e) Die Folgen des Krieges.
Unter den altmärkischen Städten hatte neben dem fünfmal ausgeplünderten Osterburg unsere Stadt Werben am meisten gelitten. Dahin war bis in die Gegenwart hinein der Wohlstand der Stadt, dahin auch ihre Bedeutung, dahin ihr stolzes Aussehen. Die Kirche arg beschädigt, die Häuser bis auf wenige zerstört, das St. Georg-Hospital verwüstet, die Kapelle des St. Gertrud-Hospitals in Brand geschossen, die doppelten Mauern mit ihren stolzen Türmen und Zinnen mit Gewalt zertrümmert – glich das Städtlein nur noch einer traurigen Ruine.
Aber deutlicher noch als das Bild redet die Statistik von dem elenden Zustande der Stadt. Wie furchtbar war die Einwohnerzahl herabgegangen! Belief sich, wie wir gesehen, die Zahl der bewohnten Feuerstellen im Jahre 1567 auf 267, so zählte man im Jahre 1638 am 10. September 105 bewohnte, 34 unbewohnte, 13 zerstörte und 113 leere Feuerstellen, im Jahre 1654 nur 87 bewohnte Häuser und im Jahre 1688 nur 102. Im Jahre 1567 hatte man etwa 3000 Einwohner gezählt, im Jahre 1634 dagegen nur 134 selbständige Personen, im Jahre 1645 nur 44 Kontribuanten (ohne den Rat) und im Jahre 1670 etwa 50 Hauswirte.
Schon 1632 war Werben so zu Grunde gerichtet, dass es nichts mehr zur altmärkisch-prignitzschen Städtekasse zahlen konnte. Erst im Jahre 1649 zahlte die Stadt wieder einen kleinen Beitrag zum Bier- und Scheffelgelde, im ganzen 32 Thaler. Einen wahrhaft traurigen Einblick in die städtischen Finanzverhältnisse gewähren die Stadtrechnungen aus jener Zeit: An Schossen, Scheffelziese, Zinsen, Renten, Bürgergeld, Zoll, Ratskeller- und Ziegeleierträge kam überhaupt nichts ein. Städtischen Einnahmen von 456 Gulden 23 Schilling 3 ½ Pfennig im Jahre 1634, von 281 Gulden 11 Schilling 7 Pfennig im Jahre 1635 standen um das Jahr 1636 schon ungefähr 16000 Gulden Schulden gegenüber. Da war es kein Wunder, dass die Stadt weder Zinsen noch Gehälter zahlen konnte. Um sich einigermaßen in der schweren Zeit zu helfen, ließen sich die städtischen Gläubiger gerichtlich städtische Grundstücke und Einkünfte zuweisen. Das ging so weit, dass der Große Kurfürst selbst den Gläubigern ein Halt zurufen musste. Im Jahre 1659 rettete der Fürst den Werbenern die Einkünfte ihrer Fähre, auf welche schon die Gläubiger ihre Hand legen wollten; im Jahre 1660, 1663 und 1682 gewährte derselbe auf 3, 2 und 6 Jahre sogenannte Moratorien, d. h. er nahm die Stadt während dieser Zeit vor ihren Gläubigern in seinen Schutz, so dass letztere ihre Ansprüche nicht geltend machen durften. Im Jahre 1657, 1674, 1692 fanden Untersuchungen des rathäuslichen „Wesens" statt. Ein allgemeiner Konkurs wurde schließlich erklärt, in welchem sämtliche Gläubiger leer ausgehen mussten. Nur so war es möglich, der Stadt die zur Verwaltung notwendigsten Einnahmen zu retten.
Fast noch schlimmer als die äußeren materiellen Folgen des Krieges waren die inneren sittlichen. Es war in der Zeit des furchtbaren Krieges ein Geschlecht herangewachsen, welches geordnete Zustände nicht kannte und durch den täglichen Anblick von Unrecht und Gewalt das Gefühl für Rechtlichkeit und Sittlichkeit verlor. Der damalige Führer des Kirchenbuches klagte in seinen lateinischen Neujahrsbetrachtungen: „Die Schlechtigkeit in der Welt ist größer denn je, so groß ist die Gottlosigkeit und Sündhaftigkeit, dass man seine Lust daran hat und kein Vergehen mehr darin sieht“. Um der Sünde willen, so fürchtete er, würden neuer Krieg, Pest, Hungersnot, ja das Ende der Welt hereinbrechen; schreckliche Naturereignisse, Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse, Missgeburten, meinte er, deuteten nur zu sehr auf dieses Ende hin.