Die Innungen.
Natürlich waren auch in Werben die Gewerke in besonderen Innungen zusammengeschlossen. Die Schriftstücke über die Gewerksinnungen in Werben sind fast alle verloren gegangen. Nur über die Schuhmacher-, Lakenmacher- und Ärgilde existieren nähere Nachrichten, allerdings aus ganz verschiedenen Zeiten. Bevor wir darauf näher eingehen, senden wir einige allgemeine Angaben voraus.
Jedes Gewerk hatte sein Gildehaus, wo sich die Mitglieder zu Gewerksangelegenheiten wie auch zu geselligen Zwecken versammelten, woselbst auch – doch nicht immer – der Verkauf der fertigen Ware erfolgte. Sobald der Rat einem Gewerke Korporationsrechte verlieh, so erteilte er darüber einen Gildebrief, der gewöhnlich in zwei Exemplaren ausgefertigt wurde; das eine wurde im Stadtarchiv niedergelegt, das andere empfing die Gilde, welche es entweder in ihre Gildelade legte oder in der Gildetube anschlug, damit ein jeder Gelegenheit habe, sich zu aller Zeit über seinen Inhalt zu unterrichten. Auch wurden die Gildebriefe in das Gildebuch eingetragen, welches außerdem die wichtigeren Gildeverhandlungen aufnahm. Solche Gildebücher sind von den Werbener Schuhmachern aus dem Jahre 1477, von den Lakenmachern aus dem Jahre 1565 und von den Ärbürgern erst aus dem Jahre 1721 vorhanden.[35]
Die Gilden beglaubigten ihre amtlichen Ausfertigungen mit dem Gildesiegel. Nur wenige Siegel sind noch heute bekannt. Die Kaufleute führten merkwürdigerweise dasselbe Siegel wie die Stadt, wenn auch mit anderer Umschrift; in dem Siegel der Schneider stand um die aufgespannte Schere herum: „Das: Schneider: A: zu: Werben:“; das Siegel der Lakenmacher zeigt um den Wollbogen herum die Worte: „Die Lakenmacher zu Werben“; die Bädergilde trug in ihrem Siegel die Umschrift: + S' unionis Pistorum Werben, in der Mitte ein Roggenbrot, belegt dreipassförmig mit „Schichtsemmeln".[36][37]
Das Siegel der Schuhmacher scheint Nachstich eines älteren Siegels zu sein. Das Siegelbild zeigt Pfriemen und beilartiges Messer, darum die durch 1 bis 5 Punkte von einander getrennten Buchstaben W, Z, B, N, deren Bedeutung unklar ist.[38]
Bei der Aufnahme hatten die Söhne von Gildebrüdern unbedingten Vorzug, indem sie sofort aufgenommen wurden und ein weit geringeres Eintrittsgeld bezahlten, als die anderen; man wollte eben die jüngeren Handwerker durch Gewährung materieller Vorteile zur Niederlassung in ihrem Geburtsorte veranlassen. Erleichterte Aufnahme fand auch der, welcher eine Meisterwitwe oder Meistertochter heiratete. Wir werden das ganz deutlich aus dem weiter unten mitgeteilten Gildebrief der Lakenmacher (Leinweber) erkennen. Die Aufnahme in die Innung erfolgte in Gegenwart des Rates unter Ableistung eines Eides, worin Gehorsam gegen den Rat und pünktliche Befolgung der Gewerksvorschriften angelobt wurde.
Die Angelegenheiten der Gilde wurden in den Morgensprachen verhandelt, deren Termine bestimmt vorgeschrieben waren. Ihre Anzahl betrug meist zwei oder drei. Auf unbegründete Versäumnis der Morgensprache stand strenge Strafe.
Um gute Ware oder Arbeit zu erzielen, übten die Ratmänner und die Gildemeister strenge Aufsicht. Kein Fabrikat durfte verkauft werden, bevor es nicht probehaltig gefunden war. Übertretungen wurden mit strengen Strafen geahndet. Den Bäckern wurde die Größe des Brotes, den Fleischern die Reihenfolge des Schlachtens und die Preise für das Fleisch, den Brauern die für das Bier vorgeschrieben. Die Zahl der Gesellen und Lehrlinge, die ein Meister halten durfte, war genau vorgeschrieben. Auch die Wahrung der guten Sitte und des äußeren Anstandes wurde zur Gildesache gemacht. Endlich boten die Gilden die Grundlagen für Unterstützungskassen unter Meistern und Gesellen, namentlich unter letzteren, welche in Krankheitsfällen in schlimmer Lage waren.
Um einen Einblick in die ganzen sozialen Verhältnisse der damaligen Zeit zu gewähren, teilen wir den Gildebrief der Schuhmacher in hochdeutscher Sprache und heutiger Rechtschreibung, unter Auslassung des Unwichtigen, mit: