen. Die Häuser waren klein, von Holz gebaut, mit Stroh gedeckt; in ihrer Mitte erhob sich die stattlichere Kirche, die aber damals jedenfalls auch nur aus Holz aufgeführt war. Der wendische Name dieser Burg „wiribeni“, „wirbene“, „werbene“ sagt noch nicht, dass Wenden sie ursprünglich angelegt, sondern nur, dass Wenden Veranlassung zu solcher Namengebung gehabt. Da der Name „Weide", „Weidenbusch“ bedeutet, Weiden gewiss auch damals überreichlich an der Elbe wuchsen, so lag die Bezeichnung des Ortes „Werben“ sehr nahe. Wenden aber wohnten im 10. und 11. Jahrhundert zahlreich in hiesiger Gegend.

Der Ursprung der Burg kann mit ziemlicher Sicherheit auf den König Heinrich I. (919 - 936) zurückgeführt werden. Als der politische Schwerpunkt des Deutschen Reiches unter Heinrich I. in das Sachsenland verlegt wurde, kam es darauf an, die Ostgrenze gegen die feindlichen Wenden zu sichern. Am gefährdetsten war die Grenze bei den Übergängen über die Flüsse. Da nun Werben an dem wichtigen Elbübergange an der Havelmündung lag, musste es notwendigerweise befestigt werden. Nur eine geschichtliche Sage ist es, dass König Heinrich I. den Ort wegen seiner Lage sehr geliebt, bei ihm die Wenden geschlagen und auf der anderen Seite der Elbe, nahe der Havelmündung, ein Kastell errichtet habe.

Zum ersten Male wird die Burg Werben im Jahre 1005 mit geschichtlicher Gewissheit genannt. Kaiser Heinrich II. hielt in dem genannten Jahre hier einen Reichstag mit den Wenden ab, auf welchem er die Verhältnisse des Reiches zu ihnen ordnete und sie zur Abgabe des ihnen so verhassten Zehnten zwang. Daraus, dass der Kaiser mit seinem in damaliger Zeit gewiss sehr zahlreichen Gefolge in der Burg Werben Platz gefunden, können wir mit Recht auf die Größe derselben schließen, wenn auch die Ansprüche auf Raum selbst bei den Fürsten damals außerordentlich bescheiden waren. Wir können uns vorstellen, welch ein kriegerisches Aussehen damals die Burg gehabt. Die Folgezeit war für die Burg und ihre Umgebung sehr trübe: Deutsche und Wenden kämpften über ein Jahrhundert lang mit wechselndem Kriegsglück um den Besitz dieser wichtigen Burg. Im Jahre 1024 hielt sich König Konrad in dem Schlosse Werben auf. Mehrere dahin gekommene Wendenfürsten unterwarfen sich dem deutschen Herrscher. Nochmals gedenken die Chronisten des Aufenthaltes Konrads zu Werben im Jahre 1032. Zur noch größeren Sicherstellung der Grenzen des Reiches gegen die wendischen Stämme der Liutizen und Wilzen legte er ein neues, mit starker Besatzung versehenes Kastell zu Werben an. Sobald aber der deutsche Herrscher den Rücken wandte, fielen die Wenden wieder in diese Gegend mit Raub, Brand und Mord ein. Im Jahre 1033 wurde bei dem Kastell Wirben ein Graf Luitger mit 42 anderen Deutschen getötet. In der Fastenzeit 1035 gelang es den Liutizen sogar, sich des Schlosses selbst mit List zu bemächtigen, den Grafen Dedo, den Befehlshaber der Besatzung, gefangen hinwegzuführen und viele Christen zu töten. Zwar unternahm der Kaiser noch in demselben Jahre einen Rachezug gegen die Wenden, machte sie auch wieder tributpflichtig, konnte aber auch jetzt nicht die Grenzen dauernd sichern.[1]

Im Jahre 1056 war Werben wieder der Schauplatz eines traurigen Ereignisses, welches im ganzen Reiche tief beklagt wurde. Kaiser Heinrich III. sandte ein großes Heer unter dem Oberbefehl des Markgrafen Wilhelm und des Grafen Dietrich gegen die Wenden aus. Nicht weit von dem Schlosse Prizlava an der Havelmündung wurde das deutsche Heer mitten zwischen beiden Flüssen unerwartet von den Liutizen angegriffen und völlig in die Flucht geschlagen. Wer dem Schwerte der Feinde glücklich entrann, fand seinen Tod in den Fluten der Flüsse. Der Markgraf Wilhelm selbst fiel; der von vielen Wunden bedeckte Leichnam desselben wurde vergeblich von den Deutschen gesucht. Die Wenden verfolgten ihren Sieg durch weiteres Vordringen in das Land der Sachsen. Den Kaiser erschütterte die Nachricht von dieser Niederlage dermaßen, dass die Chronisten seinen am 5. Oktober 1056 zu Botfeld am Harz erfolgten Tod dem Kummer über diese Niederlage seines Heeres und den Verlust seines ihm sehr teuren Markgrafen zuschrieben. Von der blutigen Schlacht sollen noch in später Zeit viele Waffen und Panzerstücke aufgefunden sein. Im Jahre 1057 wurden zwar die Feinde wiederum unterworfen, aber wiederum nicht dauernd. Der bequeme Elbübergang machte Werben immer wieder zum Schauplatz blutiger Ereignisse.

Über die Lage der Burg Prizlava, bei welcher die furchtbare Schlacht stattgefunden, sind die Ansichten sachverständiger Männer außerordentlich verschieden, weil die alte Bestimmung derselben, „an dem Ufer des Elbstromes, an der Mündung der Havel", eine dreifache Deutung zulässt, diesseits der Elbe und Havel, zwischen beiden Flüssen oder jenseits derselben. Bei der Entscheidung ist darauf zu achten, dass die Havelmündung früher weiter aufwärts, südwestlich von den bei dem Dorfe Quitzöbel belegenen Segebergen und westlich von der Kolonie Neu-Werben (auf der rechten Seite der Elbe) lag. Der slawische Name der Burg bedeutet jedenfalls „ergreife den Sieg, den Ruhm!" Entscheidend für die Beantwortung der strittigen Frage ist es, dass im Jahre 1225 ein Wiesengrundstück jenseits der Elbe und Havel zwischen den Dörfern Glöwen und Rodahn „Prinzlow“ genannt und an die Stadt Werben verkauft wird. Es ist daher wohl anzunehmen, dass dort die Burg Prizlava gelegen und als Stützpunkt der wendischen Unternehmungen ebenso gedient hat, wie die Burg Werben für die Deutschen. Jedenfalls ist die Burg in den fortwährenden Kämpfen frühzeitig zu Grunde gegangen.[2][3]

Fußnoten

[1] Ditmar bei Leibnitz T. 1 p. 382, Annalista Saxo ad A. 1005. Eccard T. 1. Riedel, Codex diplomaticus, T, VI, Seite 393.
[2] Annalista Saxo z. J. 1056 (Monum. Germ. Histor. Seript. VI, 690).
[3] Nähere Nachrichten siehe in dem „Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung", 1893, Nr. 6, S. 77.