Die Pfarrkirche.

Die Pfarrkirche diente nun als evangelische Predigerkirche. Zwar erklang noch lange in derselben lateinischer Gesang, zwar waltete in ihr noch lange in buntem Ornat der Geistliche seines Amtes, zwar standen noch lange an den Wänden die römischen Altäre, doch aber gewann sie mehr und mehr evangelisches Ansehen. Die Altäre wurden vernachlässigt oder ganz weggeschafft, von dem römisch-priesterlichen Gewande blieb nur noch das Rochett, jenes übliche weißleinenene Übergewand über dem schwarzen Chorrock, welches noch heute in vielen evangelischen Gemeinden Thüringens üblich ist. Mit der Einführung der Reformation fiel der Orgel die wichtige Aufgabe zu, den Gemeindegesang zu begleiten. Da die alte Orgel dieser neuen Aufgabe nicht mehr gewachsen schien, so entschloss sich die junge evangelische Gemeinde im Jahre 1577 zur Anschaffung einer neuen Orgel. Gar herrlich erwies sich die Liebe zum Gotteshaus bei dieser Gelegenheit. Pfarrer und Bürgermeister, Lehrer und Stadtschreiber machten sich selbst auf den Weg, Gelder für diesen Zweck zu sammeln. Reichlich flossen die Beiträge. An der Spitze der Geber standen der Rat mit 200 Gulden, B. Claus Goldbeck von Stendal mit über 26, B. Andreas Goldbeck in Werben mit 20 Gulden. So konnte denn schon im Jahre 1579 die von Meister Hans Thomas in Braunschweig erbaute Orgel geweiht werden.[59]

Nächst der Orgel war die Kanzel für den evangelischen Gottesdienst am wichtigsten. Der innige Wunsch der Gemeinde, die alte Kanzel durch eine neue würdige ersetzt zu sehen, sollte erst 1602 in Erfüllung gehen. Gewiss hätte man die Errichtung derselben gern dem schon damals allgemein geschätzten Bildhauer Hans Hake, dem Werbener Landsmann, übertragen. Da aber dieser Hans Hake gerade damals anderweitig in Anspruch genommen war – er baute zu jener Zeit den Hochaltar in der Stendaler Jakobi-Kirche – so wandte man sich an den Magdeburger Bildhauer Michael Spies, welcher sein Werk im Jahre 1602 vollendete. Auch bei dieser Gelegenheit bewies die Gemeinde ihren kirchlichen Sinn durch mancherlei freiwillige Beiträge, stiftete doch z. B. Meister Leonhard Kempfe, Stein- und Bruchschneider zu Rostock, nebst seiner Ehefrau Anna, geborene Engel, dazu 100 Gulden. Eine gleiche Summe wurde vom Glockengelde genommen; es wurde nämlich in demselben Jahre eine zersprungene Glocke, die 25 Zentner 13 Pfund wog, für 276 Thaler 8 Groschen 6 Pfennig nach Magdeburg verkauft. Konnte man die Errichtung der Kanzel selbst nicht dem Hans Hake übertragen, so doch die des Schalldeckels. Der Vertrag mit dem Künstler wurde im Jahre 1607 auf dem Havelberger Dom abgeschlossen, woselbst der Bildhauer damals bei der Herstellung des Epitaphs des Domdechanten Luitke beschäftigt war. Nach dem Muster dieses Grabdenkmals sollten die auf den sechs Ebenen des Schalldeckels stehenden Figuren der Treue, Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit, Klugheit und Besonnenheit hergestellt werden. Die Kosten des ganzen Werkes sollten 20 Thaler nicht übersteigen.[60][61]

Wie noch heute eine Inschrift am Gewölbe des hohen Chores besagt, fand im Jahre 1614 eine Erneuerung des Kircheninnern statt. Ganz in dem Geschmack jener Zeit wurde das Deckengewölbe mit einer großen Zahl goldiger und farbiger Sterne geschmückt, während man die Wände weiß tünchte und die Pfeiler nebst dem Gesims oben an dem Gewölbe braunrot anstrich. Die Kosten dieser Erneuerung beliefen sich auf etwa 110 Gulden.

Immer größer wurde die Zahl der Gräber in der Kirche. Wenn es irgend die Verhältnisse gestatteten, erkauften die Hinterbliebenen eine Grabstätte in der Pfarrkirche und schmückten dieselbe mit mächtigen Grabsteinen. Da kündigen uns zwei Grabsteine im hohen Chor die Ruhestätten des 1532 verstorbenen Komturs Joachim von Kleist und des 1559 verstorbenen Komturs Balthasar v. d. Marwitz an. Dort ruht Blandina Goldbeck, die Tochter des Havelberger Domdechanten Luitke, die Gemahlin des angesehenen Werbener Bürgers Christoph Goldbeck; dort ist es ein Ritter, der die letzte Ruhestätte gefunden hat – Eberhard von Holla, der Gesandte des Pommernherzogs und Oberst der Reiterei. Dort fällt uns der altersgraue Grabstein des 1520 verstorbenen Bürgermeisters Peter Krüger auf und dort der Stein, welchen der Bürgermeister Christian Kaulitz seinen früh verstorbenen Kindern errichtet; dort endlich vor der Kanzel befindet sich die Grabstätte derer von Nintorf auf Paris-Wendemark, welche 1617 die betrübte Witwe des Joachim von Rintorf für 100 Gulden erkauft. Vor allen anderen Gedenksteinen herrlich ist der des B. Joachim Frande, welchen dieser wohl schon zu seinen Lebzeiten errichten ließ.[62]

Fußnoten

[59] Der Betrag zwischen Rat und Meister Hans Thomas ist datiert vom Dienstag nach „Geburt Mariens“ 1577. Der Meister verlangte und erhielt 270 Taler nebst der alten Orgel.
[60] Die Kanzel stand bis 1868 an dem mittleren Schiffspfleiler auf der Südseite der Kirche. Die genaue Beschreibung der Kanzel folgt unten.
[61] Cf. Die Inschrift des Gedenksteines in dem Turmgewölbe, der weiter untern beschrieben ist. L. K. verheiratete sich 1580.
[62] Der erstere Grabstein befindet sich jetzt in dem Turmgewölbe der Kirche, der letztere im Gutgarten zu Neu Goldbeck bei Werben.