Die erste Kirchenvisitation in Werben.
Zur Durchführung der Reformation verordnete der Kurfürst eine allgemeine Kirchenvisitation, mit welcher er Matthias von Jagow, Jakob Stratner und den Kanzler Johann Weinleben beauftragte. Diese Visitatoren begannen ihr schwieriges, aber segensvolles Werk im August 1540 zu Berlin, eröffneten ihre Tätigkeit im November in Tangermünde und begaben sich dann nach Stendal und den anderen altmärkischen Städten. Endlich am 28. Oktober 1542 kamen sie auch nach Werben; ihre Aufgabe war, sich mit dem Komtur, dem Rat, den Geistlichen und Bürgern auseinanderzusetzen.
Am Sonnabend nach Simonis und Judae verhandelten sie mit dem Komtur Thomas Runge. In dem Vertrage heißt es: „Nachdem die Pfarre alhier zu Werben vor Alters bis daher der Komturei S. Johanns Ordens inkorporiert, auch daraus zu jeder Zeit mit Pfarrern und Kaplänen versehen und kuratiert, auch von einem jeden Komtur mit aller Notdurft versehen und unterhalten sein worden, welches sich nunmehr, weil den Priestern eheliche Weiber zu nehmen wiederum freisteht, schwerlich ja gar nicht hat leiden noch scheinen wollen; derowegen so hat gedachter Er Komtur auf Unterhandlung der Visitatoren dem Rat alhier die Pfarre mit Maß, Gestalt und Inhalt eines deshalb ausgerichteten Vertrags gänzlich abgetreten und eingeräumt und soll derowegen hinfürder zu jeder Zeit, da ein Pfarrer verstürbe oder die Pfarre resignieren und abtreten würde, der Rat einen Pfarrer zu Werben vokieren und hochgedachtem Unserm gn. Herrn oder Seiner Churf. Gnaden deshalb Befehlshaber präsentieren und da derselbe tüchtig befunden, von Sr. Churf. Gn. oder gedachten Befehlshaber investiert und konfirmiert und ohne dass Keiner angenommen, auch vom Rat ohne Vorwissen Sr. Churf. Gn. oder gewählten Befehlshabers Keiner beurlaubt (d. i. entlassen) werden". Dieses Abkommen verbreitete sich weiter über die Beiträge zur Unterhaltung der Kirchenbeamten. Darnach brauchte der Komtur nicht mehr, wie bisher, dem Schulmeister, seinem Gesellen, dem Küster und dem Organisten die Mahlzeiten auszurichten, musste aber dafür jährlich 80 Gulden märkischer Währung und zwar die eine Hälfte zu Pfingsten, die andere zu Martini zu „ewigen" Zeiten bezahlen; ferner behielt der Komtur das Recht, nebst den Komturei-Hausbewohnern (nebst den „Seinen“, wie es wörtlich heißt) durch des Pfarrers Hof und Garten zum Pfarrbrunnen zu gehen, sein Koch- und Brauwasser daselbst zu holen, wofür er die Pflicht übernahm, den Brunnen zum halben Teil bauen zu helfen und in „Bauung“ zu erhalten; endlich sei noch aus diesem Vertrage die Bestimmung hervorgehoben, dass der Rat nur mit Vorwissen des Komturs jemand in das Hospital St. Gertrud aufnehmen und die Hospitalrechnung nur in Gegenwart des Komturs legen soll.[49]
Am folgenden Tage, am Sonntag nach Simonis und Judae, verhandelte man weiter. Der Pfarrer wohnte bisher samt dem Kaplan in dem bei der Kirche gelegenen Pfarrhause, an welches ein Hof und ein Garten stießen. Die Hinterlassenschaft der Geistlichen wurde von dem Komtur zu Gelde gemacht; die Zinsen von diesem Erlös legte man den Pfarrgehältern zu. Das wurde nun alles anders. Die Visitatoren bestimmten, der Pfarrer sollte in dem Pfarrhaus allein wohnen, 40 Gulden 40 Pfennig Besoldung von den Vorstehern aus dem Gotteskasten, sowie die Opfer vom Einläuten eines Begräbnisses, von Trauungen und Taufen haben, dafür aber die Pfarrkinder mit Predigt des heiligen lauteren und reinen Gotteswortes, mit der Darreichung des heiligen Sakraments und Besuch der Armen versorgen.
Neben dem Pfarrer wurden zwei Kapläne auf des Gotteskastens (d. i. der Kirchenkasse) Unkosten bestellt. Der oberste Kaplan sollte in dem zum Lande Corporis Christi gehörigen Hause, worin damals der Pfarrer wohnte, sein Domizil aufschlagen, dazu 40 Gulden aus dem Gotteskasten jährliche Besoldung und einen Teil der Accidentien erhalten. Als Unterkaplan sollte Lorenz Rotideke seine beiden Vikareien (Seelenmessestiftungen) St. Ottilien und St. Gertrud im Hospital die Zeit seines Lebens behalten und dazu 3 Mark aus dem Gotteskasten. Zu dem Lehen St. Ottiliens gehörte ein Haus, ein kleiner Garten und 10½ Mark 13 Schilling 4 Pfennig. Nach seinem Ableben sollten beide Lehen in den Gotteskasten fallen, der Unterkaplan mit 30 Gulden daraus besoldet werden, obiges Haus, welches zu St. Ottilien gehörte, bei dieser Kaplanei verbleiben.
Der Oberkustos sollte in seiner bisherigen Wohnung bleiben, außer seinen Accidentien und Einkünften alle Vierteljahr 1 Mark empfangen. Der Schulmeister nebst seinem Schulgesellen (Bakkalaureus) behielt die Wohnung im Schulhaus. Sie bekamen bisher alle Vierteljahr 19 Pfennig, von den reicheren Knaben 7 Pfennig, von den ärmeren 1 Schilling. Außerdem bezahlte jeder Knabe 1 Groschen Holzgeld, die ärmeren 1½ und die reicheren 3 Pfennig Fenstergeld, die reicheren 6 Pfennig und die ärmeren 3 Pfennig für Beleuchtung. An allen höchsten Festen bekamen sie ein Quartal Bier oder 2 Pfennig, auf Fastnacht und Burghardi aber ½ Tonne Bier von dem Komtur. Auch erhielten sie Accidentien von Begräbnissen, Trauungen, Messen u. a. Das sollte alles so bleiben. Dazu bekam von nun an der Schulmeister jährlich 30 Gulden und der zweite Lehrer 20 Gulden aus dem Gotteskasten.
Zu Vorstehern des Gotteskastens wurden zwei Männer von dem Rat und zwei von der Gemeinde gewählt. Zwei von ihnen hatten je einen Schlüssel zum Gotteskasten, während der Pfarrer den dritten Schlüssel hatte. Nur in Gegenwart des Pfarrers und des Ratschreibers durfte man den Gotteskasten öffnen, nur in Gegenwart des Volkes die Almosen aus den Säckeln in denselben schütten. Dem Ratschreiber als dem Rechnungsführer fiel die Messtiftung St. Georgii zu.[50]
Das Einkommen des Gotteskastens setzte man folgendermaßen fest: 1. Alles Einkommen des Gotteshauses; 2. alles Einkommen von den Gilden; 3. alles Einkommen des Gotteshauses zum heiligen Geist, das selbst damals schon unbenutzt stand; 4. alles Einkommen der Memorien in Höhe von 3½ Mark 7 Schilling oder 7 Gulden 13 Schilling 4 Pfennig; Memorien d. h. Seelenmessestiftungen bestanden sieben an der Kirche, welche von dem Komtur Joachim Kleist, Albrecht Bungers, Matthias Kurdes zu Werben, Kersten Paris, Nikolaus Garlipp, Kanonikus zu Halberstadt, Balzer Paris zu Lübeck, Johannes Kurdes, Kanonikus zu Lübeck, und Titke Polkrit herstammten; endlich 5. das Einkommen einiger Vikareien. Von den Vikareien St. Ottilia und St. Gertrud war oben die Rede. Die Vikarei St. Georgii, die dem Ratschreiber und Kirchenrechner Felix Beliß zufiel, bestand aus einem Haus und einem Garten vor dem Seehäuser Tor auf dem ehemaligen Judenkirchhof, ferner aus einem jährlichen, zu Bartholomäi fälligen Zins von 6 Gulden, den damals Moritz Ballerstedt zu Osterholz zahlte, ferner aus 5 Gulden jährlichem Zins, der auf dem Neuenhof der Schenken ruhte, aus 2 Gulden Zins von Thomas Köhne zu Behrendorf und endlich aus 3 Gulden Zins von Busso Schartow zu Giesenslage.
Die Vikarei Corporis Christi sollte in Höhe von 3 Mark jährlich dem Vikar Gangkaw, das übrige aber der Kirche zufallen.
Die Vikarei St. Anna, welche 18 Gulden jährlichen Zins von Busso Schartow zu Giesenslage einbrachte, wurde dem Vikar Joachim Funk genommen und in den Gotteskasten geschlagen. Ebenso wurde die Vikarei Antonii, welche aus einem Haus und 10 Mark 12 Groschen bestand, dem Vikar Bethke genommen und dem Gotteskasten zugewiesen. Ein Gleiches tat man mit der Vikarei des Altars Trinitatis sive Exulum, die einen Garten und 8 Mark besaß und damals den Vikar Jacob Steder zum Inhaber hatte; doch sollte sie zunächst Heinrich Goldbeck, dem Sohne des Andreas Goldbeck, fünf Jahre lang zu seinem Studium in Frankfurt a. O., darnach einem anderen geschickten Bürgersohn zum Studium gegeben werden. Endlich wurde bestimmt, dass die Kommende Lamperti, welche die Familie Konow gestiftet hatte, in Höhe von 8 Mark fünf Jahre lang dem Joachim Konow, dem Sohne des Hans Konow, zu seinem Studium in Frankfurt, darnach einem anderen geschickten Bürgersohn verliehen werden sollte.
Von allem Einkommen sollte die Kirche jährlich den Armen zehn Spenden im Werte von 10 Gulden, für drei „Pfund“ Schuhe und vier Laken Wandes zu 8 Mark geben.
Das etwa waren die Bestimmungen der ersten Kirchenvisitation, wie sie den Beteiligten vorgelegt wurden. Letztere verpflichteten sich, dieselben anzunehmen und zu halten. Darauf wurde ihnen im Namen des Kurfürsten die Zusicherung erteilt, dass sie bei ihren Befreiungen, Statuten und Herkommen, so weit dieselben nicht mit Gottes Wort und der kurfürstlichen Kirchenordnung in Widerspruch stünden, bleiben sollten.